Objekte des Monats: Der Tau-Canis-Majoris-Haufen NGC 2362

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Der offe­ne Stern­hau­fen NGC 2362, im süd­li­chen Stern­bild Gro­ßer Hund (Canis Major), wur­de vor dem Jahr 1654 von dem ita­lie­ni­schen Natur­for­scher und Pries­ter­as­tro­no­men Gio­van­ni Bat­tis­ta Hodier­na ent­deckt. Am 6. März 1774 wur­de das Objekt von dem deutsch-bri­ti­schen Astro­no­men Fried­rich Wil­helm Her­schel wie­der­ent­deckt. Charles Mes­sier hat­te ihn dage­gen nicht in sei­nen Nebel­ka­ta­log ver­zeich­net. Her­schel beschrieb ihn als einen sehr schö­nen und rei­chen Hau­fen von ziem­lich gro­ßen Ster­nen. In der astro­no­mi­schen Lite­ra­tur ist der Stern­hau­fen auch als „Tau Canis Majo­ris Clus­ter“ und im Cald­well-Kata­log von Sir Patrick Moo­re als Cald­well 64 bekannt. Der Stern­hau­fen zählt zu den inter­es­san­tes­ten Nicht-Mes­sier-Objek­te des Him­mels. Der bekann­te ame­ri­ka­ni­sche Beob­ach­ter und Buch­au­tor Ste­phen James O‘Meara nennt NGC 2362 das „Nörd­li­che Schmuck­käst­chen“ – in Anleh­nung an das berühm­te Schmuck­käst­chen (NGC 4755) im süd­li­chen Stern­bild Kreuz des Südens.

Ein sehr junger und kompakter Sternhaufen

NGC 2362 ist ein 3,8 Magni­tu­den hel­ler und mit 8 Bogen­mi­nu­ten Aus­deh­nung rela­tiv klei­ner und recht kom­pak­ter Stern­hau­fen der Trump­ler-Klas­se I3p süd­lich des Him­mels­äqua­tors. Er ist bereits mit blo­ßem Auge und in jedem Fern­glas erkenn­bar, aber vor allem ein loh­nen­des Objekt für mit­tel­gro­ße Tele­sko­pe. Sei­ne Ent­fer­nung wird in der astro­no­mi­schen Lite­ra­tur mit 4.830 Licht­jah­ren, sein wah­rer Durch­mes­ser mit etwa 9 Licht­jah­ren und sein Alter mit 4 bis 5 Mil­lio­nen Jah­ren ange­ge­ben. Er ent­hält haupt­säch­lich jun­ge und hei­ße blau-wei­ßen Ster­ne. Mit die­sem Alter zählt NGC 2362 zu den jüngs­ten bekann­ten offe­nen Stern­hau­fen in unse­rer Milch­stra­ße. Der Stern­hau­fen besteht aus etwa 30 sicht­ba­ren Ein­zel­ster­nen. Die­se besit­zen eine schein­ba­ren Hel­lig­keit von 8 bis 10 mag. Wei­te­re 20 bis 30 schwä­che­ren Ster­nen grup­pie­ren sich eng um den hel­len Stern Tau Canis Majo­ris herum.

NGC 2362
NGC 2362 im Gro­ßen Hund – Auf­nah­me vom CEDIC Team & Bern­hard Hubl, Quel­le: CCD-Gui­de, Astro­no­mi­scher Arbeits­kreis Salzkammergut

Die Gesamt­mas­se des Hau­fens wird auf etwa 500 Son­nen geschätzt. Dar­über hin­aus ent­hält NGC 2362 eini­ge Dut­zend unent­wi­ckel­te B‑Sterne und meh­re­re hun­dert mut­maß­li­che Mit­glie­der der Vor-Haupt­rei­he mitt­le­rer und gerin­ger Mas­se. Beob­ach­tun­gen mit dem Spit­zer-Welt­raum­te­le­skop im Jahr 2009 zeig­ten, dass die meis­ten Mit­glie­der ihre dich­ten inne­ren zir­kum­stel­la­ren Schei­ben bereits auf­ge­löst haben. Nur 35 Ster­ne des Hau­fens wie­sen Anzei­chen einer pri­mor­dia­len Schei­be auf. Die­se zir­kum­stel­la­ren Schei­ben ver­schwin­den in der Regel inner­halb von 3 bis 10 Mil­lio­nen Jah­ren. Dyna­mi­sche Unter­su­chun­gen von NGC 2362 deu­ten fer­ner dar­auf hin, dass der Stern­hau­fen län­ger als die Ple­ja­den, aber nicht so lan­ge wie die Hya­den über­le­ben wird, bevor er sich voll­stän­dig auf­löst. Der Stern­hau­fen ent­hält auch drei kurz­pe­ri­odi­sche Ver­än­der­li­che. Einer von ihnen ist mög­li­cher­wei­se der hei­ßes­te bekann­te Del­ta-Scu­ti-Stern. Außer­dem wur­de im Jahr 2005 nur ein Kan­di­dat für einen klas­si­schen Be-Stern gefunden.

Tau Canis Majoris

Der hells­te Stern von NGC 2362 ist der blaue Über­rie­se Tau Canis Majo­ris. Die­ser besitzt eine schein­ba­re Hel­lig­keit von 4,39 mag und die Spek­tral­klas­se O9 II. Der Stern bil­det auch das Zen­trum des Stern­hau­fens. Gleich­zei­tig ist Tau CMa, der den 19,8‑fachen Son­nen­ra­di­us besitzt, ein spek­tro­sko­pi­scher Dop­pel­stern mit einer Umlauf­zeit von 154,8 Tagen. Das Sys­tem besteht wie­der­um aus min­des­tens drei wei­te­ren Kom­po­nen­ten und ist dem­zu­fol­ge ein Mehr­fach­stern aus ins­ge­samt fünf Mit­glie­dern. Die Gesamt­mas­se des Stern­sys­tems beträgt 40 bis 50 Son­nen­mas­sen. Fer­ner ist Tau CMa, mit einer abso­lu­ten Hel­lig­keit von ‑7 mag, einer Ober­flä­chen­tem­pe­ra­tur von 32.000 Kel­vin und etwa 280.000 Son­nen­leucht­kräf­ten, einer der hells­ten bekann­ten Ster­ne in unse­rem Milch­stra­ßen­sys­tem. Unse­re Son­ne hät­te in der Ent­fer­nung des Tau Canis Majo­ris Clus­ter nur eine schein­ba­re Hel­lig­keit von 15,5 mag!

Tau CMa
Tau Canis Majo­ris – Cre­dit: ESO, CC BY 4.0, via Wiki­me­dia Commons

Die Kom­po­nen­ten Tau CMa Ab1 und Ab2 sind B‑Hauptreihensterne (Spek­tral­klas­se B0,5V). Jede Kom­po­nen­te hat wie­der­um eine geschätz­te Mas­se von 17,8 Son­nen­mas­sen. Die übri­gen Ster­ne des Stern­hau­fens besit­zen Hel­lig­kei­ten zwi­schen 7 und 13 Grö­ßen­klas­sen. Auch hier han­delt sich über­wie­gend um Haupt­rei­hen­ster­ne der Spek­tral­klas­se B. Ihre Leucht­kraft ist zwi­schen 1.000 und 1.500 mal grö­ßer als die der Son­ne. Alle die­se Ster­ne gehö­ren zu den kurz­le­bigs­ten Stern­ty­pen, die auf­grund ihrer hohen Mas­se ihren nuklea­ren Brenn­stoff­vor­rat schnell ver­brau­chen und am Ende ihres Lebens in einer gigan­ti­schen Super­no­va­ex­plo­si­on ver­ge­hen wer­den. Tau CMa ist auch das ein­zi­ge Mit­glied des Hau­fens, das sich bereits von der Haupt­rei­he ent­fernt hat: in sei­nem Kern wird kein Was­ser­stoff mehr zu Heli­um fusioniert.

NGC 2362 ist im angel­säch­si­chen Sprach­raum auch unter dem Namen „Mexi­ka­ni­sche Spring­boh­ne“ bekannt, da man beim Betrach­ten des Hau­fens angeb­lich einen inter­es­san­ten Effekt beob­ach­ten kann, der durch den Hel­lig­keits­kon­trast des hells­ten Sterns her­vor­ge­ru­fen wird. Der Stern scheint im Ver­gleich zu den ande­ren Ster­nen des Hau­fens regel­recht zu springen.

Sharpless 310 und weitere Objekte

Unmit­tel­bar öst­lich von NGC 2362 befin­det sich die etwa 1,5 x 5 Grad gro­ße H‑II-Regi­on Shar­pless 310 (Sh2-310). Die­ses Stern­ent­ste­hungs­ge­biet ist vor allem auf lang belich­te­ten Auf­nah­men die­ser Him­mels­re­gi­on als unvoll­stän­di­ger Ring zu erken­nen. Sie befin­det sich in der glei­chen Ent­fer­nung wie unser Stern­hau­fen. Sehr wahr­schein­lich ist NGC 2362 mit die­ser H‑II-Regi­on ver­bun­den und aus einem Teil die­ser gigan­ti­schen Gas­wol­ke ent­stan­den. Das Gas wird von den Ster­nen 29 CMa, Tau CMa und den frü­hen B‑Typen in NGC 2362 ioni­siert. Das gesam­te ursprüng­li­che mole­ku­la­re Gas und der Staub wur­den jedoch durch den inten­si­ven Strah­lungs­druck der jun­gen, hei­ßen Hau­fen­mit­glie­der regel­recht weg­ge­bla­sen. Die Stern­ent­ste­hung scheint damit zum Still­stand gekom­men zu sein.

Canis Major
Das Stern­bild Gro­ßer Hund (Canis Major) am Winterhimmel

Der Tau-Canis-Majo­ris-Hau­fen befin­det sich in der glei­chen Regi­on wie der schwä­che­re offe­ne Stern­hau­fen NGC 2354 (1 ½ Grad nörd­lich von NGC 2362) und der Rote Hyper­rie­se VY Canis Majo­ris, der mit einem Durch­mes­ser von 1.420 Son­nen­ra­di­en einer der größ­ten bekann­ten Ster­ne der Gala­xis ist. Der 5 mag hel­le Dop­pel­stern h3945 steht 2° nörd­lich und etwas west­lich von NGC 2362. Er wird wegen sei­ner deut­lich roten und weiß­gel­ben Kom­po­nen­ten (4,8 & 6,8 mag), die 26 Bogen­se­kun­den aus­ein­an­der ste­hen, auch „Win­ter-Albi­reo“ genannt. Für vie­le Stern­freun­de ist der Tau-Canis-Majo­ris-Hau­fen ein ver­gleich­ba­res Juwel wie der berühm­te Dop­pel­stern­hau­fen h & χ (NGC 869/884) im Stern­bild Per­seus, vor allem wenn man ihn fern jeder Licht­ver­schmut­zung am Süd­him­mel beob­ach­te kann.

Beobachtung

NGC 2362 ist auf­grund sei­nes hells­ten Mit­glieds­sterns bereits mit dem blo­ßen Auge erkenn­bar. In einem han­dels­üb­li­chen 10x50 Feld­ste­cher ist Tau CMa von einer Hand­voll schwa­cher Ster­ne an der Wahr­neh­mungs­gren­ze in einer Art Nebel­hauch umge­ben. Im 2,5 bis 3‑Zoll-Refrak­tor sind etwa ein Dut­zend Ster­ne zu erken­nen. Die­se kon­zen­trie­ren sich auf ein Gebiet von etwa 3 Bogen­mi­nu­ten Aus­deh­nung. Indi­rekt kann man bei höhe­rer Ver­grö­ße­rung noch mehr Ster­ne an der Sicht­bar­keits­gren­ze erken­nen, die sich vom neb­li­gen Hin­ter­grund abhe­ben. Bei 4 bis 6‑Zoll Öff­nung und einer mitt­le­ren Ver­grö­ße­rung von 50 bis 60-fach ist der offe­ne Stern­hau­fen fast voll­stän­dig in mehr als zwei Dut­zend blaue Ein­zel­ster­ne von 10 bis 12 mag Hel­lig­keit auf­ge­löst. Dabei stört Tau CMa die Beob­ach­tung recht stark, da er die schwä­che­ren Mit­glieds­ster­ne regel­recht über­strahlt. Mit 8 bis 10-Zoll gro­ßen Reflek­to­ren sind etwa 40 Ein­zel­ster­ne sicht­bar. Sie bil­den mit dem hells­ten Stern des Hau­fens eine Art Pyramidenmuster. 

Aufsuchkarte
Auf­such­kar­te für NGC 2362 – erstellt mit SkytechX

NGC 2362 ist am bes­ten von Dezem­ber bis in den Febru­ar hin­ein zu sehen, wenn das Stern­bild Canis Major im Süden kul­mi­niert. Auf­grund sei­ner süd­li­chen Lage von ‑25° Dekli­na­ti­on erreicht er in mit­tel­eu­ro­päi­schen Brei­ten jedoch nur eine sehr gerin­ge Hori­zont­hö­he. Wir fin­den ihn ober­halb des hells­ten Sterns unse­res Nacht­him­mels, Siri­us (Alpha CMa, ‑1,4 mag), mit einer gedach­ten Linie zu den Ster­nen Omi­kron 2 Canis Majo­ris (3,0 mag) und Wezen (Del­ta CMa, 1,8 mag). Tau befin­det sich etwa 2 ¾ Grad nord­öst­lich von Del­ta. Der Stern soll­te bei ent­spre­chen­den Bedin­gun­gen schon aus der Vor­stadt her­aus zu sehen sein. Wir stel­len zunächst Del­ta CMa im Sucher ein. Nun schwen­ken wir das Tele­skop 3° nach Osten und knapp 1° nach Nor­den, wo schließ­lich Tau und mit ihm der Stern­hau­fen im Sucher erscheint. Direkt nörd­lich davon befin­det sich noch der 5 mag hel­le Stern 29 CMa. Die­ser Stern kann eben­falls als Ori­en­tie­rung für die Suche dienen.

Auf­such­kar­te Tau-Canis-Majo­ris-Hau­fen (NGC 2362) (82,7 KiB, 36 hits)

Steckbrief für NGC 2362

Daten und Fak­ten für den Tau-Canis-Major-Hau­fen (NGC 2362) im Gro­ßen Hund (Canis Major)
Objekt­na­meNGC 2362
Kata­log­be­zeich­nungCol­lin­der 136, Melot­te 65, Raab 52, OCL 633, ESO 492-SC9 
Eigen­na­meTau Canis Major Clus­ter, Tau-Canis-Major-Hau­fen, Nor­t­her Jewel Box, Nörd­li­ches Schmuckkästchen
Typoffe­ner Stern­hau­fen, I 3 p n
Stern­bildGro­ßer Hund (Canis Major)
Rekt­aszen­si­on (J2000.0)07h 18m 41,4s
Dekli­na­ti­on (J2000.0)-24° 57′ 15″
V Hel­lig­keit4,1 mag
Win­kel­aus­deh­nung6,0′
Anzahl der Sterne60
Hells­ter Stern4,4 mag
Durch­mes­ser9 Licht­jah­re
Ent­fer­nung4.830 Licht­jah­re
Beschrei­bungH VII 17;40 * to 13 mag sur­round Tau Cma;sev pairs; Cl,pL,Ri,(30 CMA)
Ent­de­ckerGio­van­ni Bat­tis­ta Hodier­na, 1654
Stern­at­lan­tenCam­bridge Star Atlas: Chart 9 & 15
Inter­stel­larum Deep Sky Atlas: Chart 84
Mill­en­ni­um Star Atlas: Charts 345–346 (Vol I)
Pocket Sky Atlas: Chart 27
Sky Atlas 2000: Chart 19
Urano­me­tria 2nd Ed.: Chart 154

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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