Messier 38 (NGC 1912), im Wintersternbild Fuhrmann (Auriga), ist der westliche und visuell schwächere der drei Messier-Sternhaufen in diesem Sternbild. Er wurde im Jahr 1654 von dem italienischen Naturforscher Giovanni Battista Hodierna entdeckt und 1749 unabhängig von dem französischen Astronomen Guillaume Le Gentil aufgefunden. Sein Landsmann Charles Messier trug den offenen Sternhaufen am 25. September 1764 in seinen berühmten Nebelkatalog ein und beschrieb ihn als 15 Bogenminuten großen rechteckigen Haufen aus schwachen Sternen und ohne Nebel nahe dem Stern Sigma Aurigae. Ungefähr ein halbes Grad südwestlich von M 38 befindet ein weiterer, deutlich kompakterer offener Sternhaufen mit der Bezeichnung NGC 1907. Dieser wurde am 17. Januar 1787 von dem deutsch-britische Astronomen Friedrich Wilhelm Herschel entdeckt. Der dänische Astronom John L. E. Dreyer beschrieb ihn später als ziemlich gedrängt und rund. Messier 38 ist im angelsächsischen Sprachraum auch als „Starfish Cluster“ (Seesternhaufen) bzw. „Pi Cluster„bekannt. Die ebenfalls von Hodierna entdeckten offenen Sternhaufen, M 36 und M 37, werden oft zusammen mit M 38 erwähnt.
Ein interessanter Sternhaufen am Nordhimmel
Messier 38 ist ein lockerer und unregelmäßiger offener Sternhaufen und befindet sich 3.480 Lichtjahre von der Erde entfernt. Der amerikanische Amateurastronom Kenneth Glyn Jones hat sogar eine deutlich geringere Entfernung von nur 2.750 Lichtjahren angegeben. Somit steht M 38 der Erde rund 1.000 Lichtjahre näher als Messier 36 und Messier 37. Der Sternhaufen enthält mehr als 100 visuell sichtbare Mitgliedssterne, die sich auf einer Fläche von ungefähr 20 Bogenminuten am Himmel verteilen. Das entspricht einem wahren Durchmesser von ungefähr 15 Lichtjahren. Mit einem Alter von 290 bis 320 Millionen Jahren, handelt es sich bei M 38 noch um einen sehr jungen Sternhaufen. Die Plejaden (Messier 45), im Sternbild Stier, sind mit einem Alter von 115 Millionen Jahren deutlich jünger. Somit ist M 38, ähnlich wie die Plejaden, noch jung genug, um viele helle blaue Sterne zu beherbergen. Der Sternhaufen befindet sich am äußeren Rand des lokalen Milchstraßen-Spiralarms, der auch als Orion-Arm bezeichnet wird, rund 55 Lichtjahre über der galaktischen Ebene. Mit einer scheinbaren Helligkeit von 6,4 mag, ist Messier 38, unter optimalen Bedingungen, sogar mit dem bloßem Auge als unscharfer Nebelfleck inmitten der Wintermilchstraße sichtbar.
Der hellste Stern des Sternhaufens, mit einer scheinbaren Helligkeit von 7,9 mag und 900-facher Sonnenleuchtkraft, ist ein gelber Riese der Spektralklasse G0 und befindet sich rund 9 Bogenminuten nordöstlich des Haufenzentrums. Stünde unsere Sonne in derselben Entfernung wie M 38, würde sie nur eine scheinbare Helligkeit von 14 Magnituden aufweisen. Der gelbe Riese hat seinen Wasserstoffvorrat bereits aufgebraucht und ist in die Phase des Heliumbrennens eingetreten. Des Weiteren enthält der Haufen zahlreiche Hauptreihensterne der Spektralklasse A und einige Riesen der Spektralklasse B5, mit absoluten Helligkeiten von ‑1,5 Größenklassen. Die Dichte im lockeren Zentralteil beträgt 8 Sterne pro Kubikparsec. Insgesamt enthält der Sternhaufen bis zu 600 Mitglieder.
Der „Begleiter“ NGC 1907
NGC 1907 ist ein deutlich kleinerer und lichtschwächerer offener Sternhaufen und wird bei der Beobachtung von M 38 oft übersehen. Er befindet sich nur 30 Bogenminuten südwestlich von Messier 38. Der Sternhaufen besitzt eine scheinbare Helligkeit von 8,2 mag und einen scheinbaren Durchmesser von 6 Bogenminuten. Mit einer Entfernung von 4.200 Lichtjahren, befindet sich der Sternhaufen 700 Lichtjahre hinter M 38 und deutlich näher an die beiden anderen, weiter oben erwähnten Sternhaufen in der Auriga-Konstellation. Der Sternhaufen besitzt eine Ausdehnung von ca. 5 Lichtjahren und enthält nur rund 30 Sterne der 11. Größenklasse, die erst in mittleren Teleskopen sichtbar sind. Beide offene Sternhaufen besitzen unterschiedliche Radialgeschwindigkeiten und Eigenbewegungen und sind wahrscheinlich in unterschiedlichen Regionen unserer Milchstraße entstanden. Demzufolge stehen sie aktuell nur rein zufällig in unmittelbarer räumlicher Nähe zueinander. Mit einem Alter von 500 Millionen Jahren, ist NGC 1907 auch etwas älter als sein deutlich größerer Nachbar M 38. Beide Sternhaufen werden durch die galaktische Extinktion um ca. eine Größenklasse abgeschwächt.
Ein weiterer offener Sternhaufen mit der Bezeichnung Czernik 21 steht nur 20 Bogenminuten nordwestlich von M 38. Im Gegensatz zu NGC 1907, hebt sich dieser Sternhaufen aber kaum vom Himmelshintergrund ab. Knapp 12 Bogenminuten nördlich von M 38 befindet sich auch der planetarische Nebel Abell 9 (PK172+0.1), der mit 18,9 mag Helligkeit selbst für große Fernrohre eine Herausforderung darstellt. Mit einer geschätzten Entfernung zwischen 37.000 bis 51.000 Lichtjahren, steht dieses Objekt aber weit im Hintergrund.
Beobachtung
Messier 38 ist unter einem dunklen Landhimmel und optimalen Bedingungen, zusammen mit seinen Nachbarn Messier 36 und Messier 37, mit dem bloßen Auge zu sehen. Aufgrund seiner Ausdehnung, ist Messier 38 am besten in kleinen bis mittleren Teleskopen zu beobachten. Im Sucherteleskop und im 8x42 Fernglas bleibt der Sternhaufen noch unaufgelöst und erscheint nur als nebliger Wölkchen. In einem 10x50 Feldstecher sind schon die ersten Einzelsterne der 9. bis 10. Größenklasse vor einem nebligen Hintergrund erkennbar. In meinem 16x70 Fujinon erscheint M 38 bereits fast vollständig in rund ein Dutzend lichtschwache und lose verteilte Einzelsterne aufgelöst. Die hellsten Mitglieder des Haufens sind dabei direkt sichtbar. Teleskope von 2 bis 3 Zoll Öffnung und 30 bis 50-facher Vergrößerung zeigen M 38 schon vollständig in 50 bis 60 Einzelsterne aufgelöst, die sich in Ketten anordnen. Viele schwächere Sterne sind dabei über dem gesamten Haufen verstreut. Eine gewundene auffällige Sternenkette verläuft von Norden bis in das lockere Haufenzentrum hinein. Bei niedriger Vergrößerung formen die hellsten Mitglieder ein Muster, das Ähnlichkeiten mit dem griechischen Buchstaben „Pi“ aufweist. Dieses Muster kann auch als „schiefes Kreuz“ oder als unregelmäßige Pfeil gedeutet werden. Der Zentralbereich des Haufens erscheint recht leer. Mit einem 4 bis 6 Zoll großen Teleskop tritt das Kreuz in den Hintergrund und es erscheinen bei 68-facher Vergrößerung Dutzende Sterne bis zur 13. Größenklasse, die in schwachen Sternenketten angeordnet sind. Nun zeigt sich auch das Zentrum von M 38 deutlich konzentrierter. Die Sternendichte ist im südlichen Teil des Sternhaufens deutlich erhöht. Umgeben sind die Sterne nach wie vor von einem Schleier nicht aufgelöster Sterne. Mit 8 bis 10 Zoll Öffnung und geringer Vergrößerung füllt der Sternhaufens fast das gesamte Gesichtsfeld aus und erscheint als lockere Gruppierung von mittelhellen bis schwächeren Sternen. Die X‑Form des Haufens ist nun deutlich auffälliger. Viele Sterne erscheinen nun in Paaren angeordnet.
NGC 1907, nur eine Vollmondbreite südwestlich, steht im schönen Kontrast zu M 38. Verbunden werden die beiden Sternhaufen durch einen Ring aus Sternen. NGC 1907 ist ebenfalls in kleinen bis mittleren Teleskopen und mit geringer Vergrößerung sichtbar, kommt aber mit deutlich größerer Öffnung besser zur Geltung. Mit einem Weitfeldokular mittlerer Vergrößerung und mindestens 1 Grad scheinbaren Gesichtsfeld, können beide Objekte zusammen im 6 bis 8 Zoll Reflektor beobachtet werden. Der kleinere Sternhaufen erscheint allerdings nur als granulierte, rautenförmige Wolke, mit einigen helleren Sternen im Zentrum. In größeren Teleskopen ab 10 bis 12 Zoll, sowie Vergrößerungen um 80-fach, löst sich diese Wolke in einen Schwarm aus 30 bis 40 Sternen der 11. bis 13. Größenklasse auf. NGC 1907 erscheint nun deutlich eindrucksvoller. Zwei Feldsterne der 10. Größe begrenzen den Sternhaufen im Süden.
Messier 38 und NGC 1907 sind am besten in den Wintermonaten beobachtbar, wenn das Sternbild Fuhrmann hoch am Himmel kulminiert. M 38 befindet sich nahezu in der Mitte des Auriga-Fünfecks und auf halbem Wege der Verbindungslinie zwischen Iota (2,7 mag) und Theta Aurigae (2,6 mag). Beobachtet man mit dem Sucher bzw. einem Fernglas diese Himmelsregion, ist ein pfeilartiges Sternenmuster, ca. 4 ½ Grad östlich von Iota Aur, erkennbar, das aus den 5 bis 6 mag hellen Sternen 16, 17, 18 und 19 sowie dem Veränderlichen Stern IQ Aurigae besteht. Der offene Sternhaufen erscheint als nebelartiger Lichtfleck genau in der Verlängerung des Pfeilkopfes rund 2 ½ Grad in Richtung Nordosten versetzt und nördlich zweier Sterne der 6. Größenklasse. Messier 36 steht ebenfalls, 2,3° südöstlich, im selben Gesichtsfeld.
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Steckbrief für Messier 38 & NGC 1907
Objektname | Messier 38 NGC 1907 |
Katalogbezeichnung | NGC 1912, OCL 433, Collinder 67, Melotte 36 OCL 434 |
Eigenname | Starfish Cluster, Seesternhaufen, Pi-Cluster |
Typ | offener Sternhaufen, III 2 m offener Sternhaufen, II 1 m n |
Sternbild | Fuhrmann (Auriga) |
Rektaszension (J2000.0) | 05h 28m 42,0s 05h 28m 06,0s |
Deklination (J2000.0) | +35° 51′ 00″ +35° 20′ 00″ |
V Helligkeit | 6,4 mag 8,2 mag |
Flächenhelligkeit | 12,0 mag |
Winkelausdehnung | 15,0′ 5,0′ |
Anzahl der Sterne | 100 30 |
Hellster Stern | 9,5 mag 11,3 mag |
Durchmesser | 15 Lichtjahre 5 Lichtjahre |
Entfernung | 3.480 Lichtjahre 4.200 Lichtjahre |
Beschreibung | Cl,B,vL,vRi,iF,st L & S; in Aur OB1;Burnham-shaped like Greek letter Pi Cl,pRi,pC,R,st9…12; H VII 39 |
Entdecker | Giovanni Battista Hodierna, 1749 Friedrich Wilhelm Herschel, 1787 |
Sternatlanten | Cambridge Star Atlas: Chart 9, 10, 15 Interstellarum Deep Sky Atlas: Chart 25 & 37 Millennium Star Atlas Charts: Charts 113–114 (Vol I) Pocket Sky Atlas: Chart 12 Sky Atlas 2000: Chart 3 Uranometria 2nd Ed.: Chart 59 |