Der offene Sternhaufen Messier 35 (NGC 2168) in den Zwillingen (Gemini) wurde von dem Schweizer Astronomen Philippe Loys de Chéseaux vor dem Jahr 1745/46 entdeckt und in seinen Abschriften erwähnt. Der englische Astronomen John Bevis fand den Sternhaufen vor dem Jahr 1750 unabhängig von Chéseaux und veröffentlichte diesen in seinem Sternatlas „Uranographia Britannica“. Am 30. August 1764 beobachtete der französische Astronom Charles Messier das Objekt und nahm den Sternhaufen als Nummer 35 in seinen berühmten Nebelkatalog auf. Er beschrieb ihn als einen Haufen sehr kleiner Sterne. In unmittelbarer Nähe zu M 35 befindet sich noch der kleine und deutlich lichtschwächere offene Sternhaufen NGC 2158. Dieser wurde am 16. November 1784 vom deutsch-englischen Astronomen Wilhelm Herschel entdeckt, der ihn als sehr reichen und kompakten Sternhaufen mit sehr schwachen Sternen beschrieb.
Das einzige Messier-Objekt in den Zwillingen
Messier 35 gehört zu den schönsten und hellsten offenen Sternhaufen des Winterhimmels und bietet selbst aus der Stadt heraus und im Mondlicht einen interessanten Anblick. Der Sternhaufen befindet sich in Richtung des Antizentrums und rund 100 Lichtjahre oberhalb der Scheibe unseres Milchstraßensystems. Unter einem dunklen Landhimmel ist das 5,1 mag helle und einzige Messierobjekt im Sternbild Zwillinge sogar mit dem bloßen Auge als unscharfer Lichtfleck aufspürbar. Spätestens im Sucherteleskop oder mit Hilfe eines Feldstechers ist M 35 deutlich sichtbar und schon in einzelne Sterne aufgelöst. Der sternreiche Haufen besitzt eine scheinbare Winkelausdehnung von 28 Bogenminuten am Himmel, was dem scheinbaren Vollmonddurchmesser entspricht, sowie keinerlei erkennbare Konzentration zur Mitte. Mit einer Entfernung von 2.800 Lichtjahren, beträgt sein wahrer Durchmesser rund 24 Lichtjahre. Sein Alter entspricht mit 110 Millionen Jahren ungefähr dem Alter der berühmten Plejaden (M 45) im Sternbild Stier. Auch die Anzahl seiner Mitglieder ist mit 500 ähnlich hoch wie dieser. Die Gesamtmasse von M 35 wird zwischen 1.600 bis 3.200 Sonnenmassen angegeben, bezogen auf ein Raumgebiet von 11,4 Lichtjahren Durchmesser. Rund 120 Sterne heller als 13. Größenklasse sind in ihm enthalten, die bereits mit mittleren Teleskopen erkennbar sind. Bis zu einer Grenzgröße von 21 mag wurden sogar über 2.500 Mitgliedssterne gezählt. Ähnlich wie bei den Plejaden macht sich zwischen den Sternen – vor allem auf länger belichteten Fotos – ein schwacher, leuchtender Schleier bemerkbar. Dieser interstellare Staub ist der Überrest derjenigen Molekülwolke, aus dem sich der Sternhaufen vor vielen Millionen Jahren gebildet hat. Die meisten Mitglieder besitzen die Spektralklasse B6 bis B7 und erscheinen dem Beobachter in einer blauweißen Farbe. Das hellste Haufenmitglied, mit 7,5 mag Helligkeit, ist ein blau-weißer Riese der Spektralklasse B3, der die 700-fache Sonnenleuchtkraft besitzt. Auch einige gelb-rote Riesen der Spektralklasse G bis K sind erkennbar und befinden sich bereits im Endstadium ihrer Sternentwicklung. Neben diesen normalen Sternen sind noch 15 Veränderliche sowie 14 Weiße Zwerge bekannt, dessen hellstes Mitglied aber nur eine Helligkeit von 21,4 Größenklassen aufweist.
Entfernter „Begleiter“ NGC 2158
Mit Teleskopen ab 3 Zoll Öffnung fällt nur 15 Bogenminuten südwestlich von Messier 35 ein kleiner, runder und 8,6 mag heller Nebelfleck auf. Dieses rund 5 Bogenminuten große Objekt ist der Sternhaufen NGC 2158, der kein echter Nachbar von M 35 ist und mit 12.600 Lichtjahren Entfernung weit im Hintergrund steht. Der Sternhaufen gehört zu den entferntesten Objekten in der galaktischen Scheibe, die wir noch beobachten können und ist gleichzeitig auch der am einfachsten sichtbare der sehr weit entfernten offenen Sternhaufen. Das Licht seiner Sterne wird, aufgrund der interstellaren Materie und der Entfernung, um gut eine Größenklasse abgeschwächt. Die Sterne in NGC 2158 sind noch deutlich höher konzentriert, ähnlich wie in einem Kugelsternhaufen und mit 1 bis 2 Milliarde Jahre auch deutlich älter, als die vergleichsweise jungen Haufenmitglieder in M 35. Der Sternhaufen gehört somit zu den ältesten Objekten seiner Klasse, in dem bereits alle massereichen und leuchtkräftigen Sterne erloschen sind. Die Anzahl seiner Mitgliedssterne beträgt rund 5.000 und konzentrieren sich auf ein Raumgebiet von der ähnlichen Größe wie bei M 35. Aus diesem Grund wurde früher angenommen, dass es sich bei NGC 2158 um einen echten aber locker erscheinenden Kugelhaufen handelt. Heutzutage ist NGC 2158 als mittelalter und metallarmer offener Sternhaufen bekannt, dessen Mitglieder zur alten Scheibenpopulation unserer Milchstraße zählen. Stünde NGC 2158 in derselben Entfernung wie M 35, würden wir ihn als rund 4 mag helles Objekt von der Größe des Vollmondes sehen. Rund 50 Bogenminuten von M 35 entfernt befindet sich ein weiterer Sternhaufen mit der Bezeichnung IC 2157. Dieser erscheint mit 8,4 mag ähnlich hell und ausgedehnt wie NGC 2158, enthält aber viel weniger Sterne als dieser.
Beobachtung
In einer mondlosen kalten Winternacht kann Messier 35 als milchiger Fleck inmitten der Wintermilchstraße aufgefunden werden. Im 8x40 oder 10x50 Feldstecher ist der Sternhaufen bereits sehr leicht in über zwei Dutzend Einzelsterne aufgelöst und erscheint länglich. Mit einem astronomischen Großfeldstecher von 16x70 sowie in kleinen Teleskopen, erkennt man rund 30 bis 50 Sterne, die in einem nebligen Glow eingebettet sind. In einem 3 bis 4‑Zöller sind über 100 helle und schwache Sterne von 8. bis 11. Größenklasse sichtbar. Dabei sind die Sterne recht gleichmäßig in Form eines Rechteckes über die gesamte Haufenfläche verteilt. Der östliche Teil des Sternhaufens enthält aber mehr hellere Sterne. Südlich und nördlich des Zentralbereichs sind mit geringen Vergrößerungen zwei fast sternenleere Gebiete wahrnehmbar. Auch der Zentralbereich enthält nur wenige schwache Sterne. Eine auffällige, rund 6 Bogenminuten lange gebogene Sternenkette befindet sich im nördlichen Teil des Haufens, an dessen Ende sich der hübsche orange Doppelstern ADS 4744 befindet. Die beiden Komponenten von 7,3 und 9,1 mag Helligkeit stehen 31 Bogensekunden auseinander. In noch größeren Fernrohren von 6 bis 8 Zoll Öffnung ergibt sich dann der beste Anblick. Denn hier tauchen über 120 bis 150 unterschiedlich helle Sterne auf, die recht auffällige Sternketten und Muster bilden. Ein weiterer oranger Stern befindet sich nahe der Haufenmitte.
Im Gegensatz zu Messier 35, ist NGC 2158 in kleinen Teleskopen nur als unscharfer Nebelfleck erkennbar. Denn seine Haufenmitglieder sind nur 12 bis 15 Größenklassen hell und damit deutlich lichtschwächer. In kleinen Teleskop kann der Sternhaufen in der Regel nicht aufgelöst werden. Um dennoch Einzelsterne zu sehen, ist ein größeres Teleskop ab 5 Zoll sowie hohe Vergrößerungen erforderlich. Im 6 bis 8 Zöller und bei Vergrößerung von 130-fach bemerkt man, dass der Sternhaufen sich langsam in einzelne Sterne aufzulösen beginnt und körnig vor einem nebligen Hintergrund erscheint. Am südöstlichen Ende wird der Sternhaufen von einem Stern der 10. Größenklasse begrenzt. Bei hohen Vergrößerungen sind aber nicht mehr als 20 bis 30 Sterne der 12. Größenklasse zu erkennen. Sein nordöstlicher Rand wirkt dabei etwas kompakter. Visuell wirkt NGC 2158 eher dreieckig und auf Fotos deutlich rechteckig. Im Allgemeinen ist der Anblick der beiden Sternhaufen interessanter, wenn beide Objekte im selben Okulargesichtsfeld und bei niedriger Vergrößerung eingestellt werden.
Messier 35 und sein entfernter Begleiter steht direkt oberhalb des Fußes eines der Zwillinge, der aus den Sternen My, Eta und 1 Geminorum gebildet wird, im Grenzbereich zu den Sternbildern Stier, Fuhrmann und Orion. Um den Sternhaufen aufzufinden, verlängert man die Verbindungslinie zwischen Aldebaran und Zeta Tauri um 10° Richtung Osten. Man gelangt schließlich zu zwei Sternen, My und Eta Gem, die mit M 35 ein stumpfes Dreieck bilden. M 35 steht dann 2 ½ ° nordwestlich von Eta Geminorum und ist bereits im Sucher zu erkennen.
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Steckbrief für Messier 35 & NGC 2158
Objektname | Messier 35 NGC 2158 |
Katalogbezeichnung | M 35, NGC 2168, Collinder 82, Melotte 41, OCL 466 NGC 2158, Collinder 81, Melotte 40, OCL 468 |
Typ | offener Sternhaufen, III 2 m offener Sternhaufen, II 3 r |
Sternbild | Zwillinge (Gemini) |
Rektaszension (J2000.0) | 06h 08m 12,0s 06h 07m 25,6s |
Deklination (J2000.0) | +24° 22′ 00″ +24° 05′ 46″ |
V Helligkeit | 5,1 mag 8,6 mag |
Flächenhelligkeit | 12,0 mag k.A. |
Winkelausdehnung | 28,0′ 5,0′ |
Anzahl der Sterne | 200 5.000 |
Hellster Stern | 8,2 mag 12,4 mag |
Durchmesser | 24 Lichtjahre 19 Lichtjahre |
Entfernung | 2.800 Lichtjahre 12.600 Lichtjahre |
Beschreibung | Cl,vL,eRi,pC,st9…16; Lord Rosse counted 300*;Orange * invl;NGC 2158 30′ SW Cl,pS,mC,vRi,irr triangle * eS; H VI 17;150 F* on edge of M 35 |
Entdecker | Philippe Loys de Chéseaux, um 1745 Wilhelm Herschel, 1784 |
Sternatlanten | Cambridge Star Atlas: Chart 3 & 9 Interstellarum Deep Sky Atlas: Chart 36 & 37 Millennium Star Atlas: Charts 155–156 (Vol I) Pocket Sky Atlas: Chart 25 Sky Atlas 2000: Chart 5 Uranometria 2nd Ed.: Chart 76 |