Der offene Sternhaufen Messier 36 (NGC 1960), im nördlichen Sternbild Fuhrmann, wurde zusammen mit M 37 und M 38 vor dem Jahr 1654 von dem sizilianischen Astronomen Giovanni Battista Hodierna mit einem einfachen Linsenfernrohr galileischer Bauart entdeckt. Er beschrieb M 36 als nebligen Fleck und katalogisierte dieses Objekte in seinem Werk „De Admirandis Coeli Characteribus“ von 1654. Seine Entdeckung geriet bis in die 1980er Jahre hinein allerdings in Vergessenheit. Im Jahr 1749 wurde das Objekt von dem französischen Astronomen Guillaume Le Gentil unabhängig wiederentdeckt. Sein Landsmann Charles Messier nahm den Sternhaufen am 2. September 1764 in seinen berühmten Katalog der kometenähnlichen Objekte auf. Messier beschrieb ihn als „Sternhaufen, in der Nähe von Phi Aurigae, der keinen Nebel enthält und dessen Sterne, mit einem 3,5 Fuß großen Refraktor, nur mit Mühe zu erkennen sind.“ Wilhelm Herschels Sohn John beschrieb den Sternhaufen als hell, sehr groß und sternreich, mit Sternen der 9. bis 11. Größenklasse. Im angelsächsischen Sprachraum trägt M 36 auch den Eigennamen „Pinwheel Cluster“ (Windradhaufen).
Ein Paradeobjekt im Wagenlenker
Messier 36 gehört zu den schönsten offenen Sternhaufen des Winterhimmels. Er ist der mittlere und weniger spektakuläre der drei Sternhaufen Messier 36, Messier 37 und Messier 38 im Sternenpentagon des Fuhrmanns. Sie bilden dort eine schöne Kette in der Wintermilchstraße. Der 6,3 mag helle offene Sternhaufen befindet sich nur 2,3° nordwestlich des 6,4 mag hellen M 38. M 37 (5,6 mag) findet man knapp 6° südöstlich von M 36. Alle drei offenen Sternhaufen sind eine gute Wahl für mondbeschienene oder lichtverschmutzte Nächte. Mit einer Entfernung von 4.100 Lichtjahre von der Erde, befindet sich Messier 36 am äußeren Rand des lokalen Orion-Cygnus-Spiralarms unserer Milchstraße und steht ungefähr 70 Lichtjahre oberhalb der galaktischen Ebene. Damit zählt M 36 zu den am weitesten entfernten Sternhaufen des Messier-Katalogs. Insgesamt enthält der Haufen rund 60 Mitgliedssterne. Diese drängen sich auf ein Gebiet von 12 Bogenminuten Ausdehnung, was rund 14 Lichtjahre enstpricht. Sein Gezeitenradius ist sogar noch etwas größer und beträgt 10 Lichtjahre.
Die hellsten Sterne in Messier 36 sind fast alle Riesen der Spektralklasse B aus der Hauptreihe oder Unterriesen. Sie erreichen die 9. Größenklasse. Der Hellste von ihnen, ein Blauer Riese der Spektralklasse B2, leuchte mit 360-facher Sonnenleuchtkraft und besitzt eine Oberflächentemperatur von 20.000 Kelvin. Viele dieser jungen und heißen Sterne im Sternhaufen rotieren sehr schnell. Ein typisches Merkmal ist die Verbreitung ihrer Spektrallinien, die man bei spektroskopischen Untersuchungen erkennen kann. Das ist ein Merkmal, dass der Sternhaufen auch mit den Plejaden (Messier 45) im Sternbild Stier teilt. Diese so genannten Be-Sterne sind aufgrund der hohen Rotationsgeschwindigkeit deutlich abgeplattet. Insgesamt dürften rund 170 Sterne bis zur 14. Größenklasse zu M 36 gehören. Nach neusten Untersuchungen der Raumsonde Gaia könnten sogar bis zu 260 Sterne Mitglieder des Sternhaufens sein. Seine Masse wird in der astronomischen Lieteratur zumeist mit 746 Sonnenmassen angegeben. Damit ist der Haufen ähnlich groß und sternreich wie die Plejaden. Unser Sternhaufen befindet sich aber rund 10 Mal so weit entfernt wie dieser. Stünde M 36 in derselben Entfernung wie Messier 45, würde er uns ähnlich groß und hell erscheinen.
Eine interessante Region der Wintermilchstraße
Messier 36 befindet sich räumlich gesehen nahe des Zentrums der Auriga-OB1-Assoziation. Dieses Sternentstehungsgebiet besitzt eine Ausdehnung von 560 x 260 Lichtjahren. Mit einem Alter zwischen 25 bis 40 Millionen Jahren ist M 36 noch recht jung, aber deutlich jünger als die Plejaden. Im Gegensatz zu M 37 und M 38, die etwas älter und sternreicher sind, sind in M 36 keine Roten Riesen bekannt. In der Nähe der drei Auriga-Sternhaufen finden wir noch viele weitere interessante Objekte, wie zum Beispiel den Flaming Star Nebula (IC 405) und die Dunkelwolke Barnard 226, direkt am südlichen Rand des Haufens. Nur 25 Bogenminuten südwestlich des Haufenzentrums befindet sich der sehr rote Kohlenstoffstern OW Aurigae. Dieser schwankt mit einer Helligkeit zwischen 12,3 und 13,6 mag und ist bereits in mittelgroßen Fernrohren beobachtbar.
Nur 1° westlich von M 36 liegt der nur 1 Bogenminuten große Emissionsnebel NGC 1931. Dort befindet sich auch der offene Sternhaufen Stock 9, der physisch mit NGC 1931 verbunden zu sein scheint. Ein weiteres interessantes Deep-Sky-Objekt liegt knapp 7° südlich von Messier 36, im benachbarten Sternbild Stier: der Supernovaüberrest Simeis 147 (Sh2-240). Vor rund 40.000 Jahren explodierte an dieser Stelle ein massereicher OB-Stern am Ende seines Lebens. Übrig blieb ein Neutronenstern mit der Bezeichnung PSR J0538+2817. Dieser Pulsar rotiert einmal in 139 Millisekunden um seine Achse. Ferner geht man davon aus, dass der Vorläuferstern ursprünglich zu Messier 36 gehörte. Der Supernovarest ist allerdings nur auf sehr tiefen und lang belichteten Aufnahmen dieser Himmelsregion sichtbar.
Beobachtung
Messier 36 ist unter einem sehr dunklen Himmel, fern von jeglicher Lichtverschmutzung, schon mit dem bloßen Auge als unscharfes Sternchen erkennbar. Spätestens in jedem kleinen Opernglas bzw. Sucherteleskop ist dieser Sternhaufen als ziemlich heller Nebelfleck zu erkennen. Mit einem 10x50 Feldstecher ist der relativ dichte Haufen schon in ein Dutzend Einzelsterne der 9. bis 10. Größenklasse aufgelöst. Deutlich eindrucksvoller erscheint er in meinem 16x70 Fujinon im Sternenfeld der Milchstraße. Mit einem 3 bis 4 Zoll Refraktor erkennt man bei mittleren Vergrößerungen schon 15 bis 20 helle Sterne, die relativ dicht gedrängt erscheinen. Die Sterne sind in auffälligen Sternenketten, in Form eines X, sowie in Paaren angeordnet und erscheinen blau-weiß. Die leicht gekrümmten Arme erstrecken sich nach Südwesten und Nordwesten. Kleinere Ketten von Sternen liegen senkrecht zu ihnen. Auch unter Einsatz höherer Vergrößerung erscheint M 36 immer noch schön konzentriert.
Mit 5 bis 6 Zoll Öffnung sind schon 25 bis 30 Sterne in Form eines „X“ erkennbar. Der Sternhaufen erscheint nun von seiner Form her runder. Zeitgleich tauchen im Zentrum immer mehr Einzelsterne auf, die eine Art Ring bilden. Drei hübsche Doppelsterne, nahe des Zentrum, springen dabei regelrecht ins Auge. Einer von diesen ist besonders auffällig und steht ostsüdöstlich des Zentrums: Struve 737. Die beiden Komponenten besitzen die 9,1 und 9,4 Größenklassen und stehen 10,7 Bogenminuten auseinander. Mit 8 bis 10 Zoll Öffnung und Vergrößerungen um 100-fach sind mehr als 60 bis 75 Sterne sichtbar. Diese konzentrieren sich in Richtung des Haufenzentrums und heben sich gut vom Hintergrund ab. Der Randbereich von M 36 erscheint dabei recht lockerer. Der Sternhaufen ähnelt nun einer fliegenden Libelle. Nur 2° entfernt steht der etwas hellere Haufen Messier 38. Er erscheint in seinem Zentrum deutlich lockerer als Messier 36. Im Gegensatz zu unserem Sternhaufen, besitzt dieser nämlich keine zentrale Verdichtung.
Messier 36 ist ein typisches Objekt des Herbst- und Winterhimmels und befindet sich im südlichen Bereich des Sternbilds Auriga, zwischen den beiden offenen Haufen Messier 37 und Messier 38. Um M 36 aufzusuchen, stellt wir Iota Aurigae (2,7 mag) in die Mitte des Suchers ein, der mit dem Hauptstern Capella (Alpha Aur, 0,1 mag) und Menkalinan (Beta Aur, 1,9 mag) eine Art rechtwinkliges Dreieck bildet. Iota markiert dabei die obere Spitze dieses Dreiecks. Nun schwenken wir das Teleskop 3 ½ Grad in Richtung Osten. Nun sollte eine kleine Sternengruppe der 5. bis 6. Größenklasse im Sucherfeld erscheinen. Anschließend schwenkt man weitere 3 ½ Grad in Richtung Osten, bis wir auf einen Stern der 6. Größenklasse treffen. Messier 36 befindet sich ungefähr ein halbes Grad nordwestlich dieses Sterns und etwas oberhalb der Verbindungslinie zwischen Theta Aurigae und Elnath (Beta Tauri, 1,7 mag). Der Sternhaufen sollte nun schon im Sucher als heller Nebelfleck erkennbar sein.
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Steckbrief für Messier 36
Objektname | Messier 36 |
Katalogbezeichnung | NGC 1960, OCL 445, Collinder 71, Melotte 37, Raab 27 |
Eigenname | Windradhaufen, Pinwheel Cluster |
Typ | offener Sternhaufen, II 3 m |
Sternbild | Fuhrmann (Auriga) |
Rektaszension (J2000.0) | 05h 36m 17,7s |
Deklination (J2000.0) | +34° 08′ 27″ |
V Helligkeit | 6,0 mag |
Flächenhelligkeit | 12,0 mag |
Winkelausdehnung | 10,0′ |
Anzahl der Sterne | 60 |
Hellster Stern | 8,9 mag |
Durchmesser | 14 Lichtjahre |
Entfernung | 4.100 Lichtjahre |
Beschreibung | Cl,B,vL,vRi,lC,*9..11; in Aur OB1;incl Struve 737 10.7′’sep |
Entdecker | Giovanni Battista Hodierna, 1654 |
Sternatlanten | Cambridge Star Atlas: Chart 3 Interstellarum Deep Sky Atlas: Chart 37 Millennium Star Atlas: Charts 113–114 (Vol I) Pocket Sky Atlas: Chart 12 Sky Atlas 2000: Chart 19 Uranometria 2nd Ed.: Chart 59 |