Der Kugelsternhaufen Messier 92 (NGC 6341), im nördlichen Sternbild Herkules, wurde am 27. Dezember 1777 von dem deutschen Astronomen Johann Elert Bode entdeckt und in seinem Jahrbuch von 1779 veröffentlicht. Der französische Astronom Charles Messier entdeckte das Objekt am 18. März 1781 unabhängig von Bode und nahm ihn als Nummer 92 in seinen berühmten Nebelkatalog auf. Er beschrieb ihn als auffälligen schönen Nebel großer Helligkeit und ohne Sterne, mit einem hell leuchtenden Zentrum zwischen dem Knie und den linken Bein des Herkules. Messier erwähnte die Ähnlichkeit mit einem großen Kometen. In der selben Entdeckungsnacht erfasste Messier auch 8 weitere Objekte: allesamt Mitglieder des Virgo-Galaxienhaufens. Erst der deutsch-britische Astronom Wilhelm Herschel konnte den Kugelsternhaufen im Jahr 1783 als erster Beobachter in Einzelsterne auflösen. Der irische Astronom Lord Rosse glaubte, im Zentrum von Messier 92 eine Art Spiralstruktur wahrzunehmen.
Im Schatten von Messier 13
Messier 92 steht zu Unrecht im Schatten seines weitaus berühmteren Pendants: dem Herkuleshaufen Messier 13, der sich 9° südwestlich von diesem befindet. Und obwohl der Kugelsternhaufen zu den hellsten seiner Art am nördlichen Sternhimmel gehört, wird er weitaus seltener als sein „Großer Bruder“ beobachtet. Stünde der Kugelsternhaufen in einem anderen Sternbild, würde er sogar als Glanzobjekt des Sternbilds gelten. M 92 scheinbare Helligkeit von 6,3 Magnituden ist nämlich nur minimal schwächer als die von M 13. Unter optimalen Bedingungen ist der 14 Bogenminuten große Haufen theoretisch schon mit dem bloßen Auge als schwaches Nebelfleckchen zu erkennen und steht knapp 27.100 Lichtjahre von der Erde entfernt. Seine Masse wird auf ca. 330.000 bis 400.000 Sonnenmassen geschätzt.
Der Kugelsternhaufen besitzt nur 0,6% der solaren Elementenhäufigkeit und somit eine niedrige Metallizität. Messungen mit Hilfe von Farben-Helligkeits-Diagrammen ergeben ein Alter von ungefähr 13 Milliarden Jahren. Damit gehört der Kugelsternhaufen auch zu den ältesten seiner Klasse, ist aber noch ein klein wenig jünger als M 13. Absolut gesehen besitzt M 92 eine Ausdehnung von 108 Lichtjahren. Somit ist er ungefähr ein Drittel kleiner, gleichzeitig aber auch deutlich kompakter als M 13. Ein Kernkollaps wie bei Messier 15 im Sternbild Pegasus hat bei M 92 allerdings noch nicht eingesetzt.
Veränderliche Sterne und ein interessanter Aspekt
Die hellsten Sterne im Haufen sind Rote Riesen und erreichen eine Helligkeit von 12,1 Größenklassen und eine absolute Helligkeit von ‑3 mag. Mehr als 28 Veränderliche Sterne sind bekannt. Darunter sind 17 kurzperiodische pulsierende Veränderliche vom Typ RR-Lyrae, mit Helligkeiten zwischen 15 bis 17 mag, 7 Veränderliche vom Typ SX Phoenicis sowie ein seltener Bedeckungsveränderlicher vom W Ursae Majoris Typ. W UMa-Sterne sind sich gegenseitig verdunkelnde enge Doppelstern, dessen zwei Komponenten sich eine Materialhülle teilen und miteinander in Kontakt stehen. Bedeckungsveränderliche in Kugelsternhaufen sind, aufgrund der hohen Sterndichte und der daraus folgenden Bahnstörung, ohnehin sehr selten anzutreffen. Innerhalb eines Radius von 1,02 Bogenminuten um das Zentrum wurden außerdem noch 10 Röntgenquellen entdeckt. Die Hälfte von diesen sind kataklysmische Veränderliche. Es sind Weiße Zwerge in einem engen Doppelsternsystem, die Materie von ihrem Begleiter aufsammeln. Um den Weißen Zwerg bildet sich eine Akkretionsscheibe. Es kommt zu thermonuklearen Ausbrüchen auf der Oberfläche, wenn ein Teil der Materie des Begleiters auf den Weißen Zwerg fällt.
Messier 92 befindet sich räumlich gesehen 15.900 Lichtjahre oberhalb der galaktischen Scheibe und 32.600 Lichtjahre vom galaktischen Zentrum entfernt. Der Kugelsternhaufen kann sich auf seiner exzentrischen Bahn um die Milchstraße bis zu 5.000 Lichtjahre an das Zentrum annähern und sich bis zu 35.000 Lichtjahre davon entfernen. Für einen vollständigen Umlauf benötigt der Kugelhaufen ungefähr 200 Millionen Jahre. Man vermutet, dass M 92 bereits 16 perigalaktische Transite unternommen und bei jedem Durchgang durch die galaktische Scheibe Sterne verloren hat. Aus diesem Grund wurden entlang seiner Umlaufbahn um die Milchstraße Gezeitenschweife entdeckt.
Ein weiterer interessanter Aspekt ist, dass die Präzession der Erdachse, die einen Zyklus von 25.800 Jahren aufweist, bewirkt, dass die Achse der Erde in 14.000 Jahren ungefähr in Richtung M 92 weisen wird. Dies geschah zuletzt um 10.000 v. Chr. Der Abstand zum nördlichen Himmelspol wird dann weniger als 1° betragen und der Kugelsternhaufen zu einer „Polarissima Borealis“ oder einem „Nordsternhaufen“ werden.
Beobachtung
Unter hervorragenden Bedingungen kann Messier 92 sogar mit dem bloßen Auge aufgespürt werden, wenn die Grenzgröße des Himmels 7 mag erreicht. In einem 10x50 Fernglas oder im Sucherteleskop erscheint der Kugelsternhaufen als kreisrunder und zur Mitte hin heller werdender Nebelfleck, ähnlich wie ein unscharf gestellter Stern. Mit 2 Zoll Öffnung und 50 bis 80-facher Vergrößerung erscheint M 92 im Zentrum sehr kompakt und an den Rändern etwas körnig. Einzelne Sterne bleiben aber nach wie vor dem Beobachter verborgen. Erste Sterne der 12. Größenklasse, im Randbereich und nahe des Zentrums, schälen sich erst ab einer Öffnung von 3 bis 4 Zoll und 80 bis 100-facher Vergrößerung aus dem nebligen Hintergrund hervor. Das Zentrum präsentiert sich aber noch diffus. 6 bis 8 Zoll große Teleskope zeigen einen leicht in Nord-Süd-Richtung ovalen Haufen und mit hoher Vergrößerung und indirektem Sehen unzählige Sterne, die in auffälligen Ketten um das Zentrum herum angeordnet sind. Sie verleihen dem Kugelsternhaufen eine unregelmäßige Struktur. Es zeigt sich eine Art Spiralstruktur, der unter Kugelsternhaufen einmalig ist. Der innere Zentralbereich erscheint stark konzentriert, bleibt aber noch unaufgelöst. Im Kerngebiet sind zwei Kondensationen wahrnehmbar. Spätestens ab 10 bis 12 Zoll Öffnung ist auch das Zentrum vollständig in Einzelsterne aufgelöst. Durch die hohe Sternendichte im Kernbereich ergibt sich ein wirklich spektakulärer Anblick. Hier kann unter gutem Seeing über 200-fach und drüber hinaus vergrößert werden. Im Zentrum zeigt sich eine von Nordwest nach Südost verlaufende asymmetrische dunkle Linie. Der neblige Hintergrund des Haufens bleibt auch mit noch größerer Öffnung und starker Vergrößerungen sichtbar.
Vor allem die warmen Sommernächte sind prädestiniert, helle Kugelsternhaufen wie Messier 92 zu beobachten. Vor allem ist das im Norden Deutschlands der Fall, wo es durch die „Weißen Nächte“ im Sommer nicht mehr ganz dunkel wird. Messier 92 ist nicht gerade einfach aufzufinden, weil helle Umgebungssterne fehlen. Man nehme die 7° lange Strecke zwischen den linken oberen Eckstern, Eta Herculis (3,5 mag) und den rechten oberen Eckstern des Herkules-Trapez, Pi Herculis (3,2 mag), der mit Rho Her (4,2 mag) und einen weiteren Stern gleicher Helligkeit ein flaches Dreieck bilden. Wir schwenken nun, von Pi Her ausgehend, ungefähr die gleiche Strecke nach Norden in Richtung Drachenkopf. Nun sollte M 92 schon in einem kleinen Sucherteleskop als verschwommener Lichtfleck zu erkennen sein.
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Steckbrief für Messier 92
Objektname | Messier 92 |
Katalogbezeichnung | NGC 6341, GCL 59 |
Typ | Kugelsternhaufen, IV |
Sternbild | Herkules (Hercules) |
Rektaszension (J2000.0) | 17h 17m 07,3s |
Deklination (J2000.0) | +43° 08′ 13″ |
V Helligkeit | 6,5 mag |
Flächenhelligkeit | 11,0 mag |
Winkelausdehnung | 14,0′ |
Durchmesser | 108 Lichtjahre |
Entfernung | 27.100 Lichtjahre |
Beschreibung | vB,vL,eCM,st 12…; Lord Rosse saw spiral structure |
Entdecker | Johann Elert Bode, 1777 |
Sternatlanten | Cambridge Star Atlas: Chart 5 & 6 Interstellarum Deep Sky Atlas: Chart 30 Millennium Star Atlas: Charts 1135–1136 (Vol III) Pocket Sky Atlas: Chart 52 Sky Atlas 2000: Chart 8 Uranometria 2nd Ed.: Chart 34 |