Der offene Sternhaufen Messier 44 (NGC 3632) im Sternbild Krebs (Cancer), war aufgrund seiner Helligkeit schon in prähistorischen Zeiten bekannt. Die antiken Griechen und Römer sahen in dem Objekt eine Krippe, aus der zwei Esel aus der griechischen Mythologie fraßen. Der griechische Dichter und Philosoph Aratos (um 260 v. Chr.) erwähnte den Sternhaufen als „kleinen Nebel“ bereits in seinem Gedicht „Phainomaina“. Die antiken griechischen Astronomen Hipparchos , der den Sternhaufen als „kleine Wolke“ oder „wolkigen Stern“, und Ptolemäus, der Messier 44 als „nebulöse Masse im Herzen des Krebses“ beschrieben hatten, verzeichneten M 44 sogar als eigenständiges Objekt in ihren Sternkatalogen. Und auch der deutsche Astronom Johann Bayer verzeichnete das Objekt auf seinen Sternkarten um 1600 als „wolkiges“ Objekt. Der italienische Naturforscher Galileo Galilei beobachtete den Sternhaufen im Jahr 1609 mit seinem Teleskop und konnte ihn als erster in mehr als 40 Einzelsterne auflösen. Der französische Astronom Charles Messier nahm den Sternhaufen schließlich am 4. März 1769 in seinen berühmten Nebelkatalog auf, nachdem er die Position des Objekts genau vermessen hatte. Es ist ungewöhnlich, dass Messier den Sternhaufen, zusammen mit dem Orionnebel (Messier 42/Messier43) und die Plejaden (Messier 45), in seinem Katalog verzeichnet hat. Denn die meisten Objekte im Messier-Katalog sind von der Helligkeit her deutlich schwächer und können leichter mit Kometen verwechselt werden. Vermutlich wollte Messier eine längere Liste an Objekten präsentieren, als sein Konkurrent Nicolas Louis de Lacaille, dessen Katalog im Jahr 1755 nur 42 Objekte auflistete. Messier 44 trägt in der astronomischen Literatur mehrere Eigennamen, wobei „Praesepe“ (lat. Futterkrippe) und im englischen „Beehive Cluster“ (Bienenstockhaufen) die gängigsten Bezeichnungen sind. Nach den Plejaden im Sternbild Stier, ist Messier 44 der zweithellste offene Sternhaufen des Messier-Katalogs.
Einer der hellsten Sternhaufen an unserem Himmel
Der offene Sternhaufen Messier 44 gehört zu den schönsten Objekten am Winter- und Frühlingshimmel, vor allem für den Feldstecher. Gleichzeitig ist er einer der nächsten Objekte seiner Klasse und unter einem dunklen Himmel bereits mit dem bloßen Auge überraschend leicht als unscharfes Wölkchen zu erkennen. M 44 ist mit einer scheinbaren Helligkeit von 3,1 mag das hellste Objekt im Sternbild Krebs, weil diese Konstellation selbst nur Sterne schwächer als 4. Größenklasse enthält. Unter einem dunstigen Himmel mit Zirrusbewölkung verschwindet die Praesepe für das bloße Auge, so dass sie damals schon als Schlechtwettermarker diente. Mit einem scheinbaren Durchmesser von 95 Bogenminuten am Himmel, was dem 3‑fachen des Vollmondes entspricht, lässt sich M 44 schon in jedem Opernglas in einzelne Sterne auflösen. Der Sternhaufen befindet sich 577 Lichtjahre von der Erde entfernt und steht nahe der Ekliptik, so dass M 44 regelmäßig Besuch von unserem Erdtrabanten und den Planeten unseres Sonnensystems erhält. Diese ziehen dann zum Teil direkt durch den Sternhaufen hindurch.
Fern der galaktischen Scheibe
Die Krippe liegt, im Gegensatz zu anderen offenen Sternhaufen an unserem Himmel, in entgegengesetzter Richtung zum galaktischen Zentrum sowie fern der galaktischen Scheibe. Weitere helle offenen Sternhaufen in diesem Bereich sind Messier 48 im Sternbild Wasserschlange, Messier 67 im Krebs sowie der Coma-Sternhaufen (Melotte 111) im Haar der Berenike. Das Alter der Praesepe wird auf rund 600 Millionen Jahre und der wahre Durchmesser auf 22 Lichtjahren geschätzt. Damit ist die M 44 nur unwesentlich jünger als die Hyaden (Melotte 25) im Sternbild Stier, die ein Alter von 625 Millionen Jahren aufweisen. Erstaunlich ist der Umstand, dass die Hyaden, die ebenfalls schon mit bloßem Auge zu erkennen sind, auch die gleiche Bewegungsrichtung im Raum aufweisen. Wahrscheinlich sind beide Sternhaufen vor rund 700 bis 800 Millionen in einer gemeinsamen Gas- und Staubwolke entstanden. Diese frühe OB-Assoziation hat 3 Umläufe um das galaktische Zentrum vollzogen, so dass sich beide Sternhaufen heutzutage 500 Lichtjahre voneinander entfernt befinden. Folglich besitzen beide Sternhaufen auch eine ähnliche Sternenpopulation. Außerdem enthält M 44 deutlich mehr Sterne, als die meisten anderen Sternhaufen in der unmittelbaren Sonnenumgebung.
Mit größeren Teleskopen sind bis zu 350 Sterne der 6. bis 14. Größenklasse zu erkennen, von denen 80 sogar heller als 10. Größenklasse sind. Der hellste Stern des Sternhaufens ist Epsilon Cancri. Er ist ein Metalllinien-Stern der Spektralklasse A2 – mit ungewöhnlich starken Linie schwerer Elemente – und besitzt eine Helligkeit von 6,3 mag. Rund 20 weitere Sterne sind heller als 8. Größenklasse. Messier 44 enthält viele Hauptreihensterne der Spektralklasse A bis M. Davon entfallen 30% auf sonnenähnliche Sterne der Spektralklassen F, G und K. Der überwiegende Teil (68%) sind leuchtschwache rote M‑Zwerge. 2% sind A‑Sterne. Außerdem sind insgesamt 5 Rote Riesen der Spektralklasse G und K und 11 Weiße Zwerge bekannt. Des Weiteren wurden im Sternhaufen auch zahlreiche Veränderliche vom Typ Delta Scuti entdeckt, die sich gerade von der Hauptreihe weg entwickelt haben und zu Roten Riesen werden. TX Cancri ist ein Bedeckungsveränderlicher vom Typ W UMa und ebenfalls Mitglied des Sternhaufens. Insgesamt besitzt der Haufen etwa 100 veränderliche Sterne. Braune Zwerge tauchen in der Praesepe nur äußerst selten auf. Wahrscheinlich sind diese mit der Zeit, aufgrund der Gezeitenkräfte unserer Galaxis, verloren gegangen.
Ein Doppelhaufen mit Exoplaneten
Aktuelle Studien haben ergeben, dass M 44 mehr als 1000 Sterne enthält, die gravitativ an den Sternhaufen gebunden sind. Dadurch besitzt der Haufen eine Gesamtmasse von 500 bis 600 Sonnenmassen. Wie andere offene Sternhaufen, hat auch M 44 eine Massensegregation erfahren, wobei die massereichsten Mitglieder sich im 11,4 Lichtjahre Durchmesser messenden Zentrum des Haufens befinden. Die masseärmeren und lichtschwächeren Mitglieder konzentrieren sich im so genannten Halo, der das Zentrum ab einer Entfernung von 22,8 Lichtjahren sphärisch umgibt. Der Gezeitenradius von M 44 wird mit 39 Lichtjahren angegeben. Ab dieser Entfernung sind die Sterne nicht mehr gravitativ an die Praesepe gebunden. Somit ähnelt Messier 44, von der Ausdehnung, her den Plejaden. Im September 2012 wurden in M 44 zwei Hot Jupiters entdeckt (Pr0201 b & Pr0211 b), die zwei sonnenähnliche Sterne in engen Bahnen umkreisen. Bei diesen Planeten handelt es sich um Gasriesen, ähnlich dem Planeten Jupiter, die eine hohe Oberflächentemperaturen aufweisen. Es waren die ersten Exoplaneten, die in einem offenen Sternhaufen gefunden wurden. Im Jahr 2016 bewiesen zusätzliche Beobachtungen, dass im Pr0211-System tatsächlich zwei Exoplaneten ihre Sonne umkreisen.
Jüngste Beobachtungen des Bienenstockhaufens weisen darauf hin, dass der Sternhaufen zwei Unterhaufen unterschiedlichen Alters enthält, die miteinander kollidieren. Der kleine Unterhaufen besitzt rund 30 Sterne und befindet sich 10 Lichtjahre vom Zentrum von M 44 entfernt. Man vermutet, dass sich die Praesepe in rund 10 Millionen Jahren wahrscheinlich auflösen wird.
Beobachtung
Messier 44 erscheint dem bloßem Auge als eine Art längliche Nebelwolke. Mit indirektem Sehen erscheint der Haufen sogar leicht körnig. Am besten verwendet man für die Beobachtung ein 10x50 Fernglas, der den Sternhaufen schon komplett in mehrere Dutzend Einzelsterne auflösen kann. Ein 16x70 Fernglas ist schon fast das beste Beobachtungsinstrument für die Praesepe, bezogen auf die Vergrößerung und dem Durchmesser des Geräts. Denn aufgrund der Ausdehnung von M 44 am Himmel ist es notwendig, mit der geringsten Vergrößerung zu beobachten. Hier zeigen sich die Sterne in einer Art V‑Muster, das nach Osten hin geöffnet ist. Rund 20 hellen und 30 schwächeren Sterne ab der 6. Größenklasse sind erkennbar, die sich vor einem dunstigen Hintergrund unaufgelöster Sterne befinden. Selbst unter einem aufgehellten Himmel und Mondlicht lohnt sich die Beobachtung mit dem Feldstecher. Die Sterne der Praesepe erscheinen so hell, dass sie selbst in lichtdurchfluteten Städten erkennbar sind. Mit 3 Zoll Öffnung und 30 bis 40-facher Vergrößerung füllt M 44 das gesamte Gesichtsfeld des Teleskops aus. Eine Konzentration der Sterne zum Haufenzentrum ist nicht erkennbar. Allerdings erscheint die Praesepe leicht in Nord-Süd-Richtung ausgedehnt. Die meisten Sterne erscheinen bläulich-weiß. Sichtbar sind aber auch 4 orange Sterne. Mit 4 bis 6 Zoll Öffnung sind mehr schwächere Sterne sichtbar, vor allem wenn man höher vergrößert. Die Farben der Sterne erscheinen nun kräftiger. Auffällig ist die Konzentration der hellsten Sterne zur Haufenmitte. Viel davon bilden Dreierketten und optische Doppelsterne, die in Dreiecken und Halbkreisen angeordnet sind. Der schönste Dreifachstern befindet sich südlich des Haufenzentrums und trägt die Bezeichnung Burnham 5854. Dieser besteht aus drei etwa gleich hellen Komponenten der 7. Größenklasse in 45 und 93 Bogensekunden Abstand. Mit noch größerer Öffnung verliert M 44 langsam den Haufencharakter. Mit 8 Zoll Öffnung nimmt der Sternhaufen selbst mit geringer Vergrößerung das gesamte Gesichtsfeld ein und es sind bis zu 200 Sterne erkennbar. Hinter dem Sternhaufen liegen noch einige schwächere Galaxien, dessen hellstes Mitglied NGC 2624 mit 13,7 mag ab 10 Zoll Teleskopöffnung gesehen werden kann.
Messier 44 ist am besten im Spätwinter und in den Frühlingsmonaten sichtbar, wenn der Sternhaufen hoch im Süden kulminiert. Das Sternbild Krebs wird vom Löwen im Osten und im Westen von den Zwillingen eingerahmt. Im nördlichen Bereich des Sternbilds befindet sich der Luchs und im Süden die Sternbilder Kleiner Hund und Wasserschlange. M 44 befindet sich etwas oberhalb der Mitte des Ypsilons-Asterismus des Sternbilds Krebs und etwas westlich der Verbindungslinie zwischen Asellus Borealis (Gamma Cancri, 4,7 mag) und Asellus Australis (Delta Cancri, 3,9 mag). Der Sternhaufen bildet mit den beiden Sternen ein annähernd gleichschenkliges Dreieck. Zwei weitere Sterne der 5. Größenklasse (Eta Cancri & Theta Cancri) bilden ein Viereck, in dessen Zentrum sich der Sternhaufen befindet. Wenn wir das Sucherfernrohr des Teleskops in die Mitte dieses Vierecks richten, sollte M 44 im Gesichtsfeld eines niedrig vergrößernden Okulars erscheinen. Eine alternative Methode den Sternhaufen zu lokalisieren ist es, wenn man eine Verbindungslinie zwischen Pollux in den Zwillingen und Regulus im Löwen zieht. Messier 44 liegt etwa auf halber Strecke und knapp unterhalb dieser Linie.
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Steckbrief für Messier 44
Objektname | Messier 44 |
Katalogbezeichnung | NGC 2632, Collinder 189, Melotte 88, OCL 507 |
Eigenname | Praesepe, Krippe, Beehive Cluster, Bienenstockhaufen |
Typ | offener Sternhaufen, II 2 m |
Sternbild | Krebs (Cancer) |
Rektaszension (J2000.0) | 08h 39m 57,2s |
Deklination (J2000.0) | +19° 40′ 21″ |
V Helligkeit | 3,1 mag |
Flächenhelligkeit | 13,0 mag |
Winkelausdehnung | 95,0′ |
Anzahl der Sterne | 50 |
Hellster Stern | 6,3 mag |
Durchmesser | 22 Lichtjahre |
Entfernung | 577 Lichtjahre |
Beschreibung | Praesepe, Beehive cl.; Beehive;200 memb to 14 mag |
Entdecker | prähistorisch |
Sternatlanten | Cambridge Star Atlas: Chart 4 & 10 Interstellarum Deep Sky Atlas: Chart 47 Millennium Star Atlas: Charts 713–714 (Vol II) Pocket Sky Atlas: Chart 24 Sky Atlas 2000.0: Chart 12 Uranometria 2nd Ed.: Chart 74 |