Die Hyaden, auch „Regengestirn“ genannt, sind nach den Plejaden der bekannteste offene Sternhaufen an unserem Himmel. Sie bilden den Kopf des Sternbildes Stiers (Taurus) und sind auch unter ihrem Eigennamen seit dem Altertum bekannt. So wird der Sternhaufen schon in den Aufzeichnungen von Homer bis Ovid erwähnt. Die Hyaden stellen die himmlischen Halbschwestern der Plejaden und die fünf Töchter von Atlas und Aithra dar, die den Tod ihres Bruders Hyas, der auf der Jagd getötet wurde, betrauern. Die Hyaden werden im Messiers berühmten Nebelkatalog sowie im NGC-Katalog nicht aufgeführt. In dem vom britischen Astronomen Philibert Jacques Melotte erstellten Katalog der Sternhaufen, werden die Hyaden als Melotte 25 geführt. Im Katalog der offenen Sternhaufen von Per Collinder, der 471 Objekte umfasst, ist das Objekt als Collinder 50 verzeichnet. Die auffällige Sternengruppe wurde aber bereits von dem italienischen Naturforscher Giovanni Batista Hodierna um das Jahr 1654 katalogisiert und ist in vielen Sternatlanten des 17. und 18. Jahrhunderts abgebildet. Aufgrund seiner geringen Entfernung zur Erde, gehört der offene Sternhaufen zu den ausgedehntesten Objekten seiner Klasse an unserem Himmel und bildet zusammen mit den Plejaden, die sich 12° nordwestlich der Hyaden befinden, das so genannte „Goldene Tor der Ekliptik“. Die Hyaden sind auch in Sir Patrick Moores Katalog als Caldwell 41 aufgeführt.
Ein offener Sternhaufen in unserer kosmischen Nachbarschaft
Die Hyaden sind mit mehr als 5 ½ Grad im Durchmesser und 0,5 mag Helligkeit schon sehr leicht mit dem bloßen Auge zu erkennen. Etwas oberhalb des Sternhaufens verläuft die Ekliptik. Aus diesem Grund ziehen Sonne, Mond und auch die Planeten regelmäßig am Sternhaufen vorbei. Der Mond kann auf seinem monatlichen Lauf sogar einzelne Hyadensterne bedecken. Die Hyaden sind nach dem Bärenstrom (Collinder 285), der unter anderem auch die hellsten Sterne des Großen Wagen Asterismus umfasst und als Ursa-Major-Gruppe bekannt ist, der uns am nächsten liegende offene Sternhaufen und laut den Hipparcos-Daten nur 153 Lichtjahre von der Erde entfernt. 23 helle Sterne bilden ein markantes V‑förmiges Muster. Der hellste Stern dieses Musters ist Aldebaran (Alpha Tauri). Allerdings ist der 0,9 mag helle Hauptstern des Sternbilds Stier, mit 66 Lichtjahren Distanz zur Erde, kein echtes Mitglied des Sternhaufens und befindet sich weit im Vordergrund. Aldebaran besitzt als roter K‑Riese den 45-fachen Durchmesser und die 150-fache Helligkeit unserer Sonne und bewegt sich am Himmel entgegengesetzt zu den Hyaden. Er besitzt ein rund 10-mal so hohes Alter wie die Hyadensterne und die 2,5‑fache Masse unseres Zentralgestirns.
Absolut gesehen besitzen die Hyaden rund 200 Mitgliedssterne, eine Ausdehnung von rund 17,6 Lichtjahren und ein Alter von 625 Millionen Jahre. Somit sind seine Mitgliedssterne deutlich weiter entwickelt, als zum Beispiel die Sterne der Plejaden, die ein Alter von nur 15 Millionen Jahre aufweisen. Mit einem Fernglas sind 130 Sterne heller als 9. Größenklasse innerhalb der Hyaden erkennbar. Um den Stern Epsilon Tauri wurde auch ein Exoplanet-Kandidat entdeckt. Der Gasriese ist der erste Planet, der in einem offenen Sternhaufen gefunden wurde. Fünf der hellsten Mitgliedssterne der Hyaden sind in ihrer Entwicklung schon weit fortgeschritten und haben sich von der Hauptreihe weg entwickelt. Sie befinden sich nun am unteren Ende des Riesenastes im Herzsprung-Russell-Diagramm (HRD). Aufgrund der geringen Entfernung zur Erde, stellen die Hyaden einen wichtigen Eckpfeiler der Astrophysik für die kosmische Entfernungsleiter dar und gehören zu den am besten erforschten offenen Sternhaufen an unserem Himmel. Die trigonometrische und Sternstrom-Parallaxe wurden sehr genau vermessen, so dass die absoluten Helligkeiten seiner Mitgliedssterne sehr genau bekannt sind.
Der Hyaden-Strom
Bereits im Jahr 1869 erkannte der amerikanische Astronom R.A. Proctor, dass die Hyaden und andere Sterne in der Umgebung des Sternhaufen, einem ausgedehnten Sternenstrom angehören und räumlich gesehen im weiten Umfeld unserer Sonne stehen müssen. Sie sind ein so genannter Bewegungssternhaufen, der als Hyaden-Strom bzw. Taurus-Strom bezeichnet wird. Seine Mitgliedssterne bewegen sich parallel mit 43 km/s in eine Richtung. Der Konvergenzpunkt (Vertex) befindet sich etwas östlich des Sterns Beteigeuze im Sternbild Orion. Die Hyaden sind im Bezug auf Alter, Bewegungsrichtung und Zusammensetzung der Praesepe (Messier 44) im Sternbild Krebs sehr ähnlich. So liegt der Verdacht nahe, dass beide Sternhaufen an einem gemeinsamen Ort entstanden sind und sich aufgrund ihrer Eigenbewegung heutzutage mehrere 100 Lichtjahre voneinander entfernt haben. Allerdings sind 85% der Sterne im Hyaden-Strom nicht gemeinsam entstanden. Sie besitzen aufgrund ihrer Metallizität ganz unterschiedliche Alter. Ihre gemeinsame Bewegung wird durch Gezeiteneffekte des massereichen rotierenden Balkens im Zentrum unseres Milchstraßensystems erklärt. Der im südlichen Sternbild Pendeluhr liegende Stern Iota Horologii ist übrigens ein ehemaliges echtes Mitglied unseres Sternhaufens. Dieser befindet sich aber, mit einer Entfernung von 56 Lichtjahren, deutlich näher in Richtung unseres Sonnensystems. In rund 50 Millionen Jahren werden sich die Hyaden so weit von uns entfernt haben, dass der Sternhaufen nur noch als ½ Grad großes Objekt am Himmel erscheinen wird.
Ein Sternhaufen in Auflösung
Die Hyaden besitzen ein Alter, wo sich viele offene Sternhaufen aufzulösen beginnen. Eine Ursache ist die Bewegung und gravitative Einflussnahme der Mitglieder innerhalb des Sternhaufens untereinander. Allerdings sind andere Sterne der Milchstraße, die sich entgegen dem Umlaufsinn der Mitgliedssterne bewegen sowie die Gezeitenkräfte der gesamten Galaxis auf die Außenränder des Haufens, der maßgebliche Grund für dessen Auflösung. Es wird angenommen, dass der Sternhaufen heutzutage noch eine Masse von 400 bis 1.200 Sonnenmassen besitzt, innerhalb des Gezeitenradius von 33 Lichtjahren. Einzelne Mitgliedssterne haben sich aber bereits über einen sehr großen Raumbereich verteilt. Ursprünglich enthielten die Hyaden 800 bis 1.600 Sonnenmassen. Weiter außen liegende Mitglieder finden sich man noch in einem Umkreis von rund 78 Lichtjahren um das Zentrum.
Eine aktuelle Studie aus dem März 2021, die auf Daten des Astrometrie-Satelliten Gaia erstellt wurden, zeigen S‑förmige Gezeitenschweife, die den Sternhaufen bogenförmig umgeben. Diese besitzen eine Ausdehnung von mehr als 5.000 Lichtjahren. Solche Gezeitenschweife wurden auch bei kugelförmigen Sternhaufen gefunden, die die Milchstraße im Halo umkreisen. Auf Grundlage von Computersimulationen vermutet man, dass ein ein so genannter Subhalo aus Dunkler Materie, von rund 10 Millionen Sonnenmassen, die Gezeitenschweife bei den Hyaden verursachen und für die Auflösung des Sternhaufens verantwortlich ist. Denn andere massereiche Objekte, wie eine Gaswolke oder ein anderer massereicher Sternhaufen, wurden in der unmittelbaren Umgebung der Hyaden nicht gefunden. Irgendwann werden sich die Mitgliedssterne so weit im Raum verstreut haben, dass der Sternhaufen als solches nicht mehr zu erkennen ist. Auch unsere Sonne war ursprünglich mal ein Mitglied eines offenen Sternhaufens. Dessen Sterne haben sich in den 4,5 Milliarden Jahre bereits über die gesamte Galaxis verteilt!
Beobachtung
Die Hyaden sind unter einem dunklen Landhimmel am besten mit bloßem Auge zu erkennen und können bereits aus der Stadt heraus bei aufgehelltem Himmel gesehen werden. Rund 5 bis 7 Mitgliedssterne bilden mit bloßem Auge eine an den Buchstaben „V“ erinnernde Figur. Weitere Dutzend Sterne sind ebenfalls mit dem bloßen Auge zu erkennen, wenn man den hellen Stern Aldebaran mit dem Daumen abschirmt. Selbst kleine Teleskope können den Sternhaufen nicht vollständig erfassen. Und auch ein 7x50 Fernglas besitzt schon eine zu hohe Vergrößerung. Unter Zuhilfenahme eines Opernglases, passt der Sternhaufen gerade noch in das Gesichtsfeld. In meinem 5x25 Visionking Feldstecher, der ein Gesichtsfeld von 15° besitzt, kann der Sternhaufen vollständig überblickt werden. Hier sind dann mehr als 40 Einzelsterne zu erkennen. Mit einem 10x50 Feldstecher sind ca. 130 helle und mäßig schwache Einzelsterne wahrnehmbar, die sich auf ein Gebiet von dem 11-fachen Durchmesser des Vollmondes verteilen. Im nördlichen Bereich des Haufens erkennt man eine kleinere Gruppe, zu der auch Upsilon, Kappa und Omega Tauri gehören. Diese erscheint wie ein losgelöster Teil der Hyaden. Weiter im Süden befindet sich eine weitere kleine Gruppe aus drei oder mehr Sternen, inklusive Mu Tau. Auffällig sind auch die schönen orangefarbenen Riesensternen wie Gamma, Delta, Epsilon und Theta‑1 Tauri.
Der Sternhaufen enthält weitere attraktive Sternenpaare und Sternengruppen, wobei das Sternenpaar Theta Tauri, mit 5,7 Bogenminuten Abstand und 3,4 und 3,8 mag Helligkeit, theoretisch schon mit dem bloßen Auge getrennt werden kann. Sie gelten nach dem Stern Mizar im Großen Bären als zweiter Augenprüfer am Himmel. Hierbei handelt es sich aber um einen optischen Doppelstern, dessen Komponenten innerhalb der Hyaden 9 Lichtjahre auseinander stehen. Nur 3 ½ Grad nordöstlich von Aldebaran befindet sich mit NGC 1647 ein weiterer offener Sternhaufen der 6. Größenklasse. Dieser besitzt einen scheinbaren Durchmesser von 40 Bogenminuten und ist bereits in Ferngläsern in 9 mag helle Einzelsterne auflösbar.
Um den Sternhaufen zu beobachten, sucht man sich am besten eine dunkle Herbst- oder Winternacht aus. Das Auffinden des Sternen‑V, im Kopf des Sternbilds Stier, bereitet auch von der Stadt heraus keinerlei Schwierigkeiten.
Aufsuchkarte Hyaden (Melotte 25) (126,2 KiB, 403 hits)
Steckbrief für Melotte 25
Objektname | Melotte 25 |
Katalogbezeichnung | Collinder 50, OCL 456 |
Eigenname | Hyaden, Regengestirn, Hyades |
Typ | offener Sternhaufen, II 3 m |
Sternbild | Stier (Taurus) |
Rektaszension (J2000.0) | 04h 27m 00,0s |
Deklination (J2000.0) | +16° 00′ 00″ |
V Helligkeit | 0,5 mag |
Winkelausdehnung | 330,0′ |
Anzahl der Sterne | 40 |
Hellster Stern | 3,4 mag |
Durchmesser | 17 Lichtjahre |
Entfernung | 143 Lichtjahre |
Beschreibung | vvB,vvL,irr; Taurus moving cluster;Aldebaran not a member |
Entdecker | prähistorisch |
Sternatlanten | Cambridge Star Atlas: Chart 3 & 9 Interstellarum Deep Sky Atlas: Chart 49 Millennium Star Atlas: Charts 185–186 (Vol I) Pocket Sky Atlas: Chart 15 Sky Atlas 2000: Chart 11 Uranometria 2nd Ed.: Chart 97 |