Nach über 6 Jahren Warten war es wieder so weit: Der Neumond schob sich in Europa wieder vor die Sonnenscheibe. Teilweise jedenfalls, denn bei uns war nur eine partielle Sonnenfinsternis sichtbar, die im Norden Deutschlands über 20% Bedeckungsgrad erreichte. Hier bei uns in Südbrandenburg lag der Grad der Bedeckung der sichtbaren Sonnenscheibe zwischen 13 und 11 Prozent. In der Arktis zeigte sich auf einem schmalen Finsternispfad eine ringförmige Sonnenfinsternis. Über Nordamerika war der partielle Bedeckungsgrad deutlich größer und die Menschen konnten dort eine ausgeprägte Sonnensichel betrachten. Viele Südkurvenmitglieder hatten sich für diesen Tag oder zur Mittagsstunde frei genommen und konnten die Finsternis, bei recht wechselhafter Wetterbedingungen, ebenfalls erfolgreich beobachten. Denn auch wenn sich vielerorts mehr oder weniger viele Wolken am Himmel zeigten, kam unser Zentralgestirn ab und zu doch mal durch eine Wolkenlücke hindurch. Unser langjähriges Mitglied Stephan hat von seinem Standort in Sachsen dieses beeindruckende Bild der Sonnenfinsternis im H‑Alpha-Licht geschossen und mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Finsternisbeobachtung in Gorden
Diesmal hatte ich mich mit Stefan und Uwe in Gorden, in der Nähe von Lauchhammer, verabredet. Auch Dr. Dieter M., ein Bekannter von Stefans Familie, war mit seinem eigenen Fernrohr, einen Skywatcher ED 120 auf einer EQ6-Montierung, vor Ort. Unser Gastgeber hatte bereits einen umfangreichen Teleskoppark im Garten aufgebaut, als Uwe und ich kurz nach 10:30 Uhr an der Mühle in Gorden eintrafen. Noch rechtzeitig vor dem 1. Kontakt, der um 11:38 Uhr stattfinden sollte. Leider zeigte sich Richtung Norden eine schwarze Wolkenwand, die immer mehr auf uns zu kam. Uns war das nicht geheuer, obwohl Dieter meinte, dass die Wolken am Dorf vorbeiziehen würden. Wir bauten also schnell die Ausrüstung ab, als es kurze Zeit später anfing stark zu regnen und zu gewittern. Wir flüchteten unter die überdachte Terrasse und sahen schon, die Finsternis im Regenguss und Gewittersturm davonschwimmen.
Die anderen Südkurvenmitglieder, nördlich oder südlich unserer Position, hatten dagegen mehr Glück. Denn dort regnete es nicht und vielerorts schien die Sonne. Dafür hatten ein paar unserer Mitglieder Pech während der maximalen Bedeckung, als Wolken die Sicht auf die Sonne trübten. Glücklicherweise hörte der Regen bei uns nach einer halben Stunde auf. Leider zu spät für den 1. Kontakt. Der Aufbau des Instrumentariums ging schnell von der Hand und kurz vor High Noon standen alle Teleskope wieder für die Beobachtung bereit. In Richtung Nordwesten zeigte sich auch eine größere Wolkenlücke mit blauem Himmel, obwohl es in Richtung Süden immer noch der Donner des nun abziehenden Gewitter grollte. Nachdem die letzte große Wolke die Sonne endlich wieder freigegeben hatte, konnten wir die Finsternis durch insgesamt 7 Teleskope beobachten.
Beeindruckend war das Seeing nach dem Gewitterguss, denn die schwarze Mondkalotte stand wie ausgestanzt vor der hellen Sonnenscheibe. Am Rand waren sogar einige Mondberge als Silhouette deutlich zu erkennen. Auf der „Oberfläche“ unseres Zentralgestirns zeigten sich zwei unauffällige Fleckengruppen. Die Flecken waren in Stefans 8 Zoll Dobson, der mit einem Sonnenfilter aus Baader-Solarfolie ausgestattet war, am besten zu sehen. In vielen der aufgestellten Refraktoren, vor allem in Uwes kleinen 2,5 Zoll Apo, zeigte sich deutlich die Sonnengranulation. In seinem Lunt-H-Alpha-Teleskop konnten wir eine Menge Protuberanzen sowie einige Fackelgebiete am Ort der Sonnenflecken deutlich erkennen. Vor allem eine Protuberanz am Rand war groß und auffällig und stach die anderen um Längen. Auch die anderen Südkurvenmitglieder waren nicht untätig. Denn zeitnah wurden die neusten Bilder in unserer WhatsApp-Gruppe geteilt.
Beeindruckt war ich von dem Zeiss-Telementor, wo die Sonne auf einen Schirm projiziert wurde. Stefan fotografierte die Finsternis mit seiner Canon-DSLR am Okularauzug durch seinen Skywatcher ED80. Ich hatte einige Schwierigkeiten, die teilverfinsterte Sonne in meinem Bresser Skylux 70 mm überhaupt zu finden. Hier habe ich auch nach fast 28 Jahren praktischer Astronomie am wenigstens Übung darin, unser Zentralgestirn am Schatten des Teleskop auszurichten. Schwache Deep-Sky-Objekte sind bei mir stets relativ fix händisch eingestellt. Der selbst gebaute Sonnenfilter, den ich mir zum Venustransit 2012 aus Solarfolie gebastelt hatte, leistete mir auch bei dieser Finsternis sehr gute Dienste. Auch ich konnte die größere Fleckengruppe mit höherer Vergrößerung zumindest erahnen.
Auch Stefans Familie beteiligte sich an der Finsternisbeobachtung, als pünktlich um 12:38 Uhr der maximale Bedeckungsgrad, mit 11,4% der sichtbaren Fläche, erreicht wurde. Danach ging es auf die Terrasse, wo es zum Mittagessen frisch gegrillte Steaks und Würstchen gab. 15 Minuten vor Finsternisende liefen wir wieder zu den Teleskopen. Denn diesmal wollten wir nicht den 4. Kontakt verpassen, der pünktlich um 13:40 Uhr Sommerzeit stattfinden sollte. Die zu diesem Zeitpunkt einsetzende Gewitterschwüle machte uns etwas zu schaffen. Und tatsächlich sah man nun recht schnell, wie der Mond die teilverfinsterte Sonnenscheibe nach und nach wieder frei gab.
Nach der erfolgreichen Beobachtung wurde noch nach Herzenslust gefachsimpelt und auch über andere Dinge gesprochen, bis wir abermals von einem Donnergrollen aufgeschreckt wurde. Wir schafften es aber noch rechtzeitig, die Ausrüstung vor dem einsetzenden Regenschauer zu verstauen. Kurz nach 16 Uhr verabschiedeten wir uns von Stefan und fuhren zufrieden nach Hause. Abermals konnte die Südkurve ein astronomisches Highlight beobachten.
Die nächste Sonnenfinsternis, die als partielle Finsternis auch von Deutschland aus sichtbar sein wird, findet bereits am Dienstag, dem 25. Oktober 2022 um 12:15 Uhr Sommerzeit statt. Und diesmal werden sogar 32% der sichtbaren Fläche der Sonne vom Mond bedeckt!
Unser Südkurvenmitglied Oliver hat eine beeindruckende Timelapse aus 3127 Bildern auf Youtube online gestellt:
Und auch in den sozialen Netzwerken war die (partielle) Sonnenfinsternis vom 10. Juni 2021 weltweit ein Thema… 🙂