In diesem Jahr fand zwischen dem 29. September bis 3. Oktober 2016 das 17. Herzberger Teleskoptreffen in Jeßnigk statt. Die Wetteraussichten einige Tage vor dem Treffen verhießen nichts Gutes. Und auch im Astrotreff-Forum wurde dieser Umstand heiß diskutiert und ich machte mir dort wenig Freunde, als ich die schlechten Wetteraussichten in Aussicht stellte. Dementsprechend getrübt war dann auch meine Stimmung kurz vor Beginn des Treffens. Aufgrund des eher bescheidenen Wetters, beschloss ich deshalb mein Teleskop zu Hause zu lassen. Nichts desto trotz konnte dann tatsächlich in allen Nächten beobachtet werden.
Donnerstag
Nachdem ich den Wasserkanister und meinen Proviant im Auto verstaut hatte, brach ich gegen Mittag auf zum HTT. Auf dem Weg dorthin musste ich eine Umleitung fahren, weil die Bundesstraße zwischen Hohenbucko und Schlieben gesperrt war. Mein Weg führte mich auf einer mehr oder weniger bescheiden asphaltierten Holperpiste die aussah, als ob eine Kolonne Panzer drüber gefahren wäre. Nach rund einer Stunde Fahrt kam ich aber wohlbehalten in Jeßnigk an. Auch diesmal musste ich am Einlass keinen Eintritt zahlen, weil ich als Autor am HTT-Skyguide mitgearbeitet hatte. An unserem angestammten Platz auf der großen Wiese angekommen, konnte ich Thomas und Gabi, sowie Uwe², Mario, Christian, Oli, Stefan und Kaschi begrüßen. Sogleich nutzte ich die Gelegenheit für einen ersten Rundgang über den Platz und traf hier und dort auch auf einige Bekannte aus den letzten Jahren. Sonnenbeobachtung war an diesem Tag leider nur begrenzt möglich, weil eine Wolkendecke ganztägig über dem Platz hing. Seltsamerweise hingen die Wolken nur über uns, denn in Richtung Herzberg war der Himmel einigermaßen frei. Diese Wolken sollten auch noch bis zum Ende der Abenddämmerung stören, obwohl der scharfe Westwind die Wolken schnell über den Himmel ziehen ließ. So vertrieb man sich die Zeit halt mit Fachsimpeleien.
Erst kurz nach 21 Uhr war es dann soweit: Der Himmel riss halbwegs auf, so dass nun endlich beobachtet werden konnte. Die Nacht war ungewöhnlich mild und trocken für die Jahreszeit, gepaart mit einem recht in Böen stürmischen Wind. Zuerst probierte ich mein erst vor zwei Wochen neu erworbenes Irix 15 mm f/2.4 UWW Objektiv aus und dokumentierte, in Form einiger Testaufnahmen, die Stimmung an der Südkurve. Schon bald musste ich aber feststellen, dass das Objektiv zu Flares neigt, trotz sehr guter Sternabbildungen auch bei Offenblende. Nachdem dann auch die letzten Wolken verschwunden waren, baute ich die Astrotrac auf und hatte bereits die ersten Probleme: Der böige Wind veranlasste mich, das Stativ 3x zu versetzen und neu einzunorden, weil Testbilder Verwacklungen zeigten. Das Stativ musste ich am Ende so weit einziehen, dass mein Auto mit der Beifahrertür als mehr oder weniger effektiven Windschutz dienen konnte. Leider versäumte ich es, den Akku der Canon EOS 600D zu wechseln. So konnte ich von der Triangulumgalaxie (M 33) nur 18 Bilder á 3 Minuten Belichtungszeit gewinnen. 🙁
In jener Nacht beobachtete ich vorwiegend mit meinem 10x70 Fernglas, mit Thomas 16x70 Fujinon sowie mit seinem 10 Zöller. Begeistert waren wir vom Helixnebel, den wir in beiden Ferngläsern eindeutig erkennen konnten und der im Newton mit Nebelfilter besser zu erkennen war. Mit 21.36 mag/arcsec², war es für HTT Verhältnisse eine durchschnittliche Nacht. Die Lichterglocken von Herzberg sowie von Berlin störten leider ein wenig. Auch zogen ab und zu höhere Wolkenfelder durch. Gegen 2 Uhr wechselte ich die Kamera für nachgeführte Weitfeldaufnahmen. Unglücklicherweise gelang mir nur ein einziges Bild des Goldenen Tors der Ekliptik, als der Himmel binnen Minuten mit einer dichten Wolkendecke zugezogen war. Das bedeutete auch leider das Ende der Beobachtungen. Das seltsame war, dass die Wolken aus Richtung Norden kamen, obwohl der Wind nach wie vor recht stürmisch aus Richtung Südwesten wehte.
Freitag
Meine erste Nacht im Auto war eher unbequem und unruhig. Ich wachte kurz nach 10 Uhr auf, als Thomas von mir ein Foto durch das beschlagenen Autofenster machte. Freilich waren die Südkurve schon vom Frühstück zurückgekehrt. Ich beeilte mich, um noch etwas zu bekommen. Der Himmel zeigte sich fast den gesamten Tag wolkenverhangen. Aus der geschlossenen Wolkendecke fing es gegen Mittag auch noch an zu regnen. Glücklicherweise hatten meine Nachbarn Thomas und Gabi schon sehr früh das Vorzelt aufgebaut, so dass sich dort nahezu die gesamte Südkurve zum gemeinsamen Umtrunk traf. Unglaublich, wie viel Leute unter einem kleinen Vorzelt platz finden, wenn es draußen regnet. Am frühen Nachmittag traf dann auch Endriko (Speedy) sowie die Müllers auf dem Platz ein, die sogleich ihr Zelt abbauten und den anwesenden Sternfreunden mitteilten, diesmal nicht auf dem HTT zu übernachten. Als Ausgleich hatten sie aber frischen Kuchen mitgebracht, so dass die Südkurve bis in den frühen Abend hinein versorgt war. Leider verpasste ich an diesem Tag auch alle Workshops und Vorträge, was ich ein wenig schade fand. Aber vielleicht lag es auch einfach an der schlechten Lautsprecheranlage.
Nachdem der Regen aufgehört hatte, fand man sich schnell bei den Händler ein. Von Martin Birkmaier (Intercon Spacetec) erstand ich eine Baader Clickstop Reduzierhülse und war schon ein wenig erstaunt, wie in letzter Zeit die Preise für Astroequipment angezogen haben, trotz „Messepreis“. Dort erfuhr ich auch, dass es Meinungsverschiedenheiten mit der Familie Schreiber auf der Astrofarm Tivoli gab, dass Hr. Birkmeier zum Anlass nahm, sein gesamtes Equipment dort zu entfernen. Jetzt findet man es auf der Nachbarfarm Kiripotib, zusammen mit „unserem“ 12,5 Zöller, mit dem wir Ende Mai 2014 wunderschöne Stunden unter dem namibischen Sternenhimmel verbracht hatten. Ingo, als letztes Mitglieder unserer Südkurve, traf endlich ein und hatte auch seine beiden Töchter mit im Gepäck. Sogleich machte man sich an die schnelle Errichtung des Zeltes, weil es wieder angefangen hat, zu regnen. Kurz nach Sonnenuntergang traf man sich schließlich im H‑Alpha Biergarten wieder. Ich unterhielt mich lange mit Jörg aus Celle über aktuelle Politik, Astronomie und andere Themen. Anschließend fühlten wir uns am Standort der Südkurve sehr gut unterhalten, als er mit uns Anekdoten aus seinem letzten Aufenthalt in Griechenland teilte. Er verbrachte seinen Urlaub auf Rhodos, zum Zeitpunkt der totalen Mondfinsternis, die er aufgrund diverser und zum Teil witziger Umstände nicht beobachten konnte. Um die Stimmung aufzulockern, wurde jedem ein Glas Whiskey gereicht. Inzwischen hatten sich die Wolken am Himmel etwas verzogen, so dass wir doch noch ein wenig beobachten konnten. Ich half in dieser Nacht Ingos Tochter Alicia bei ihren ersten Nachtaufnahmen und testete Christians 50 mm Objektiv, das sich im Nachhinein als ziemliche Gurke erwies. Gegen 2 Uhr morgens lagen dann alle Mitglieder der Südkurve in ihren Schlafsäcken.
Sonnabend
Nachdem ich mich um 10:30 Uhr aus dem Schlafsack quälte, wunderte ich mich schon ein wenig, als die ersten Mitglieder unserer Südkurve ihre Zelte abbrachen und sich verabschiedeten. Über den Tag verteilt verließen knapp über die Hälfte der Südkurve das HTT-Gelände. Ich ließ mich davon nicht beeindrucken und baute erstmal meine umfangreiche Stativsammlung auf. Ich hatte ja versprochen, diese mitzubringen, um sie dem geneigten Publikum zu präsentieren. Daraus entwickelte sich ein nicht ganz unfreiwilliger Workshop, um verschiedene Stativkombinationen zu testen. Auch Thomas und Jörg aus Leipzig beteiligten sich daran und stellten ihre Stative zu den meinen hinzu. Einige Sternfreunde, die an der Südkurve vorbeigingen und dem munten Treiben amüsiert zusahen glaubten, dass ich als Stativhändler einige veräußern möchte. Thomas und Uwe aus Chemnitz rissen mich schließlich aus meinem Stativ-Wahn und erinnerten daran, dass wir nach Kolochau fahren wollten, um mal wieder ausgiebig zu duschen. Ich als Fahrer hatte aber keine Lust, die am Donnerstagnachmittag mühevoll vor den Scheinwerfern des PKW platzierten Aluminiumfolien zu entfernen. Also ließ ich sie einfach dran. Glücklicherweise verirrt sich in dieser verlassenden Gegend Südbrandenburgs selten mal ein Streifenwagen der Polizei. Am Nachmittag machten sich die verbliebenen Mitglieder der Südkurve bei einem heißen Käffchen und Kuchen gemütlich. Am Abend besuchten wir den Vortrag von Dr. Ruth Tietz-Weider vom DLR. Das Thema war die Suche nach Exoplaneten und einer zweiten Erde. Den Vortrag fand ich etwas langatmig, weil auch kaum neue Erkenntnisse vermittelt wurden und eher leidenschaftslos vorgetragen wurde. Deutlich interessanter war da die anschließende Präsentation der Cuzdi-Maske für die Astrofotografie. Diese stellt eine verbesserte Version der Bahtinov-Maske zum Finden des optimalen Schärfepunktes dar. Vor allem Speedy und Christian waren von diesem Zubehör mehr als begeistert. Dabei musste ich Speedy regelrecht dazu zwingen, den Vortrag überhaupt anzuhören. Die Präsentation der Cuzdi-Maske war eine Notlösung, weil der 3D-Drucker von Lothar Weiß einen Defekt aufwies, so dass dieser Vortrag nicht stattfinden konnte.
Als ich kurz nach 21 Uhr aus dem Vortragssaal stolperte, traf ich im H‑Alpha Biergarten auf Christoph, Rick und Ilka von den Kirchhainer Sternfreunden. Rick flirtete dort mit zwei netten Mädels aus Dresden, die erst am späten Samstagnachmittag, mit ihrem 4 Zoll Fraunhofer Achromaten, auf dem Platz eintrafen. Aus dieser ersten Begegnung entwickelte sich direkt eine kleine Freundschaft. Ich lud Christoph & Co. zu uns an die Südkurve ein. Dort warteten schon die verbliebenen Mitglieder auf besseres Beobachtungswetter. Auch die beiden Neuankömmlinge, die sich als Anja und Michaela vorstellten, gesellten sich spontan zu uns.
Auch bei schlechtem Wetter zeigt sich das besondere Flair des HTT. Man kann schnell Freundschaften schließen und in geselliger Runde seinem Hobby frönen. Der nach wie vor mit Wolken verdeckte Himmel tat der ausgelassenen Stimmung keinen Abbruch. Kurz bevor sich die Kirchhainer von uns verabschieden wollte – meine Uhr zeigte kurz nach Mitternacht – riss der Himmel binnen Minuten auf. Plötzlich lief jeder zu seinen Instrumenten. Die Durchsicht, die sich uns darbot, war einmalig. Ich konnte Messier 33 ohne Probleme mit bloßem Auge erkennen. Die Sommer- und Herbstmilchstraße spannte sich als helle und reich strukturierte Lichtbrücke quer über unseren Köpfen. Überall bildeten sich kleine Beobachtergrüppchen. Wir nutzen vor allem die beiden Großfeldstecher von Fujinon, die wir nebeneinander aufstellten. Der Nordamerikanebel war durch beide Instrumente sehr leicht zu erkennen und stach mit den erst am Abend vorher von Thomas erworbenen Nebelfiltern noch besser heraus. Interessant war auch der Anblick des Cirrusnebels, obwohl dieser deutlich schlechter zu erkennen war. Der Andromedanebel präsentierte sich als ausgedehntes Objekt, das fast das gesamte Gesichtsfeld beider Ferngläser ausfüllte. Und auch die Dreiecksgalaxie war mehr als ein bloßer Lichtfleck im Okular. Bei den Plejaden zeigten sich schon andeutungsweise die Reflexionsnebel um die hellsten Plejadensterne. Fantastisch! Plötzlich war binnen Minuten der Himmel wieder vollständig mit Wolken zugezogen, so dass wir die lustigen Gespräche an der Südkurve fortsetzen konnten. Allerdings war die Bewölkung nicht von Dauer, denn nur eine halbe Stunde später konnte wir weiter beobachten. Wir hatten noch die Gelegenheit, einen Blick durch Anjas Fraunhofer und Jörgs Apo zu werfen, als der Himmel abermals mit Wolken bedeckt war. Bemerkenswert war, dass diese recht tief hängenden Wolken sich pechschwarz vor dem helleren Himmelshintergrund abhoben. Als ich mich dann später zur Ruhe legte, war der Himmel abermals frei. Ich war aber viel zu Müde um weiter zu beobachten. Uns wurde später von anderen Teilnehmern mitgeteilt, dass an jenem Sonntagmorgen das Zodiakallicht deutlich wie selten auf dem HTT zu sehen war.
Sonntag
Am Sonntag, dem letzten und traditionell sonnigste Tag des HTT, lichtete sich der Platz weiter. Weitere Teilnehmer der Südkurve reisten ab. Wir verabschiedeten Speedy und Christian sowie Thomas und Gabi, die bereits am frühen Nachmittag die Heimreise antraten. Uwe aus Finsterwalde schlug kurz vor dem Mittagessen wieder auf der großen Wiese auf und brachte sein H‑Alpha-Teleskop mit. Im Weißlicht zeigte sich die Sonne nahezu fleckenfrei, wie ein Blick durch das Teleskop des anderen Uwe bewies. Im H‑Alpha-Licht zeigte sich hingegen eine ungewöhnlich große Protuberanz. Anja und Michaela, die wir erst am Vorabend kennengelernt hatten, wichen an diesem Tag nicht von unserer Seite. Ein älterer Herr gesellte sich zu uns und präsentierte sein „Spektroskop“ in Form einer auf einem alten Stativ montierten DVD. Verblüffenderweise zeigten sich mit dieser einfachen Ausrüstung die Fraunhoferschen Linien im Sonnenspektrum!
Am frühen Abend überlegten wir uns, wie wir den Abend weiter verbringen. Ein Vorzelt zum Klönen stand leider nicht zur Verfügung. Da hatte Jörg die Idee einen Unterstand zu basteln. Innerhalb einer halben Stunde wurden aus einer Stoffplane mit Stangen und zwei Fahrzeugen ein behelfsmäßiger Pavillon errichtet. Nebenbei opferten die beiden Mädels ihre letzten Vorräte, um die verbliebenen Südkurvenmitglieder mit Nahrung zu versorgen und uns somit vor dem sicheren Hungertod zu retten. Die noch vor Ort verbliebenen Teleskope wurden direkt vor dem Pavillon aufgestellt und somit eine neue Südkurve geschaffen.
Nach dem kurzen Abendessen warteten alle gespannt auf den Sonnenuntergang, der die große Wiese in eine warmes Licht tauchte. Bald darauf erschien auch der Abendstern Venus über dem südwestlichen Horizont, der zugleich von allen Teilnehmern mit den Teleskopen in Augenschein genommen wurde. Die sehr dünne Mondsichel war kurze Zeit später zuerst im Fernglas und schließlich auch mit bloßem Auge dicht über dem Horizont erkennbar. Als die Dunkelheit endlich herein brach, herrschte ein reges Treiben auf dem Platz. Zuerst wurden die Planeten Mars und Saturn beobachtet, die sich partout nicht aus der noch vorhandenen Wolkenbank über Herzberg herausschälen wollten. Allerdings mussten wir nicht lange warten, denn das Wetter besserte sich zusehends. Ich gesellte mich zu Anja und Michaela und stellte bekannte Standardobjekte ein, die wir gemeinsam beobachteten. Der Himmel zeigte sich zu diesem Zeitpunkt zum größten Teil wolkenlos. Kurz vor Mitternacht beendeten wir die Beobachtung. Ich verabschiedete mich von Anja, Michaela, Uwe und Jörg und trat kurz nach Mitternacht zufrieden die einstündige Heimreise an. Das Treffen wird mir sicherlich noch lange in Erinnerung bleiben. Denn die familäre Stimmung vor Ort, in der letzten Nacht des 17. Herzberger Teleskoptreffens, war vergleichbar mit meinem ersten Besuch des HTT vor genau 12 Jahren, damals noch an der Bahnsdorfer Jagdhütte.
Das nächste Herzberger Teleskoptreffen findet wieder vom 21. bis 24. September 2017 statt…