Objekte des Monats: Die Sombrerogalaxie Messier 104

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Die Gala­xie Mes­sier 104 (NGC 4594), im Stern­bild Jung­frau (Vir­go), wur­de am 9. April 1781 von dem fran­zö­si­schen Astro­no­men Pierre Méchain ent­deckt. Méchain erwähn­te sie in einen Brief an Johann Ber­noul­li am 6. Mai 1783, der die Ent­de­ckung spä­ter im „Astro­no­mi­schen Jahr­buch“ ver­öf­fent­lich­te. Méchain beschrieb M 104 als licht­schwa­ches und schwer zu fin­den­des Objekt. Die Gala­xie kommt in Charles Mes­siers ers­ten ver­öf­fent­lich­ten Kata­log der neb­li­gen Objek­te ursprüng­lich gar nicht vor. Der fran­zö­si­sche Astro­nom füg­te die Gala­xie näm­lich erst am 11. Mai 1783 nach­träg­lich und hand­schrift­lich in sei­nem per­sön­li­chen Exem­plar des Mes­sier-Kata­logs hin­zu. Der fran­zö­si­sche Astro­nom Camil­le Flamm­a­ri­on fand schließ­lich her­aus, dass die am 9. Mai 1794 von dem deutsch-bri­ti­schen Astro­no­men Wil­helm Her­schel unab­hän­gig ent­deck­te Gala­xie mit Mes­siers Ein­trag über­ein­stimm­te. Dar­auf­hin nahm er sie im Jahr 1921 offi­zi­ell als 104. Objekt in die Mes­sier-Lis­te auf. Her­schel beschrieb das Objekt als ein schwa­ches, dif­fu­ses ova­les Licht und bemerk­te auch die dunk­le Spur. Auch sein Sohn John Her­schel bemerk­te das mar­kan­te Staub­band. Auf­rund ihres äuße­ren Erschei­nungs­bil­des kennt man sie eher unter ihren Namen „Som­bre­ro­ga­la­xie“. Der ame­ri­ka­ni­sche Astro­nom Ves­to M. Slipher stell­te im Jahr 1912 fest, dass das Objekt rotiert und hoch rot­ver­scho­ben war und sich dem­zu­fol­ge von uns ent­fern­te. Es war damals die größ­te gemes­se­ne Rot­ver­schie­bung einer Gala­xie. Die Berech­nun­gen von Slipher und die Mes­sun­gen der Flucht­ge­schwin­dig­keit ande­rer Gala­xien wie­sen schließ­lich auf ein expan­die­ren­des Uni­ver­sum hin. So lie­fer­te die Som­bre­ro­ga­la­xie einen wich­ti­gen Beweis für die Urknalltheorie.

Zweithellste Galaxie am Frühlingshimmel

Die Som­bre­ro­ga­la­xie ist unter einem dunk­len Land­him­mel bereits in Fern­glä­sern und klei­nen Tele­sko­pen auf­find­bar. Ein süd­li­cher Stand­ort ist von gro­ßem Vor­teil, weil sie mit ihrer Dekli­na­ti­on von ‑11,5° dann deut­lich höher über dem Hori­zont steht. Sie gilt neben Mes­sier 81 im Gro­ßen Bären als hells­te Gala­xie des Früh­lings­him­mels. Ihr schein­ba­rer Durch­mes­ser beläuft sich auf 8,7 x 3,5 Bogen­mi­nu­ten und ihre Ent­fer­nung, je nach Quel­le, zwi­schen 29,3 und 31,1 Mil­lio­nen Licht­jah­re. Ihr wah­rer Durch­mes­ser ent­spricht dem­zu­fol­ge ca. 49.000 Licht­jah­re. Damit ist die Gala­xie nur 1/3 so groß wie unser eige­nes Milch­stra­ßen­sys­tem. Mit 800 Mil­li­ar­den Son­nen­mas­sen besitzt sie auch fast die hal­be Mas­se unse­rer eige­nen Gala­xis. Auf Fotos erkennt man, dass M 104 von einem dich­ten und schma­len Staub­ring und einem über­durch­schnitt­li­che gro­ßen hel­len Kern geprägt ist. So ähnelt sie tat­säch­lich rein äußer­lich an einem breit­krem­pi­gen Hut oder mexi­ka­ni­schen Som­bre­ro. Des­halb betrach­ten vie­le Ama­teur­as­tro­no­men Mes­sier 104 als die schöns­te aller Virgo-Galaxien.

Messier 104
Die Som­bre­ro­ga­la­xie Mes­sier 104 im Stern­bild Jung­frau – Auf­nah­me von Johan­nes Sched­ler, Quel­le: CCD-Gui­de, Astro­no­mi­scher Arbeits­kreis Salzkammergut

Die Spi­ral­ga­la­xie vom Hub­ble-Typ SA(s)a gehört nicht mehr zum enge­ren Kreis des Vir­go-Gala­xien­hau­fen. Sie steht etwas iso­liert von den rei­chen Gala­xien­ge­bie­ten im Stern­bild der Jung­frau. M 104 ist dem Vir­go-Gala­xien­hau­fen direkt vor­ge­la­gert. Gleich­zei­tig ist sie das hells­te Mit­glied einer klei­nen Grup­pe von Gala­xien, zu denen noch NGC 4487, NGC 4504, NGC 4802 und UGCA 289 gehö­ren. Die Grup­pe ist wie­der­um Mit­glied der Vir­go-II-Grup­pe, die sich am süd­li­chen Rand des Vir­go-Super­hau­fens befin­det. Mes­sier 104 wird von einer 2009 ent­deck­ten ultra­kom­pak­ten Zwerg­ga­la­xie beglei­tet. Die­se besitzt einen Durch­mes­ser von nur 96 Licht­jah­ren und eine Mas­se von 33 Mil­lio­nen Son­nen­mas­sen. Die Schei­be des Som­be­ros ist 6° gegen die Äqua­tor­ebe­ne geneigt, so dass wir fast genau auf die Kan­te die­ses ent­fern­ten Milch­stra­ßen­sys­tem bli­cken. Sie ent­hält sehr eng gewun­de­ne und zum Teil frag­men­tier­te Spiralarme.

Ausgedehnter und massiver Halo

M104 - Spitzer
Auf­nah­me der Som­bre­ro­ga­la­xie im Infra­rot­licht durch das Spit­zer-Welt­raum­te­le­skop – Cre­dit: NASA/­JPL-Cal­tech and The Hub­ble Heri­ta­ge Team (STScI/AURA), Public domain, via Wiki­me­dia Commons

Die Som­bre­ro­ga­la­xie besitzt einen aus­ge­dehn­ten Halo mit schät­zungs­wei­se 1.200 bis 2.000 alten kugel­för­mi­gen Stern­hau­fen, die die Gala­xie sphä­risch umge­ben. Eini­ge hun­dert von ihnen sind bereits in gro­ßen Ama­teur­fern­roh­ren sicht­bar und umge­ben die Gala­xie wie ein Bie­nen­schwarm. Die Anzahl der Kugel­stern­hau­fen über­steigt damit deut­lich die der Milch­stra­ße, die nur 200 ent­hält. Alte, metall­ar­me Ster­ne, die man typi­scher­wei­se in den Halos von Gala­xien fin­det, feh­len bei M 104 nahe­zu völ­lig. Ihr mas­se­rei­che Halo erstreckt sich bis zu 20 Bogen­mi­nu­ten bzw. 55.000 Licht­jah­re über der Schei­be. Ihr aus­ge­dehn­ter und rela­tiv metall­ar­mer Halo ist ein Hin­weis auf die Ver­schmel­zung mit einer ähn­lich mas­se­rei­chen Gala­xie vor eini­ge Mil­li­ar­den Jah­ren. Das gut sicht­ba­re Staub­band ist in Wahr­heit ein Ring aus ato­ma­ren Was­ser­stoff­gas und Staub, das die Gala­xie umgibt. Der größ­te Anteil an kal­tem mole­ku­la­rem Was­ser­stoff­gas und Staub der Som­bre­ro­ga­la­xie ist in die­sem Ring kon­zen­triert. Klum­pi­ge Berei­che an den äußers­ten Rän­dern des Rings wei­sen auf jun­ge Stern­ent­ste­hungs­re­gio­nen hin. Auf­grund des aus­ge­präg­ten Halos und des mas­se­rei­chen Rings wird ange­nom­men, dass es sich bei Mes­sier 104 in Wahr­heit um eine rie­si­ge ellip­ti­sche Gala­xie han­deln könn­te. Die­se Ent­de­ckung warf Fra­gen zur Ent­ste­hung der Gala­xie und zur Gala­xien­ent­wick­lung im All­ge­mei­nen auf.

Supermassereiches Schwarzes Loch

Mes­sier 104 besitzt einen Kern, der als LINER-Typ (Low Ioniza­ti­on Nuclear Emis­si­on Line Regi­on) klas­si­fi­ziert wird. Dabei han­delt es sich um eine Kern­re­gi­on in einer Gala­xie, in der ioni­sier­tes Gas vor­han­den ist, deren Ionen aber nur schwach ioni­siert sind. Spek­tro­sko­pi­sche Beob­ach­tun­gen im Infra­rot­be­reich haben gezeigt, dass es im Kern der Som­bre­ro­ga­la­xie wahr­schein­lich kei­ne nen­nens­wer­te Stern­ent­ste­hungs­ak­ti­vi­tät mehr gibt. Aller­dings besitzt sie in ihrem außer­ge­wöhn­lich gro­ßen und hel­len Zen­trum ein super­mas­se­rei­ches Schwar­zes Loch von unge­fähr eine Mil­li­ar­de Son­nen­mas­sen. Daten des Hub­ble Space Telescope (HST) und des Cana­da-France-Hawaii Tele­skop (CFHT) in den 1990er Jah­ren zeig­ten, dass die Rota­ti­ons­ge­schwin­dig­keit der Ster­ne in der Nähe des Kerns nicht mög­lich wäre, ohne den Ein­fluss eines super­mas­se­rei­chen Schwar­zen Lochs.

M104 - Hubble
Auf­nah­me des Hub­ble-Welt­raum­te­le­skops von Mes­sier 104 – Cre­dit: NASA/ESA and The Hub­ble Heri­ta­ge Team (STScI/AURA), Public domain, via Wiki­me­dia Commons

Das Schwar­ze Loch im Zen­trum von Mes­sier 104 gehört zu den mas­se­reichs­ten Exem­pla­ren in unmit­tel­ba­rer Nähe zu unse­rer eige­nen Gala­xie. Es ist 250-mal mas­se­rei­cher, als das Schwar­zen Loch im Zen­trum unse­rer Milch­stra­ße oder der Andro­me­da­ga­la­xie (Mes­sier 31). Ihre Bul­ge, die größ­ten­teils aus alten Ster­nen besteht, ist stark aus­ge­prägt. Im All­ge­mei­nen scheint es, dass ein aus­ge­präg­ter Bul­ge stark mit der Mas­se des zen­tra­len Schwar­zen Loch im Zen­trum von Gala­xien kor­re­liert. Die Bul­ge vn M 104 umfasst sogar ein Vier­tel der gesam­ten Mas­se der Gala­xie. Im Licht der Radio- und Rönt­gen­strah­lung ist der Kern auch eine star­ke Quel­le von Syn­chro­tron­strah­lung. Die­se Art von Emis­si­on ist bei akti­ven galak­ti­schen Ker­nen sehr häu­fig. Syn­chro­tron­strah­lung wird erzeugt, wenn Elek­tro­nen mit hoher Geschwin­dig­keit oszil­lie­ren, wenn sie durch Regio­nen mit star­ken Magnet­fel­dern lau­fen. Trotz eines so mas­si­ven Schwar­zen Lochs, ist es im Zen­trum der Som­bre­ro­ga­la­xie ver­gleichs­wei­se ruhig.

Beobachtung

Mes­sier 104 gehört zu den hells­ten Gala­xien an unse­rem Him­mel. Sie ist bereits in einem 8x42 Fern­glas, spä­tes­tens aber im 10x50 Feld­ste­cher als in Ost-West-Rich­tung aus­ge­rich­te­ter ova­ler Licht­fleck sicht­bar. Mit Groß­fern­glä­sern und Tele­sko­pen von rund 3 bis 4 Zoll Öff­nung erscheint sie etwas hel­ler und lin­sen­för­mig, mit einer deut­li­chen Hel­lig­keits­zu­nah­me zur Mit­te. Das mar­kan­te Staub­band ist unter einem dunk­len Him­mel und opti­ma­len Bedin­gun­gen in Fern­roh­ren ab 5 Zoll Öff­nung und 100-facher Ver­grö­ße­rung erkenn­bar. Mit 6 bis 8 Zoll Öff­nung erkennt man, dass der Gala­xien­kör­per nach Süden hin scharf begrenzt ist und von der Schei­be los­ge­löst und abge­run­det erscheint. Der nörd­li­che Teil geht eher dif­fus in den Hin­ter­grund über. Die Rän­der der Schei­be lau­fen spitz nach außen hin aus. Sie erscheint wie eine abge­flach­te Unter­tas­se, mit einer gro­ßen zen­tra­len Aus­buch­tung. Mit 150-facher Ver­grö­ße­rung erscheint der sehr hel­le Kern von M 104 oval. Mit Tele­sko­pen von 10 bis 12 Zoll Öff­nung ist das Staub­band beson­ders im Süden scharf begrenzt. Es kann nahe­zu in sei­ner gesam­ten Län­ge ver­folgt wer­den. 1,4° süd­öst­lich von M 104 befin­det sich noch der Dop­pel­stern Struve 1669. Sei­ne 6,0 und 6,1 mag hel­len Kom­po­nen­ten lie­gen nur 5,2 Bogen­se­kun­den aus­ein­an­der. Der Dop­pel­stern erscheint bereits in klei­nen Tele­sko­pen aufgelöst.

Aufsuchkarte
Auf­such­kar­te für Mes­sier 104 – erstellt mit SkytechX

Die Som­bre­ro­ga­la­xie ist am bes­ten in den Früh­lings­mo­na­ten sicht­bar und kann im süd­west­li­chen Teil des Stern­bilds Jung­frau auf­ge­fun­den wer­den. Sie steht direkt ober­halb der Gren­ze zum Stern­bild Rabe (Cor­vus), rund 5,5° nord­öst­lich von Eta Crv (4,3 mag), in einer stern­ar­men Him­mels­ge­gend. Um Mes­sier 104 auf­zu­fin­den, gehen wir vom Haupt­stern Spika (Alpha Vir, 1,0 mag) in der Jung­frau aus. Wir schwen­ken das Tele­skop rund 11,5° Grad in Rich­tung Wes­ten. Nun soll­te die Gala­xie im Sucher­fern­rohr als klei­nes ova­les Nebel­fleck­chen erkenn­bar sein. Nörd­lich von M 104 steht ein schwa­ches, mit blo­ßem Auge sicht­ba­res Drei­eck aus Ster­nen, das von den Ster­nen Chi Vir (4,7 mag), Psi Vir (4,8 mag) und 21 Vir (5,5 mag) gebil­det wird. Unge­fähr 1° ent­fernt von der Gala­xie steht ein auf­fäl­li­ges Paar von 7 mag hel­len Ster­nen, die in Ost-West-Rich­tung aus­ge­rich­tet sind. West­lich von Mes­sier 104 befin­det sich noch ein enges Paar 8 mag hel­ler Ster­ne, die direkt auf die Gala­xie weisen.

Auf­such­kar­te Som­bre­ro­ga­la­xie (Mes­sier 104) (58,3 KiB, 199 hits)

Steckbrief für Messier 104

Objekt­na­meMes­sier 104
Kata­log­be­zeich­nungNGC 4594, PGC 42407, MCG ‑2–32-20
Eigen­na­meSom­bre­ro­ga­la­xie, Som­bre­ro Galaxy
TypGala­xie, Sab
Stern­bildJung­frau (Vir­go)
Rekt­aszen­si­on (J2000.0)12h 39m 59,3s
Dekli­na­ti­on (J2000.0)-11° 37′ 21″
V Hel­lig­keit8,3 mag
Flä­chen­hel­lig­keit11,6 mag
Win­kel­aus­deh­nung8,6′ x 4,2′
Posi­ti­ons­win­kel89°
Abso­lu­te Helligkeit-22,180 mag
Durch­mes­ser49.000 Licht­jah­re
Ent­fer­nung30 Mil­lio­nen Lichtjahre
Beschrei­bung!vB,vL,eE92,vsmbMN; H I 43;dark equa­to­ri­al lane;Sombrero Galax
Ent­de­ckerPierre Méchain, 1781
Stern­at­lan­tenCam­bridge Star Atlas: Chart 11
Inter­stel­larum Deep Sky Atlas: Chart 69
Mill­en­ni­um Star Atlas: Charts 821–822 (Vol II) 
Pocket Sky Atlas: Chart 47
Sky Atlas 2000: Chart 14
Urano­me­tria 2nd Ed.: Chart 130

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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