Objekte des Monats: Die Spindelgalaxie Messier 102

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Mes­sier 102 (NGC 5866) ist eine hel­le Gala­xie im nörd­li­chen Stern­bild Dra­che (Dra­co). Sie wur­de Ende März oder Anfang April 1781 von dem fran­zö­si­schen Astro­no­men Pierre Méchain ent­deckt. Sein Freund Charles Mes­sier nahm die­sen Nebel hand­schrift­lich in sei­nem per­sön­li­chen Exem­plar und in die end­gül­ti­ge Fas­sung sei­nes berühm­ten Nebel­ka­ta­log auf, ohne die Posi­ti­ons­an­ga­be von Méchain zu über­prü­fen. Er beschrieb M 102 als schwa­chen Nebel in der Nähe eines Sterns der 6. Grö­ßen­klas­se, zwi­schen Omic­ron Boötis (in Wahr­heit The­ta Boötis) und Iota Dra­co­nis. Der deutsch-bri­ti­schen Astro­no­men Fried­rich Wil­helm Her­schel ent­deck­te sie am 5. Mai 1788 unab­hän­gig von Mes­sier. M 102 trägt auf­grund ihres äuße­ren Erschei­nungs­bil­des auch den Namen „Spin­del­ga­la­xie“ (Spind­le Gala­xy). NGC 3115, im Stern­bild Schlan­ge (Ser­pens), trägt übri­gens den glei­chen Namen.

Ein spindelförmige Schönheit im Drachen

Mes­sier 102 ist der Pro­to­typ und eine von vier lin­sen­för­mi­gen Gala­xien im Mes­sier-Kata­log (M 84, M 85, M 86 und M 102). Sol­che S0-Gala­xien, mit spi­ral­för­mi­gen Schei­ben und gro­ßen ellip­ti­schen Aus­buch­tun­gen, wer­den „Len­ti­ku­lar-Gala­xien“ genannt. M 102 besitzt eine gro­ße Flä­chen­hel­lig­keit und wir bli­cken fast genau auf die Kan­te die­ser 40,8 Mil­lio­nen Licht­jah­re ent­fern­ten Wel­ten­in­sel. Mit einer schein­ba­ren Aus­deh­nung von 4,7 x 1,9 Bogen­mi­nu­ten und einer Hel­lig­keit von 9,9 mag ist die Gala­xie bereits in klei­ne­ren Tele­sko­pen auf­find­bar. Sie ist mit einem Durch­mes­ser von rund 71.000 Licht­jah­ren unge­fähr um die Hälf­te klei­ner als unser eige­nes Milchstraßensystem. 

Messier 102
Mes­sier 102 im Dra­chen – Auf­nah­me von Gün­ter Kersch­hu­ber, Quel­le: CCD-Gui­de, Astro­no­mi­scher Arbeits­kreis Salzkammergut

Das auf län­ger belich­te­ten Fotos aus­ge­franst erschei­nen­de schar­fe Staub­band in der Äqua­tor­ebe­ne ist 2° gegen die Ebe­ne der Gala­xie geneigt. Die Staub­schei­be ist für eine Gala­xie die­ser Art von sich aus sehr unge­wöhn­lich. Denn lin­sen­för­mi­ge Gala­xien haben typi­scher­wei­se Staub nur in der Nähe der zen­tra­len Regi­on. Somit könn­te es sich bei M 102 tat­säch­lich um eine Spi­ral­ga­la­xie han­deln, was die Staub­schei­be weit­aus weni­ger unge­wöhn­lich machen wür­de. Ihren Eigen­na­men „Spin­del­ga­la­xie“ erhielt Mes­sier 102 auf­grund ihrer gro­ßen zen­tra­len Aus­buch­tung und ihrer spitz zulau­fen­den Gala­xien­schei­be, das an die Spin­del eines Spinn­ra­des erinnert.

Messier 102 HST
Die Spin­del­ga­la­xie in einer Auf­nah­me des Hub­ble-Welt­raum­te­le­skops – Cre­dit: NASA, ESA, and The Hub­ble Heri­ta­ge Team (STScI/AURA), Public domain, via Wiki­me­dia Commons

Die Spin­del­ga­la­xie hat in der Ver­gan­gen­heit höchst­wahr­schein­lich eine Nah­be­geg­nung mit einer ande­ren Gala­xie erfah­ren. Die­se Ver­mu­tung wird noch durch den Umstand gestützt, dass Mes­sier 102 das größ­te und hells­te Mit­glied einer klei­nen Gala­xien­grup­pe ist, die als NGC 5866-Grup­pe bzw. M102-Grup­pe bezeich­net wird. Zu die­ser Grup­pe gehö­ren auch die 150.000 Licht­jah­re gro­ße und hel­le Edge-on-Spi­ra­le NGC 5907 (10,4 mag) sowie NGC 5879 (11,5 mag). Sie sind phy­si­sche Beglei­ter von Mes­sier 102. Der Abstand zwi­schen ihnen ist etwa halb so groß wie zwi­schen unse­rer Milch­stra­ße und der Andro­me­da­ga­la­xie (Mes­sier 31). Wei­te­re Gala­xien die­ser Grup­pe sind die sehr schwa­che Gala­xien NGC 570, NGC 5866B und UGC 9776. Mes­sier 102 besitzt ver­mut­lich eine Mas­se von 1 Bil­li­on Son­nen­mas­sen und ent­hält mehr als 100 Mil­li­ar­den Ster­ne. Die Anzahl an Kugel­stern­hau­fen wird auf 340 geschätzt. Es wur­den bis­her noch kei­ne Super­no­va in die­ser Gala­xie beobachtet.

M102-Kontroverse

Wel­che Gala­xie Charles Mes­sier, mit sei­nem Ein­trag Nr. 102, nun mein­te, als er damals sei­nen Kata­log ver­öf­fent­lich­te, ist bis heu­te immer noch nicht ganz klar. Denn bei M 102 han­delt es sich um eine ver­se­hent­li­che und durch sei­nen Freund Pierre Méchain im Nach­hin­ein selbst erkann­te Dop­pel­be­ob­ach­tung von Mes­sier 101. His­to­ri­sche Erkennt­nis­se legen den Ver­dacht aber nahe, dass es sich bei M 102 tat­säch­lich um die lin­sen­för­mi­ge Gala­xie NGC 5866 han­deln könn­te, obwohl auch ande­re Gala­xien in die­sem Him­mels­ab­schnitt als mög­li­che Iden­ti­tä­ten vor­ge­schla­gen wurden.

Messier 101
Mes­sier 101 im Stern­bild Gro­ßer Bär

Aller­dings ist kei­ne die­ser Gala­xien genau so hell wie die­se und erschei­nen mit einer deut­lich gerin­ge­ren Flä­chen­hel­lig­keit. Außer­dem befin­det sich NGC 5866 fast genau 5° west­lich von M 101. Die­se Abwei­chung ist wahr­schein­lich auf einen Daten­re­duk­ti­ons­feh­ler Méchains zurück­zu­füh­ren. NGC 5866 scheint sowohl mit der Objekt­be­schrei­bung (von Pierre Méchain), in der gedruck­ten Ver­si­on des Mes­sier-Kata­logs von 1781, als auch mit der von Charles Mes­sier, in hand­schrift­li­chen Noti­zen auf sei­ner per­sön­li­chen Lis­te des Mes­sier-Kata­logs, ange­ge­be­nen Objekt­po­si­ti­on übereinzustimmen.

„Polarissima Borealis“

Nichts des­to trotz ist die Spin­del­ga­la­xie ein inter­es­san­tes Objekt und aus gutem Grund in der heu­ti­gen Fas­sung des Mes­sier-Kata­logs ent­hal­ten. Bei einer eklip­ti­ka­len Brei­te von etwa +67° pas­siert der Him­mels­nord­pol der Erde M 102 in weni­ger als einem Grad Ent­fer­nung. Mes­sier 102 war vor etwa 6.900 Jah­ren (4.900 v. Chr.) Pola­ris­si­ma Borea­lis“ und wird es in 18.900 Jah­ren (20.900 n. Chr.) wie­der sein. Die Erd­ach­se rotiert näm­lich mit einer Peri­ode von unge­fähr 25.800 Jah­ren um den Nord­pol der Eklip­tik. In heu­ti­ger Zeit steht der nörd­li­che Him­mels­pol knapp ein hal­bes Grad vom Polar­stern ent­fernt. Die­ses Ver­hal­ten unse­res Hei­mat­pla­ne­ten wird als „Prä­zes­si­on der Erd­ach­se“ bezeichnet.

Beobachtung

M 102 ist unter einem sehr dunk­len Land­him­mel bereits mit Hil­fe eines 10x50 Feld­ste­chers sicht­bar aber über­aus anspruchs­voll. Im Sucher­te­le­skop ist das Objekt als sehr schwa­cher, läng­li­cher Licht­fleck zu erken­nen. Im 3 Zoll gro­ßen Refrak­tor erscheint sie bei mitt­le­rer Ver­grö­ße­rung recht klein, läng­lich und ziem­lich flä­chen­hell. Mit einem 4 bis 5 Zoll Refrak­tor bemerkt man einen rela­tiv scharf begrenz­ten, spin­del­för­mi­gen Licht­fleck, mit spitz zulau­fen­den Enden. Ein Stern der 11. Grö­ßen­klas­se steht an der nord­west­li­chen Kan­te der Gala­xien­schei­be. Ihr Kern sel­ber erscheint hell und sehr kom­pakt. Meh­re­re schwa­che Ster­ne sind in ihrer Umge­bung sicht­bar. Um das nur 10 Bogen­se­kun­de brei­te Staub­band zu sehen, das die Spin­del­ga­la­xie in der Mit­te durch­schnei­det, sind Tele­sko­pe von 6 bis 8 Zoll Öff­nung und mitt­le­ren bis hohe Ver­grö­ße­run­gen erfor­der­lich. Dabei ist das gut defi­nier­te hel­le ova­le Zen­tral­ge­biet der Gala­xie von einem hel­le­ren Halo umge­ben. Das Staub­band erscheint mit die­ser Öff­nung nur indi­rekt in der Äqua­tor­ebe­ne. Mit 10 bis 12 Zoll Öff­nung ist das Staub­band deut­lich bes­ser erkenn­bar und erstreckt sich fast über die gesam­te Län­ge der Gala­xie. Die Schei­be ist im Nor­den schär­fer begrenzt und erscheint im west­li­chen Teil hel­ler. Indi­rekt erkennt man an deren Enden eine kör­ni­ge Struk­tur. Das hel­le Kern­ge­biet erscheint hier fast stel­lar. Zwei auf­fäl­li­ge Vor­der­grund­ster­ne befin­den sich nörd­lich und süd­lich am west­li­chen Rand der Gala­xien­schei­be. Eini­ge der benach­bar­ten Gala­xien, der wei­ter oben erwähn­ten M102-Grup­pe, kön­nen auch mit klei­nen bis mitt­le­ren Ama­teur­te­le­sko­pen beob­ach­tet wer­den. Vor allem ist NGC 5907 zu erwäh­nen. Die Gala­xie sieht man eben­falls von der Kan­te. Sie erscheint als schwa­che Licht­na­del, mit einer Elon­ga­ti­on von 1:8. Sie steht nur 1 ¾ Grad nord­öst­lich von Mes­sier 102.

Aufsuchkarte Messier 102
Auf­such­kar­te für Mes­sier 102 – erstellt mit SkytechX

Mes­sier 102 ist von unse­ren Brei­ten aus zir­kum­po­lar und das gan­ze Jahr beob­acht­bar. Am bes­ten beob­ach­tet man in den Früh­ling- und Som­mer­mo­na­ten, wenn das Stern­bild Gro­ßer Bär bei uns hoch am Him­mel steht. Das Auf­fin­den von M 102 gestal­tet sich rela­tiv ein­fach. Sie befin­det sich öst­lich des Aste­ris­mus des Gro­ßen Wagens und im süd­li­chen Teil des Stern­bilds Dra­co. Zuerst suchen wir den Gro­ßen Wagen auf. Die Gala­xie befin­det sich unge­fähr 10° ost­nord­öst­lich von dem 1,9 mag hel­len Sterns Alkaid (Eta UMa), der den Knick in der Wagen­deich­sel mar­kiert und unge­fähr 10° süd­lich von dem 3 mag hel­len Stern Gam­ma Ursae Mino­ris ent­fernt zu fin­den ist. Am ein­fachs­ten ist es aber, das Tele­skop von dem roten Rie­sen­stern Eda­sich (Iota Dra, 3,3 mag) aus­ge­hend knapp 3° nach Süd­wes­ten in Rich­tung Eta Ursae Majo­ris zu schwen­ken. An die­ser Posi­ti­on ist ein auf­fäl­li­ges Drei­er­mus­ter aus Ster­nen zu erken­nen. M 102 liegt unge­fähr 1° west­lich die­ses Sternenmusters.

Auf­such­kar­te Spin­del­ga­la­xie (Mes­sier 102) (70,8 KiB, 314 hits)

Steckbrief für Messier 102

Objekt­na­meMes­sier 102
Kata­log­be­zeich­nungNGC 5866, UGC 9723, PGC 53933, MCG 9–25-17, ZWG 274.16
Eigen­na­meSpin­del­ga­la­xie, Spind­le Galaxy
TypGala­xie, S0‑a
Stern­bildDra­che (Dra­co)
Rekt­aszen­si­on (J2000.0)15h 06m 29,4s
Dekli­na­ti­on (J2000.0)+55° 45′ 49″
V Hel­lig­keit9,9 mag
Flä­chen­hel­lig­keit12,2 mag
Win­kel­aus­deh­nung6,5′ x 3,1′
Posi­ti­ons­win­kel128°
Abso­lu­te Helligkeit-20,195 mag
Durch­mes­ser71.000 Licht­jah­re
Ent­fer­nung40,8 Mil­lio­nen Lichtjahre
Beschrei­bungvB,cL,pME146,gbM; BN w dk lane and ansae;NGC 5867 small E neb;H I 215
Ent­de­ckerPierre Méchain, 1781
Stern­at­lan­tenCam­bridge Star Atlas: Chart 1, 5 & 6 
Inter­stel­larum Deep Sky Atlas: Chart 10 & 11
Mill­en­ni­um Star Atlas: Charts 889–890 (Vol II)
Pocket Sky Atlas: Chart 53
Sky Atlas 2000: Chart 2
Urano­me­tria 2nd Ed.: Chart 22

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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