Die Galaxie NGC 404 im Sternbild Andromeda wurde am 13. September 1784 von dem deutsch-britischen Astronomen Wilhelm Herschel mit seinem 18,7 Zoll Reflektor entdeckt. Herschel beschrieb die Galaxie als ziemlich hellen, großen, runden und zur Mitte hin heller werdenden Nebel, im Feld von Beta Andromedae. Aufgrund ihrer Nähe zu Mirach, wird NGC 404 auch als „Geist von Mirach“ (Mirach’s Ghost) bezeichnet und ist in vielen Sternatlanten nicht eingezeichnet. Von vielen Sternfreunden wurde die Galaxie deshalb eher durch Zufall „entdeckt“.
Eine linsenförmige Galaxie nahe der Lokalen Gruppe
NGC 404 ist eine linsenförmige Zwerggalaxie des Hubble-Typs S0, mit einem Durchmesser von 11.000 Lichtjahren und einer Masse von 44 Millionen Sonnen. Sie ist etwas kleiner und heller als die Kleine Magellansche Wolke, einer Satellitengalaxie unseres eigenen Milchstraßensystems. Mit einer Helligkeit von 10,0 mag und einem scheinbaren Durchmesser von 3,5 x 3,5 Bogenminuten, ist Mirachs Geist bereits in kleineren Teleskopen beobachtbar, da sie trotz ihrer geringen Helligkeit eine relativ große Flächenhelligkeit besitzt. Lange Zeit war die Entfernung zu NGC 404 unsicher. Seit dem Jahr 2001 wurde der Abstand zur Galaxie, mit zwei unabhängigen Methoden, relativ genau bestimmt. Demnach befindet sie sich rund 10 Millionen Lichtjahren von der Erde entfernt und damit knapp außerhalb unserer lokalen Galaxiengruppe.
NGC 404 ist wahrscheinlich ein Mitglied der lockeren Galaxiengruppe LGG 11 in der Coma-Sculptor-Wolke, obwohl die Zugehörigkeit, durch ihre relativ große Distanz von 3,3 Millionen Lichtjahren zur nächsten Nachbargalaxie, eher unwahrscheinlich erscheint. Aus diesem Grund könnte sie auch die uns am nächsten liegende isolierte S0 Galaxie sein. Des Weiteren wird sie zur Klasse der Seyfert-3-Galaxie gezählt. Ihre aktive Kernregionen zeichnen sich durch die Emission von Spektrallinien schwach ionisierter Atome des einfach ionisierten Sauerstoff, Stickstoff und Schwefel aus. Umgekehrt sind die Emissionen von zweifach ionisiertem Sauerstoff, Neon und Helium eher gering. In der Fachliteratur werden diese Galaxien als LINER (low-ionization nuclear emission-line region) bezeichnet. Außerdem enthält sie in ihrem Zentrum einen dichten Sternhaufen und wahrscheinlich ein supermassereiches Schwarzes Loch, mit einer Masse von mehreren zehntausend Sonnenmassen.
Sternentstehungsphase in jüngerer Vergangenheit
In der Scheibe und im Kerngebiet von NGC 404 dominieren Rote Riesen und AGB-Sterne, die auf dem Weg sind, Planetarische Nebel zu werden. Jüngere, blaue Sterne treten eher selten auf. Trotzdem enthält sie für ihren Galaxientyp noch eine beträchtliche Menge an interstellarer Materie in Form eines staubförmigen Torus aus jungen Sternen und atomaren und molekularen Wasserstoffgas. Dieser Ring in ihrer Scheibe wurde im Jahr 2008, mit Hilfe des Galaxy Evolution Expolorer der NASA, im Ultravioletten entdeckt. Auch mit dem Very Large Array wurde im Radiobereich ein gasförmiger Wasserstoffring gefunden, der diesem im ultravioletten Spektralbereich sichtbaren Ring entspricht. Weitere Gebiete mit Sternentstehung auf niedrigem Niveau existieren im Zentrum von NGC 404. Die Sternentstehung ist wahrscheinlich das Ergebnis einer Kollision bzw. Verschmelzung mit einer kleinen Nachbargalaxie vor rund 900 Millionen Jahren. Das Wasserstoffgas der Nachbargalaxie traf währen der Verschmelzung auf die Scheibe von NGC 404 und löste dort die Sternentstehung aus.
Außerdem wird vermutet, dass NGC 404 in der Vergangenheit eine kleine Spiralgalaxie war. Durch die Kollision mit ihren Nachbarn wurde sie in eine linsenförmige Galaxie umgewandelt. Die Ergebnisse der Studien deuten darauf hin, dass die Entwicklung von Lentikulargalaxien im Universum möglicherweise noch nicht abgeschlossen ist. Im Jahr 2018 wurde eine mögliche Begleitgalaxie von NGC 404 gefunden. Diese sphäroide Zwerggalaxie, mit sehr geringer Sternentstehungsrate, wird als Donatiello I bezeichnet. Aufgrund der unsicheren Entfernungsbestimmung ist ihr Status als Satellit von NGC 404 noch unbestätigt.
Beobachtung
Die meisten Sternfreunde stoßen sicherlich eher zufällig auf diese kleine Galaxie. Sie befindet sich nur 6,5 Bogenminuten nordwestlich des 2,1 mag hellen Stern Mirach (Beta Andromedae) und erscheint eher wie eine Reflexion des Sterns im Okular. Aufgrund ihres diffusen und runden Erscheinungbildes, könnte man sie fälschlicherweise auch für einen Kometen halten. Theoretisch sollte NGC 404, unter guten Sichtbedingungen, schon in einem kleinen Refraktor von 60 mm Durchmesser indirekt sichtbar sein. Sie bildet mit Beta And und einem weiteren Stern der 9. Größenklasse ein annähernd gleichschenkliges Dreieck. Allerdings stört der Rote Riese Mirach die visuelle und photographische Beobachtung ganz erheblich. Aus diesem Grund ist mindestens ein Teleskop von 4 Zoll Öffnung erforderlich, um die Galaxie als diffuses rundes Nebelfleckchen sicher zu identifizieren. Man sollte mit höherer Vergrößerung versuchen, den Stern außerhalb des Gesichtsfeldes zu platzieren. Andererseits bietet der 200 Lichtjahre entfernte Stern einen schönen Kontrast zur vielen Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie. Bereits im 6 bis 8 Zöller ist NGC 404 aber unübersehbar. Sie erscheint hell, rund und ziemlich groß, mit einem etwas hellerem sternförmigen Zentrum, ähnlich wie sie Herschel 1784 beschrieb. Mit Öffnungen von 10 bis 12 Zoll und rund 300-facher Vergrößerung erscheint der Zentralbereich von NGC 404 nahezu stellar. Der Bereich um das Zentrum sieht deutlich heller und gemottelt aus, mit einem diffuseren Halo.
Die Galaxie ist am besten in den Herbst- und Wintermonaten beobachtbar, wenn das Sternbild Andromeda bei uns hoch am Himmel steht. Das Aufsuchen von NGC 404 bereite keinerlei Schwierigkeiten. Man stellt Mirach einfach in die Mitte des Suchers oder Telrads ein. Dann sollte mit mittlerer Vergrößerung, unmittelbar nordwestlich von Beta Andromedae, die Galaxie als diffuser Lichtfleck erscheinen.
Ausuchkarte Mirachs Geist (NGC 404) (133,4 KiB, 337 hits)
Steckbrief für NGC 404
Objektname | NGC 404 |
Katalogbezeichnung | UGC 718, PGC 4126, MCG 6–3‑18 |
Eigenname | Geist von Mirach, Mirachs Geist, Mirach’s Ghost |
Typ | Galaxie, E‑S0 |
Sternbild | Andromeda (Andromeda) |
Rektaszension (J2000.0) | 01h 09m 26,9s |
Deklination (J2000.0) | +35° 43′ 06″ |
V Helligkeit | 10,0 mag |
Flächenhelligkeit | 12,8 mag |
Winkelausdehnung | 3,5′ x 3,5′ |
Absolute Helligkeit | -16.775 mag |
Durchmesser | 11.000 Lichtjahre |
Entfernung | 10,8 Millionen Lichtjahre |
Beschreibung | pB,cL,R,gbM; H II 224;UGC 718;Beta AND sf 6′ |
Entdecker | Friedrich Wilhelm Herschel, 1784 |
Sternatlanten | Cambridge Star Atlas: Chart 2, 7 Interstellarum Deep Sky Atlas: Chart 39 Millennium Star Atlas: Charts 125–126 (Vol I) Pocket Sky Atlas: Chart 3 Sky Atlas 2000: Chart 4 Uranometria 2nd Ed.: Chart 62 |