Objekte des Monats: Die Galaxie NGC 4449

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NGC 4449 ist eine irre­gu­lä­re Zwerg­ga­la­xie, im nörd­li­chen Stern­bild der Jagd­hun­de (Canes Vena­ti­ci). Sie wur­de am 27. April 1788 von dem deutsch-bri­ti­schen Astro­no­men Fried­rich Wil­helm Her­schel ent­deckt. Er beschrieb sie als sehr bril­lant, beträcht­lich und groß und mit drei oder vier hel­len Ker­nen. Die Gala­xie ist auch als Cald­well 21 in Sir Patrick Cald­well-Moo­res Deep-Sky-Kata­log ver­zeich­net. Im angel­säch­si­schen Sprach­raum wird die Gala­xie, auf­grund ihrer unge­wöhn­li­chen qua­dra­ti­schen Form, auch als „Box Gala­xy“ bzw. „The Rec­tang­le“ bezeich­net. NGC 4449 bie­tet eine beson­de­re Abwechs­lung, zu den vie­len Hun­der­ten von Spi­ral- und ellip­ti­schen Gala­xien am Früh­lings­him­mel, die Ama­teur­as­tro­no­men nor­ma­ler­wei­se zu sehen bekommen.

Ein Zwilling der Großen Magellanschen Wolke

NGC 4449 ist eine irre­gu­lä­re Gala­xie vom Magel­lan-Typ (LMC-Typ). Sie ist mit einer Hel­lig­keit von 9,4 mag und einer Win­kel­aus­deh­nung von 5,5 x 3,6 Bogen­mi­nu­ten schon in klei­nen Tele­sko­pen erkenn­bar. Ihre Ent­fer­nung zu unse­rem Hei­mat­pla­ne­ten beträgt nur 12,5 Mil­lio­nen Licht­jah­re. Damit besitzt sie einen wah­ren Durch­mes­ser von unge­fähr 22.000 Licht­jah­ren. Geht man von ihrem äuße­ren Erschei­nungs­bild aus, mit ihrem auf­fäl­li­gen Bal­ken und die auf Fotos bläu­lich erschei­nen­den mas­se­rei­chen Stern­hau­fen, ähnelt sie in ver­blüf­fen­der Wei­se unse­ren nächs­ten Nach­barn: die Gro­ße Magel­lan­sche Wol­ke (LMC). Die­se irre­gu­lä­re Zwerg­ga­la­xie unse­rer Milch­stra­ße ist aller­dings nur von süd­li­chen Brei­ten der Erde aus sicht­bar. Unser Objekt ist jedoch weder so hell noch so groß wie die LMC. Wir bli­cken in einem Win­kel von 43° auf die Gala­xie. Mit einer Mas­se von 30 Mil­li­ar­den Son­nen­mas­sen gehört sie auch zu den mas­se­reichs­ten Gala­xien ihres Typs. NGC 4449 ent­hält in ihrem Halo ver­mut­lich mehr als 70 Kugelsternhaufen.

NGC 4449
NGC 4449 im Stern­bild Jagd­hun­de – Auf­nah­me von Jens Zip­pel, Quel­le: CCD-Gui­de, Astro­no­mi­scher Arbeits­kreis Salzkammergut

Die Gala­xie ist Mit­glied der M94-Gala­xien­grup­pe – auch als Canes Vena­ti­ci I‑Gruppe bekannt – die sich in unmit­tel­ba­rer Nähe zu unse­rer Loka­len Gala­xien­grup­pe befin­det. Radio­as­tro­no­mi­sche Unter­su­chun­gen zei­gen, dass NGC 4449 in einen Halo aus neu­tra­lem Was­ser­stoff­gas von 250.000 Licht­jah­ren Durch­mes­ser ein­ge­bet­tet ist, der sich über eine Flä­che von 75 Bogen­mi­nu­ten am Him­mel erstreckt. Das ist 14 Mal grö­ßer als der opti­sche Durch­mes­ser der Gala­xie. Der Halo weist Ver­zer­run­gen und Unre­gel­mä­ßig­kei­ten auf. Wahr­schein­lich wur­de das durch Wech­sel­wir­kun­gen mit den benach­bar­ten Gala­xien von NGC 4449 ver­ur­sacht. Das neu­tra­le Was­ser­stoff­gas im Halo rotiert ent­ge­gen­ge­setzt zur Rich­tung des zen­tra­len Gases in der Gala­xie und besitzt eine Gesamt­mas­se von rund einer Mil­li­ar­de Sonnenmassen.

Des Wei­te­ren ist in NGC 4449 min­des­tens eine ultra­hel­le Rönt­gen­quel­le (ULX) bekannt, die als NGC4449 X7 bezeich­net wird. Drei Kan­di­da­ten als opti­sches Gegen­stück wur­den iden­ti­fi­ziert. Es sind alles frü­he Über­rie­sen mit 8‑facher Son­nen­mas­se und einem Alter von 40 bis 50 Mil­lio­nen Jahren.

Kollision und Starburst

Wei­te­re Unter­su­chun­gen von NGC 4449 zei­gen, dass sie vor rund 500 Mil­lio­nen Jah­ren mit der 12 mag hel­len benach­bar­ten Zwerg­ga­la­xie UGC 7577 (DDO 125) kol­li­diert ist. Auf­grund der Kol­li­si­on hat sich NGC 4449 von einer klei­nen Bal­ken­spi­ra­le zu einer irre­gu­lä­ren Gala­xie umge­wan­delt. UGC 7577 besitzt heut­zu­ta­ge nur noch 20% der Mas­se von NGC 4449. Die Kom­pres­si­on der inter­stel­la­ren Mate­rie in der Gala­xie, wäh­rend des Durch­drin­gungs­pro­zes­ses mit ihrem Nach­bar, ver­ur­sach­te mas­si­ve Ster­nen­ent­ste­hung, einen so genann­ter Star­burst. Dadurch ent­wi­ckel­ten sich vie­le jun­ge, mas­se­rei­che und hei­ße blaue Ster­ne, die in mas­se­rei­chen Stern­hau­fen ein­ge­bet­tet sind. Vie­le die­ser Ster­ne sind unter 10 Mil­lio­nen Jah­ren alt. Einer die­ser mas­se­rei­chen Hau­fen befin­det sich sogar inner­halb des Zen­tral­be­reichs des Bal­kens. Mit einem Alter von nur 6 bis 10 Mil­lio­nen Jah­ren ist die­ser eben­falls sehr jung. Dort kon­zen­trie­ren sich eini­ge Hun­dert­tau­send Sterne.

NGC 4449 in einer Auf­nah­me des Hub­ble-Welt­raum­te­le­skops – Cre­dit: NASA, ESA, A. Aloi­si (STScI/ESA), and The Hub­ble Heri­ta­ge (STScI/AURA)-ESA/Hubble Col­la­bo­ra­ti­on, Public domain, via Wiki­me­dia Commons

Ein wei­te­res Zeug­nis die­ses Star­burst sind die vie­len hel­len und röt­lich leuch­ten­de Stern­ent­ste­hungs­ge­bie­te (HII-Regio­nen), aus denen immer noch neue Ster­ne her­vor­ge­hen. Das sind Gebie­te von zwei­fach ioni­sier­ten Was­ser­stoff­gas, ähn­lich wie der Ori­on­ne­bel (Mes­sier 42/43) in unse­rer Milch­stra­ße. Ins­ge­samt wur­den über 250 HII-Regio­nen gezählt. Die Stern­ent­ste­hungs­ra­te in NGC 4449 ist dop­pelt so groß wie in der Gro­ßen Magel­lan­schen Wol­ke und wird mit 1,5 Son­nen­mas­sen pro Jahr angegeben. 

Schwache Begleitgalaxien und Sternenstrom

NGC 4449 genießt den Ruf, die ers­te Zwerg­ga­la­xie zu sein, bei der ein Gezei­ten­strom aus Ster­nen ent­deckt wur­de. Im Jahr 2012 wur­den zwei klei­ne Zwerg­ga­la­xien in der Nähe von NGC 4449 auf­ge­fun­den, die mit der Gala­xie inter­agie­ren. Die eine Gala­xie (NGC 4449B) besitzt zwar die gleich Mas­se wie NGC 4449, dafür einen deut­lich höhe­ren Anteil an Dunk­ler Mate­rie. Ihr Ster­nen­strom zu NGC 4449 hat eine Aus­deh­nung von von 23.000 x 5.000 Licht­jah­re und besteht über­wie­gend aus roten Rie­sen­ster­nen. Ihr Abstand zum Kern beträgt 30.000 Licht­jah­re. Die ande­re Gala­xie gleicht äußer­lich einem abge­flach­ten Kugel­stern­hau­fen und besitzt eine Mas­se von 2 Mil­lio­nen Son­nen­mas­sen. Zwei Gezei­ten­schwei­fe jun­ger Ster­ne, die ursprüng­lich mal das Zen­trum die­ser Gala­xie bil­de­ten, gehen von die­sem Objekt aus. Bei­de Begleit­ga­la­xien wur­den von NGC 4449 zer­ris­sen und wer­den in naher Zukunft mit die­ser verschmelzen.

Beobachtung

NGC 4449 ist auf­grund ihres Erschei­nungs­bild ein loh­nen­des Objekt auch für klei­ne­re bis mitt­le­re Tele­sko­pe. Durch ihre gro­ße Flä­chen­hel­lig­keit ist sie an dunk­len Stand­or­ten bereits mit einem 7x50 bzw. 10x50 Feld­ste­cher erkenn­bar. Dort erscheint sie indi­rekt nur als äußerst schwa­cher Nebel­fleck. Mit einem 3 bis 4 Zoll gro­ßen Tele­skop und mitt­le­rer Ver­grö­ße­rung erscheint die Gala­xie als 5 Bogen­mi­nu­ten gro­ßer, nahe­zu recht­ecki­ger, in NO-SW elon­gier­ter Nebel, mit einem hel­le­ren Zen­tral­be­reich. Indi­rekt erscheint sie bereits leicht gemot­telt. Das Zen­trum sel­ber wird von einer Art unschar­fen Halo umge­ben. Ers­te Struk­tu­ren inner­halb der Gala­xie kann man schon mit einem 6 bis 8 Zoll gro­ßen Tele­skop und 80-facher Ver­grö­ße­rung erken­nen. Eine leicht fächer­för­mi­ge Mor­pho­lo­gie ist nun erkenn­bar. Zwei klei­ne Nebel­chen tau­chen an der nörd­li­chen und öst­li­chen Flan­ke auf. Das Zen­trum erscheint fle­ckig. Die Tex­tur ist am stärks­ten ent­lang der Haupt­ach­se. Das süd­li­che Ende von NGC 4449 besitzt eine annä­hernd drei­ecki­ge Form. Außer­dem sind eini­ge Vor­der­grund­ster­ne ent­lang der Haupt­ach­se sicht­bar. Mit 10 bis 12 Zoll Öff­nung und rund 150-facher Ver­grö­ße­rung machen sich im nörd­li­chen Bereich bereits ein­zel­ne H‑II Regio­nen, in Form win­zi­ger Kno­ten, bemerk­bar. Meh­re­re stern­för­mi­ge Fle­cken säu­men die Haupt­ach­se der Gala­xie. Im Zen­tral­be­reich erscheint nun eine Art X‑förmige, nebel­haf­te Struk­tur, die das Gala­xien­zen­trum kreuzt. Das Zen­trum erscheint nun hell und recht­eckig. Nur 40 Bogen­mi­nu­ten nörd­lich von NGC 4449 befin­det sich die 11 mag hel­le Gala­xie NGC 4460. Sie erscheint im 8‑Zöller leicht ellip­tisch. In unmit­tel­ba­rer Nähe steht auch ein hüb­scher Dop­pel­stern: Struve 1645 (ADS 8561). Sei­ne 7,4 und 8,0 mag hel­len Kom­po­nen­ten ste­hen nur 10 Bogen­se­kun­den auseinander.

Aufsuchkarte NGC 4449
Auf­such­kar­te für NGC 4449 – erstellt mit SkytechX

Die Gala­xie ist am bes­ten in den Früh­lings­mo­na­ten sicht­bar, wenn der Aste­ris­mus des Gro­ßen Wagens bei uns hoch am Him­mel steht. Wir stel­len den 2,9 mag hel­len Haupt­stern der Jagd­hun­de Cor Caro­li (Alpha CVn) in die Sucher­mit­te ein und sprin­gen 5° in Rich­tung Nord­wes­ten, zu dem 4,2 mag hel­len Stern Cha­ra (Beta Cvn). NGC 4449 befin­det sich knapp 3° nord­nord­west­lich die­ses Sterns und ist schon im Sucher­te­le­skop als unschar­fes Stern­chen der 9. Grö­ßen­klas­se sicht­bar. Sie bil­det mit zwei wei­te­ren Ster­nen der 8. Grö­ßen­klas­se, die sich je 1° nörd­lich bzw. öst­lich der Gala­xie befin­den, ein recht­wink­li­ges Dreieck.

Auf­such­kar­te NGC 4449 (73,4 KiB, 143 hits)

Steckbrief für NGC 4449

Objekt­na­meNGC 4449
Kata­log­be­zeich­nungUGC 7592, PGC 40973, MCG 7–26‑9, ZWG 216.5
Eigen­na­meBox Gala­xy, The Rectangle
TypGala­xie, IBm
Stern­bildJagd­hun­de (Canes Venatici)
Rekt­aszen­si­on (J2000.0)12h 28m 11,3s
Dekli­na­ti­on (J2000.0)+44° 05′ 42″
V Hel­lig­keit9,4 mag
Flä­chen­hel­lig­keit13,0 mag
Win­kel­aus­deh­nung6,2′ x 4,4′
Posi­ti­ons­win­kel45°
Abso­lu­te Helligkeit-18,151 mag
Durch­mes­ser22.000 Licht­jah­re
Ent­fer­nung12,5 Mil­lio­nen Lichtjahre
Beschrei­bungvB,cL,mE,D or bifid,rrr,*F,B cen­ter w N or *; H I 213
Ent­de­ckerWil­helm Her­schel, 1788
Stern­at­lan­tenCam­bridge Star Atlas: Chart 4 & 5
Inter­stel­larum Deep Sky Atlas: Chart 21 & 22
Mill­en­ni­um Star Atlas: Charts 611–612 (Vol II) 
Pocket Sky Atlas: Chart 43
Sky Atlas 2000: Chart 7
Urano­me­tria 2nd Ed.: Chart 37

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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