Objekte des Monats: Die Nadelgalaxie NGC 4565

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Die Spi­ral­ga­la­xie NGC 4565 im Stern­bild Haar der Bere­ni­ke (Coma Bere­nices) wur­de am 6. April 1785 von dem deutsch-bri­ti­schen Astro­no­men Wil­helm Her­schel ent­deckt. Her­schel beschrieb die Gala­xie als ein 20 Bogen­mi­nu­ten lan­ger und 3 bis 4 Bogen­mi­nu­ten brei­ter leuch­ten­der Strei­fen mit einer viel hel­le­ren Mit­te. Sein Sohn John Her­schel zeich­ne­te die Gala­xie im Jahr 1833. Ers­te Foto­gra­fien gelan­gen dem wali­si­schen Astro­no­men Isaac Roberts, am Ende des 19. Jahr­hun­derts, sowie dem ame­ri­ka­ni­schen Astro­no­men Geor­ge Wil­lis Rit­chey, der die Gala­xie im Jahr 1910 mit dem 1,5 Meter Tele­skop am Mount-Wil­son-Obe­ser­va­to­ri­um in Kali­for­ni­en ablich­te­te. Auf­grund ihres äuße­ren Erschei­nungs­bil­des wird NGC 4565 auch als Nadel­ga­la­xie (Need­le Gala­xy) bezeich­net. Im Cald­well-Kata­log von Sir Patrick Moo­re wird NGC 4565 als Num­mer 38 gelis­tet und zählt somit zu den 110 inter­es­san­tes­ten NGC-Objek­ten jen­seits des Mes­sier-Kata­logs für klei­ne Ama­teur­te­le­sko­pe. Gleich­zei­tig ist sie von der Flä­che her die größ­te und berühm­tes­te Edge-On-Gala­xie an unse­rem Himmel.

Eine Galaxie in Kantenlage

NGC 4565 befin­det sich nur 3 Grad vom galak­ti­schen Nord­pol ent­fernt und wird kaum vom inter­stel­la­ren Gas unse­rer Milch­stra­ße getrübt. Mit einer Hel­lig­keit von 9,5 mag und einer schein­ba­ren Aus­deh­nung von 14,8 x 2,1 Bogen­mi­nu­ten, ist die Gala­xie bereits in klei­nen Tele­sko­pen beob­acht­bar. In der Lite­ra­tur wird die 42,7 Mil­lio­nen Licht­jah­re ent­fern­te Gala­xie vom Hub­ble-Typ Sb oft mit dem Aus­se­hen der Milch­stra­ße ver­gli­chen, weil unse­re Gala­xis wahr­schein­lich ähn­lich erschei­nen wür­de, wenn man sie von einem weit ent­fern­ten Punkt im All aus betrach­ten könn­te. Für die Ähn­lich­keit mit unse­rer Gala­xie spricht auch ihr Durch­mes­ser von mehr als 140.000 Licht­jah­ren und ihr, beson­ders auf Fotos, deut­lich sicht­ba­res Staub­band, wel­che die dün­ne galak­ti­sche Ebe­ne nahe­zu in der Mit­te teilt. Denn NGC 4565 ist 87° gegen unse­re Sicht­li­nie geneigt, so dass wir sie fast exakt von der Kan­te aus betrach­ten kön­nen. Ins­ge­samt betrach­tet ist NGC 4565 sogar etwas leucht­kräf­ti­ger als der berühm­te Andro­me­da­ne­bel (Mes­sier 31).

nadelgalaxie NGC 4565
Die Nadel­ga­la­xie (NGC 4565) und ihr Nach­bar NGC 4562 (am obe­ren Bild­rand) im Stern­bild Haar der Bere­ni­ke – Auf­nah­me von Mario Richter

Die Nadel­ga­la­xie ist das größ­te Mit­glied der Coma-I-Gala­xien­gup­pe, eines klei­nen Gala­xien­hau­fens ähn­lich unse­rer Loka­len Grup­pe. Neben NGC 4565 gehö­ren auch die klei­ne irre­gu­lä­re Zwerg­ga­la­xien IC 3571 und IC 3384 sowie die ellip­ti­sche Gala­xie NGC 4494 und die Bal­ken­spi­ra­le NGC 4562 zum Gala­xien­hau­fen. Die Gala­xie besitzt eine Gesamt­mas­se von mehr als 200 Mil­li­ar­den Son­nen und unge­fähr 240 Kugel­stern­hau­fen, was unge­fähr die dop­pel­te Anzahl an kugel­för­mi­gen Stern­hau­fen im Halo unse­res Milch­stra­ßen­sys­tems ent­spricht. Der akti­ve galak­ti­sche Kern wird als LINER-Typ klas­si­fi­ziert. Mit Hil­fe ver­schie­de­ner Welt­raum­te­le­sko­pe konn­te in den 2000er Jah­ren im Zen­trum von NGC 4565 ein super­mas­se­rei­ches Schwar­zes Loch von unge­fähr 300 Mil­lio­nen Son­nen­mas­sen nach­ge­wie­sen wer­den. Spä­ter wur­de mit Hil­fe des Spit­zer-Welt­raum­te­le­skops in der Bul­ge der Gala­xie – dem dich­ten, kugel­för­mi­gen Zen­trum von NGC 4565 – ein Bal­ken ent­deckt, so dass die Gala­xie wahr­schein­lich zu den Bal­ken­spi­ral­ga­la­xie gezählt wer­den muss. Außer­dem wur­de das Vor­han­den­sein eines Pseu­do­bul­ge, inner­halb des Bal­kens, sowie ein inne­rer Ring, der das Zen­trum umgibt, nach­ge­wie­sen. Vor 300 Mil­lio­nen Jah­ren fand eine erhöh­te Stern­ent­ste­hung in der Schei­be der Gala­xie statt, was wahr­schein­lich durch den nahen Vor­bei­flug oder durch eine Ver­schmel­zung mit einer ande­ren Gala­xie vor 600 Mil­lio­nen Jah­ren aus­ge­löst wur­de. Auf­grund der gra­vi­ta­ti­ven Wech­sel­wir­kun­gen ist die Schei­be von NGC 4565 an ihren Rän­dern ver­bo­gen, was Astro­no­men als „Warp“ bezeich­nen. Im nicht sicht­ba­ren Spek­trum des neu­tra­len Was­ser­stoffs (HI) gleicht die­ser Warp einem Inte­gral­zei­chen. Durch wei­te­re radio­as­tro­no­mi­schen Unter­su­chun­gen von neu­r­a­lem Was­ser­stoff­gas im Halo der Gala­xie geht man heu­te davon aus, dass NGC 4565 mit sei­nem Nach­barn IC 3571 in der Ver­gan­gen­heit gra­vi­ta­tiv inter­agiert hat.

NGC 4565 (HST)
Das Zen­trum von NGC 4565 mit der auf­fäl­li­gen Bul­ge in einer Auf­nah­me des Hub­ble-Welt­raum­te­le­skops – Cre­dit: NASA Hub­ble, CC BY 2.0, via Wiki­me­dia Commons

Beobachtung

NGC 4565 ist eine Her­aus­for­de­rung für ein 7x50 oder einen 10x50 Feld­ste­cher, weil die Gala­xie recht flä­chen­schwach erscheint. Unter einem sehr dunk­len Land­him­mel erkennt man nur einen schwa­chen, aus­ge­dehn­ten Licht­fleck. Im 3 Zöl­ler kann man schon die typi­sche spin­del­för­mi­ge Form erah­nen, die eine klei­ne, zen­tra­len Aus­buch­tung besitzt. Die Kan­ten­la­ge der Gala­xie ist ab 4‑Zoll Öff­nung und rund 60-facher Ver­grö­ße­rung deut­lich sicht­bar und sie erscheint als schwa­cher, dün­ner und in NW-SO ori­en­tier­ter Licht­strei­fen im Gesichts­feld des Oku­lars. Dabei erkennt man im Ansatz, dass ihr Zen­trum etwas brei­ter, hel­ler und leicht gemot­telt erscheint. Ab 5 bis 6 Zoll Öff­nung und mitt­le­ren Ver­grö­ße­run­gen besteht die Chan­ce, den recht scharf defi­nier­ten Staub­strei­fen zu ent­de­cken, der sich über die gesam­te Län­ge der Gala­xie erstreckt. Am deut­lichs­ten hebt sich die­ser Strei­fen in der Nähe des Kerns ab, der ein wenig nach Nor­den hin ver­setzt erscheint. Die zum Ende hin sehr schmal zulau­fen­de Spit­zen der Gala­xie besit­zen deut­lich gerin­ge­re Flä­chen­hel­lig­kei­ten, so dass NGC 4565 unter weni­ger guten Bedin­gun­gen deut­lich ver­kürzt erscheint. Mit 8 Zoll Öff­nung ist die lan­ge Licht­na­del, das Staub­band sowie die zen­tra­le, geteil­te Bul­ge unüber­seh­bar. Das süd­west­li­che Oval des Zen­tral­be­reichs erscheint hell und stern­för­mig, mit einem brei­te­ren Staub­band an des­sen Rand. Um den Kern her­um ist ein run­der Licht­dunst wahr­nehm­bar. Mit 10 Zoll Öff­nung sind fei­ne­re Details in der Staub­spur erkenn­bar. Die bei­den Enden der Gala­xie erschei­nen nun eben­falls gemot­telt. Nur 1,3 Bogen­mi­nu­ten nord­öst­lich des Zen­trums steht noch ein Stern der 13,5ten Größenklasse.

Aufsuchkarte
Auf­such­kar­te für NGC 4565 – erstellt mit SkytechX

Das Auf­su­chen von NGC 4565, die vor allem in den Früh­lings­mo­na­ten gut beob­acht­bar ist, gestal­tet sich rela­tiv ein­fach, da sich die Gala­xie unmit­tel­bar öst­lich des berühm­ten Coma-Stern­hau­fens (Melot­te 111) befin­det. Im Sucher­fern­rohr stel­len wir den 5 mag hel­len Dop­pel­stern 17 Comae Bere­nices ein, der mit zwei annä­hernd gleich hel­len Ster­nen ein gleich­schenk­li­ges Drei­eck bil­det. Die Gala­xie steht dann genau 1,7° öst­lich die­ser Dreiergruppe.

Auf­such­kar­te Nadel­ga­la­xie (NGC 4565) (71,6 KiB, 279 hits)

Steckbrief für NGC 4565

Objekt­na­meNGC 4565
Kata­log­be­zeich­nungUGC 7772, PGC 42038, MCG 4–30‑6, Cald­well 38
Eigen­na­meNadel­ga­la­xie, Need­le Galaxy
TypGala­xie, Sb
Stern­bildHaar der Bere­ni­ke (Coma Berenices)
Rekt­aszen­si­on (J2000.0)12h 36m 20,5s
Dekli­na­ti­on (J2000.0)+25° 59′ 16″
V Hel­lig­keit9,5 mag
Flä­chen­hel­lig­keit13,6 mag
Win­kel­aus­deh­nung15,8′ x 2,1′
Posi­ti­ons­win­kel136°
Abso­lu­te Helligkeit-22,281 mag
Durch­mes­ser140.000 Licht­jah­re
Ent­fer­nung42,7 Mil­lio­nen Lichtjahre
Beschrei­bung!!B,eL,eE135,vsbMN = *10–11; H V 24;NGC 4562 @ 13.4′;classic edge-on galaxy 
Ent­de­ckerFried­rich Wil­helm Her­schel, 1785
Stern­at­lan­tenCam­bridge Star Atlas: Chart 4 & 5
Inter­stel­larum Deep Sky Atlas: Chart 33
Mill­en­ni­um Star Atlas: Charts 677–678 (Vol II) 
Pocket Sky Atlas: Chart 45
Sky Atlas 2000: Chart 7
Urano­me­tria 2nd Ed.: Chart 72

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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