Der offene Sternhaufen NGC 663, im nördlichen Sternbild Kassiopeia (Cassiopeia), wurde am 3. November 1787 von dem deutsch-britischen Astronomen Friedrich Wilhelm Herschel entdeckt. Laut dem nie veröffentlichten „Zone Catalogue“ von Wilhelms Schwester Caroline Herschel soll sie die beiden Sternhaufen NGC 663 und NGC 665 bereits vier Jahre zuvor, am 3. November 1783, aufgefunden haben. Herschel beschrieb NGC 663 als wunderschönen und reichen Haufen ziemlich heller Sterne von etwa 15 Bogenminuten Ausdehnung. Der Sternhaufen ist ebenfalls in Sir Patrick Caldwell-Moores Katalog als Caldwell 10 gelistet. Warum Charles Messier NGC 663 übersehen hat, als er Messier 103 katalogisierte, wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben, zumal NGC 663 der hellere und für kleine Teleskope beeindruckendere Sternhaufen ist. Ferner bildet NGC 663 gemeinsam mit NGC 659 und NGC 654 ein hübsches Sternhaufen-Trio am Himmel. Im englischen Sprachraum ist der offene Haufen unter den Eigennamen „Letter S Cluster“ bzw. „Lawnmower Cluster“ (Rasenmäherhaufen) bekannt.
Zentrum der Cassiopeia OB8 Assoziation
Der 7,1 Magnituden helle und reiche offene Sternhaufen ist bereits mit jedem Fernglas sichtbar und auch für professionelle Astronomen interessant. Wahrscheinlich ist NGC 663 in seinem Erscheinen am Himmel sogar noch etwas heller. Denn mehrere Beobachter haben unabhängig voneinander knapp eine halbe Größenklassen höhere Werte für die scheinbare Helligkeit des Haufens angegeben. So verwundert es nicht, dass manche Beobachter ihn unter optimalen Beobachtungsbedingungen sogar mit dem bloßen Auge auffinden konnten. NGC 663 steht 6.400 Lichtjahre von der Erde entfernt und besitzt einen scheinbaren Durchmesser von 16 Bogenminuten. Das entspricht einem wahren Durchmesser von ca. 30 Lichtjahren.
Der Sternhaufen ist mit einem Alter von rund 20 bis 25 Millionen Jahren noch relativ jung. Er besitzt zahlreiche helle blaue Sterne der Spektralklasse B2 sowie zahlreiche Be-Sterne. Insgesamt wird die Anzahl der Sterne in dem Haufen auf 400 geschätzt. Der hellste Stern weist eine scheinbare Helligkeit von 8,4 Magnituden auf. Allerdings sind von den 400 Mitgliedern nur 80 Sterne visuell erreichbar. NGC 663 ist ein Mitglied der „Cassiopeia OB8 Assoziation“ im weiter außen liegenden Perseus-Spiralarm unseres Milchstraßensystems, zu dem auch die benachbarten Sternhaufen NGC 654, NGC 659 sowie Messier 103 zählen. Alle Sternhaufen dieser Gruppe besitzen ähnliche Entfernungen und ein ähnliches Alter. Aufgrund seiner großen Masse wird vermutet, dass NGC 663 den Kern dieser OB-Assoziation bildet.
Der Sternhaufen steht direkt vor einer dichten Molekülwolke, zudem er allerdings nicht assoziiert ist. Die 980 Lichtjahre entfernte Molekülwolke befindet sich weit im Vordergrund und blockiert das Licht der dahinter liegenden Sterne um 2 bis 3 Größenklassen ab. Berühmt ist der Sternhaufen vor allem aufgrund seiner hohen Anzahl an veränderlichen Be-Sternen. Insgesamt 24 von ihnen wurden gefunden. Sie zeigen in ihrem Spektrum Emissionslinien von Wasserstoff, die sich mit dem normalen Spektrum eines heißen Sterns vom Typ B überlagert. Sie werden sich schon sehr bald zu Roten Riesen entwickeln. Die meisten Be-Sterne des Haufens liegen zwischen den Spektralklassen B0 und B3 und rotieren sehr schnell. Das hat zur Folge, dass sie Materie auswerfen und eine expandierende Hülle sowie eine Scheibe um den Äquator des Sterns ausbilden. Ein Mitglied dieser Gruppe besitzt einen Begleiter, der im Röntgenlicht strahlt und mit einer Umlaufzeit von 3 Jahren um die Hauptkomponente rotiert. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um einen Neutronenstern, der durch eine Supernovaexplosion entstanden ist.
Des Weiteren wurden in NGC 663 noch fünf „Blaue Nachzügler“ (Blue Stragglers) entdeckt. Diese Sterne entstanden wahrscheinlich durch die Verschmelzung mit einem anderen Stern des Haufens. Blaue Nachzügler findet man vor allem in den deutlich älteren Kugelsternhaufen, die sich im Halo unserer Galaxis gruppieren. Zwei Sterne des Haufens sind wahrscheinlich Bedeckungsveränderliche mit Perioden von 0,6 und 1,03 Tagen. Auch zwei rote Überriesensterne wurden am Rand des Haufens gefunden. Knapp ein Grad nördlich des Haufens befindet sich der etwas hellere offene Sternhaufen NGC 654 (6,5 mag). Ein halbes Grad südsüdwestlich steht der 7,9 mag helle Sternhaufen NGC 659 und direkt neben dem Stern Ruchbah noch Messier 103. Alle diese offenen Haufen sind ebenfalls in Ferngläsern und kleinen Teleskopen erkennbar. Sie befinden sich in einem Feld von gerade einmal 1 ¼ Grad Ausdehnung.
Beobachtung
NGC 663 ist bereits in jedem Fernglas sichtbar und wird im 10x50 Feldstecher in ein halbes Dutzend Sterne der 8. bis 9. Größenklasse aufgelöst. Er erscheint leicht dreieckig. Im 16x70 Fujinon Feldstecher wirkt er zweigeteilt und läuft spitz nach Süden aus. Der nördliche Teil des Sternhaufens erscheint höher konzentriert. Ein 3 bis 4‑Zoll Refraktor zeigt rund zwei bis drei Dutzend Sterne, die sich unregelmäßig umeinander gruppieren und vor einem ovalen Nebelhintergrund stehen. Mit höheren Vergrößerungen heben sich einige helle Sternenpaare vom Hintergrund ab. Es zeigen sich Ketten aus Sternen der 8. bis 10. Größenklasse, die eine dunkle Spur bilden. Teleskope von 6 bis 8‑Zoll Öffnung zeigen 40 bis 60 schwache Mitglieder im Zentrum. Mit rund 50-facher Vergrößerung erscheinen die Sterne in zwei losen Gruppen oder Ketten angeordnet zu sein, die sich um die 6 hellsten Sterne des Sternhaufens gruppieren und in Nord-Süd-Richtung angeordnet sind. Die Hauptachse des Haufens verläuft in Ost-West-Richtung. Das Zentrum von NGC 663 erscheint fragmentiert und zerfällt in drei Sterngruppen, die die Form eines Hufeisens bilden. Das Zentrum des Hufeisens erscheint dunkel und nahezu sternenleer. Vor allem der Doppelstern Struve 152 ist bemerkenswert. Die beiden Komponenten leuchten in einem gelblichen und bläulichen Licht. Mit noch größerer Öffnung sind bis zu 80 Sterne sichtbar, die sich auf ein Gebiet von der halben scheinbaren Größe des Vollmondes konzentrieren. Die Außenbereiche von NGC 663 erscheinen eher spärlich mit mäßig schwachen Sternen besetzt und deutlich verstreut.
Für die meisten Beobachter der Nordhalbkugel ist NGC 663 zirkumpolar und am besten in den Herbst- und Wintermonaten beobachtbar. Um den offenen Sternhaufen aufzusuchen, stellen wir den 2,7 mag hellen Stern Ruchbah (Delta Cas) in die Suchermitte ein. Nun schwenken wir knapp 3° in Richtung Nordosten bzw. von Epsilon Cassiopeiae (3,4 mag) ausgehend 3° in Richtung Südwesten. Der Sternhaufen sollte zusammen mit NGC 654, NGC 659 und M 103 nun schon in jedem Sucherfernrohr sofort erkennbar sein.
Aufsuchkarte NGC 663 (189,5 KiB, 243 hits)
Steckbrief für NGC 663
Objektname | NGC 663 |
Katalogbezeichnung | Collinder 20, Melotte 11, Raab 7, OCL 333 |
Eigenname | Letter S Cluster, Lawnmower Cluster |
Typ | offener Sternhaufen, III 2 m |
Sternbild | Kassiopeia (Cassiopeia) |
Rektaszension (J2000.0) | 01h 46m 16,0s |
Deklination (J2000.0) | +61° 13′ 00″ |
V Helligkeit | 7,1 mag |
Flächenhelligkeit | 12,0 mag |
Winkelausdehnung | 16,0′ |
Anzahl der Sterne | 80 |
Hellster Stern | 8,1 mag |
Durchmesser | 30 Lichtjahre |
Entfernung | 6.400 Lichtjahre |
Beschreibung | Cl,B,L,eRi,st pL, H VI 31;In Cas OB8;incl Struve 151 152 & 153 |
Entdecker | Friedrich Wilhelm Herschel, 1787 |
Sternatlanten | Cambridge Star Atlas: Chart 2 Interstellarum Deep Sky Atlas: Chart 15 Millennium Star Atlas: Charts 47–48 (Vol I) Pocket Sky Atlas: Chart 1 Sky Atlas 2000: Chart 1 Uranometria 2nd Ed.: Chart 29 |