Objekte des Monats: Der Kugelsternhaufen NGC 7006

  • Letz­te Ände­rung:1 Jahr 
  • Lese­zeit:4Minu­ten
  • Wör­ter:941
  • Bei­trags­auf­ru­fe:900

NGC 7006 ist ein schwa­cher Kugel­stern­hau­fen im nörd­li­chen Stern­bild Del­fin (Del­phi­nus). Der deutsch-bri­ti­schen Astro­no­men Fried­rich Wil­helm Her­schel ent­deck­te das Objekt am 21. August 1784. Er beschrieb den Hau­fen als hell, ziem­lich groß, rund und zum Zen­trum hin hel­ler wer­dend. Sein Sohn John Her­schel beob­ach­te­te den Kugel­stern­hau­fen am 11. Okto­ber 1825 eben­falls. Das Objekt ist auch als Cald­well 42 in Sir Patrick Moo­res Kata­log inter­es­san­ter Deep-Sky-Objek­te verzeichnet.

Ein entfernter Außenposten der Milchstraße

Der kugel­för­mi­ge Stern­hau­fen hat nur eine schein­ba­re Hel­lig­keit von 10,6 Grö­ßen­klas­sen und einen schein­ba­ren Durch­mes­ser von 3,6 Bogen­mi­nu­ten. Er kann aber, ein dunk­ler Land­him­mel vor­aus­ge­setzt, bereits in mit­tel­gro­ßen Tele­sko­pen auf­ge­fun­den wer­den. NGC 7006 wird von Ama­teur­as­tro­no­men oft über­gan­gen. Die Haupt­grün­de sind sei­ne beschei­de­ne Grö­ße, sei­ne rela­tiv gerin­ge Hel­lig­keit und sei­ne Lage in der Nähe des Kugel­hau­fens Mes­sier 15. Aller­dings gehört die­ser Stern­hau­fen in Wahr­heit zu den hel­le­ren Objek­ten in dem klei­nen und unschein­ba­ren Stern­bild Del­phi­nus und ist auch sonst ein inter­es­san­tes Objekt. NGC 7006 erscheint in sei­nem Zen­trum näm­lich beson­ders kom­pakt (Kon­zen­tra­ti­ons­klas­se I). Die hells­ten Ster­ne besit­zen aller­dings nur schein­ba­re Hel­lig­kei­ten um 16 mag. Ins­ge­samt kon­zen­trie­ren sich in dem Hau­fen gut 250.000 Ster­ne. Mit einem Durch­mes­ser von knapp 100 Licht­jah­re ist der Hau­fen etwas klei­ner als der berühm­te Her­ku­le­shau­fen Mes­sier 13 im gleich­na­mi­gen Stern­bild. Im Gegen­satz zu M 13, befin­det sich NGC 7006 auch 5 Mal so weit ent­fernt wie die­ser und 5 Mal wei­ter ent­fernt, als die Distanz unse­res Son­nen­sys­tems zum Zen­trum unse­rer Milch­stra­ße. Mit einer Ent­fer­nung von 135.000 Licht­jah­ren befin­det sich NGC 7006 näm­lich bereits im äuße­ren Halo unse­rer Gala­xis. Er umkreist das Zen­trum unse­rer Hei­mat­ga­la­xie auf einer sehr exzen­tri­schen Bahn. Gleich­zei­tig gehört er zu den am wei­tes­ten ent­fern­ten Kugel­stern­hau­fen unse­rer Milch­stra­ße, die mit klei­ne­ren Ama­teur­te­le­sko­pen noch beob­ach­tet wer­den können.

NGC 7006
NGC 7006 im Stern­bild Del­fin – Auf­nah­me von Gün­ter Kersch­hu­ber, Quel­le: CCD-Gui­de, Astro­no­mi­scher Arbeits­kreis Salzkammergut

Bereits im Jahr 1921 erkann­te der ame­ri­ka­ni­sche Astro­nom Har­low Shap­ley auf dem Mount Wil­son Obser­va­to­ri­um, auf­grund von Mes­sun­gen hel­ler Rie­sen­ster­ne vom Typ RR Lyrae, dass es sich bei NGC 7006 um einen sehr weit ent­fern­ten Kugel­stern­hau­fen han­deln muss. Damals wur­de die Ent­fer­nung sogar noch höher ein­ge­schätzt. Sie über­traf sogar die von NGC 2419, dem „Inter­ga­lak­ti­schen Wan­de­rer“ im Stern­bild Lynx. Nur die galak­ti­schen Kugel­stern­hau­fen Arp-Mado­re 1, Palo­mar 3 und 4 sowie der Eri­danus-Clus­ter lie­gen noch wei­ter drau­ßen im galak­ti­schen Halo. Der Halo ist eine etwa kugel­för­mi­ge Regi­on um unse­re Hei­mat­ga­la­xie, die aus dunk­ler Mate­rie, Gas und locker ver­teil­ten Kugel­stern­hau­fen besteht. Der Kugel­stern­hau­fen wird sich auf sei­ner 2 Mil­li­ar­den Jah­re dau­ern­den Umlauf­bahn um das galak­ti­sche Zen­trum sogar noch wei­ter von uns ent­fer­nen. Sein Apo­ga­lak­ti­kon befin­det sich mehr als 330.000 Licht­jah­re von uns ent­fernt! Sein Peri­ga­lak­ti­kon beträgt statt­des­sen 60.000 Licht­jah­re. Das ist immer noch fast dop­pelt so weit wie die Ent­fer­nung zu dem hel­len Kugel­stern­hau­fen Mes­sier 3 im Stern­bild Jagd­hun­de. NGC 7006 besitzt mit 348 km/s auch die größ­te Eigen­be­we­gung aller Kugel­stern­hau­fen unse­rer Galaxis.

NGC 7006 (Hubble)
NGC 7006 in einer Auf­nah­me des Hub­ble-Welt­raum­te­le­skops – Cre­dit: NASA Hub­ble, CC BY 2.0, via Wiki­me­dia Commons

Das Alter des Kugel­stern­hau­fens wird auf 12,25 Mil­li­ar­den Jah­re geschätzt. Die vom Alter abgän­gi­ge Metall­häu­fig­keit von NGC 7006 ist mit den Kugel­stern­hau­fen M 13 und M 3 ver­gleich­bar. Dabei bezeich­net die Metall­häu­fig­keit in der Astro­phy­sik das Vor­han­den­sein schwe­rer Ele­men­te als Was­ser­stoff und Heli­um. Man nimmt an, dass sich NGC 7006 unab­hän­gig in einer klei­nen Begleit­ga­la­xie unse­rer Milch­stra­ße gebil­det hat. Vor eini­gen Mil­li­ar­den Jah­ren wur­de er dann von den Gra­vi­ta­ti­ons­kräf­ten unse­rer Gala­xis ein­ge­fan­gen. Im Sci­ence-Fic­tion Roman „Bey­ond the Far­thest Star“, von Edgar Rice Bur­roughs, wird NGC 7006 von den Ein­woh­nern eines fer­nen Pla­ne­ten erwähnt und als Bezugs­punkt für die Bestim­mung der unge­fäh­ren Posi­ti­on der Erde verwendet.

Beobachtung

Der Kugel­stern­hau­fen ist recht anspruchs­voll für Besit­zer klei­ner Tele­sko­pe, auch unter einem guten Land­him­mel. Mit einer Öff­nung von 3 bis 4 Zoll, mit indi­rek­tem Sehen und mitt­le­rer Ver­grö­ße­rung von über 50-fach, erscheint NGC 7006 nur als äußerst schwa­cher rund­li­cher Nebel­fleck. Sein Zen­trum ist etwas hel­ler und wird von einem noch schwä­che­ren Halo umge­ben. Mit 5 bis 6 Zoll Öff­nung und höhe­rer Ver­grö­ße­rung tritt der Stern­hau­fen deut­li­cher in Erschei­nung. Der Kern erscheint bei mitt­le­ren Ver­grö­ße­run­gen aber immer noch schwach und der äuße­re Halo sehr dif­fus. Der Stern­hau­fen hat nun Ähn­lich­kei­ten mit einem pla­ne­ta­ri­schen Nebel. In Tele­sko­pen von 8 bis 10 Zoll Öff­nung erkennt man einen ziem­lich kom­pak­ten Kern. Die­ser ist von einem schwä­che­ren Halo umge­ben. Er weist nun Ähn­lich­kei­ten mit einem Kome­ten auf. Bei sehr hoher Ver­grö­ße­rung erscheint das Zen­trum bereits flä­chig und der Rand­be­reich leicht kör­nig. Ein­zel­ne Mit­glieds­ster­ne wer­den ab 14 Zoll und sehr hoher Ver­grö­ße­rung in den Rand­ge­bie­ten des Hau­fens auf­ge­löst. Nur 5 Bogen­mi­nu­ten süd­west­lich des Kugel­stern­hau­fens exis­tiert eine klei­ne Grup­pe von Hin­ter­grund­ga­la­xien schwä­cher als 16 mag. Für die visu­el­le Sich­tung benö­tigt man aller­dings noch deut­lich grö­ße­re Tele­sko­pe. Nur 1,4° von NGC 7006 ent­fernt, an der Gren­ze zum Pega­sus, befin­det sich ein inter­es­san­ter V‑förmiger und 13 Bogen­mi­nu­ten gro­ßer Aste­ris­mus. Die­ser ist als als „Toads­tool“ bzw. French 1 bekannt und besteht aus 9 und 12 mag hel­len Sternen.

Aufsuchkarte
Auf­such­kar­te für NGC 7006 – erstellt mit SkytechX

NGC 7006 ist am bes­ten in den Spät­som­mer­mo­na­ten bis in den Herbst hin­ein beob­acht­bar, wenn das Stern­bild Del­phi­nus hoch am Him­mel steht. Der Kugel­stern­hau­fen ist rela­tiv ein­fach zu loka­li­sie­ren, aller­dings auf­grund sei­ner Hel­lig­keit und Grö­ße noch nicht in Fern­glä­sern und Sucher­fern­roh­ren auf­find­bar. Wir gehen von der mar­kan­ten Rau­te des Del­fins aus und betrach­ten die Stre­cke zwi­schen den Ster­nen Sual­ocin (Alpha Del, 3,8 mag) und dem hüb­schen Dop­pel­stern Gam­ma Del­phi­ni (4,3 mag). Wir ver­län­gern die­se Stre­cke um wei­te­re 3,5° nach Osten. Nun soll­te NGC 7006 als schwa­cher Nebel­fleck mit gerin­ge­rer Ver­grö­ße­rung im Oku­lar­ge­sichts­feld auf­tau­chen. Benutzt man ein Dobson-Tele­skop oder eine azi­mu­ta­le Mon­tie­rung, stellt man Gam­ma Del in die Mit­te ein. Man war­tet 15 Minu­ten, bis NGC 7006 ins das Gesichts­feld des Oku­klars hineinwandert.

Auf­such­kar­te NGC 7006 (118,1 KiB, 196 hits)

Steckbrief für NGC 7006

Objekt­na­meNGC 7006
Kata­log­be­zeich­nungGCL 119, Cald­well 42
TypKugel­stern­hau­fen, I
Stern­bildDel­fin (Del­phi­nus)
Rekt­aszen­si­on (J2000.0)21h 01m 29,5s
Dekli­na­ti­on (J2000.0)+16° 11′ 17″
V Hel­lig­keit10,6 mag
Win­kel­aus­deh­nung3,6′
Durch­mes­ser100 Licht­jah­re
Ent­fer­nung135.000 Licht­jah­re
Beschrei­bungB,pL,R,gbM; H I 52;Stars eF;very remo­te globular
Ent­de­ckerFried­rich Wil­helm Her­schel, 1784
Stern­at­lan­tenCam­bridge Star Atlas: Chart 13
Inter­stel­larum Deep Sky Atlas: Chart 41
Mill­en­ni­um Star Atlas: Charts 1215–1216 (Vol III)
Pocket Sky Atlas: Chart 75
Sky Atlas 2000: Chart 17
Urano­me­tria 2nd Ed.: Chart 83

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert