Objekte des Monats: Der Kugelsternhaufen Messier 72

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Der Kugel­stern­hau­fen Mes­sier 72 (NGC 6981), im Stern­bild Was­ser­mann (Aqua­ri­us), wur­de in der Nacht vom 29. auf den 30. August 1780 von dem fran­zö­si­schen Astro­no­men Pierre Méchain ent­deckt. Das Objekt war der ers­te von fünf Stern­hau­fen, den der Astro­nom wäh­rend sei­ner Assis­tenz­zeit bei sei­nem Freund und Kol­le­gen Charles Mes­sier ent­deck­te. Mes­sier beob­ach­te­te den Stern­hau­fen am 4. Okto­ber des sel­ben Jah­res unab­hän­gig von Méchain und nahm ihn anschlie­ßend als Num­mer 72 in sei­nen berühm­ten Kata­log auf. Er beschrieb M 72 als schwa­chen und 2 Bogen­mi­nu­ten gro­ßen Nebel, der sich ober­halb vom Hals des Stein­bocks befin­det. In der sel­ben Nacht ent­deck­te Mes­sier, in unmit­tel­ba­rer Nähe zu M 72, auch M 73. Heut­zu­ta­ge wird die­ses Objekt als Stern­mus­ter (Aste­ris­mus) ange­se­hen. Der deutsch-bri­ti­sche Astro­nom Fried­rich Wil­helm Her­schel war wahr­schein­lich der ers­te Beob­ach­ter, der den Stern­hau­fen im Jahr 1783 in sei­ne Ein­zel­ster­ne auf­lö­sen konn­te. Er schrieb: „Es ist ein Hau­fen von run­der Gestalt, mit sehr schwa­chen Ster­ne an der Außen­sei­te“. Sein Sohn John beschrieb das Objekt eben­falls als run­den und hel­len Stern­hau­fen. Der ame­ri­ka­ni­sche Astro­nom Har­low Shap­ley stell­te Ähn­lich­kei­ten mit Mes­sier 4 im Stern­bild Skor­pi­on und Mes­sier 12 im Schlan­gen­trä­ger fest.

Ein unscheinbarer Kugelsternhaufen des Messier-Katalogs

Mes­sier 72 gehört zu den schwächs­ten und unschein­bars­ten der in Mes­siers Kata­log gelis­te­ten 29 kugel­för­mi­gen Stern­hau­fen. Die­ser weist kei­ne star­ke zen­tra­le Kon­den­sa­ti­on auf (Kon­zen­tra­ti­ons­klas­se IX). Nur fünf Kugel­stern­hau­fen im Mes­sier-Kata­log sind weni­ger kon­zen­trier­ter als M 72: M 55 (XI), M 56 (X), M 68 (X), M 71 (X‑XI) und M 107 (X). Der Stern­hau­fen besitzt eine Hel­lig­keit von 9,3 mag und befin­det sich 54.570 Licht­jah­re von der Erde ent­fernt. Somit liegt er deut­lich hin­ter dem galak­ti­schen Zen­trum. Er zählt mit zu den am wei­tes­ten ent­fern­ten Hau­fen in Mes­siers berühm­ten Nebel­ka­ta­log. Mit einer schein­ba­ren Aus­deh­nung von 6 Bogen­mi­nu­ten am Him­mel beträgt M 72 wah­rer Durch­mes­ser rund 106 Licht­jah­re und sei­ne Mas­se 168.000 Son­nen­mas­sen. Damit gehört das Objekt zu den leucht­stärks­ten Kugel­stern­hau­fen des galak­ti­schen Halos. Trotz alle­dem benö­ti­gen Beob­ach­ter ein mit­tel­gro­ßes Instru­ment, um ihn zumin­dest in den Rand­be­rei­chen in Ein­zel­ster­ne auf­lö­sen zu können.

Messier 72
Mes­sier 72 im Stern­bild Was­ser­mann – Auf­nah­me von Micha­el Brei­te, Ste­fan Heutz & Wolf­gang Ries, Quel­le: CCD-Gui­de, Astro­no­mi­scher Arbeits­kreis Salzkammergut

Im Lau­fe der Zeit wur­den im Kugel­hau­fen 43 ver­än­der­li­che Ster­ne ent­deckt, wobei 28 von ihnen zum Typ RR-Lyrae gehö­ren. Die­se so genann­ten Hau­fen­ver­än­der­li­chen gel­ten als Stan­dard­ker­zen für die kos­mi­sche Ent­fer­nungs­be­stim­mung. Die hells­ten Ster­ne des Hau­fens besit­zen Hel­lig­kei­ten von nur 14,2 Grö­ßen­klas­sen. Die durch­schnitt­li­che Hel­lig­keit der 25 hells­ten Ster­ne beträgt sogar nur 15,9 mag. Mit einem geschätz­ten Alter von 9,5 Mil­li­ar­den Jah­ren, ist M 72 etwas jün­ger als ande­re Kugel­stern­hau­fen unse­res Milch­stra­ßen­sys­tems. Mes­sier 72 umkreist das Zen­trum unse­rer Gala­xis auf einer retro­gra­den Umlauf­bahn. Zur Zeit befin­det er sich 42.000 Licht­jah­re vom galak­ti­schen Zen­trum ent­fernt. Des­halb wur­de spe­ku­liert, dass er einst Mit­glied einer Begleit­ga­la­xie unse­rer Milch­stra­ße war. Wahr­schein­lich wur­de M 72 von unse­rer Gala­xis, bei einer Nah­be­geg­nung vor eini­gen Mil­li­ar­den Jah­ren, ein­ge­fan­gen. Ein guter Kan­di­dat für den Ursprung von M 72 ist die Sagit­ta­ri­us-Zwerg­ga­la­xie.

Messier 72 (Hubble)
Der Kugel­stern­hau­fen Mes­sier 72 in einer Auf­nah­me des Hub­ble-Welt­raum­te­le­skops – Cre­dit: NASA, STScI, WikiS­ky, Public domain, via Wiki­me­dia Commons

Mes­sier 72 befin­det sich im Stern­bild Aqua­ri­us in pro­mi­nen­ter Umge­bung: Nur 1,3° öst­lich von M 72 steht die Stern­grup­pe Mes­sier 73. Die­se Grup­pe ver­eint, auf einem Durch­mes­ser von nur 1 Bogen­mi­nu­te, vier Ster­ne der 11. bis 12. Grö­ßen­klas­se. Nur 3° nord­öst­lich des Kugel­stern­hau­fens befin­det sich der 8,0 mag hel­le pla­ne­ta­ri­sche Nebel NGC 7009, der auch als Saturn­ne­bel bekannt ist. Nur 1 ½ Grad nörd­lich von M 72 fin­den wir noch die schwa­che und iso­lier­te Zwerg­ga­la­xie PGC 65367. Sie ist auch als „Aqua­ri­us Dwarf“ (Aqr­DIG) bekannt. Das im Jahr 1959 ent­deck­te Mit­glied unse­rer Loka­len Gala­xien­grup­pe befin­det sich weit im Hin­ter­grund des Hau­fens. Ihre Ent­fer­nung von der Erde beträgt 3 Mil­lio­nen Lichtjahren.

Beobachtung

Mes­sier 72 ist unter einem sehr dunk­len und trans­pa­ren­ten Land­him­mel schon mit einem 10x50 Feld­ste­cher als schwa­cher ver­schwom­me­ner Stern erkenn­bar. Selbst ein 16x70 Fuji­non Fern­glas zeigt ihn nur als klei­nen und schwa­chen Licht­fleck. Mit einem 3 bis 4 Zoll gro­ßen Fern­rohr, bei 40 bis 60-facher Ver­grö­ße­rung, erscheint der Kugel­hau­fen etwas hel­ler und noch nicht in Ein­zel­ster­ne auf­ge­löst. Indi­rekt erschei­nen die Rand­be­rei­che mit grö­ße­rer Öff­nung leicht gra­nu­liert. Knapp 9 Bogen­mi­nu­ten öst­lich des Hau­fens steht ein Stern der 9. Grö­ßen­klas­se. Die Hel­lig­keit des Hau­fens nimmt zum Zen­trum hin etwas zu. Erst mit 6 bis 8 Zoll Öff­nung tau­chen bei hoher Ver­grö­ße­rung um 150-fach die ers­ten Ster­ne in den Rand­be­rei­chen auf. Das Zen­trum erscheint etwas hel­ler als der Halo, ist aber nur schwach kon­zen­triert. Mit 10 bis 12 Zoll gro­ßen Reflek­to­ren und 200-facher Ver­grö­ße­rung tau­chen bereits ein paar Dut­zend Mit­glieds­ster­ne auf. Die­se kon­zen­trie­ren sich vor einem neb­li­gen Hin­ter­grund. Dabei ist die Hel­lig­keit des Halos fast gleich­mä­ßig über die Flä­che ver­teilt. Eini­ge Ster­ne tau­chen nun auch in der Kern­re­gi­on auf. Erst mit noch grö­ße­rer Öff­nung ist end­lich das Zen­trum des Kugel­stern­hau­fens voll­stän­dig in Ein­zel­ster­ne auf­ge­löst. Eine auf­fäl­li­ge, keil­för­mi­ge und dunk­le Regi­on unter­bricht den Außen­be­reich des Hau­fens im Nordosten.

Aufsuchkarte Messier 72
Auf­such­kar­te für Mes­sier 72 – erstellt mit SkytechX

M 72 ist am bes­ten in den Spät­som­mer- und Herbst­mo­na­ten sicht­bar, wenn das Stern­bild Was­ser­mann mit­tel­hoch im Süden kul­mi­niert. Um Mes­sier 72, im süd­west­li­chen Teil des Stern­bilds, auf­zu­fin­den gehen wir vom hel­len Stern Alba­li (Epsi­lon Aqr, 3,8 mag) aus. Der Stern­hau­fen befin­det sich direkt auf der Ver­bin­dungs­li­nie zwi­schen Epsi­lon Aqua­rii und The­ta Capri­cor­ni (4,1 mag). In Rich­tung Nord­os­ten befin­det sich, rund 1° von Epsi­lon ent­fernt, der 4,7 mag hel­le Stern My Aqr. Von die­sem Stern aus­ge­hend schwen­ken wir das Tele­skop rund 3 ½ Grad in Rich­tung Süden. Wir sto­ßen nun auf ein gleich­schenk­li­ges Drei­eck aus Ster­nen der 6. bis 7. Grö­ßen­klas­se. Nun soll­te M 72 als schwa­cher Nebel­ball schon im Sucher­te­le­skop sicht­bar sein. Er steht knapp 45 Bogen­mi­nu­ten süd­öst­lich die­ser Grup­pe und öst­lich eines Sterns der 9. Größenklasse.

Auf­such­kar­te Mes­sier 72 (66,0 KiB, 215 hits)

Steckbrief für Messier 72

Objekt­na­meMes­sier 72
Kata­log­be­zeich­nungNGC 6981, GCL 118
TypKugel­stern­hau­fen, IX
Stern­bildWas­ser­mann (Aqua­ri­us)
Rekt­aszen­si­on (J2000.0)20h 53m 27,9s
Dekli­na­ti­on (J2000.0)-12° 32′ 11″
V Hel­lig­keit9,2 mag
Flä­chen­hel­lig­keit12,0 mag
Win­kel­aus­deh­nung6,6′
Durch­mes­ser106 Licht­jah­re
Ent­fer­nung54.600 Licht­jah­re
Beschrei­bungpB,pL,R,gmCM,rrr, 3 deg WSW of NGC 7009
Ent­de­ckerPierre Méchain, 1780
Stern­at­lan­tenCam­bridge Star Atlas: Chart 13
Inter­stel­larum Deep Sky Atlas: Chart 65
Mill­en­ni­um Star Atlas: 1335–1336 (Vol III)
Pocket Sky Atlas: Chart 66
Sky Atlas 2000: Chart 16
Urano­me­tria 2nd Ed.: Chart 124

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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