Objekte des Monats: Der Schildkrötennebel NGC 6210

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Der pla­ne­ta­ri­sche Nebel NGC 6210, im nörd­li­chen Stern­bild Her­ku­les (Her­cu­les), wur­de im Jahr 1825 von dem deut­schen Astro­no­men Fried­rich Geor­ge Wil­helm Struve ent­deckt. Eini­ge Jah­re vor­her, am 22. März 1799, wur­de der Nebel von dem fran­zö­si­schen Astro­no­men Jérô­me Lal­an­de als Stern kata­lo­gi­siert. Her­schel Sohn John beschrieb den Nebel am 25. Mai 1830 als sehr hell, ähn­lich wie ein Stern der 8. oder 9. Grö­ßen­klas­se, mit einem gleich­mä­ßi­gen Licht und zer­ris­se­nen Rän­dern. Wahr­schein­lich war es aber der iri­sche Astro­nom Lord Ros­se im Jahr 1850, der als ers­ter Beob­ach­ter die inten­si­ve bläu­li­che Far­be des Nebels beschrieb. Auf­grund sei­nes äuße­ren Erschei­nungs­bil­des, ins­be­son­de­re auf einer Hub­ble-Auf­nah­me, ist NGC 6210 auch als „Schild­krö­ten­ne­bel“ (Turt­le-Nebu­la) bekannt.

Der „vergessene“ planetarischer Nebel im Herkules

NGC 6210 ist einer der hells­ten pla­ne­ta­ri­schen Nebel des nörd­li­chen Him­mels. Er ist sogar noch etwas hel­ler als der berühm­te Ring­ne­bel (Mes­sier 57) im Stern­bild der Lei­er. Der Nebel besitzt eine Hel­lig­keit von 8,8 mag und eine Win­kel­aus­deh­nung von 0,5 x 0,47 Bogen­mi­nu­ten. Mit einer Ent­fer­nung von 6.500 Licht­jah­ren, ent­spricht das einer wah­ren Aus­deh­nung der Nebel­hül­le von unge­fähr 0,5 Licht­jah­ren. Zusam­men mit der nur auf lang belich­te­ten Auf­nah­men sicht­ba­ren äuße­ren Hül­le, erreicht der Nebel sogar eine Aus­deh­nung von 1,6 Licht­jah­ren. Er steht knapp 38° über der galak­ti­schen Ebe­ne, in einer ver­ti­ka­len Ent­fer­nung von 3.300 Licht­jah­ren zur galak­ti­schen Schei­be. Aus die­sem Grund weist er nur eine sehr gerin­ge Extink­ti­on durch inter­stel­la­ren Staub auf. Der pla­ne­ta­ri­sche Nebel wird oft von Beob­ach­tern über­gan­gen. Die bei­den Kugel­stern­hau­fen Mes­sier 13 und Mes­sier 92, im sel­ben Stern­bild, sind deut­lich pro­mi­nen­ter. Selbst Burn­ham hat den Schild­krö­ten­ne­bel, in sei­nem popu­lä­ren Werk „Burnham’s Celes­ti­al Hand­book“, nicht groß hervorgehoben.

NGC 6210
NGC 6210 im Stern­bild Her­ku­les – Auf­nah­me von Micha­el Brei­te, Ste­fan Heutz & Wolf­gang Ries, Quel­le: CCD-Gui­de, Astro­no­mi­scher Arbeits­kreis Salzkammergut

Die Nebel­hül­le von NGC 6210 wird durch die hohe Tem­pe­ra­tur in einem inten­siv bläu­lich tür­ki­sen Licht des ein­fa­chen und dop­pelt ioni­sier­ten Sau­er­stoffs zum Leuch­ten ange­regt. Der pla­ne­ta­ri­sche Nebel besitzt die Form eines Ellip­so­iden, der aus zwei Tei­len besteht: einem hel­len inne­ren Bereich und einer grö­ße­ren und schwä­che­ren äuße­ren Hül­le. Die inne­re Regi­on besitzt eine Expan­si­ons­ge­schwin­dig­keit von 19–24 km/s und hat zahl­rei­che Löcher. Auf­nah­men des Hub­ble-Welt­raum­te­le­skop zei­gen vier vom Zen­tral­stern aus­ge­hen­de Jets aus hei­ßem Gas. Die­se durch­sto­ßen die deut­lich küh­le­re und mit einer Geschwin­dig­keit von 20 bis 35 Kilo­me­tern pro Sekun­de expan­die­ren­de älte­re Hül­le. Sie erschei­nen dem Betrach­ter wie klei­ne Füß­chen, was dem Nebel das Aus­se­hen einer schwim­men­den Was­ser­schild­krö­te ver­leiht. Der 12,9 mag hel­le Zen­tral­stern des Nebels, vom Spek­tral­typ O6, ist ein Wei­ßer Zwerg mit einer Ober­flä­chen­tem­pe­ra­tur von 65.000 Kelvin.

NGC 6210 (Hubble)
Der Schild­krö­ten­ne­bel in einer Auf­nah­me des Hub­ble-Welt­raum­te­le­skops – Cre­dit: ESA/Hubble, Judy Schmidt, CC BY 2.0, via Wiki­me­dia Commons

Auf­grund des äuße­ren Erschei­nungs­bilds des Nebels nimmt man an, dass der son­nen­ähn­li­che Stern, mit 0,9 Son­nen­mas­sen, etwas weni­ger Mas­se als unse­re Son­ne besaß. Der Stern stößt nach wie vor Mate­ri­al mit 2.180 km/s, in Form von 2 bis 4 Jets, in den Welt­raum aus. Die Mas­sen­ver­lust­ra­te beträgt 2,2x10^-9 Son­nen­mas­sen pro Jahr. Die zahl­rei­chen Mate­ri­al­scha­len, die der ster­ben­de Stern in der Ver­gan­gen­heit aus­ge­sto­ßen hat, bil­den eine Über­la­ge­rung von Struk­tu­ren mit unter­schied­li­chen Sym­me­trie­gra­den. Das ist auch der Grund für das selt­sa­me Erschei­nungs­bild des Schild­krö­ten­ne­bels. Der Zen­tral­stern von NGC 6210 ist nur mit grö­ße­rer Tele­s­ko­pöff­nung und unter sehr guten Beob­ach­tungs­be­din­gun­gen visu­ell zu erken­nen. Das Alter des Nebels wird nur auf weni­ge Tau­send Jah­re geschätzt.

Beobachtung

NGC 6210 ist schon in einem 7x50 Fern­glas sicht­bar und nicht von einem Stern der 9. Grö­ßen­klas­se zu unter­schei­den. Im 16x70 Fuji­non besitzt die­ser Stern indi­rekt einen leich­ten aqua­ma­rin­far­be­nen Schim­mer und erscheint etwas unschär­fer als die Umge­bungs­ster­ne. Auf­grund sei­ner gro­ßen Flä­chen­hel­lig­keit sind hohe Ver­grö­ße­run­gen sinn­voll. In einem 3 bis 4 Zoll Refrak­tor, mit 20-facher Ver­grö­ße­rung, erkennt man nur ein ziem­lich hel­les, blau­grü­nes Scheib­chen. Mit 80 bis 100-facher Ver­grö­ße­rung erscheint es dif­fus, in Ost-West Aus­rich­tung oval und eher unre­gel­mä­ßig. Der Nebel formt ein Drei­eck mit zwei Ster­nen der 8. und 9. Grö­ßen­klas­se. Der Zen­tral­stern ist ab 6 bis 8 Zoll Öff­nung, mit sehr hohen Ver­grö­ße­run­gen von 250-fach sowie bei opti­ma­len See­ing andeu­tungs­wei­se erkenn­bar. Die Nebel­hül­le wird von einem dunk­le­ren Zen­trum und einer Art inne­rem Ring geprägt. Mit 10 bis 12 Zoll Öff­nung zeigt die Nebel­hül­le schon ein­zel­ne Struk­tu­ren. Die­se ent­hält eine kom­ple­xe Mischung aus Kno­ten, Rin­gen und ande­ren amor­phen Struk­tu­ren. Die Hül­le, die dif­fu­se Rän­der auf­weist, besitzt eine inten­si­ve bläu­li­che Far­be. Bei indi­rek­tem Sehen erscheint die Hül­le oval, in der ab und zu ein­zel­ne „Fin­ger“ an den Flan­ken auf­blit­zen. Der Zen­tral­stern ist mit noch grö­ße­rer Öff­nung, nun auf Anhieb zu erken­nen. Der Ein­satz eines OIII-Fil­ters bringt nicht unbe­dingt mehr Details. Nur 20 Bogen­mi­nu­ten süd­west­lich vom Schild­krö­ten­ne­bel steht der enge Mehr­fach­stern Struve 2094.

Aufsuchkarte
Auf­such­kar­te für NGC 6210 – erstellt mit SkytechX

NGC 6210 ist am bes­ten in den hel­len Som­mer­mo­na­ten beob­acht­bar und befin­det sich im süd­li­chen Teil des Stern­bilds Her­ku­les. Der pla­ne­ta­ri­sche Nebel ist sehr ein­fach im Sucher­fern­rohr zu sehen und liegt auf ca. 2/3 der Stre­cke zwi­schen dem 5,0 mag hel­len Stern 51 Her­cu­lis und Korn­epho­ros (Beta Her, 2,8 mag). Beta Her­cu­lis ist der süd­li­che Stern des Her­ku­les Tra­pez, den man zuerst in die Sucher­mit­te ein­stellt. Nun schwenkt wir 4° in Rich­tung Nord­os­ten, bis man auf zwei Ster­ne der 7. Grö­ßen­klas­se trifft, die in Rich­tung Beta Her wei­sen. NGC 6210 bil­det mit die­sen Ster­nen zusam­men ein klei­nes recht­wink­li­ges Drei­eck von ca. 15 Bogen­mi­nu­ten Ausdehnung.

Auf­such­kar­te Schild­krö­ten­ne­bel (NGC 6210) (64,9 KiB, 197 hits)

Steckbrief für NGC 6210

Objekt­na­meNGC 6210
Kata­log­be­zeich­nungPK 43+37.1, PN G043.1+37.7, IRAS 16423+2353, ARO 5
Eigen­na­meSchild­krö­ten­ne­bel, Turtle-Nebula
TypPla­ne­ta­ri­scher Nebel, PN 2(3b)
Stern­bildHer­ku­les (Her­cu­les)
Rekt­aszen­si­on (J2000.0)16h 44m 29,5s
Dekli­na­ti­on (J2000.0)+23° 48′ 02″
V Hel­lig­keit8,8 mag
Flä­chen­hel­lig­keit5,9 mag
Win­kel­aus­deh­nung20,0″ x 13,0″
Hel­lig­keit Zentralstern12,9 mag
Expan­si­ons­ge­schwin­dig­keit21,0 km/s
Durch­mes­ser1,6 Licht­jah­re
Ent­fer­nung6.500 Licht­jah­re
Beschrei­bungvB,vS,R,disc
Ent­de­ckerFried­rich Geor­ge Wil­helm Struve, 1825
Stern­at­lan­tenCam­bridge Star Atlas: Chart 6 & 12
Inter­stel­larum Deep Sky Atlas: Chart 31 & 43
Mill­en­ni­um Star Atlas: Charts 1203–1204 (Vol III)
Pocket Sky Atlas: Chart 77
Sky Atlas 2000: Chart 54
Urano­me­tria 2nd Ed.: Chart 68

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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