Die Starlink Satelliten von SpaceX sorgen nach wie vor in diversen astronomischen Foren für Furore. In den letzten Wochen war dieses Thema auch in der deutschen Presselandschaft und vor allem sehr ausführlich in den englischsprachigen Medien präsent. Was war passiert? SpaceX hatte vor drei Wochen, am 11. November 2019, weitere 60 Satelliten ihrer Megakonstellation mit einer Falcon 9 in den Orbit geschossen, die zur Zeit auf ihre endgültigen Bahnen angehoben werden. Leider beeinflussen auch die neuen Satelliten die Beobachtungen der Profiastronomen, weil sie entgegen den Aussagen von Elon Musk, nach wie vor auf Weitfeldaufnahmen diverser Surveys zu sehen sind. Momentan ziehen die Satelliten auch über Deutschland und sind am Morgenhimmel, rund zwei Stunden vor Sonnenaufgang, als sternartige Punkte, die wie auf einer imaginären Kette aufgereiht sind, zu erkennen. Bei nicht astronomisch affinen Publikum führt das naturgemäß zu Verwirrung und unter Umständen zu einer UFO-Meldung bei den üblichen Verdächtigen. Und die 3. Flotte steht bereits in den Startlöchern und soll noch diesen Dezember in den Weltraum starten!
Heute erhielt auch unser Vereinsvorsitzender der Südbrandenburger Sternfreunde e.V. eine E‑Mail vom RBB Brandenburg mit der Bitte um Aufklärung. Eine Redakteurin der zibb-Redaktion schrieb folgendes:
Liebe Südbrandenburger Sternfreunde, einige Zuschauer*innen unserer Region haben uns von außergewöhnlichen Lichtbändern am Himmel berichtet, die sie vor allem in der vergangenen Nacht gesehen haben. Nun würden wir das Phänomen gern aufklären – und sind auf der Suche nach kundigen Sichtern, die möglicherweise eigene Beobachtungen schildern könnten… LG Ines V. zibb Gäste-Planung
Auch diverse UFO-Meldegruppen wie CENAP, GEP und die Kollegen von UFO-Informationen.de erhalten seit ein paar Tagen Sichtungsmeldungen von Zeugen, die Ungewöhnliches am Himmel registriert haben. Dieser neue Art UFO-Stimulus wird in den nächsten Monaten und Jahren wohl des Öfteren berichtet werden, weil bereits bis zum Ende des Jahres 2020 ca. 1.500 bis 2.000 Starlink-Satelliten von der Betreiberfirma in den Orbit gebracht werden sollen. Das bedeutet im Schnitt ein Start einer Falcon 9 Trägerrakte alle 1 bis 2 Wochen. Am Ende, wenn die Megakonstellation voll ausgebaut ist, werden weitere 13.000 11.867 Satelliten unseren Nachthimmel zieren, die freilich nicht alle zur selben Zeit sichtbar sind. Es gibt sogar Pläne, das Netzwerk auf bis zu 42.000 Satelliten zu erweitern. Und auch andere Betreiberfirmen wie OneWeb (600 Satelliten) und Amazon (3.000 Satelliten) stehen bereits in den Startlöchern, um eigene Megakonstellationen in die Erdumlaufbahn zu schicken. Wieviel Satelliten am Ende vom Erdboden aus mit bloßem Auge oder auf Himmelsaufnahmen zu sehen sein werden, hängt vor allem vom Standort, der Jahreszeit, der Bahnhöhe und der Anzahl der Satelliten ab. Wer jetzt gespannt ist und es überhaupt nicht erwarten kann, kann sich diese Simulation mal anschauen.
Ende November habe ich zum 1. Mal selbst die Starlink-Flotte vom 2. SpaceX Launch im November mit eigenen Augen am Morgenhimmel gesehen. Und ich muss leider zugeben, dass das schon ein beeindruckendes Schauspiel war. Gleich mehrere Dutzend Lichtpunkte zogen gegen 5:30 Uhr in mehreren Grad Abstand zueinander und mit ungefähr der Helligkeit des Polarsterns von West in Richtung Ost. Dabei tauchten sie in der Nähe der Sternbilder Fuhrmann und Zwillinge aus dem Erdschatten auf und zogen dann weiter in Richtung auf das Sternbild Bärenhüter zu, wobei sie die Zenitregion kreuzten. Interessant war auch ein Vorfall, dass ein Satellit auf einer niedrigeren Bahn einen höheren Satelliten überholte.
Die im November gestartete Starlink-Flotte wird zur Zeit selbstständig auf ihre endgültigen Orbits gehieft und besitzt immer noch eine Helligkeit zwischen 2 bis 6 mag. Und auch Satelliten aus der 1. Konstellation, die im Mai diesen Jahres gestartet wurden, sollen immer noch deutlich heller als gedacht sein. Diese tauchen dann mit den neuen Satelliten in Zeitrafferfilmen des Nachthimmels auf. Bezeichnend ist wohl dieses eine Bild, das während des Alpha-Monocerotiden Maximums am 22. November 2019 aufgenommen wurde. Es zeigt mehr Satelliten- als Meteorspuren und die Überschrift dieses Artikels trifft es exakt auf den Punkt.
Die Bilder beweisen also, dass alle Satelliten auf relativ kurz belichteten Aufnahmen des Himmels zu registrieren sind. Und da sich die Albedo des 2. Schwarms, im Gegensatz zum 1. aus dem Mai diesen Jahres, nicht groß verändert hat, glaube ich mittlerweile nicht mehr daran, dass SpaceX das Problem für die Astronomie erkannt hat und ernsthaft daran arbeitet, die Situation zu verbessern. Man braucht auch nicht mehr dran glauben, dass das Projekt abgebrochen wird es sei denn, die Betreiberfirma geht Pleite. Denn diese Art von Megakonstellationen sind nicht für die globale Internetkommunikation in vom weltweiten Netz abgelegenen Gebieten auf der Erde (wie hier zum Teil in Deutschland) interessant, sondern vor allem auch für das Militär und für den Hochfrequenzhandel, da die direkte Verbindung zu einem Satelliten, physikalisch bedingt – Stichwort: Lichtgeschwindigkeit in unterschiedlichen Medien – die Reaktionszeiten auf ein Minimum reduziert.
Wer mehr über die neue Gefahr für die Astronomie und eventuell für die Raumfahrt lesen möchte, kann den Artikel von Daniel Fischer in seinem Blog „Skyweek Zwei Punkt Null“ zu Gemüte führen, der unter anderem auch beschreibt, dass sich die Starlinks in den Orbits mitunter recht eigenartig verhalten. So können sie sich auch schon mal gegenseitig auf 1 Kilometer nahe kommen, was vor allem bei einem weiteren Ausbau der Satellitenflotte die Kollisionswahrscheinlichkeit untereinander erhöht. Sehr empfehenswert ist auch der neue Artikel zu den Starlinks von Jan Hattenbach in seinem Blog „Himmelslichter“. Hier beschreibt der Autor, dass seine Befürchtungen, dass die Satelliten die astronomische Beobachtung beeinträchtigen würden, sich eher noch bestätigt haben.
Fazit: Weitwinkelaufnahmen im Stile von TWAN, vor allem bei uns in den Sommermonaten, wo die Satelliten dann praktisch die gesamte Nacht von der Sonne beschienen werden, werden in Zukunft vielleicht der Vergangenheit angehören. Denn in weitwinkligen Einzelaufnahmen sind Satellitenspuren praktisch nicht zu vermeiden oder in der Bildbearbeitung zu eleminieren vor allem dann, wenn diese gleich dutzendfach auftreten! 🙁
Wer selbst mal diese neue „Seuche der Astronomie“ mit eigenen Augen sehen möchte, empfehle ich die Internetseite Heavens-Abobe.com. Dort kann man sich nach Eingabe des aktuellen Beobachtungsortes eine Tabelle mit Überflugzeiten der Starlink-Satelliten anzeigen lassen. Für das Android-Betriebssystem sind die Apps Heavens Above bzw. ISS Detektor empfehlenswert, die diese Überflüge auf dem eigenen Smartphone zeitnah berechnen können.
Weiterführende Links: Astrotreff-Forum: Starlink am Morgenhimmel | Astronomie.de: Starlink-Satelliten | Astronomie.de: Starlink – der Supergau für Astrofotografen? | VDS-Forum: Statement der VdS zur Satellitenkonstellation „Starlink“ | Golem.de: SpaceX steht zwischen Flaute und Rekordjagd | Scinexx: Starlink und Co: Droht Chaos im Orbit? | Sky & Telescope: The Starlink Situation | Space.com: How to Spot SpaceX’s 60 New Starlink Satellites in the Night Sky | Spaceflight Now: Starlink ‘train’ traces path across twilight skies | New Scientist: SpaceX’s Starlink satellites are interfering with astronomy again | The Guardian: Flagship observatory faces major interference from private companies‘ satellites | Forbes: This Is How Elon Musk Can Fix The Damage His Starlink Satellites Are Causing To Astronomy | CNN: SpaceX’s Starlink satellites are messing with stargazers‘ observations | ScienceAlert: That Starlink Problem Astronomers Were Worried About Is Totally Happening | Business Insider: A crushing cost estimate of SpaceX’s planned mega-fleet of 42,000 Starlink internet satellites glosses over a huge detail | NewAtlas: Astronomical photobombs and the trouble with SpaceX’s Starlink
Edit: Es gibt einen aktuellen Artikel bei Sky & Telescope zum Starlink-Problem, der eine kleine „Entwarnung“ für visuelle Beobachter gibt. Für Astrofotografen, egal ob Profis oder Amateur, ändert sich allerdings nichts. Interessant sind auch die weiter unten stehenden Kommentare in dem Artikel. Der von Chris Marquardt und Boris Nlenke moderierte Foto-Podcast „Happy Shooting“ (Folge #637 – Wir töten keine Katzenbabys) hat sich in der Sendung vom letzten Dienstag ebenfalls dem Thema Starlink & Lichtverschmutzung angenommen.
Womöglich hat die FCC bei der Genehmigung der Starlink-Megakonstellation gegen ein US-Bundesgesetz verstoßen.
https://www.scientificamerican.com/article/the-fccs-approval-of-spacexs-starlink-mega-constellation-may-have-been-unlawful/