Die Spiralgalaxie Messier 74 (NGC 628) im Sternbild Fische (Pisces), wurde Ende September 1780 von dem französischen Astronomen Pierre Méchain entdeckt, der seine Entdeckung an seinen Freund Charles Messier weiterleitete. Messier bestimmte drei Wochen später die Position und nahm die Galaxie am 18. Oktober 1780 in seinen berühmten Nebelkatalog auf. Er beschrieb das Objekt als ziemliche großen Nebel ohne Sterne, der extrem schwer zu beobachten ist. Der deutsch-britische Astronom Wilhelm Herschel beobachtete die Galaxie am 28. Dezember 1799 mit seinem 40 Fuß Teleskop. Sein Sohn John beobachtete M 74 ebenfalls und klassifizierte sie als Kugelsternhaufen, weil er Sterne wahrnahm, was im späteren New General Catalogue von Dreyer übernommen wurde. Diese Fehleinstufung des Objekts überlebte noch weit ins 20. Jahrhundert hinein, obwohl im Jahr 1918 der amerikanische Astronom Heber Doust Curtis, anhand seiner fotografischen Aufnahmen, bestätigte, dass es sich bei M 74 um eine wunderschöne symmetrische Spirale handelt. Der irische Astronom Lord Rosse war im Jahr 1848 übrigens einer der ersten Beobachter, der die Spiralstruktur von M 74 erkannte und beschrieb. Der deutsche Astronom Friedrich Argelander katalogisierte die Galaxie, während der Bonner Durchmusterung, als Stern mit der Bezeichnung BD +15°238. Wahrscheinlich hat Argelander, mit seinem 78mm Refraktor, nur den hellen stellaren Kern von M 74 wahrgenommen. Aufgrund ihrer geringen Flächenhelligkeit ist Messier 74 auch unter dem Eigennamen „Phantomgalaxie“ (Phantom Galaxy) bekannt.
Eine Grand-Design-Spirale
Messier 74 ist mit einem Durchmesser von 95.000 Lichtjahren ungefähr halb so groß wie unser eigenes Milchstraßensystem. Sie enthält mehr als 300 Milliarden Sterne, besitzt eine scheinbare Ausdehnung von 10,5 x 9,5 Bogenminuten am Himmel und eine scheinbare Helligkeit von 9,1 Größenklassen. Aufgrund der geringen Flächenhelligkeit von nur 14,4 mag pro Quadratbogenminuten, gehört M 74 zum schwierigsten Objekte des gesamten Messier-Katalogs. Sie befindet sich 32 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt und ist die Hauptgalaxie einer kleinen Gruppe von 5 bis 7 Galaxien, ähnlich unserer Lokalen Gruppe, zu denen auch die ungewöhnliche Balkenspirale und Polarring-Galaxie NGC 660, die ungewöhnliche Sm-Galaxie UGC 891 (ein Mischtyp aus Spirale und irreguläre Galaxie) und weitere kleinere irreguläre Welteninseln wie UGC 1176, UGC 1195 und UGCA 20 gehören. Sie wird als M‑74-Galaxiengruppe bezeichnet. Aufgrund ihres Aussehens zählt sie zur den so genannten „Grand-Design Spiralgalaxien“, mit deutlich hervortretender Spiralstruktur, auf die wir genau von oben blicken. Der Neigungswinkel der Galaxienscheibe beträgt weniger als 10 Grad zu unserer Sichtlinie. Sie ähnelt vom Aussehen her Messier 101 im Sternbild Großer Bär, die ebenfalls eine ähnlich geringe Flächenhelligkeit und Aussehen besitzt. Die Spiralarme von M 74 sind allerdings deutlich regelmäßiger und symmetrischer.
Die Kernregion von M 74 wird durch viele alte und gelblich erscheinende Sternhaufen geprägt. Neue Studien zeigen, dass im Kerngebiet eine ovale Struktur vorhanden ist, der als Balken interpretiert werden kann. Dieser ist umgeben von einem Ring aus jungen Sternen. Vom kleinen aber hellen zentralen Kern der Galaxie gehen symmetrische Spiralarme aus, die von gewundenen und dicken Staubbahnen durchzogen sind. In den bis zu 7.000 Lichtjahre breiten Spiralarmen findet man zahlreiche junge und heiße blaue Sterne, die sich in massereichen und bläulich leuchtenden Sternhaufen konzentrieren, sowie viele rötlich bis rosafarbene leuchtende Sternentstehungsgebiete aus Wasserstoffgas. Das intensive ultraviolette Licht der jungen blauen Riesensterne ionisieren die Wasserstoffwolken und regen diese im Licht der H‑Alpha Spektrallinie bei 656,28 Nanometer zum Leuchten an. Mehr als 730 dieser H‑II-Regionen und 143 Sternhaufen sind in M 74 bekannt. Die große Anzahl von H‑II-Regionen und die durch Dichtewellen ausgeprägte Spiralstruktur deuten darauf hin, dass in den letzten 500 Millionen Jahren eine intensive Sternentstehung (Starburst) stattgefunden hat. Wahrscheinlich wurde dieser Starburst durch die gravitative Wechselwirkung mit ihren Nachbargalaxien und durch Supernovaexplosionen ausgelöst. Die Spiralarme und die Sternentstehungsgebiet markieren den Ort der Maxima dieser Dichtewellen. Außerdem ist Messier 74 von einer Scheibe aus neutralem Wasserstoffgas umgeben, die die doppelte Größe der gesamten Galaxie besitzt. Die Materie aus dem Halo der Galaxie fällt auf die Scheibe und komprimieren die Wasserstoffwolken, so dass der Sternentstehungsprozess in der Scheibe ausgelöst wird. Die Rate der Sternentstehung ist zur Zeit etwa doppelt so hoch wie in der Spiralgalaxie NGC 6946 im Sternbild Schwan.
Im Jahr 2005 wurde durch das Röntgenobservatorium Chandra eine ultrahelle Röntgenquelle (ultraluminous X‑Ray source – ULX) entdeckt, die periodisch Röntgenstrahlung aussendet und innerhalb einer halben Stunde ihre Helligkeit um mehr als eine Größenklasse ändern kann. Diese Quelle strahlt in Abständen von etwa zwei Stunden mehr Röntgenlicht ab, als ein Neutronenstern. Mit einer Masse von 10.000 Sonnenmassen vermutet man, dass es sich bei dieser Röntgenquelle um ein mittelschweres Schwarzes Loch handelt. Auch im Zentrum von M 74 wird ein massereiches Schwarzes Loch vermutet. 21 weitere Röntgenquellen wurden in einem Radius von nur 5 Bogenminuten um den Kern gefunden.
Supernovae in M 74
Bisher wurde in Messier 74 drei Supernovae entdeckt. Die Supernova SN 2002ap, die durch den Kernkollaps eines 40 Sonnenmassen schweren Sterns entstanden ist, erreichte Anfang Februar 2002 sogar eine maximale Helligkeit von 12,3 mag und war demzufolge schon sehr leicht in mittleren Teleskopen beobachtbar. Sie gehörte zu Klasse der so genannten Hypernovae, die 100-mal heller leuchten als eine „normale“ Supernova. Bei der Supernova SN 2003gd fand man ein Lichtecho, das durch die Reflexion des Lichts der Supernovaexplosion an Molekülwolken, in unmittelbarer Umgebung des Vorgängersterns, verursacht wurde. Durch diese Supernova vom Typ II konnte die Entfernung zu M 74 recht genau bestimmt werden. Die letzte Supernova (SN 2013ej) in M 74 wurde am 25. Juli 2013 in ihrer frühen Phase beobachtet. Sie erreichte Anfang August eine Helligkeit von 12,4 Größenklassen und wurde ebenfalls durch den Kernkollaps eines massereichen Roten Überriesen verursacht.
Beobachtung
Das Licht von Messier 74 ist ziemlich gleichmäßig über die Scheibe verteilt. Aus diesem Grund besitzt sie nur eine sehr geringe Flächenhelligkeit. Unter einem aufgehellten Himmel erkennt man deshalb nur die helle sternförmige Kernregion. Man benötigt einen sehr dunklen Himmel und eine klare Nacht, um die Galaxie in einem Feldstecher überhaupt zu erkennen. Ein 10x50 Fernglas zeigt unter einem dunklen Landhimmel, an der Stelle wo sich die Galaxie befindet, nur indirekt einen zarten Nebelschimmer. Mit einem 16x70 Feldstecher gelingt eine Sichtung von M 74 etwas leichter. Selbst mit 3 bis 4 Zoll Öffnung und 23-facher Vergrößerung erkennt man unter durchschnittlichen Bedingungen nur ein verwaschenes ovales Lichtfleckchen ohne Details, mit heller Kernregion. Der Halo besitzt einen Durchmesser von 5 Bogenminuten. Dieser Eindruck ändert sich auch mit größerer Öffnung kaum. Mit 6 bis 8 Zoll Öffnung erscheint die Kernregion stellar. Der Kern ist dabei in einer ovalen und recht ausgedehnten Nebelscheibe eingebettet. Ab 10 bis 12 Zoll Öffnung erscheint die Scheibe der Galaxie mit mittlerer Helligkeit, in Ost-West-Richtung elongiert und mit 8 Bogenminuten Ausdehnung, recht groß. Sie erscheint leicht gemottelt und mit einem starken Helligkeitsanstieg zur Mitte. Man beobachtet am besten bei geringer Vergrößerung und maximaler Austrittspupille. Der 1 Bogenminute große Kern verträgt Vergrößerung bis zur Millimeterzahl des Fernrohrs recht gut und erscheint etwas aus dem Zentrum versetzt zu sein. Auch das Kerngebiet erscheint leicht granuliert. Die auf den Fotos so herrlich erscheinenden Spiralarme von M 74 sind selbst mit größeren Optiken schwierig zu erfassen aber unter sehr guten Bedingungen bereits ab 12 Zoll Öffnung wahrnehmbar. Nur einige schwache Lichtflecken erscheinen visuell im Teleskop und geben die Position der Spiralarme wieder. Vor allem fallen die Vordergrundsterne nahe der Galaxienscheibe auf, die nicht mit einer Supernova verwechselt werden sollten. Mit noch größeren Teleskopen sind in den Spiralarmen und dazwischen einzelne Knoten wahrnehmbar, bei denen es sich um Vordergrundsterne sowie Sternwolken und Nebel innerhalb der Scheibe von M 74 handelt. Die Galaxie ähnelt nun visuell M 33 im Sternbild Dreieck, nur mit einem stärker ausgeprägten und kondensierten Kern, der dem Kern eines unaufgelösten Kugelsternhaufens ähnelt.
Messier 74 ist am besten in den Herbst und Wintermonaten beobachtbar, wenn das Sternbild Fische hoch am Himmel steht. Um die lichtschwache Galaxie aufzufinden, starten wir bei Alpha Piscium (3,8 mag). Wir schwenken das Teleskop nach Nordwesten über die Sterne Omikron (4,3 mag) und Pi Psc (5,5 mag) hinaus, bis wir auf den 3,6 mag hellen und engen Doppelstern Eta Psc treffen. Eta ist der hellste Stern im Sternbild Fische. Er befindet sich in der direkten Verlängerung der beiden hellsten Sterne im Widder, Alpha und Beta Arietis (2,0 mag & 2,6 mag), rund 7,5° in Richtung Südwesten. M 74 kann nun 1,5° nordöstlich von Eta Piscium aufgefunden werden. Im Sucherteleskop befindet sich die Galaxie knapp 1° südwestlich einer leicht zu identifizierenden Sternenkette und direkt östlich eines Sternenpaars der 6. und 7. Größenklasse. Sie bildet mit den beiden Sternen eine Art gleichschenkliges Dreieck.
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Steckbrief für Messier 74
Objektname | Messier 74 |
Katalogbezeichnung | NGC 628, UGC 1149, PGC 5974, MCG 3–5‑11 |
Eigenname | Phantomgalaxie, Phantom Galaxy |
Typ | Galaxie, Sc |
Sternbild | Fische (Pisces) |
Rektaszension (J2000.0) | 01h 36m 41,7s |
Deklination (J2000.0) | +15° 47′ 00″ |
V Helligkeit | 9,1 mag |
Flächenhelligkeit | 14,2 mag |
Winkelausdehnung | 10,5′ x 9,5′ |
Positionswinkel | 25° |
Absolute Helligkeit | -20.´,201 mag |
Durchmesser | 95.000 Lichtjahre |
Entfernung | 32 Millionen Lichtjahre |
Beschreibung | F,vL,R,vg,psmbM,rr; Fine face on spiral |
Entdecker | Pierre Méchain, 1780 |
Sternatlanten | Cambridge Star Atlas: Chart 8 Interstellarum Deep Sky Atlas: Chart 51 Millennium Star Atlas: Charts 193–194 (Vol I) Pocket Sky Atlas: Chart 45 Sky Atlas 2000: Chart 10 Uranometria 2nd Ed.: Chart 100 |