Nach einer langen Durststrecke ist endlich wieder ein heller Komet am europäischen Nachthimmel zu sehen, der den Namen Schweifstern auch verdient: C/2020 F3 (NEOWISE). Der Komet wurde erst am 27. März 2020 vom Near-Earth Object Wide-field Infrared Survey Explorer als 17 mag helles Objekt im Sternbild Achterdeck des Schiffs entdeckt. Für Südhimmelbeobachter entwickelte sich der Komet vor dem Perihel prächtig, so dass auch Beobachter auf der Nordhalbkugel hofften, endlich einen beeindruckenden Kometen zu Gesicht zu bekommen. Diese Hoffnung wurde nicht enttäuscht. Viele Sternfreunde befürchteten nämlich, dass der Komet das selbe Schicksal erleiden wird, wie die Kometen ATLAS und SWAN im Frühjahr diesen Jahres. Die beiden Kometen begeisterten ebenfalls zuerst die Beobachter auf der Südhalbkugel, waren dann aber leider keine schönen Objekte mehr für uns Nordhimmelbeobachter. Die Helligkeit beider Kometen brach kurz vor dem Perihel ein. Komet Atlas zerfiel sogar in einzelne Bruchstücke, die u.a. mit dem Weltraumteleskop Hubble aufgenommen wurden und löste sich danach vollständig auf.
Der erste wirklich helle Komet für die Nordhalbkugel
Am 3. Juli 2020 erreichte C/2020 F3 (NEOWISE) sein Perihel und zog in nur 44,2 Millionen Kilometer Entfernung, und somit innerhalb der Bahn des Merkurs, an unserer Sonne vorbei. Durch die geringe Entfernung zu unserem Zentralgestirn war der Schweifstern auch auf der Kamera des Sonnenbeobachtungssatelliten SOHO zu sehen. Neowise ist deshalb so bemerkenswert, weil der Schweifstern der erste wirklich helle Komet nach Hale-Bopp ist, der leicht von der (Groß)Stadt aus zu erkennen ist und auch unbedarften Laien, von dunklen Standorten aus gesehen, sofort ins Auge springt. Andere, sehr helle Kometen in den letzten 23 Jahren – seit dem Erscheinen des berühmten „Jahrhundertkometen“ Hale-Bopp 1997 – waren eher Objekte für Beobachter des Südhimmels. Nun gibt es wieder zahlreiche Bilder und Beobachtungsberichte in den sozialen Netzwerken und in den Astronomieforen der üblichen Verdächtigen. Und die Bilderflut des neuen „Star der sozialen Medien“ wächst von Tag zu Tag, selbst im Öffentlich Rechtlichen Rundfunk!
Schon kurz nach dem Perihel begeisterte C/2020 F3 (NEOWISE) die Astrofotografen. Zu diesem Zeitpunkt war der Komet nur am Morgenhimmel und niedrig über dem NNO-Horizont zu sehen. An einigen Tagen zeigten sich auch tiefstehende Leuchtende Nachtwolken über dem Nordhorizont bis nach Süddeutschland hinein, die die Fotos vom Kometen sichtbar aufwerten konnten.
Meine Beobachtung von Neowise
Dank des nun besseren Wetters der vergangenen Tage, sind in den zurückliegenden Nächten, quer durch die Republik, zahlreiche Fotos des Kometen entstanden. Und auch ich hatte das Glück letzten Freitag, als der Komet in einer Wolkenlücke über dem Dach eines Wohnhauses erschienen ist. Das Bemerkenswerte daran war, dass ich ihn per Zufall aus dem Badezimmerfenster raus beobachten und ohne Hilfsmittel sehr einfach sichten konnte. Selbst der mehrere Grad lange und auch visuell sichtbar gekrümmte Staubschweif war einfach zu erkennen. Am darauffolgenden Tag plante ich deshalb eine kleine Fotosession, um den Kometen vor besseren Hintergrund abzulichten. So fuhr ich kurz nach 22 Uhr raus nach Radensdorf und positionierte mich auf einem Feldweg vor einer hübschen Baumgruppe.
Mein Erscheinen auf dem Feld erregte leider die Aufmerksamkeit eines Jagdpächters. Dieser fuhr mit seinem Geländewagen, Aufblendlicht und einem Affenzahn den Feldweg hinauf, stieg aus und schrie mich erstmal an. Er fragte lautstark, was ich hier tue. Nachdem ich im erklärt habe, dass ich Hobbyastronom sei, die Gegend schon seit mindestens 15 Jahren unsicher mache und eigentlich vor hatte, einen Kometen zu beobachten und zu fotografieren, beruhigte er sich, auch nachdem er meine Kameraausrüstung und die Stative musterte. Er war so in Sorge, weil sich in der Gegend neuerdings russische Wilderer [sic!] herumtreiben sollen. Er bat mich, nicht weiter den Feldweg hinauf zu fahren, weil er dort bei der entfernten Baumgruppe, mit einigen weiteren Jägern, für Wildschweine Ansitzen würde. Bevor er sich verabschiedete riet ich ihm, im Laufe der Nacht mal in Richtung Norden zu blicken und ungefähr eine Handbreit östlich von Capella zu schauen. Denn dort könnte er selbst mit dem bloßem Auge einen Kometen mit Schweif sehen. Überraschenderweise hatte er von diesem Kometen schon in den Medien gehört. Er rückte dann ab, so dass ich meine Ausrüstung weiter aufbauen konnte, nachdem ich meine orange Warnweste [!] angezogen hatte. Ich wollte nämlich nicht mit einem Wildschwein verwechselt werden.
In dieser Nacht war es für Mitte Juli ungewöhnlich kalt und feucht. Die Temperatur gingen zum Morgen hin auf 5°C zurück und der allgegenwärtige Tau lief regelrecht die Stativbeine hinunter. Glücklicherweise hatte ich meine Winterklamotten angezogen, so dass ich die Kälte der Nacht nicht spürte. Neowise war schon bei Ankunft in der helleren Abenddämmerung in Richtung NNW und in rund 10 Grad Höhe leicht zu erkennen. Im Laufe der Nacht bewegte sich der Komet weiter zum Horizont hinab. Zwischendurch zog auch eine Wolkenbank vorbei, die fast den halben Himmel bedeckte. Der Komet stand aber glücklicherweise in einer größeren Wolkenlücke, so dass ich ihn die ganze Zeit beobachten konnte. Gegen 0:40 Uhr erreichte der Schweifstern seine untere Kulmination und stand in nur 5 Grad Höhe und immer noch gut sichtbar direkt über dem Nordhorizont.
Im Fernglas erschien die Koma mit 1,5 Größenklassen sehr hell, mit einer sternartigen Kondensation und mit zwei auffallenden Schweifstrahlen. Der Staubschweif war ebenfalls sehr hell und visuell mindestens 7 Grad lang. Dieser ging dann diffus in den Hintergrund über. Der Komet nahm das gesamte Gesichtsfeld meines Fujinon 16x70 Feldstechers ein. Leider taute das Fernglas bald zu, so dass ich schon bald auf mein Fujinon 10x50 zurückgreifen musste. Hier zeigte sich der Komet vollständig in seiner gesamten Länge und Pracht.
Insgesamt hatte ich für meinen Fototour 3 Kameras eingepackt, wobei die Canon EOS 1000Da mit dem Samyang 135 mm Objektiv auf der Skwatcher Staradventurer nachgeführt wurde. Kurz vor 2 Uhr morgens nahm ich mit dieser dann 25 Bilder á 30 Sekunden auf, wobei ein Baum leider ins Gesichtsfeld hineinragte. Mit den beiden anderen Kameras nahm ich Stimmungsbilder auf. Für den Weitwinkelbereich war meine Canon EOS 6D, mit dem 24–105 mm Kitobjektiv, zuständig. Für Detailbilder verwendete ich die Canon EOS 100D mit dem 55–250 mm Telezoom. Ungefähr eine halbe Stunde nach Mitternacht ging dann der abnehmende Halbmond auf, der ca. 3 Grad unterhalb unseres roten Nachbarn Mars stand. Der Mond beeinträchtige die Beobachtung des Kometen kaum, ließ aber die Sommermilchstraße in den Sternbildern Schwan, Schütze und Skorpion langsam verblassen. In Richtung Süden standen mit Jupiter und Saturn weitere Planeten. Zum Morgen hin ging dann auch die Venus und die Plejaden im Nordosten auf. Und auch die ISS zog schließlich in der helleren Morgendämmerung zenitnah am Himmel entlang. Die gesamte Zeit war C/2020 F3 (NEOWISE) beobachtbar auch dann noch, als nur noch die hellsten Sterne am Himmel zu sehen waren. Kurz nach 3 Uhr packte ich die Ausrüstung zurück ins Auto und fuhr zufrieden heim.
Gemeinsame Beobachtung
Am nächsten Tag wollte ich den Kometen abermals beobachten und lud zu diesem Zweck meinen Vater und einen weiteren Bekannten zur Beobachtung in Treppendorf mit ein. Um 22:30 Uhr fuhren wir raus und bauten den Fujinon 10x70 Feldstecher auf. Leider hielt sich eine zähe, mittelhohe Wolkenbank direkt über Berlin, so dass ich schon befürchtete, dass wir den Kometen in dieser Nacht nicht zu Gesicht bekommen würden. Plötzlich sah ich ihn knapp oberhalb der Wolkengrenze. Und auch meine beiden Begleiter waren von dem Anblick des hellen Schweifsterns im Fernglas begeistert. Leider verdeckten dann Wolken Neowise. Wir nutzen die Zeit, um weitere Objekte am Sommerhimmel, darunter Jupiter und Saturn, zu beobachten. Glücklicherweise tauchte Neowise eine halbe Stunde später in einer immer breiter werdenden Wolkenlücke wieder auf. Nun war der Komet sogar noch auffälliger. Durch den dunkleren Himmel bestimmten wir die Schweiflänge auf gut 7 Grad – und das ohne optische Hilfsmittel. Kurz nach Mitternacht fuhren wir schließlich heim. Gegen 1 Uhr konnte ich den Kometen noch von meinem Badezimmerfenster aus beobachten und fotografieren.
Die weitere Bahn von Neowise
War C/2020 F3 NEOWISE zu Beginn ein Objekt für den Morgenhimmel, wird er jetzt immer besser am Abendhimmel sichtbar. Der Schweifstern steigt auf seiner Bahn am Sternenimmel von Tag zu Tag immer höher über den Horizont und kommt auch langsam aus der hellen Abenddämmerung heraus. Glücklicherweise hält der Komet seine Aktivität weiter bei, so dass man ihn auch in den kommenden Nächten ohne Hilfsmittel wird beobachten können. Ein kleiner Feldstecher wertet die Erscheinung des Kometen aber sichtbar auf und ist empfehelsnwert. Bis August zieht Neowise schließlich weiter durch die Sternbilder Luchs, Großer Bär, Haar der Berenike und Bärenhüter und nähert sich dann auch wieder dem Horizont an. Die Helligkeit sollte in dieser Zeit weiter zurückgehen, bis die Beobachtungsperiode Ende August schließlich enden wird.
Die komplette Ausdehnung des Gas- und Staubschweifes zeigt u.a. dieses beeindruckende Foto von Kometenbeobachter Michael Jäger und Gerald Rhemann.
Aufsuchkarte C/2020 F3 (NEOWISE) (144,9 KiB, 519 hits)
Hallo Andreas,
Schöner Bericht uns sehenswerte Fotos, danke dafür! Hier auf den Kanaren steht der Komet deutlich tiefer als bei euch, ich hoffe, er hält noch eine Weile durch, damit ich ihn auch mal höher am Himmel zu sehen kriege. Ist wirklich endlich mal wieder einer, für den sich etwas Aufwand lohnt!
Und wieder so eine Jägergeschichte… Was nehmen diese Leute eigentlich, dass sie so aggressiv werden?
CS,
Jan
hallo Jan,
ich habe eher seltener mit Jagdpächtern zu kämpfen zumal einige recht interessiert am Thema sind. Wir hatten mal einen älteren Jäger bei der Beobachtung der über Ferngläser gefachsimpelt hat. M13 fand er überaus beeindruckend und hat auch zugegeben, dass er auf dem Hochstand ab und zu mal mit dem Feldstecher in die Sterne schaut.