Die Sichtbarkeit des Kometen C/2023 A3 (Tsuchinshan-ATLAS)

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Mit­te Okto­ber 2024 kön­nen wir höchst­wahr­schein­lich wie­der einen beein­dru­cken­den Kome­ten mit blo­ßem Auge am Him­mel ent­de­cken, der vor­aus­sicht­lich zum ers­ten Mal sei­ne wei­te Rei­se aus der Oort­schen Wol­ke ins Inne­re Son­nen­sys­tem ange­tre­ten hat. Des­halb soll­te sein Kern noch viel Eis und Staub ent­hal­ten. In Son­nen­nä­he wer­den die­se „Schmut­zi­gen Schnee­bäl­le“ von der Son­ne auf­ge­heizt. Dabei wird das Kome­ten­ma­te­ri­al aus­ge­gast und ver­dampft. Es ent­steht eine aus­ge­dehn­te Koma und – bei beson­ders akti­ven Kome­ten – auch ein impo­san­ter Kome­ten­schweif. Beson­ders hel­le Kome­ten sind auf­grund ihrer flä­chi­gen Erschei­nung deut­lich auf­fäl­li­ger als ein ver­gleichs­wei­se gleich hel­ler Stern am Him­mel. Die Hel­lig­keits­ent­wick­lung und Bahn­form von Tsuch­inshan-ATLAS nähr­te schon kurz nach sei­ner Ent­de­ckung vie­le Spe­ku­la­tio­nen über sein Erschei­nen und Aus­se­hen im Okto­ber als „Jahr­hun­dert­ko­met“, von gran­di­os bis präch­tig, ver­gleich­bar mit Hale-Bopp 1996 (-1,8 mag), McN­aught 2007 (0,0 mag) oder NEOWISE 2020 (0,9 mag), bis zum Zer­fall des Kome­ten noch vor dem Perihel.

Hale-Bopp
Komet C/1995 O1 (Hale-Bopp) im Früh­jahr 1997 – Phil­ipp Salz­ge­ber, CC BY-SA 2.0 AT, via Wiki­me­dia Commons

Entdeckung und Helligkeitsprognose

Der Komet C/2023 A3 (Tsuch­inshan-ATLAS) wur­de am 9. Janu­ar 2023 vom Pur­ple Moun­tain Obser­va­to­ry XuYi in Chi­na und am 22. Febru­ar 2023 unab­hän­gig vom Aste­ro­id Ter­restri­al-Impact Last Alert Sys­tem (ATLAS) in Süd­afri­ka als Objekt der 18. Grö­ßen­klas­se ent­deckt. Schon früh wur­de ver­mu­tet, dass der Schweif­stern kurz nach sei­nem Peri­hel mit einer schein­ba­ren Hel­lig­keit von etwa ‑3 Magni­tu­den – und damit fast so hell wie die Venus – eine impo­san­te Him­mels­er­schei­nung wer­den könn­te. Spä­te­re Hel­lig­keits­pro­gno­sen sahen ihn „nur“ bei etwa 0 mag. Aktu­ell dürf­te der Komet höchst­wahr­schein­lich eine maxi­ma­le Hel­lig­keit von etwa 2 Grö­ßen­klas­sen errei­chen. Damit wäre er etwa so hell wie der berühm­te Komet C/2020 F3 (NEOWISE) Mit­te Juli 2020.

NEOWISE
Komet C/2020 F3 (NEOWISE) am 13. Juli 2020

Auf­grund der ungüns­ti­gen Bahn­geo­me­trie von Tsuch­inshan-ATLAS wird der Komet zum Zeit­punkt sei­ner größ­ten Hel­lig­keit aller­dings nur eine sehr gerin­ge Elon­ga­ti­on zur Son­ne auf­wei­sen. Er wird den hells­ten Teil sei­nes Bahn­ab­schnitts bereits durch­lau­fen haben, wenn er am Abend­him­mel sicht­bar wird. Vom deutsch­spra­chi­gen Raum aus wird der Schweif­stern erst wie­der ab Mit­te Okto­ber in der Abend­däm­me­rung im Stern­bild Jung­frau zu sehen sein. Davor gibt es ein kur­zes Sicht­bar­keits­fens­ter Ende Sep­tem­ber oder Anfang Okto­ber kurz vor Son­nen­auf­gang am Morgenhimmel.

McNaught
Komet C/2006 P1 (McN­aught) im Janu­ar 2007 – ESO/Sebastian Dei­ries, CC BY 4.0, via Wiki­me­dia Commons

Am 27. Sep­tem­ber 2024 wird der Komet der Son­ne mit einem Abstand von 58,6 Mil­lio­nen Kilo­me­tern am nächs­ten kom­men. Das ent­spricht in etwa der Ent­fer­nung des inners­ten Pla­ne­ten Mer­kur von der Son­ne. Er wird im Lau­fe des Herbs­tes sehr schnell an Hel­lig­keit ver­lie­ren und ein Objekt für den frü­hen Abend­him­mel blei­ben. Aus die­sem Grund wird er eher nied­rig über dem Süd­west­ho­ri­zont ste­hen und nur für kur­ze Zeit beob­acht­bar sein. Wäh­rend sei­ner Sicht­bar­keit durch­läuft er die Stern­bil­der Jung­frau, Schlan­ge, Schlan­gen­trä­ger und Adler. Bereits Ende Okto­ber unter­schrei­tet der Schweif­stern schließ­lich die Sicht­bar­keits­gren­ze für das blo­ße Auge. Er ist dann nur noch mit Fern­glä­sern und klei­nen Tele­sko­pen zu beob­ach­ten. Kurz nach dem Jah­res­wech­sel wird der Komet auf­grund der gerin­gen Hori­zont­hö­he und der immer wei­ter abneh­men­den Hel­lig­keit end­gül­tig von der Him­mels­büh­ne abtreten.

Einbruch der Helligkeit

C/2023 A3 (Tsuch­inshan-ATLAS) konn­te bereits im Mai und Juni 2024 auch von Deutsch­land aus beob­ach­tet wer­den, als der Komet vom Stern­bild Jung­frau in das Stern­bild Löwe wech­sel­te. Bei sei­nem Ver­schwin­den Ende Juli hat­te Tsuch­inshan-ATLAS eine schein­ba­re Hel­lig­keit von etwa 10 Grö­ßen­klas­sen. Wäh­rend die­ser Zeit wur­de von vie­len Kome­ten­be­ob­ach­tern ein Ein­bruch in der Hel­lig­keits­kur­ve regis­triert. Es wur­de sogar befürch­tet, dass sich der Komet kurz vor der Annä­he­rung an die Son­ne auf­lö­sen könn­te. Genährt wur­den die­se Befürch­tun­gen durch einen wis­sen­schaft­li­chen Arti­kel des tsche­chisch-ame­ri­ka­ni­schen Astro­no­men und Kome­ten­ex­per­ten Zde­nek Seka­ni­na vom Jet Pro­pul­si­on Labo­ra­to­ry der NASA. Der Astro­nom sag­te ein bal­di­ges Aus­ein­an­der­bre­chen des Kome­ten voraus.

Tsuchinshan-ATLAS
C/2023 A3 (Tsuch­inshan-ATLAS) am 10. Juni 2024 – C mes­sier, CC BY-SA 4.0, via Wiki­me­dia Commons

Der­zeit befin­det sich der Komet jedoch noch in einem sehr guten Zustand: Von einem Zer­bre­chen kei­ne Spur. Die Dis­kre­pan­zen in der Hel­lig­keits­ent­wick­lung wur­den schließ­lich durch einen geo­me­tri­schen Bahn­ef­fekt erklärt. Die­ser Pha­sen­win­kel hat einen gro­ßen Ein­fluss auf die Hel­lig­keit des Kome­ten, was der Autor nicht berück­sich­tigt hat­te. Denn Mit­te April befand sich der Komet in Oppo­si­ti­on zur Son­ne. Dadurch nahm die Reflek­ti­vi­tät der Kome­ten­ober­flä­che zu. Gleich­zei­tig befand sich der Schweif hin­ter dem Kome­ten­kopf, was sei­ne Hel­lig­keit eben­falls erhöh­te. Danach nahm der Pha­sen­win­kel zu und der Schweif befand sich nicht mehr hin­ter dem Kome­ten, wodurch der Hel­lig­keits­an­stieg ver­rin­gert wurde.

Sichtbarkeitsverlauf ab Oktober 2024

Tsuch­inshan-ATLAS taucht vom 27. Sep­tem­ber bis zum 2. Okto­ber wie­der an unse­rem Him­mel auf. In die­ser Zeit ist er dann bei guten Bedin­gun­gen früh­mor­gens im Osten kurz vor Son­nen­auf­gang zu sehen. Für Beob­ach­ter im Süden Deutsch­lands ist er etwas bes­ser zu erken­nen als im Nor­den. Durch die Vor­wärts­streu­ung an sei­nen Staub­teil­chen könn­te der Komet zu die­sem Zeit­punkt sogar 1 bis 3 Grö­ßen­klas­sen hel­ler sein als erwar­tet, so dass er zwi­schen 0 und ‑3 mag deut­lich bes­ser in der Mor­gen­däm­me­rung erkenn­bar wäre. Der Kome­ten­schweif steigt dann steil vom Hori­zont auf, falls die­ser lang und hell ist. Der Komet geht dann jeden Tag etwas spä­ter auf und ver­schwin­det schließ­lich in den hel­len Strah­len unse­res Zentralgestirns.

Bahn
Bahn­ver­lauf von Tsuch­inshan-ATLAS im inne­ren Sonnensystem

Die inter­es­san­tes­te Pha­se für die Beob­ach­tung des Schweif­sterns in unse­ren Brei­ten beginnt ab der zwei­ten Okto­ber­de­ka­de tief am abend­li­chen West­ho­ri­zont. Die Sicht­be­din­gun­gen wer­den dann von Tag zu Tag bes­ser. Aller­dings nimmt auch die Hel­lig­keit des Kome­ten von Tag zu Tag wei­ter ab. Die nächs­te güns­ti­ge Gele­gen­heit zur Beob­ach­tung von Tsuch­inshan-ATLAS bie­tet sich ab dem 12. Okto­ber tief am Abend­him­mel in der bür­ger­li­chen Däm­me­rung. Er ragt mit sei­nem Schweif steil vom Hori­zont auf und soll­te mit einer Hel­lig­keit von etwa 2 Grö­ßen­klas­sen (bei Vor­wärts­streu­ung sogar noch etwas hel­ler) zu sehen sein. Sein Unter­gang erfolgt an die­sem Tag um 19:45 Uhr, knapp 1 ½ Stun­den nach Son­nen­un­ter­gang. Hilf­reich für die Beob­ach­tung in der Däm­me­rung ist ein han­dels­üb­li­ches Fern­glas auf einem Sta­tiv oder ein klei­nes Tele­skop. Denn die immer vor­han­de­nen hori­zont­na­hen Dunst­schich­ten erschwe­ren die Beob­ach­tung von Objek­ten dicht über dem Hori­zont. Gleich­zei­tig erreicht der Schweif­stern sei­ne größ­te Erd­nä­he (Peri­gäum). Er ist dann 70,7 Mil­lio­nen Kilo­me­ter von unse­rem Hei­mat­pla­ne­ten entfernt.

Mag & Elong
Schein­ba­re Hel­lig­keit und Son­nen­ab­stand von Komet Tsuch­inshan-ATLAS im Sichtbarkeitszeitraum

Fünf Tage spä­ter hat Tsuch­inshan-ATLAS im Stern­bild Schlan­ge bereits einen Son­nen­ab­stand von 36° erreicht. Zum Ende der astro­no­mi­schen Däm­me­rung befin­det er sich etwa 12° hoch über dem Hori­zont. Wenn man dann von einer maxi­ma­len Hel­lig­keit von etwa 0 bis 1 mag aus­geht, wird der Komet zu die­sem Zeit­punkt, trotz des am Him­mel ste­hen­den Voll­mon­des, auch mit blo­ßem Auge sehr gut zu sehen sein. Sein Erschei­nen wird dann an den Kome­ten C/2020 F3 (NEOWISE) erin­nern. Die­ser Komet bot Mit­te Juli 2020 in der Abend­däm­me­rung für Beob­ach­ter auf der Nord­halb­ku­gel der Erde einen spek­ta­ku­lä­ren Anblick. Jeden Abend geht der Komet etwa 20 Minu­ten spä­ter unter. Mit den län­ger wer­den­den Näch­ten ver­grö­ßert sich das Sicht­bar­keits­fens­ter in den fol­gen­den Tagen deut­lich. Er steht dann schon bei Son­nen­un­ter­gang immer höher im Süd­wes­ten. Und auch der abneh­men­de Mond stört die Beob­ach­tung des Kome­ten nicht mehr. Sein etwa 20° lan­ger Schweif soll­te nun sehr gut sicht­bar sein.

Aufsuchkarte
Auf­such­kar­te für den Kome­ten Tsuch­inshan-ATLAS vom 12. Okto­ber bis 15. Dezem­ber 2024

In der Nacht vom 20. auf den 21. Okto­ber über­quert Tsuch­inshan-ATLAS die Gren­ze zum Stern­bild Schlan­gen­trä­ger. Die Hel­lig­keit ist zu die­sem Zeit­punkt auf etwa 3 bis 4 mag gesun­ken. Am Ende der astro­no­mi­schen Däm­me­rung steht er gut 19° hoch im Wes­ten. In der Nacht vom 28. auf den 29. Okto­ber zieht er zwi­schen Beta und Gam­ma Ophiuchi hin­durch. Gleich­zei­tig steht er etwa 2° unter­halb des hel­len, offe­nen Stern­hau­fens IC 4665. Sei­ne Hel­lig­keit soll­te dann zwi­schen 5 und 6 Magni­tu­den betra­gen. In den fol­gen­den Tagen, wenn der Mond nicht mehr stört und der Him­mel wie­der dun­kel ist, unter­schrei­tet der Komet die Sicht­bar­keits­gren­ze für das blo­ße Auge.

Höhe & Azimut
Höhe und Azi­mut von Komet Tsusch­inshan-ATLAS um 19 Uhr Ortszeit

Ab Novem­ber bewegt sich der Schweif­stern immer lang­sa­mer in öst­li­cher Rich­tung über den Him­mel. Er steht gegen Ende der astro­no­mi­schen Däm­me­rung, mit einer schein­ba­ren Hel­lig­keit zwi­schen 8. und 9. Grö­ßen­klas­se, gut 30° hoch über dem west­li­chen Hori­zont. Er zieht ab dem 8. Novem­ber süd­lich an den hel­len Stern­hau­fen NGC 6633 und IC 4756 vor­bei. In die­ser Zeit macht sich auch der zuneh­men­de Mond immer stö­ren­der am Him­mel bemerk­bar. Am 11. Novem­ber über­quert der nun 7 mag hel­le Komet erneut die Gren­ze zum Stern­bild Schlan­ge. Schließ­lich nimmt ab der Monats­mit­te die Hori­zont­hö­he ste­tig wei­ter ab, da sich sei­ne Elon­ga­ti­on zur Son­ne wei­ter ver­rin­gert. Ab dem 20. Novem­ber stört auch der Mond die Beob­ach­tung nicht mehr. Am 25. Novem­ber über­schrei­tet der Komet die Gren­ze zum Stern­bild Adler. Zum Monats­wech­sel wan­dert er zwi­schen den bei­den offe­nen Stern­hau­fen NGC 6755 und NGC 6755 hin­durch. Sei­ne schein­ba­re Hel­lig­keit sinkt schließ­lich in der ers­ten Dezem­ber­de­ka­de unter die 10. Grö­ßen­klas­se, mit täg­lich wei­ter abneh­men­den Horizontabstand.

Komet Tsuchinshan-ATLAS Infoblatt

Pas­send zu die­sem Arti­kel gibt es ein 26 Sei­ten star­kes Info­blatt zur Sicht­bar­keit. Es beinhal­tet Infor­ma­tio­nen, Eph­eme­ri­den und Auf­such­kar­ten als PDF-Datei zum kos­ten­lo­sen Download: 

Komet C/2023 A3 (Tsuch­inshan-ATLAS) – Info­blatt (1,6 MiB, 1.219 hits)

Bahnelemente

Bahn­ele­men­te Komet C/2023 A3 (Tsuch­inshan-ATLAS)
Peri­hel­da­tum T2024 Sept. 27.7409
Peri­hel­ab­stand q0.391411
Exzen­tri­zi­tät e1.000091
Argu­ment des Peri­hels ω308.4937
Län­ge des auf­stei­gen­den Kno­tens Ω21.5594
Inkli­na­ti­on i139.1105
Hel­lig­keits­pa­ra­me­ter m18.0 + 5 log d + 8.0 log r

Aktuelle Lichtkurve

Quellen und weiterführende Links:

Komet C/2023 A3 (Tsuch­inshan-ATLAS) in der Wiki­pe­dia | astro.vanbuiten.nl – C/2023 A3 (Tsuch­inshan-ATLAS) Info | Sky & Telescope – Is Comet Tsuch­inshan-ATLAS fal­ling apart? | BBC SkyAt­Night – Comet C/2023 A3 (Tsuch­inshan-ATLAS) is due to reap­pear in our ski­es over the coming weeks | Uni­ver­se Today – Comet Tsuch­inshan-ATLAS Set to Per­form This Fall | Star Walk – Komet C/2023 A3 (Tsuch­inshan-ATLAS) | ARD-Alpha – Im Okto­ber womög­lich ein beson­ders hel­ler Komet | Astro­no­mi­sche Beob­ach­tungs­tipps – Tsuch­inshan-ATLAS (C/2023 A3) | Frank­fur­ter Rund­schau – Beob­ach­ter hat gute Nach­rich­ten zu Komet C/2023 A3 | Scinexx.de – Hel­ler Komet im Mor­gen­grau­en sichtbar

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Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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