Die Beobachtung des Sternenhimmels an dunklen Standorten, fern jeder Lichtverschmutzung, ist immer etwas ganz besonderes und für den Stadtmensch, ein unbeschreibliches Erlebnis. Einen natürlich dunklen Himmel zu erleben ist in Mitteleuropa und in anderen dicht besiedelten Gebieten auf der Welt kaum noch möglich. Eine Ausnahme sind ausgewiesenen Sternenparks, wo darauf geachtet wird, dass so wenig Licht wie möglich in Richtung Himmel emittiert wird.
Mit einer Einwohnerzahl von 2,3 Millionen und einer Fläche von 824.116 km² gehört Namibia, im Süden Afrikas, zu den am dünnsten besiedelten Flecken der Erde. Aber natürlich gibt es auch dort etwas dichter besiedelte Gebiete mit Lichtverschmutzung. So ist eine Beobachtung des Sternenhimmels aus dem Stadtgebiet von Windhoek aus kaum möglich. Auch die größeren Städte an der Atlantikküste gehen mit Licht relativ sorglos um. Das beste Beispiel ist Swakopmund, dessen Straßen in der Nacht mit hellen Laternen gesäumt sind. So ist auch die Beobachtung und die Fotografie des Sternhimmels dort recht schwierig und eher nicht zu empfehlen – abgesehen vom Nebel, der in den Abendstunden vom Meer kommend, die Küstengebiete heimsucht.
Auf der Astrofarm Tivoli hat man diese Probleme natürlich nicht, obwohl es auch dort einige Sternfreunde gibt, die besseren Wissens mit Weißlicht recht unbedarft hantieren. Eine kleine Lichterglocke erkennt man nur in Richtung Nordwesten, wo sich die 160 km entfernte Hauptstadt Windhoek befindet. Ansonsten sieht man ab und zu mal einzelne kleinere entfernte Lichtkegel durch die Nacht zucken zum Zwecke der Jagd auf Springböcke. Vor schlechtem Wetter ist man aber auch auf einer Astrofarm nicht gefeit. So konnte eine Gruppe von Sternenfreunden, die zur Neumondphase im April 2018 die Gästefarm besuchten, keine einzige Nacht nutzen, weil jede Nacht wolkenverhangen war oder es sogar regnete. Auch wir hatten bei unserem diesjährigen Aufenthalt vor allem in der 1. Nacht einige durchziehende Wolkenfelder, die sich aber nach rund einer Stunde schnell verzogen haben. Und am letzten Abend konnten wir aufgrund des fast vollständig bedeckten Himmels, erst nach 22 Uhr beobachten. Die troposphärischen Wolken, die in jenen Nächten die Beobachtung stören, sehen für mitteleuropäische Sternfreunde etwas anders aus als gewohnt. Denn aufgrund der fehlenden Lichtverschmutzung, erscheinen die Wolken wie dunkle Vorhänge vor dem Himmelshintergrund. Es schaut fast so aus, als ob an der Stelle des Himmels keinerlei Sterne vorhanden sind. Unter Umständen können diese Wolken mit Dunkelwolken der Milchstraße verwechselt werden, da diese annähernd die gleiche Opazität besitzen. Diesen Umstand fand nicht nur ich überaus erstaunlich.
Aufgrund der steilen Ekliptiklage am südlichen Wendekreis des Steinbocks (-23,5° südliche Breite), ist in einer klaren und dunklen Nacht das Zodiakallicht sichtbar, das von Mitteleuropa aus nur bei sehr guten Bedingungen überhaupt wahrgenommen werden kann. In der 1. Nachthälfte sticht im Mai vor allem das Abendzodikallicht ins Auge, das ungefähr die Helligkeit der Wintermilchstraße besitzt. Im Vergleich zum Morgenzodikallicht ist es deutlich schwächer im Mai ausgeprägt. Aufmerksame Beobachter bemerken, dass sich gegen 3 Uhr morgens zuerst ein schwächerer Schein in Richtung Osten bemerkbar macht, der schnell an Helligkeit gewinnt, und kurz nach 4 Uhr sich zu einem breiten und spitzen Kegel ausbaut. Dieser reichte fast bis zum Zenit. Neben dem Zodiakallicht, kann bei genauerem Hinsehen auch die Zodikalichtbrücke durch den Zenit hindurch verfolgt werden. Diese reicht fast bis zum Band der Milchstraße bzw. verschmilzt mit diesem. Auch der Gegenschein ist bei den guten Bedingungen auf Tivoli überraschend einfach zu erkennen. Das Phänomen entsteht übrigens durch Streuung und Reflexion von Sonnenlicht an Staubteilchen entlang der Ebene unseres Sonnensystems. Das Zodiakallicht ist in Namibia so dermaßen hell, dass es sogar die Beobachtung lichtschwächerer Deep-Sky-Objekte in der Ekliptikregion beeinträchtigt.
Aufgrund der steilen Ekliptik – die auch der Grund dafür ist, dass die Morgen- und Abenddämmerung nur eine Dreiviertelstunde dauert – war während unseres Aufenthalt im Mitte Mai 2018 auch Merkur sichtbar, der innerste Planet unseres Sonnensystems. Von mitteleuropäischen Breiten ist dieser nur sehr selten kurz nach Sonnenuntergang bzw. vor Sonnenaufgang zu erkennen. Die beste Zeit bei uns sind die Frühlingsmonate am Abendhimmel, sowie die Herbstmonate am Morgenhimmel, wenn bei uns die scheinbare Bahn der Sonne steil über den Horizont ragt. Neben dem flinken Planeten Merkur, konnten wir auch die Planeten Venus, Mars, Jupiter und Saturn beobachten. Leider hatten wir bei unserem Aufenthalt auf der Astrofarm nur in einer Nacht wirklich gutes Seeing, als wir zahlreiche Bänder und Flecken in der Jupiteratmosphäre entdecken konnten. Unser Roter Nachbar Mars, rund zwei Monate vor seiner Perihel-Opposition, war dagegen eine regelrechte Enttäuschung. Selbst bei seinem hohen Stand in der 2. Nachthälfte, konnten nur andeutungsweise dunkle Albedostrukturen beobachtet werden waren. Da war mir der Anblick des Mars in seiner Jahrtausend Opposition 2003 deutlich besser in Erinnerung geblieben. Im Gegensatz zu seiner tiefen Stellung in Mitteleuropa, steht auch der Planet Saturn gegen Mitternacht nahe des Zenits. Der Anblick des Ringplaneten war vor allem im 15 Zoll Dobson faszinierend und erinnerte an ein gutes Foto.
Ein weiterer Störfaktor, vor allem bei Himmelsaufnahmen, ist das Nachthimmelleuchten (Airglow), dass sich vom Horizont ausgehend bis in eine Höhe von ca. 20 Grad erstreckte. Diese orangen bzw. grünen Vorhänge, die durch die Rekombination der Luftmolekülen mit Elektronen in der Ionosphäre entstehen, sind schwer aus astronomischen Aufnahmen zu entfernen. Dieses Airglow war fast in allen Nächten mehr oder weniger stark ausgeprägt. Gleichzeitig ist es auch ein Zeichen für besonders dunklen Himmel. Denn in Mitteleuropa wird es oft von den Lichterglocken der Städte überstrahlt. Nur zweimal kann ich mich an Nächten mit ausgeprägtem Nachthimmelleuchten in Mitteleuropa erinnern. Vor allem die Nacht vor der Jupiterbedeckung durch den Mond, im Juli 2012 in Südbrandenburg, war geprägt von intensiven Airglow.
Tivoli befindet sich knapp 12.000 km entfernt auf der Südhalbkugel der Erde. Trotzdem können rund 70% der nördlichen Sternbilder von Namibia aus gesehen werden. Im Mai steht kurz nach Dämmerungsende der Große Wagen dicht über dem Nordhorizont auf dem Kopf. Und obwohl die geringe Höhe über dem Horizont nicht für eine Sichtung der beiden hellen Galaxien M 81 & M 82 reicht, steht zumindest die Whirlpoolgalaxie M 51 noch genügend hoch über dem Horizont. Mir wird der Anblick der Galaxie im Binodobson wahrscheinlich für immer in Erinnerung bleiben. Ihre Spiralarme, so wie sie auf Fotografien erscheinen, springen einem förmlich an. Natürlich sind auch die ganzen Galaxienfelder des Frühlingshimmel in den Sternbildern Löwe, Jungfrau und Haar der Berenike erreichbar.
In der 2. Nachthälfte steigt auch die nördliche Sommermilchstraße im Osten empor, so dass man hier auch mal einen Blick auf M 57 und M 27 werfen kann. Und selbst das Sommerdreieck steht hier vollständig über dem Nordosthorizont. Man sollte sich mal die Zeit nehmen, den schönsten Kugelsternhaufen des Nordhimmels M 13 im Sternbild Herkules mit Omega Centauri im Sternbild Zentaur zu vergleichen. M 13 kann bei dem Anblick dieser gigantischen Sternenkugel des Südhimmels regelrecht einstecken. Weitere Kugelsternhaufen stehen in den Sternbildern Schütze und Skorpion. Diese stehen in Mitteleuropa nur wenige Grad über dem Horizont und werden vom Horizontdunst dort mehr oder weniger getrübt. In Namibia befinden sich diese Objekte bei ihrer Kulmination nahe des Zenits und können somit ihre volle Pracht entfalten. Viele Kugelsternhaufen können vom Anblick her, es mit M 13 aufnehmen. Im April diesen Jahres beobachtete ich von meinem Heimatstandort aus einige Galaxien des Coma Galaxienhaufens im Sternbild Haar der Berenike. Der Anblick dieser 300 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxienansammlung im Binodobson, werde ich ebenfalls nicht mehr so schnell vergessen. Denn bei niedriger Vergrößerung waren gleich ein paar Dutzend Galaxien auf engstem Raum erkennbar.
Wenn man schon auf der Südhalbkugel der Erde ist, sollte man sich auch mal die Mühe machen, die südlichen Sternbilder kennenzulernen. Das Kreuz des Südens sollte jedem sofort in Auge springen. Persönlich tat ich mich aber schwer, die Form der Sternbilder Schiff, Wolf und Zentaur am Himmel nachzuvollziehen. Denn diese Himmelsregion enthält viel zu viel helle Sterne. zum Vergleich waren die unscheinbareren Sternbilder in ihrer Form deutlich besser zu erkennen. Man sollte auch keine Angst haben, dass man den südliche Himmelspol nicht findet. Eine gute Sternenkarte, die man vorher zu hause ausgedruckt hat, ist überaus hilfreich. Ich hatte schon bei meinem 1. Aufenthalt auf Tivoli im jar 2014 keinerlei Probleme, die Astrotrac einzusüden. Nach ein paar Nächten ging das innerhalb weniger Minuten recht einfach von der Hand. Entscheidend für das Erkennen der Himmelpolregion im Sternbild Oktant, mit dem nur 5 mag helle Stern Sigma Octantis (der südliche Polarstern), ist die Durchsicht. In den meisten Nächten ist diese allerdings so gut, dass man nach kurzem Suchen den südlichen Himmelspol schnell findet.
Der Anblick der Milchstraße auf dem Land, fasziniert Jeden in den warmen Sommernächten. Wenn man das helle Zentrum der Milchstraße an dunklen Standorten mal im Zenit gesehen hat, findet man den Anblick des nördlichen Teils unserer Heimatgalaxie eher langweilig. Denn unzählige Dunkelwolken, die alle deutlich mit bloßem Auge zu erkennen sind, säumen die so genannte Bulge, den zentralen Teil unserer Milchstraße. Links und rechts setzen sich hellere Sternenwolken ab, die ebenfalls von lang gezogenen Dunkelwolken unterbrochen werden. Und auch der Teil der Milchstraße in den Sternbildern Segel, Schiffskiel und Achterdeck, braucht sich nicht zu verstecken. Dort gibt es ebenfalls unzählige helle Sternhaufen, die zum Beobachten einladen.
Ein weiteres außergewöhnliches Erlebnis während unseres Tivoliaufenthalts war die Sternschnuppennacht vom 13. auf den 14. Mai. Während der Beobachtung konnten wir aberwitzig viele helle Meteore sichten, die alle wie ein Ei dem anderen glichen. Die Meteoroide leuchteten für 2 Sekunden auf und verglühten in einer kurzen Leuchtspur am Himmel, mit hellem sternförmigen und nahezu kreisrundem Kopf. Von der Geschwindigkeit her waren die Meteore eher mittelschnell. Auch zwei Boliden konnte wir sichten. Bei dem einen in Richtung Nordosten, der sogar eine kurze Nachleuchtspur zeigte, schätzte ich die Helligkeit auf gut ‑6 mag.
Leider vergingen die 5 Nächte auf Tivoli mal wieder rasend schnell. Und trotz der zu Beginn fehlenden Ausrüstung, konnte ich wieder viele Fotoeindrücke von meiner Reise mitbringen. Und es war sicherlich nicht unser letzter Aufenthalt unter dem südlichen Sternenhimmel…