Wenn man sich schon mal auf dem Wendekreis des Steinbocks aufhält, weitab der Zivilisation, muss man unbedingt mal einen Sonnenuntergang intensiv erlebt haben. Das plötzliche Hereinbrechen der Nacht, gepaart mit den Dämmerungsfarben des Abendhimmels, ist ein ganz besonderes Erlebnis für den Namibiaurlauber und gestressten Stadtbewohner. Auch bei unserem diesjährigen Aufenthalt auf der Astrofarm Tivoli, hatten wir den Sundowner gebucht. Der Ort befindet sich knapp 20 Autominuten südlich der Astrofarm, direkt am Rand der Kalahari-Wüste.
Kurz nach dem Kaffee brachen wir auf und fuhren mit dem Jeep, mit dem wir schon am Vortag die Farmrundfahrt unternommen hatten, Richtung Dünenlandschaft. Im Gegensatz zum letzten Sundowner vor vier Jahren, hatten wir uns diesmal auch etwas wärmere Sachen eingepackt. Denn auf der Rückfahrt zur Farm, auf der Ladefläche des Geländewagens, würde es verdammt kalt werden. Wir genossen die Fahrt und konnten unterwegs sogar sogar noch einige Tiere beobachten, die unseren Weg kreuzten. Als wir auf der Düne ankamen, machten wir uns sogleich auf den mitgebrachten Campingstühlen bequem, direkt neben einem großen Akazienbaum mit einem riesigen Webervogelnest in dessen Krone. von uns mitgebrachte Fingerfoods und geistreiche Getränke komplettierten die Szenerie.
Die Sonne näherte sich immer mehr dem Horizont und nach und nach wurde die Dünenlandschaft in ein tiefrotes Licht getaucht. Einzelne Sonnenstrahlen schienen durch die Wolkenlücken am Horizont hindurch und verursachten ein hübsches Licht- und Schattenspiel. Nur wenige Minuten später berührte die Sonne fast den Horizont und ging danach sehr schnell unter. Der westliche Abendhimmel wurde in den schönsten Farben getaucht. Wir sahen verschiedene Rot‑, Gelb- und Blautöne. In Richtung Osten stieg der Erdschatten langsam empor. Schon kurz nach Sonnenuntergang konnten wir die hellen Planeten Venus und Jupiter entdecken. Und am Himmel tauchten schon die hellsten Sterne und Sternbilder auf. Irgendwann rief Jemand, dass auch die dünne Mondsichel zu erkennen sei. Die Sichel des nur 2% beleuchteten Mondes war zunächst kaum auszumachen. Ich brauchte tatsächlich mehrere Anläufe, bis auch ich sie im Fernglas finden konnte. Um den aufsteigenden Erdschatten besser zu sehen, stiegen wir auf den Dünnenkamm und konnten in Richtung Norden eine dichtere Wolkenfront mit Regenvorhängen beobachten – Ein recht ungewohnter Anblick zu dieser Jahreszeit…
Die Abenddämmerung schritt immer weiter voran, so dass wir bereits das Kreuz des Südens, den Orion auf der Seite liegend sowie einige Sterne im Sternbild Kentaur und Schiffskiel über uns entdecken konnten. Leider bemerke ich erst jetzt, dass ich mein Stativ vergessen hatte, so dass ich auf länger belichtete Fotos verzichten. musste. Wenigstens gelangen mir einige Aufnahmen der dünnen Mondsichel mit Teleobjektiv. Als die Dunkelheit die Szenerie immer weiter übernahm, rief Reinhold schon zum Aufbruch auf. Denn auf der Astrofarm wartete noch unser Abendessen auf uns. Die anderen Sternfreunde, die auf der Farm geblieben waren, saßen zu dieser Zeit sicher schon am Tisch oder waren schon kurz auf dem Weg in ihre Sternwarten. Ich war schließlich der letzte Teilnehmer, der die Düne verließ und auf die Ladefläche des Geländewagens kletterte. Zurück ging es durch die pechschwarze Nacht. Trotz der Scheinwerfer, konnten wir nur einige Meter weit sehen. Direkt über uns spannte sich das beeindruckende südliche Milchstraßenband. Den Fahrtwind empfand ich als unangenehm, obgleich die Temperaturen deutlich angenehmer waren, als noch vor vier Jahren.
Als wir am Eingangstor der Astrofarm ankamen, begrüßte uns eine Angestellte. Diese berichtete von einem ernsteren Vorfall. Bis dahin ahnten wir noch nicht, um was es sich genau handeln sollte. Wir saßen in der Lapa am Tisch und warteten ungewöhnlich lange auf unser Essen. Auch Reinhold und Kirsten ließen sich nicht blicken. Plötzlich hörten wir einen lauten Knall: Ein Schuss! Mario stieß einige Minuten später zu uns und berichtete, dass sie den Springbock, den wir gestern auf unserer Farmrundfahrt kennenlernen durften, erschießen mussten. Boki hatte während unserem Sundowner die anderen Sternfreunde auf dem Beobachtungsplatz besucht und trieb manchen Hobbyastronomen sogar in die Flucht. Bea berichtete uns, dass das Tier versucht hätte, sie mit den Hörnern zu stoßen, so dass sie auf ihren Beobachtungstisch flüchten musste. Und auch Speedy konnte seinen Heil nur durch Flucht in seine Sternwarte finden. Nachdem Reinhold mehrmals versucht hatte, den Springbock einzufangen und in ein nahe gelegenes Gatter zu sperren, zog Kirsten schließlich die Reißleine. Die Sicherheit der Gäste musste Vorrang haben und so entschloss man sich, das Tier zu erschießen. Reinhold holte seien Kleinkalibergewehr aus dem Haus und legte an: Er erschoss Boki vor den Augen der Sternfreunde.
Die Wolken, die wir schon während des Sundowners gesehen hatten, waren ein schlechtes Zeichen. Denn nach dem Abendessen zeigte sich der Himmel komplett zugezogen. Das bedeutet für alle Sternfreunde eine Zwangspause von der Beobachtung. So schloss man sich in kleineren Grüppchen zusammen um zu fachsimpeln. Ich machte es mir vor unserem Bungalow mit Feldstecher, Gartenstuhl und einem kühlen Getränk bequem und beobachtet die Sterne durch die immer größer werdenden Wolkenlücken. Später verzogen sich die Wolken komplett, so dass wir in dieser letzten Nacht auf Tivoli doch noch den südlichen Sternhimmel beobachten konnten.