Dank des guten Wetters konnte Montag früh vielerorts in Deutschland die totale Mondfinsternis in ihrer gesamten Länge verfolgt werden. Gleichzeitig stand unserer Erdtrabant auch in Erdnähe (Perigäum), so dass der Vollmond vor der Finsternis besonders groß und hell erschien. Christoph, von den Kirchhainer Sternfreunden, und ich hatten uns bei mir zu Hause in Lübben gegen 1:30 Uhr verabredet. Als ich ihn am Tor begrüßte, stand der Vollmond schon sehr hoch am Himmel und überstrahlte mit seinem Licht die Umgebung. Man hätte in seinem Schein fast eine Zeitung lesen können. Meine Ausrüstung hatte ich schon größtenteils schon im Auto verstaut und so fuhren wir nach einem kleinen Plausch nach Treppendorf. Ich hatte meine 10x70 Fujinon Fernglas sowie das 70 mm Lidlscope eingepackt. Christoph hatte seinen 150 mm Newton auf parallaktischer Montierung mit dabei.
Das Ziel unseres nächtlichen Ausflugs war, Aufnahmen des verfinsternden Mondes zu gewinnen und die Stimmung am Ort einzufangen. Weil Christoph seinen EOS-Adapter vor kurzem an jemand Anderen verliehen hatte, lieh ich ihm einfach meinen, weil ich sowieso den Mond nur durch ein 70–300mm Tamron-Tele aufnehmen wollte. Um die Stimmung einzufangen, hatte ich neben der Canon EOS 600D auch meine EOS 100D mit einem lichtstarken Weitwinkelzoom im Gepäck. Warm hielten wir uns mit heißem Kaffee. Als Stärkung gab es Kekse, um während der langen Beobachtung konzentriert zu bleiben. Hin und wieder hörten wir Schwärme von Wildgänse über uns und in der Nähe vorüberziehen. Außerdem hallten Schüsse durch die Nacht, die aber während der kommenden Totalität langsam verstummen sollten.
Nach dem Aufbau der Ausrüstung bemerkte ich, dass ich meinen Zenitspiegel zu Hause vergessen hatte. Glücklicherweise konnte mich Christoph mit einem Amici-Prisma aushelfen. Der Vorteil war, den Mond nun aufrecht und seitenrichtig zu sehen. Schon bald erkannten wir mit bloßem Auge, dass sich der Mond am oberen östlichen Viertel schon leicht verdunkelte. Der Eintritt in den Kernschatten der Erde hatte eingesetzt. Schon bald machte sich Tau an den optischen Flächen bemerkbar, so dass ich gezwungen war, meine Heizmanschette auszupacken und diese an das Objektiv zu befestigen. Die anderen optischen Flächen mussten regelmäßig mit dem Fön bearbeitet werden. Ich vergaß aber nicht, alle paar Minuten auf den Auslöser zu drücken. Im Fernglas sah der Mond wunderschön plastisch aus. Im Teleskop war dieser schon fast zu hell und ich bedauerte, meinen Graufilter nicht eingepackt zu haben. Nach und nach trat unser Erdtrabant weiter in den Kernschatten ein, dessen Rand im Teleskop ungewohnt scharf begrenzt erschien. Auffällig war auch, dass sich der Himmel immer mehr verdunkelte und deutlich mehr Sterne als zuvor zu sehen waren.
Die Situation, während der vollständigen Totalität, empfand ich als surreal: Eine dunkelrote, schwach leuchtende Mondscheibe stand hoch im Südwesten, umgeben von schwächeren Sternen der Sternbilder Fische und Walfisch. Kaum zu glauben, dass noch nicht einmal vor einer Stunde der Himmel noch hell erschien, dass wir keine Taschenlampe brauchten und wir die Umgebung unseres Beobachtungsortes in allen Details wahrnehmen konnten. Und jetzt stand das Sommerdreieck mit der Milchstraße tief im Westen und die Wintermilchstraße überdeutlich im östlichen Quadranten des Himmels. Die Durchsicht war schlicht atemberaubend. Das Sternbild Orion war mit zahlreichen Sternen überfüllt, ähnlich wie in einer dunklen und kalten Winternacht. Man konnte sich während der Totalität in aller Ruhe der Deep-Sky-Beobachtungen widmen. Der Andromedanebel war als 3 Grad großes Wölkchen in Zenitnähe leicht mit bloßem Auge sichtbar und im 10x70 Fujinon Fernglas eine Augenweide. Etwas darunter war die Dreiecksgalaxie leicht zu erkennen. Auch der Orionnebel, in Richtung Osten, sah im Fernglas überaus beeindruckend aus.
Kaum zu glauben, dass bei Vollmond solche Beobachtungen möglich sind – natürlich nur wenn zeitgleich eine totale Mondfinsternis stattfindet. Sterne bis zur 6. Größenklassen waren mit bloßem Auge erkennbar. Und in der südwestlichen Himmelsgegend, stand die rotbraun verdunkelte Mondscheibe schon etwas bedrohlich am Himmel. Der kupferfarbene Mond schälte sich im Fernglas nahezu plastisch aus der pechschwarzen Umgebung heraus. An der Grenze zum Halbschatten erschien der Mond in einem seltsamen silberblauen Licht getaucht. Um die Mondscheibe verteilt waren zahlreiche schwächere Sterne erkennbar, so dass innerhalb von einer Viertelstunde die Wanderung des Mondes gegenüber dem Sternenhintergrund schon auffällig war. Weil meine letzte vollständig beobachtet totale Mondfinsternis schon mehr als ein Jahrzehnt zurück lag, empfand ich das Erlebnis ähnlich beeindruckend wie bei der totalen Sonnenfinsternis im August 1999. Aber sind totale Mondfinsternisse in der Regel tatsächlich so dunkel? Die letzte Finsternis war mir deutlich heller in Erinnerung geblieben. Leider war eine Beobachtung des verfinsterten Mondes mit dem Refraktor nicht mehr möglich, da mein Sucher komplett zugetaut war und ich den Mond dadurch nicht erkennen konnte. Auch mein Fön half hier nicht weiter. Der nahezu aussichtslose Kampf gegen den Tau trübte deshalb auch ein wenig die Beobachtung dieses seltenen Naturschauspiels.
Kurz nach dem Ende der Totalität, fing es im Osten schon wieder an zu dämmern. Die Venus stand als auffälliger Morgenstern über der nebelverhangenen Wiese. Unser Nachbarplanet Mars stand schon hoch über dem Horizont und leistete Regulus im Löwen Gesellschaft. Später gesellte sich noch der Planet Jupiter, der tief über dem Horizont zu erkennen war, zur Planetenparade am östlichen Himmel hinzu. Nach und nach verließ der Mond den Kernschatten der Erde und die helle Morgendämmerung brach herein.
Kurz vor 6:30 Uhr, als der Mond nun fast vollständig den Kernschatten der Erde verlassen hatte, verstaute Christoph seine Ausrüstung wieder in seinem Auto und verabschiedete sich von mir, weil er gegen Mittag noch arbeiten musste. Auch ich verstaute das Teleskop und das Fernglas, ließ mir allerdings noch etwas mehr Zeit, um die Morgendämmerung zu genießen. Bevor ich aufbrach, nahm ich noch einige Fotos des untergehenden Vollmondes auf, der nun wieder in seiner gesamten Pracht am Himmel stand.
Wieder schön geschrieben!
Hallo Andreas, toller Beitrag.
Ich bin auch ständig mit dem Fernglas und meinen Augen am Himmel, mich fasziniert diese Welt. Da ich schon so viele Ferngläser habe wollte ich meine Erfahrungen weiter geben. Zum Sterne beobachten nutze ich immer das Celestron SkyMaster 20x80.