Mit der Wiederkehr des kurzperiodischen Kometen 103P/Hartley im Oktober und November 2010 steht das nächste astronomische Highlight in diesem Jahr an: Es wird erwartet, dass der Komet durch seine Erd- und Sonnennähe im Oktober 2010 die 5. Größenklasse erreichen und unter einem dunklen Himmel und abseits von größeren Städten vielleicht sogar mit bloßem Auge sichtbar werden wird – und das unter nahezu optimalen Bedingungen für Beobachter auf der Nordhalbkugel! In dieser Zeit durchläuft der Komet mit hoher Geschwindigkeit inmitten der Wintermilchstraße die Sternbilder Fuhrmann, Zwillinge und Einhorn und wird von September bis in den November hinein fast die ganze Nacht hindurch hoch am Himmel stehen. Bei nicht ganz so guten Beobachtungsbedingungen wird der Komet auf jeden Fall ein schönes Objekt für den Feldstecher oder ein kleines Fernrohr.
Entdeckung und Bahnverlauf
103P/Hartley wurde am 15. März 1986 von Malcom Hartley mit dem UK Schmidt Teleskop am Siding-Spring-Observatorium in Australien entdeckt. Der Komet zeigte sich als extrem schwaches Objekt der 17. bis 18. Größenklasse und mit einem schwachen Schweifansatz. Nachfolgende Beobachtungen vom 17. und 20. März bestätigten anschließend die kometare Natur des Objekts. Da es Hartleys zweite Alleinentdeckung war, wird der Komet im Allgemeinen auch als Hartley 2 bezeichnet.
Eine erste sehr unsichere parabolische Bahn mit hoher Neigung und geringer Periheldistanz wurde dann anhand von nur drei Positionsmessungen von D. W. E. Green vom Central Bureau for Astronomical Telegrams (CBAT) berechnet und die Entdeckungsmeldung nachfolgend am 24. März 1986 mit den vorläufigen Bahnelementen durch das CBAT veröffentlicht. Allerdings passte hier auch ein kurzperiodischer Orbit mit einer weitaus geringeren Bahnneigung, was von B. G. Marsden vom Minor Planet Center (MPC) auch bestätigt wurde. Demnach erreichte der Komet bereits am 5. Juni 1985 – gut 9 Monate vor seiner Entdeckung – sein Perihel, in einer Entfernung von 0,961 AE oder 143,8 Mio. Kilometer zur Sonne.
Da der Komet nach diesem Bahnverlauf eine Umlaufzeit von 6,27 besaß und vorher noch nicht beobachtete werden konnte vermutete Marsden außerdem, dass der Orbit des Kometen im Jahr 1982 durch eine dichte Annäherung an den Planeten Jupiter verändert wurde.
Seit 1986 kehrte der Komet 3 Mal wieder und konnte in den Jahren 1991 und besonders im Zeitraum 1997/1998 auch von Amateurastronomen unter günstigen Bedingungen beobachtet und fotografiert werden. Beide Male erreichte der Komet eine respektable Helligkeit von rund 8 Größenklassen. Im Jahr 2004 waren die Bedingungen weitaus ungünstiger, weil sich der Komet stets in der Nähe der Sonne aufhielt und erst lange nach seiner Perihelpassage beobachtet werden konnte.
Aktuell besitzt der Komet eine Umlaufzeit von 6,46 Jahren, eine Exzentrizität von 0,695 und eine Bahnneigung von 13,6 Grad zur Ekliptik und erreicht bei seiner diesjährigen Wiederkehr am 28. Oktober 2010 mit 1,06 AE oder 158,6 Mio. Kilometer sein Perihel. Bereits 8 Tage vorher wird Hartley 2 die Erde in einer sehr geringen Entfernung von nur 0,121 AE oder knapp 18 Mio. Kilometer passieren und wahrscheinlich eine Helligkeit von 5 Magnituden erreichen. Somit ist die diesjährige Wiederkehr von Hartley 2 die Beste seit seiner Entdeckung im Jahre 1986!
Sichtbarkeit
Die Sichtbarkeitsperiode von 103P/Hartley beginnt schon gut 2 Monate vor dem Perihel. Im August steht der Komet kurz nach dem Ende der astronomischen Dämmerung am Osthimmel und im nordwestlichen Bereich des Sternbilds Pegasus. Er wandert nun schnell heller werdend weiter in Richtung Nordosten und passiert ab Mitte August Eta Pegasi in einem Abstand von knapp einem Grad. Zu diesem Zeitpunkt sollte er laut seiner ursprünglichen Helligkeitsprognose mit 10,5 mag schon für kleinere Teleskope und Großfeldstecher erreichbar sein. Zwischen dem 8. und 20. August wird auch der Mond die Beobachtung nicht mehr stören. Am 25. und 26. August läuft Hartley 2 nur 1,5 Grad südlich an der hellen Galaxie NGC 7331 vorbei. Am 26. August tritt der Schweifstern ins Sternbild Eidechse, wird nach dem 2. September bis zum letzten Oktoberdrittel zirkumpolar und erreicht am 6. September das Sternbild Andromeda. Mit 8 Magnituden Helligkeit ist der Komet nun sehr leicht in einem normalen Fernglas sichtbar.
Nun beginnt ein weiteres günstiges Beobachtungsfenster ohne störendes Mondlicht, welches noch bis zum 18. September anhält. Zwischen dem 9. und 10. September passiert der Schweifstern einige Bogensekunden südlich den Stern Omikron Andromedae und am 20. September den offenen Sternhaufen NGC 7686. Nur zwei Tage später wechselt der nun wahrscheinlich 7 mag helle Komet in das Sternbild Kassiopeia. Hartley 2 kulminiert in dieser Zeit zenitnah gegen 1 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit und ist deshalb optimal platziert die ganze Nacht über sichtbar. Ende September wird schließlich erwartet, dass der Komet die 6. Größenklasse überschreitet.
Am 1. Oktober finden wir den Kometen einige Grad südlich von Alpha Cassiopeiae, bis er am 6. Oktober ins Sternbild Perseus übertritt. Schließlich können wir in der mondscheinlosen Zeit zwischen dem 4. und 17. Oktober versuchen, den Kometen unter einem dunklen Landhimmel mit bloßem Auge zu erhaschen. Besonders die beiden Nächte zwischen dem 8. und 9. Oktober sind interessant, wenn der nun knapp 5 mag helle Schweifstern nur einige Bogenminuten südlich am berühmten Doppelsternhaufen h und Chi im Perseus (NGC 884 & NGC 869) vorbeiläuft.
Nach der Begegnung mit dem Doppelsternhaufen bewegt sich Hartley 2 mit immer größer werdender Geschwindigkeit in Richtung Süden – ein Anzeichen, dass seine Erdnähe kurz bevorsteht. Am 10. finden wir ihn dann in der Nähe von Eta Persei. Zwischen dem 14. und 16. Oktober begegnet er nacheinander die Offenen Sternhaufen NGC 1444, NGC 1528 und NGC 1545 im Perseus. Schließlich wechselt er in der Nacht vom 17. auf den 18. Oktober in das Sternbild Fuhrmann. Nur einen Tag später läuft der Komet nördlich am berühmten Veränderlichen Stern Epsilon Aurigae vorbei und befindet sich nur rund 3,5 Grad südwestlich von Kapella, dem Hauptstern des Fuhrmanns. Am 20. Oktober erreicht der Komet mit knapp 18 Millionen Kilometern seinen geringsten Abstand zur Erde und auch seine größte scheinbare Helligkeit. Zu diesem Zeitpunkt steht er immer noch sehr hoch am herbstlichen Nachthimmel und kulminiert gegen 3:30 Uhr in einer Höhe von rund 75 Grad. Am 23. Oktober finden wir ihn dann nördlich des hellen Sternhaufens Messier 37 im Fuhrmann. Ab 25. Oktober bewegt er sich weiter durch den westlichen Bereich des Sternbilds Zwillinge. Nur drei Tage später steht 103P/Hartley im Perihel und damit in Sonnennähe. Allerdings wird der abnehmende Mond in der letzten Oktoberwoche die Beobachtung nachhaltig stören.
Am 30. Oktober steht Hartley 2 knapp 1,5 Grad nordöstlich von Gamma Gemini entfernt und wechselt in der Nacht vom 1. auf den 2. November in das unscheinbare Sternbild Einhorn, mit einem kurzen Abstecher in den Kleinen Hund zwischen dem 4. und 9. November. Noch bis Mitte November kann der Komet ohne störendes Mondlicht als wahrscheinlich 5 bis 6 mag helles Objekt vor allem in der zweiten Nachthälfte gut beobachtet werden. Am 20. November können wir ihn dann südlich von Alpha Monocerotis auffinden. Nur zwei Tage später tritt er ins Sternbild Achterdeck über. Der Komet verlangsamt nun deutlich seine scheinbare Bewegung gegenüber den Sternen. Auch beträgt seine Kulminationshöhe in den frühen Morgenstunden nur noch 20 bis 25 Grad, so dass zumindest ein freier Blick in Richtung Süden erforderlich ist, um den Schweifstern in der mondscheinlosen Zeit von Anfang bis Mitte Dezember aufzufinden. Ab Mitte Dezember kehrt der nun wieder 8 mag helle Komet seine Bewegungsrichtung um, so dass seine Bahn am Himmel wieder in Richtung Norden verläuft. Zur Wintersonnenwende können wir ihn dann im nordöstlichen Bereich des Sternbilds Großer Hund und inmitten der Wintermilchstraße mit ihren vielen offenen Sternhaufen auffinden.
Falls der Komet seine Helligkeitsentwicklung beibehält, unterschreitet er Anfang Januar die 10. Größenklasse und verschwindet dann schnell schwächer werdend im Sternbild Einhorn – bis zu seiner erneuten Wiederkehr im Jahr 2017 – außer Sicht.
Meteorschauer und Raumsondenbesuch
Wenn wir Glück haben, können wir Anfang November 2010 eventuell zahlreiche Sternschnuppen im Sternbild Adler beobachten, wenn sich die Erde der Bahn und dem so genannten Dusttrail von 103P/Hartley annähert. Am 2. und 3. November wird unser Heimatplanet dann den absteigenden Knoten und danach den sonnennächsten Punkt der Kometenbahn passieren – nur 7 Tage nach Hartleys Perihelpassage. Es besteht die geringe Chance, dass die Erde eine mehr oder weniger dichte Teilchenwolke durchstößt, die der Komet erst vor kurzem hinterlassen hat. Allerdings wird der Abstand zur Bahn von Hartley 2 noch mehr als 10 Millionen Kilometer betragen, so dass das oben genannte Szenario wohl eher unwahrscheinlich erscheint. Wenn es wider erwarten doch zu einem Meteorschauer kommt, ist das Maximum irgendwann zwischen dem 2. und 17. November zu erwarten, mit einem Ausstrahlungspunkt (Radiant) der Meteore nahe oder nördlich von Atair im Adler.
Dagegen soll die NASA Raumsonde Deep Impact am 4. November – die im Juli 2005 mittels eines Projektils einen künstlichen Einschlag auf dem Kometen Tempel 1 erzeugt hatte und nun im Rahmen der EPOXI-Mission zu 103P/Hartley unterwegs ist – sich dem Schweifstern bis auf 700 Kilometern nähern und ihn wissenschaftlich untersuchen. Zu diesem Zweck flog die Sonde am 27. Juni 2010 an der Erde vorbei um Kurs auf den Kometen zu nehmen. Während des Vorbeiflugs soll die Sonde den Schweifstern mit drei Instrumenten beobachten. Zeitgleich steht Hartley 2 von der Erde aus noch gut sichtbar an der Grenze der Sternbilder Einhorn und Kleiner Hund. Nicht nur als Kometenbeobachter darf man sicherlich auf die ersten Bilder des nur 1,2 Kilometer großen Kometenkerns gespannt sein.
Aktuelle Beobachungen
Die Helligkeiten von Kometen sind nach wie vor nicht genau vorhersehbar. So zeigte der erst vor kurzem sichtbare Komet C/2009 R1 McNaught im Juni 2010 zwar fotografisch einen langen Schweif, im Fernglas und kleinen Teleskopen blieb er aber eher unspektakulär, was wahrscheinlich auch an seiner stets geringen Horizonthöhe und an den „weißen Nächten“ um die Sommersonnenwende lag. Kurz vor Erreichen seines Perihels stagnierte die Helligkeit für mehrere Tage sogar und blieb auch in den letzten Tagen seiner Sichtbarkeit mit rund 5 Magnituden deutlich unter den Erwartungen zurück.
103P/Hartley wurde im Juli 2010 von den ersten Amateuren beobachtet und fotografiert. Nach aktuellen Helligkeitsschätzungen, die zum Beispiel auf der Kometen Mailingliste, im ICQ und auf der Homepage der VDS-Fachgruppe Kometen einzusehen sind, wird seine Helligkeit momentan knapp 2 bis 3 Magnituden schwächer als ursprünglich erwartet angegeben. Steigert der Schweifstern seine Aktivität nicht bis zum Erreichen seiner Erdnähe im letzten Oktoberdrittel, würde der Komet nur eine maximale Helligkeit zwischen 7 und 8 mag erreichen und eher ein Objekt für Ferngläser und kleine Teleskope werden.
Um besser abschätzen zu können, wie hell 103P/Hartley tatsächlich wird, sind weitere Beobachtungen erwünscht. Eigene Beobachtungsergebnisse können zum Beispiel der VDS-Fachgruppe Kometen zur Verfügung gestellt werden.
Auch diesmal stelle ich ein Infoblatt mit Ephemeriden und Aufsuchkarten allen Interessierten als PDF-Datei zum kostenlosen Download bereit:
Komet 103P/Hartley 2 – Infoblatt (5,0 MiB, 3.884 hits)
Eine tagesaktuelle Ephemeride mit optimalen Beobachtungszeiten für den Kometen gibt es hier. Natürlich würde ich mich auch über Kommentare und Beobachtungsergebnisse freuen. 🙂
Quellen und weiterführende Links:
- Astrocorner – Komet Hartley 2 (2010)
- Seiichi Yoshida – 103P/Hartley 2
- Cometography.com – 103P/Hartley 2
- Kometen.info (mit Bildern und weiterführenden Links)
Hi Andreas,
mensch Du, wieder ein 1a Bericht. Also in Fleiß eindeutig eine 1 mit Bienchen :-). Sehr asuführlich und gut recherchiert geschrieben. Mir wurde eben klar daß ich in meinem Herbsturlaub, falls gutes Wetter, einfach mal den Himmel langzeit belichtet einfange, vielleicht sieht man ein Schweif des kleinen Kerlchens. Weiter so und sollte mal eine Zeitung mit ein Jobangebot bei Dir aufschlagen, kannst Du ruhig hoch reingehen, Du bist Dein Geld Wert „min Jung“. 🙂
Gruß
Ingo
Hallo Ingo, vielen Dank für’s Lob. Von der investierten Zeit her war das bisher mein umfangreichster Artikel. Wenn der Komet C/2009 P1 Garrad Mitte nächsten Jahres aufschlägt (max. erwartete Helligkeit ca. 6 mag!), dessen Sichtbarkeitsperiode sogar doppelt so lang ist wie die von 103P/Hartley 2, wird der Artikel womöglich noch länger. 😉 Mal schauen, ob wir auf dem HTT mal einen Blick auf den Schweifstern im Sternbild Andromeda werfen können.
Hallo Andreas,
super gemacht dein allgemeines Datenblatt zu Hartley2, richtig unterhaltsam.
Ich schau immer gern auf deine HP vorbei.
Hut ab und weiter so.
CS Uwe
Noch ein kleiner Hinweis in eigener Sache: Mein Artikel zu Hartley 2 wurde am 1.9.2010 im RBB InfoRadio bei Netzfischer erwähnt.
Hi there. Nice work you have done. To produce the detailed charts in the pdf, which software you used? Guide 8.0?
Correct, I used Guide 8 and the function „Create Postscript file“ in program menu to create a PS starchart and Ghostview/Ghostscript for PDF.
Hartley 2 ist jetzt heller als 7.0 mag und erreicht im Oktober wohl doch die 5. Größenklasse.
http://www.aerith.net/comet/catalog/0103P/2010.html
Hallo Andreas,
(wieder einmal) 1000 Dank für deine Mühe! Ich habe ein wenig Hoffnung, den Kometen in diesen Tagen einmal sehen zu können, trotz des Mistwetters hier im Westen! Deine Kometenartikel sind preiswürdig!
Viele Grüße,
Jan
Am 13.10. konnte ich Hartley 2 mit knapp 5,5 Größenklassen auch mit bloßem Auge sichten. Leider stört zur Zeit die olle Säuferlaterne am Himmel. 😀 Ich hoffe aber auch, den Kometen – nach dem Vollmond am 23.11. – noch einmal zu beobachten bevor er wieder schwächer wird. In den kommenden drei Tagen erreicht er auch seine Maximalhelligkeit.
Hier gibts eine Meldung auf den Science News der NASA zum möglichen Meteorschauer, den die Teilchen des Kometen 103P/Hartley 2 im November produzieren könnten. Maximumszeitpunkt wahrscheinlich zwischen dem 2. und 3. November 2010, Radiant in der Nähe von Albireo (Beta Cygni) im Sternbild Schwan…
Jan Hattenbach hat in seinen „Himmelslichtern“ schon einen Artikel zum potentiellen Meteorschauer verfasst.