Objekte des Monats: Der offene Sternhaufen Messier 29

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Der offe­ne Stern­hau­fen Mes­sier 29 (NGC 6913), im nörd­li­chen Stern­bild Schwan (Cyg­nus), wur­de am 29. Juli 1764 von dem fran­zö­si­schen Astro­no­men Charles Mes­sier ent­deckt. Er notier­te: „Hau­fen von sie­ben oder acht sehr klei­nen Ster­nen, die man in einem ein­fa­chen Refrak­tor von 3½ Fuß in Form eines Nebels zu sehen sind.” Auch Caro­li­ne Her­schel konn­te in ihrem Tele­skop nur fünf Ster­ne zäh­len. Ihr Bru­der Wil­helm sah am 27. Okto­ber 1794 in dem Hau­fen eben­falls nur sie­ben bis acht schwa­che Ster­ne und beschrieb ihn als eher unschein­bar. Auf­grund der Anord­nung sei­ner sie­ben hells­ten Mit­glie­der ist der Stern­hau­fen auch als „Klei­ne Ple­ja­den” bekannt. Im eng­li­schen Sprach­raum trägt er außer­dem den Namen „Coo­ling Tower Clus­ter“. M 29 ist einer von zwei Mes­sier-Objek­ten im Cyg­nus. Der ande­re ist der offe­ne Stern­hau­fen Mes­sier 39.

Eine vom kosmischen Staub abgeschwächte Miniaturausgabe der Plejaden

Mes­sier 29 befin­det sich inmit­ten des Stern­bilds Cyg­nus. Wenn man ihn in Ama­teur­te­le­sko­pen betrach­tet, erscheint der Hau­fen wie eine Minia­tur­aus­ga­be der berühm­ten Ple­ja­den (Mes­sier 45) im Stern­bild Stier. Der offe­ne Stern­hau­fen hat eine schein­ba­re Aus­deh­nung von 7 Bogen­mi­nu­ten und eine Hel­lig­keit von 6,6 mag. Er ist daher bereits sehr ein­fach in Feld­ste­chern und klei­nen Tele­sko­pen erkenn­bar. M 29 befin­det sich 3.700 Licht­jah­re von der Erde ent­fernt, ent­hält rund 50 Ster­ne, wobei die 6 hells­ten Mit­glieds­ster­ne die 9. Grö­ßen­klas­se errei­chen. Ande­re Quel­len geben eine deut­lich grö­ße­re Ent­fer­nung von 6.000 oder 7.200 Licht­jah­ren an. Aktu­el­len Daten der Raum­son­de Gaia zufol­ge beträgt die Ent­fer­nung zu dem Stern­hau­fen 5.240 Licht­jah­re. Frü­he­re Kata­lo­ge ver­zeich­ne­ten nur 20 Mit­glieds­ster­ne. Neue­re Stu­di­en gehen davon aus, dass M 29 bis zu 300 Ster­ne ent­hal­ten könn­te. Auf­grund der den Schwan durch­zie­hen­den Stern­wol­ken ist es zudem recht schwie­rig, die Hau­fen­mit­glie­der von den zahl­rei­chen Hin­ter­grund­ster­nen der Milch­stra­ße abzugrenzen.

Messier 29
Mes­sier 29 im Stern­bild Schwan – Auf­nah­me von Bern­hard Hubl, Quel­le: CCD-Gui­de, Astro­no­mi­scher Arbeits­kreis Salzkammergut

Der sich mit 29 km/s auf uns zu bewe­gen­de Stern­hau­fen ist zusam­men mit den Nach­bar­hau­fen IC 4966 und Ber­ke­ley 86 Mit­glied der Cyg­nus-OB1-Stern­as­so­zia­ti­on. Die­se Grup­pe von Ster­nen weist eine gemein­sa­me Bewe­gung, ein gemein­sa­mes Alter und einen gemein­sa­men Ursprungs­ort auf. Zu den Mit­glie­dern die­ser Asso­zia­ti­on zäh­len außer­dem die Ster­ne P Cyg­ni und 44 Cyg­ni sowie der Sichel­ne­bel (NGC 6888). Fünf sei­ner Ster­ne sind hel­le, blau­wei­ße Rie­sen der Spek­tral­klas­se B0 und B1, mit einer Tem­pe­ra­tur von 30.000 K. Die schein­ba­re Hel­lig­keit des hells­ten, visu­ell sicht­ba­ren Sterns beträgt 8,59 Magni­tu­den. Er besitzt die 160.000-fache Leucht­kraft unse­rer Son­ne. Die abso­lu­te Leucht­kraft des Hau­fens wird mit beein­dru­cken­den ‑8,2 Grö­ßen­klas­sen angegeben.

Sadr
Die Regi­on um Sadr im Stern­bild Schwan. M 29 befin­det sich am unte­ren Bild­rand in der Nähe einer Dunkelwolke.

Auch die Anga­ben sei­ner Gesamt­mas­se schwan­ken stark und lie­gen zwi­schen 600 und 1.000 Son­nen­mas­sen. Die hohe Leucht­kraft sei­ner Ster­ne deu­tet auf ein sehr jun­ges Alter des Hau­fens hin. M 29 zählt somit zu den jüngs­ten Stern­hau­fen unse­rer Milch­stra­ße. Er ist gera­de ein­mal 10 bis 13 Mil­lio­nen Jah­re alt. Eini­ge Stu­di­en deu­ten sogar auf ein deut­lich gerin­ge­res Alter von nur 4 bis 6 Mil­lio­nen Jah­ren hin. Der Durch­mes­ser des Hau­fens wird auf rund 11 Licht­jah­re geschätzt. Außer­dem ähnelt die stel­la­re Popu­la­ti­on von M 29 der des uns viel näher gele­ge­nen offe­nen Stern­hau­fens Mes­sier 36 im Stern­bild Fuhrmann.

Mitglied der Cygnus‑X Sternentstehungsregion

Auf Foto­gra­fien sind in der Umge­bung des Stern­hau­fens zahl­rei­che Nebel und Dun­kel­wol­ken zu erken­nen. Die Ster­ne des Hau­fens wer­den durch die inter­stel­la­re Mate­rie zwi­schen der Erde und M 29 abge­schwächt und gerö­tet. Im Stern­bild Cyg­nus beginnt näm­lich der „Gre­at Rift”, ein rie­si­ges Staub­band, das bis hin­un­ter zum Süd­him­mel ins Stern­bild Cen­tau­rus reicht. Ohne inter­stel­la­re Extink­ti­on wür­de uns Mes­sier 29, mit einer schein­ba­ren Hel­lig­keit von nur drei Grö­ßen­klas­sen, sehr leicht mit dem blo­ßen Auge erschei­nen. Der ame­ri­ka­ni­sche Astro­nom W. A. Hilt­ner fand näm­lich im Jahr 1954 her­aus, dass die Dich­te des Staubs in der Umge­bung des Hau­fens etwa um den Fak­tor 1.000 über dem galak­ti­schen Mit­tel­wert liegt. Har­ris berich­te­te außer­dem von unre­gel­mä­ßi­gen Ver­dun­ke­lun­gen der Ster­ne des Hau­fens. Die­se Hel­lig­keits­schwan­kun­gen wur­den mög­li­cher­wei­se durch nicht sicht­ba­re inter­stel­la­re Mate­rie ver­ur­sacht, die die Sicht­li­nie pas­sier­te. So sind die Ster­ne im nörd­li­chen und süd­li­chen Teil des Hau­fens um bis zu fünf Grö­ßen­klas­sen abge­schwächt. Eine wei­te­re Ursa­che für die nur unzu­rei­chend bekann­te Ent­fer­nung zu M 29 ist die Unsi­cher­heit bezüg­lich der Absorp­ti­on des Lichts in die­sem Himmelsabschnitt.

Sternbild Schwan
Cyg­nus-Rift mit dem „Nörd­li­chen Koh­len­sack“ und zahl­rei­chen Was­ser­stoff-Nebeln im Stern­bild Schwan

Die vie­len inter­es­san­ten Nebel in der Umge­bung von Mes­sier 29 nahe dem zweit­hells­ten Stern im Schwan, Sadr, der den Schnitt­punkt des „Kreuz des Nor­dens“ mar­kiert, sind vor allem auf lang belich­te­ten Auf­nah­men die­ser Him­mels­re­gi­on zu sehen. Sie befin­den sich alle an der Innen­sei­te des Cyg­nus-Spi­ral­arms unse­rer Milch­stra­ße und ste­hen zwi­schen 2.300 und 2.900 Licht­jah­re von der Erde ent­fernt im Vor­der­grund. In der Nähe die­ses Stern­hau­fens befin­det sich auch der beson­ders hei­ße Wolf-Ray­et-Dop­pel­stern WR 143 (HD 195177). In einer im Jahr 2007 erschie­ne­nen Stu­die wur­den Bele­ge dafür gefun­den, dass Mes­sier 29 meh­re­re Mole­kül­wol­ken – dar­un­ter Shar­pless 106 – durch die star­ke ultra­vio­let­te Strah­lung der hells­ten sei­ner Mit­glieds­ster­ne zum Leuch­ten anregt. Der Cyg­nus-X-Kom­plex, in dem sich unser Stern­hau­fen befin­det, gilt als eine der reichs­ten bekann­ten Regio­nen der Stern­ent­ste­hung in unse­rer Gala­xie. Er ent­hält bis zu 800 ver­schie­de­ne HII-Regio­nen, eine Rei­he von Wolf-Ray­et- und O3-Ster­nen sowie meh­re­re OB-Asso­zia­tio­nen. Er besitzt eine Aus­deh­nung von 650 Licht­jah­ren und eine Mas­se von 30 Mil­lio­nen Sonnenmassen.

Beobachtung

Mes­sier 29 prä­sen­tiert sich unter einem dunk­len Land­him­mel und in einem han­dels­üb­li­chen 10×50 Fern­glas ledig­lich als blas­ser Kno­ten aus unschar­fem Ster­nen­licht. Mit mei­nem 16×70 Fuji­non-Feld­ste­cher erscheint er hin­ge­gen sehr kom­pakt und ist bereits in etwa ein Dut­zend ein­zel­ne Ster­ne auf­ge­löst. Eini­ge der hel­len Ster­ne schei­nen den Buch­sta­ben „H” zu bil­den. In Refrak­to­ren mit 3 bis 4‑Zoll Öff­nung und einer klei­nen bis mitt­le­ren Ver­grö­ße­rung von 30- bis 60-fach kann der Stern­hau­fen voll­stän­dig in sei­ne Ein­zel­ster­ne auf­ge­löst wer­den. Es sind etwa 15 Ster­ne der 9. und 10. Grö­ßen­klas­se sicht­bar. Gleich­zei­tig hebt er sich gut von der stern­rei­chen Umge­bung der nörd­li­chen Som­mer­milch­stra­ße ab. Dabei bil­den die hells­ten Ster­ne des Hau­fens eine Art Tra­pez. Drei wei­te­re Ster­ne bil­den ein Drei­eck. Somit ähnelt der Stern­hau­fen dem Aste­ris­mus des Gro­ßen Wagens, den Ple­ja­den oder einem Kühl­turm eines Kern­kraft­werks. Um die­se Struk­tu­ren her­um befin­den sich noch eini­ge wei­te­re schwä­che­re Sterne.

Aufsuchkarte
Auf­such­kar­te für Mes­sier 29 – erstellt mit SkytechX

Der leicht blau­weiß erschei­nen­de Stern V2013 Cyg­ni, in der rech­ten obe­ren Ecke des Tra­pe­zes, ist kein ech­tes Mit­glied des Hau­fens. Er steht mit einer Ent­fer­nung von 1.080 Licht­jah­ren weit im Vor­der­grund. Der offe­ne Stern­hau­fen M 29 steht ziem­lich iso­liert im Gesichts­feld, vor allem in klei­nen Fern­roh­ren. Er ist von einem dunk­len Nebel umge­ben, wodurch M 29 stark asym­me­trisch erscheint. Mit Tele­sko­pen von 6 bis 8‑Zoll Öff­nung und 130-facher Ver­grö­ße­rung sind bis zu 20 Mit­glieds­ster­ne erkenn­bar. Auf­grund sei­ner gerin­gen Grö­ße am Him­mel ver­trägt M 29 auch hohe Ver­grö­ße­run­gen sehr gut. Tele­sko­pe mit 10 bis 12-Zoll Öff­nung zei­gen 25 Ein­zel­ster­ne und deut­lich mehr schwa­che Hin­ter­grund­ster­ne als Hau­fen­mit­glie­der. Eini­ge die­ser schwa­chen Ster­ne bil­den eine Art Ket­te inner­halb des auf­fäl­li­gen Kas­ten­mus­ters in Nord-Süd-Richtung.

Mes­sier 29 ist am bes­ten in den Som­mer­mo­na­ten zu beob­ach­ten, wenn das Stern­bild Schwan hoch am Him­mel steht. Nörd­lich von 47° nörd­li­cher Brei­te steht der Stern­hau­fen das gan­ze Jahr über dem Hori­zont. Er befin­det sich 1 ¾ Grad süd­lich von Sadr (Gam­ma Cyg), im Zen­trum des Schwans, in einer stern­rei­chen Regi­on des Him­mels und inmit­ten der Som­mer­milch­stra­ße. Um Mes­sier 29 auf­zu­su­chen, neh­men wir den 2,23 mag hel­len Stern Sadr als Aus­gangs­punkt. Die­ser Stern mar­kiert den Schnitt­punkt der Kreuz­fi­gur des Schwans. Gut zwei Grad süd­öst­lich von Gam­ma Cyg befin­det sich 40 Cyg, ein Stern der 5. Grö­ßen­klas­se. M 29 befin­det sich knapp 45 Bogen­mi­nu­ten west­lich von die­sem Stern und soll­te schon in jedem Sucher­fern­rohr zu sehen sein.

Auf­such­kar­te Klei­ne Ple­ja­den (Mes­sier 29) (207,3 KiB, 34 hits)

Steckbrief für Messier 29

Daten und Fak­ten für die Klei­nen Ple­ja­den (Mes­sier 29) im Schwan (Cyg­nus)
Objekt­na­meMes­sier 29
Kata­log­be­zeich­nungNGC 6913, Col­lin­der 422, OCL 168
Eigen­na­meKlei­ne Ple­ja­den, Coo­ling Tower Cluster
Typoffe­ner Stern­hau­fen, III 3 p 
Stern­bildSchwan (Cyg­nus)
Rekt­aszen­si­on (J2000.0)20h 23m 58,0s
Dekli­na­ti­on (J2000.0)+38° 29′ 54″
V Hel­lig­keit6,6 mag
Flä­chen­hel­lig­keit11,0 mag
Win­kel­aus­deh­nung10,0′
Anzahl der Sterne50
Hells­ter Stern8,6 mag
Durch­mes­ser11 Licht­jah­re
Ent­fer­nung3.700 Licht­jah­re
Beschrei­bungCl,P,lC,st L&S; About 20 stars mags 8…
Ent­de­ckerCharles Mes­sier, 1764
Stern­at­lan­tenCam­bridge Star Atlas: Chart 6 & 7
Inter­stel­larum Deep Sky Atlas: Chart 17, 29 & D1
Mill­en­ni­um Star Atlas: Charts 1147–1148 (Vol III)
Pocket Sky Atlas: Chart 62
Sky Atlas 2000: Chart 9
Urano­me­tria 2nd Ed.: Chart 48

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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