Objekte des Monats: Der Sichelnebel NGC 6888

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NGC 6888 ist ein hel­ler Emis­si­ons­ne­bel, im nörd­li­chen Stern­bild Schwan (Cyg­nus). Er wur­de am 15. Sep­tem­ber 1792 von dem deutsch-bri­ti­schen Astro­no­men Fried­rich Wil­helm Her­schel ent­deckt. Her­schel klas­si­fi­zier­te das Objekt als pla­ne­ta­ri­schen Nebel und beschrieb ihn als knapp 8 Bogen­mi­nu­ten lan­gen und schwa­chen Nebel­bo­gen. In Wahr­heit han­delt es sich bei NGC 6888 aber um einen so genann­ten Wolf-Ray­et-Nebel. Auf­grund sei­nes äuße­ren Erschei­nungs­bil­des, bei visu­el­ler Beob­ach­tung oder auf kurz belich­te­ten Fotos, wird NGC 6888 im eng­li­schen Sprach­raum als „Cre­s­cent-Nebu­la“ (Mond­si­chel­ne­bel) bezeich­net. Hier­zu­lan­de ist NGC 6888 eben­falls als „Cre­s­cent Nebel“ bzw. „Sichel­ne­bel“ bekannt. Das Objekt wur­de auch in Sir Patrick Moo­res Deep-Sky-Lis­te als Cald­well 27 und im Shar­pless-Kata­log als Shar­pless 105 verzeichnet.

Ein heller Wolf-Rayet-Nebel in prominenter Umgebung

Der Sichel­ne­bel gehört zu den hells­ten Wolf-Ray­et-Nebeln an unse­rem Him­mel. Benannt sind die­se Nebel nach den Wolf-Ray­et-Ster­nen. NGC 6888 befin­det sich inmit­ten einem dich­ten Feld der Som­mer­milch­stra­ße und inmit­ten des berühm­ten Gam­ma-Cyg­ni-Nebel­kom­ple­xes. Hier­bei han­delt es sich um eine rie­si­ge Stern­bil­dungs­re­gi­on im Stern­bild Cyg­nus. NGC 6888 befin­det sich 4.700 Licht­jah­re von der Erde ent­fernt und ist mit einer schein­ba­ren Grö­ße von 18 x 12 Bogen­mi­nu­ten von der Flä­che her unge­fähr halb so groß wie der Voll­mond. Unter einem dunk­len Land­him­mel und ohne Mond­licht erscheint das 10,0 mag hel­le Objekt bereits in mitt­le­ren Ama­teur­te­le­sko­pen als schwa­cher Nebel­bo­gen. Mor­pho­lo­gisch han­delt es sich bei dem Cre­s­cent Nebel um einen läng­li­chen Ellip­so­iden, der 45° zu unse­rer Sicht­li­nie geneigt ist. Der Nebel­bo­gen wird durch den schnel­len stel­la­ren Wind des 7,6 mag hel­len Wolf-Ray­et Sterns WR 136 (HD 192163) erzeugt. Die­ser Wind kol­li­diert mit der deut­lich lang­sa­me­ren und küh­le­ren Nebel­hül­le, die vor 250.000 bis 400.000 Jah­ren von dem Stern, in sei­ner Rote Rie­sen Pha­se, abge­sto­ßen wur­de. Das geschätz­te Alter des Sterns beträgt nur 4,7 Mil­lio­nen Jah­re. Fer­ner scheint es sich bei WR 136 um einen Dop­pel­stern zu handeln.

NGC 6888
Der Sichel­ne­bel (NGC 6888) im Stern­bild Schwan – Auf­nah­me von Johan­nes Sched­ler, Quel­le: CCD-Gui­de, Astro­no­mi­scher Arbeits­kreis Salzkammergut

Das Ergeb­nis die­ser Kol­li­si­on ist eine Scha­le mit zwei Stoß­fron­ten, die die Umge­bung so stark auf­hei­zen und ioni­sie­ren, dass Rönt­gen­strah­lung und sicht­ba­res Licht emit­tiert wird. Die eine Schock­wel­le bewegt sich dabei nach außen und erzeugt die auf Fotos sicht­ba­re grü­ne, faden­för­mi­ge Struk­tur. Die ande­re Schock­wel­le bewegt sich nach innen und erzeugt die hei­ße Gas­bla­se. Die gesam­te Nebel­hül­le dehnt sich mit einer Geschwin­dig­keit von 85 Kilo­me­tern pro Sekun­de in den Welt­raum aus und besitzt eine wah­re Grö­ße von 25 x 16 Licht­jah­ren. Der Infra­rotsa­tel­lit IRAS ent­deck­te um den Nebel noch eine weit­aus grö­ße­re Hül­le von 1,8 x 1,5 Grad Aus­deh­nung. Hier­bei han­delt es sich wahr­schein­lich um eine alte Infra­rot­si­gna­tur einer 100.000 Jah­re alten Super­no­va. Auf­grund sei­ner phy­si­ka­li­schen Eigen­schaf­ten und sei­nes fila­ment­ar­ti­gen Aus­se­hens wur­de der Sichel­ne­bel frü­her eben­falls als Super­no­va­über­rest betrachtet.

Der Wolf-Rayet-Stern

Wolf-Ray­et Ster­ne sind sehr mas­se­rei­che und leucht­kräf­ti­ge Ster­ne mit star­ken Ster­nen­win­den, die sich bereits am Ende ihres Lebens befin­den. Ver­mut­lich haben sich die­se Ster­ne aus den mas­se­rei­chen und leucht­kräf­ti­gen O‑Sternen ent­wi­ckelt. Es exis­tie­ren zwei Grup­pen von Wolf-Ray­et-Ster­nen. In der einen Grup­pe domi­nie­ren Stick­stoff-Lini­en in ihren Spek­tren (WN-Ster­ne). Die ande­re Grup­pe zeigt in ihren Spek­tren Koh­len­stoff-Lini­en (WC-Ster­ne). WR 136 ist der Pro­to­typ der WN6-Ster­ne und besitzt eine Ober­flä­chen­tem­pe­ra­tur von 55.000 Kel­vin. Der Stern regt durch sei­ne inten­si­ve UV-Strah­lung die Nebel­scha­le zum Leuch­ten an, vor allem im Licht des zwei­fach ioni­sier­ten Sau­er­stoffs (OIII). Alle 10.000 Jah­re wird das Äqui­va­lent der Mas­se unse­rer Son­ne vom Zen­tral­stern aus­ge­sto­ßen. Das hei­ße Gas dehnt sich dabei mit einer Geschwin­dig­keit von 2.000 bis 3.000 km/s in den Welt­raum aus. Der im Cre­s­cent Nebel behei­ma­te Wolf-Ray­et-Stern ist von sei­nem Durch­mes­ser her 3,3 Mal so groß wie die Son­ne, 15 Mal mas­se­rei­cher und 260.000 Mal leucht­kräf­ti­ger wie unser Zen­tral­ge­stirn. Er wird in eini­gen hun­dert­tau­send Jah­ren als spek­ta­ku­lä­re Super­no­va vom Typ II explo­die­ren. Dabei wird der Cre­s­cent Nebel zer­stört wer­den und ein Super­no­va-Über­rest übrig bleiben.

Gamma Cygni Nebula
Gam­ma-Cyg­ni-Nebel­kom­plex um den Stern Sadr im Stern­bild Schwan und NGC 6888

In direk­ter Nach­bar­schaft von NGC 6888 befin­den sich wei­te­re bemer­kens­wer­te Deep-Sky-Objek­te. Zu den direk­ten Nach­barn des Sichel­ne­bels gehört auch PN G75.5+1.7. Er ist ein äußerst licht­schwa­cher pla­ne­ta­ri­scher Nebel, der als Sei­fen­bla­sen­ne­bel bekannt ist. Er wur­de erst im Jahr 2008 auf foto­gra­fi­schen Wege von Ama­teur­as­tro­no­men ent­deckt. Der 6,6 mag hel­le offe­ne Stern­hau­fen Mes­sier 29 liegt nur weni­ge Grad öst­lich von NGC 6888. Wei­te­re Objek­te sind die Emis­si­ons­ne­bel NGC 7000 (Nord­ame­ri­ka­ne­bel) und IC 5070 (Peli­kan­ne­bel), IC 1318 (Gam­ma-Cyg­ni-Nebel) und Shar­pless 101 (Tul­pen­ne­bel) sowie ein hel­ler Super­no­va-Über­rest, der auch als Zir­rus- bzw. Schlei­er­ne­bel bekannt ist.

Beobachtung

Der Cre­s­cent Nebel besitzt nur eine gerin­ge Flä­chen­hel­lig­keit und ist kein ein­fa­ches Objekt, beson­ders unter einem auf­ge­hell­ten Him­mel. Unter sehr guten Beob­ach­tungs­be­din­gun­gen ist der nörd­li­che, hel­le­re Bogen schon ohne Fil­ter im 4‑Zöller schwach indi­rekt erkenn­bar. Unter Zuhil­fe­nah­me eines UHC oder bes­ser OIII-Fil­ters ist der Nebel deut­lich ein­fa­cher zu sehen. Ein sol­cher Fil­ter erhöht auch die Gesamt­sicht­bar­keit des Objekts, indem er die gro­ße Anzahl an Hin­ter­grund­ster­nen der Milch­stra­ße abdun­kelt. Mit 5 bis 6 Zoll Öff­nung taucht auch der süd­li­che Nebel­bo­gen im Oku­lar auf. Ab 8 bis 10 Zoll Öff­nung ist der Nebel nun voll­stän­dig als Sichel erkenn­bar. Eben­falls erkenn­bar ist eine zar­te Nebel­brü­cke, die sich vom Nebel­bo­gen zum Wolf-Ray­et-Stern erstreckt. Der Zen­tral­stern befin­det sich etwas außer Mit­tig Rich­tung Wes­ten. Mit noch grö­ße­rer Öff­nung erkennt man in der Sichel eini­ge Hel­lig­keits­ab­stu­fun­gen, die bei noch grö­ße­ren Öff­nun­gen in ein­zel­ne Fila­men­te und Kno­ten zer­fal­len. Der nord­west­li­che Teil ist dabei am hells­ten, wo sich der eine Nebel­fin­ger nach Osten hin wölbt. Eine Lücke im Nebel ist süd­west­lich des Zen­tral­sterns sicht­bar. Danach folgt eine ova­le Auf­hel­lung, gefolgt von einer brei­ten schwa­chen Regi­on, die sich nach Süden wölbt. Um den Nebel voll­stän­dig geschlos­sen, inklu­si­ve eini­gen Nebel­fi­la­men­ten im Zen­trum, zu sehen, benö­tigt man aber min­des­tens ein 14 Zoll gro­ßes Tele­skop und einen per­fekt dunk­len Him­mel. Die Form gleicht dabei einer Art Euro-Zeichen.

Aufsuchkarte
Auf­such­kar­te für NGC 6888 – erstellt mit SkytechX

Die bes­te Zeit den Nebel zu beob­ach­ten, sind die war­men Som­mer­näch­te, wenn das Stern­bild Schwan in der Nähe des Zenit kul­mi­niert. Auch im Herbst lohnt sich ein Blick auf NGC 6888, weil der Him­mel nun deut­lich dunk­ler als in den hel­len Som­mer­näch­ten erscheint. Um den Sichel­ne­bel auf­zu­fin­den, zie­hen wir eine gedach­te Ver­bin­dungs­li­nie zwi­schen Sadr (Gam­ma Cyg, 2,2 mag) und Eta Cyg (3,9 mag). NGC 6888 liegt unge­fähr auf einem Drit­tel die­ser Stre­cke und knapp 2 ¾ Grad süd­west­lich von Gam­ma Cyg­ni. Der Nebel befin­det sich in der Nähe eines mar­kan­ten „W“ aus fünf hel­le­ren Ster­nen der 7. bis 8. Grö­ßen­klas­se. Im Sucher ist an die­ser Stel­le eine spitz zulau­fen­de Ster­nen­rau­te erkenn­bar, des­sen süd­li­cher und 8 mag hel­ler Stern der besag­te Wolf-Ray­et-Stern WR 136 ist.

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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