Die Galaxien Messier 95 (NGC 3351) und Messier 96 (NGC 3368), im nördlichen Sternbild Löwe (Leo), wurden zusammen am 20. März 1781 von dem französischen Astronomen Pierre Méchain entdeckt. Nur vier Tage später nahm Méchains Freund Charles Messier die Objekte in seinen berühmten Nebelkatalog auf. Er beschrieb sie als schwache Nebel ohne Sterne, ähnlich M 84 und M 86 in der Jungfrau. Der deutsch-britische Astronom Friedrich Wilhelm Herschel beobachtete M 95 und M 96 am 11. März 1784. Messier 96 gehört zu den ersten entdeckten „Spiralnebeln“, die der irische Astronom William Parsons, 3. Earl of Rosse, bis zum Jahr 1850 beobachtete und dokumentierte. Andere Messier-Objekte, die auf Lord Rosses Liste standen, waren die Spiralgalaxien Messier 58, Messier 63, Messier 74, Messier 77, Messier 88 und Messier 100 .
Mitglieder der Leo-I-Galaxiengruppe
Messier 95 und Messier 96 – zusammen mit Messier 105 und neun weiteren Galaxien – sind Mitglieder der Leo‑I bzw. M96-Galaxiengruppe, einer kleine Ansammlung von Welteninseln, im südlichen Teil des Sternbilds Löwe. Diese Galaxiengruppe, ähnlich unserer Lokalen Gruppe, ist wiederum Mitglied des Virgo-Galaxienhaufens. Trotz der Namensgleichheit hat die Leo-I-Galaxiengruppe nichts mit der 7.000 Lichtjahre großen Zwerggalaxie Leo I zu tun. Diese befindet sich nur ¾ der Vollmondbreite nördlich des Hauptsterns Regulus, in einer Entfernung von nur 820.000 Lichtjahren. Die M96-Galaxiengruppe steht dagegen, mit einem Abstand von 38 Millionen Lichtjahren, rund 45 Mal weiter von der Erde entfernt. Wahrscheinlich ist die M96-Galaxiengruppe, mit der weiter östlich liegenden M66-Gruppe, assoziiert.
Beide Galaxien waren das Ziel des Weltraumteleskops Hubble, zur genauen Bestimmung der Hubble-Konstante, mit Hilfe von Cepheiden-Veränderlichen. Die Scheibe von M 95 ist, im Gegensatz zu M 96, deutlich mehr zu unserer Sichtlinie geneigt. Bei M 96 blicken wir dagegen nahezu senkrecht auf die Ebene der Galaxie, unter einem Winkel von 53°. Messier 96 ist durch einen 650.000 Lichtjahre langen intergalaktischen Ring aus neutralem Wasserstoffgas mit dem Galaxienpaar M 105/NGC 3384 verbunden, die sich nahe des Zentrums der Leo-1-Galaxiengruppe befinden. Ferner besitzt M 96 einen Halo aus neutralem Wasserstoffgas, der wahrscheinlich aufgrund der gravitativen Wechselwirkung mit dem intergalaktischen Ring entstanden ist. Vor etwa 1 Milliarde Jahre kam es auch zu einer Kollision mit NGC 3384. M 96 liegt, vom linearen Abstand her, auch etwas weiter zur Erde entfernt als M 95.
Messier 95
Messier 95 ist eine 9,8 mag helle und wunderschöne Balkenspiralgalaxie vom Hubble-Typ SB®b, mit nahezu kreisförmigen Spiralarmen um ihr Zentrum. Die Spiralarme sind fast zu einem vollständigen Ring geschlossen. Der amerikanische Astronom Allan Sandage bezeichnete sie deshlab als „typische Ringgalaxie“. Sie winden sich, vom zentralen Balken ausgehend, eng um das Zentrum nach außen. Die Galaxie besitzt eine Flächenausdehnung von 7,6 x 4,5 Bogenminuten am Himmel. Das entspricht einer wahren Ausdehnung von ungefähr 70.000 Lichtjahren. Sie vereinigt ungefähr 40 Milliarden Sterne. M 95 gehört zu den schwächeren Galaxien des Messier-Katalogs und besitzt nach neusten Erkenntnissen eine Entfernung von 35,5 Millionen Lichtjahren zur Erde.
M 95 wird als (nukleare) Starburstgalaxie klassifiziert. Das Zentrumder Galaxie enthält eine ringförmige Struktur, mit massereichen Sternhaufen und HII-Regionen, in der auch heute noch zahlreiche junge Sterne entstehen. Die Sternentstehungsrate beträgt dort 0,38 Sonnenmassen pro Jahr. Dieser Ring entstand durch Wechselwirkungen mit dem zentralen Balken und besitzt einen Durchmesser von ungefähr 2.000 Lichtjahren. Außerdem enthält er ungefähr 350 Millionen Sonnenmassen an molekularem Gas. Der Balken selber besitzt einen Durchmesser von 325 bis 490 Lichtjahren und besteht aus mehreren massereichen Sternhaufen, von 5,5 bis 16 Lichtjahren Ausdehnung. Die Sternhaufen vereinen zwischen 1,8 und 8,7 Millionen Sonnenmassen und sind auf dem besten Weg, junge Kugelsternhaufen zu bilden. Das Zentrum von M 95 enthält noch einen visuell nicht sichtbaren Balken aus älteren rötlichen Sternen.
Am 16. März 2012 wurde eine Supernova von Paolo Fagotti und Alessandro Dima (Italian Supernovae Search Project) und unabhängig von Jure Skvarc (Crni Vrh Observatory, Slowenien) in M 95 entdeckt. SN 2012aw war ein Kernkollaps-Supernova eines mindestens 12,5 Sonnenmassen schweren roten Überriesen und leuchte 2 ½ Bogenminuten südlich des Kerns auf. Sie erreichte eine maximale Helligkeit von 12,7 Größenklassen. Ihre Helligkeit flachte nach 27 Tagen stark ab, so dass sie als Supernova vom Typ II‑P (Plateau) klassifiziert wurde.
Messier 96
Messier 96 ist, mit einer scheinbaren Helligkeit von 9,3 mag, die hellere der beiden Galaxien. Sie ist ein Zwischentyp einer normalen Spiralgalaxie und einer Balkanspiral vom Hubble-Typ SAB(rs)ab. Sie ist das hellste Mitglied und Namensgeber der M96-Galaxiengruppe und befindet sich rund 39 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt. Ihr scheinbarer Durchmesser beträgt 7,8 x 5,3 Bogenminuten. Bezogen auf ihre Entfernung, besitzt M 96 eine Ausdehnung von ungefähr 76.000 Lichtjahren und eine Masse von 80 Milliarden Sonnen. Auf länger belichteten Aufnahmen erkennt man einen schwachen, äußeren Ring aus älteren Spiralarmfragmenten. Dieser weist einen Durchmesser von ungefähr 100.000 Lichtjahren auf. Die Filamente sind mit dem helleren inneren Teil verbunden. Ihre zwei asymmetrischen Spiralarme winden sich um einen Kern, der nicht genau in der Mitte der Galaxienscheibe zu finden ist. Man vermutet, dass ihr Aussehen auf den gravitativen Einfluss ihrer Nachbargalaxien zurückzuführen ist.
Der Kern von M 96 zeigt schwache Aktivität vom LINER2-Typ (Low Ionization Nuclear Emission Region). Schwankungen im ultravioletten Spektralbereich deuten auf ein supermassereiches Schwarzes Loch im Zentrum von M 96 hin. Dieses besitzt wahrscheinlich eine Masse von 1,5 bis 48 Millionen Sonnenmassen. Die helle innere Scheibe der Galaxie enthält eine ältere Population von gelben Sternen, die im Zentralbereich in Form eines kleinen Balkens konzentriert sind. Direkt am Ende der Scheibe schließt sich ein Ring aus blauen Knoten an – vermutlich massereiche, junge Sternhaufen, mit ihren heißen und leuchtkräftigen Blauen Riesen. Diese Region enthält einen großen Anteil interstellaren Staubs bis in die Kernregion. Der Staub und das Gas sind ungleichmäßig in den Spiralarmen verteilt. Der Staub konzentriert sich vor allem im westlichen Teil der Scheibe, was jedoch auf unseren Blickwinkel zurückzuführen ist.
Am 9. Mai 1998 wurde, 55 Bogensekunden nördlich des Kerns, eine Supernova vom Typ Ia entdeckt (SN 1998bu). Sie erreichte eine maximale Helligkeit von 11,8 mag. Hier explodierte ein Weißer Zwerg in einem engen Doppelsternsystem, der von seinem Nachbarstern Materie akkretierenden. Bei der Explosion wurden 0,4 Sonnenmassen an Eisen erzeugt. Typ Ia Supernovae gelten als Standardkerzen für die Entfernungsbestimmung. Auf länger belichteten Aufnahmen schimmert im äußersten nordöstlichen Spiralarm von Messier 96 eine stark gerötete Hintergrundgalaxie in Kantenlage hervor. Diese 16,7 mag helle Galaxie (2MFGC 8391) befindet sich mit über 711 Millionen Lichtjahren Entfernung weit im Hintergrund!
Beobachtung
M 95 und M 96 sind mit M 105 und NGC 3371, die sich 50 Bogenminuten nördlich von M 96 befinden, unter sehr guten Bedingungen als äußerst lichtschwache Flecken in einem 10x50 Fernglas erkennbar. Unter Zuhilfenahme eines 16x70 Fujinon sind alle 4 Galaxien deutlich besser zu sehen. In einem 2 bis 3 Zoll großen Refraktor mit mittlerer Vergrößerung erscheint M 96 etwas heller, mit einer helleren Zentralregion und leicht länglicher, in Nordwest bis Südost ausgerichtet. M 95, im selben Gesichtsfeld, befindet sich dagegen nah an der Wahrnehmungsgrenze für kleine Instrumente. M 95 zeigt bei höherer Vergrößerung einen fast sternförmigen schwachen Kern und einen sehr schwachen Halo. Mit 4 bis 5 Zoll Öffnung und 50 bis 80-facher Vergrößerung zeigt sich M 95 nach wie vor nur als runder Lichtfleck, ohne weiterer Details. Die Nachbargalaxie M 96 ist hier deutlich interessanter und mit einem etwas helleren Halo ausgestattet. Sie zeigt einen stärkeren Helligkeitsanstieg zur Mitte hin, mit einem deutlich verdichteten Kern.
Im 6 bis 8 Zoll Reflektor erscheinen beide Galaxienkerne nahezu stellar. Dabei fällt bei M 96 auf, dass die Ostkante der Galaxie besser definiert ist und der Galaxienkörper eine leicht balkenförmige Struktur aufweist. M 95 erscheint als ovaler Lichtfleck, mit einem hellen, ovalen Kern. Unter optimalen Bedingungen ist die zentrale Balkenstruktur und eine Art Ring um das Zentrum wahrnehmbar. Der Ring ist der hellste Teil der Spiralarmen von M 95. Ab 10 bis 12 Zoll Öffnung und 100-facher Vergrößerung ist die Kernregion von M 95 deutlich besser definiert. Die Scheibe erscheint nun eher oval, mit einem gerade noch wahrnehmbaren diffusen Ring. Auch die Asymmetrie von M 96 ist bei dieser Öffnung besser wahrnehmbar. Um einen 5 Bogenminuten großen Halo, existiert ein helles, rundes Kerngebiet. Mit noch größerer Teleskopöffnung ist dann auch die Spiralstruktur in beiden Galaxien deutlich besser ausgeprägt.
Die beiden Galaxien sind am besten in den Winter und Frühlingsmonaten beobachtbar, wenn das Tierkreissternbild Löwe hoch am Himmel steht. Um sie aufzusuchen, bilden wir eine gedachte Linie zwischen den Sternen Alpha Leo (Regulus, 1,4 mag) und Iota Leo (4,0 mag). Ausgangspunkt der Suche ist der Hauptstern Regulus. Wir schwenken ungefähr 7° nach Südosten, bis Rho Leo (3,8 mag) in der Suchermitte erscheint. Nun schwenken wir 4° in Richtung Nordosten, bis ein Stern der 5. Größe (53 Leo) auftaucht. Messier 95 befindet sich knapp 2° nordwestlich dieses Sterns und 40 Bogenminuten westlich von M 96. Beide Galaxien sind als diffuse Nebelflecken bereits im Sucher erkennbar.
Aufsuchkarte Messier 95 & Messier 96 (75,3 KiB, 216 hits)
Steckbrief für Messier 95 & Messier 96
Objektname | Messier 95 Messier 96 |
Katalogbezeichnung | NGC 3351, UGC 5850, PGC 32007 NGC 3368, UGC 5882, PGC 32192 |
Typ | Galaxie, SBb Galaxie, SBab Ring |
Sternbild | Löwe (Leo) |
Rektaszension (J2000.0) | 10h 43m 57,8s 10h 46m 45,8s |
Deklination (J2000.0) | +11° 42′ 12″ +11° 49′ 12″ |
V Helligkeit | 9,8 mag 9,3 mag |
Flächenhelligkeit | 13,5 mag 13,1 mag |
Winkelausdehnung | 7,4′ x 5,0′ 7,8′ x 5,2′ |
Positionswinkel | 13° 176° |
Absolute Helligkeit | -20,170 mag ‑20,795 mag |
Durchmesser | 70.000 Lichtjahre 100.000 Lichtjahre |
Entfernung | 35,5 Millionen Lichtjahre 39,0 Millionen Lichtjahre |
Beschreibung | B,L,R,pgmbMN; Leo group vB,vL,lE,vsvmbM,r; comp @ 3.8′;PA 205 |
Entdecker | Pierre Méchain, 1781 |
Sternatlanten | Cambridge Star Atlas: Chart 10 Interstellarum Deep Sky Atlas: Chart 46 Millennium Star Atlas: Charts 729–730 (Vol II) Pocket Sky Atlas: Chart 34 Sky Atlas 2000: Chart 13 Uranometria 2nd Ed.: Chart 92 |