Der Kugelsternhaufen Messier 4 (NGC 6121), im südlichen Sternbild Skorpion (Scorpius), wurde im Jahr 1745/46 von dem Schweizer Amateurastronomen und Mathematiker Jean-Philippe Loys de Chéseaux entdeckt, der ihn als 19. Objekt in seinen Katalog aufnahm. Er veröffentlichte seine Beobachtungen allerdings nicht. Der französische Astronom Nicholas Louis de Lacaille entdeckte den Sternhaufen unabhängig von ihm am 13. April 1752 am Kap der Guten Hoffnung in Südafrika. Der französische Astronom Charles Messier nahm das Objekt am 8. Mai 1764 als 4. Eintrag in seinen berühmte Nebelliste auf. Er beschrieb ihn als Haufen sehr schwacher Sterne nahe bei Antares, der mit kleiner Öffnung neblig erscheint. M 4 ist der einzige Kugelhaufen, den Messier mit seinem bescheidenen Instrumentarium in Einzelsterne auflösen konnte. Andere von ihm entdeckte Kugelsternhaufen wurden erst 20 Jahre später von dem deutsch-britische Astronom Wilhelm Herschel aufgelöst, als er diese Objekte in seinen größeren Teleskopen beobachten konnte. Herschel war es auch, der im Jahr 1783 eine zentrale Balkenstruktur im Zentrum dieses Sternhaufens nachweisen konnte.
Der nächste große Kugelsternhaufen zu unserem Sonnensystem
Messier 4 ist von dunklen, südlichen Standorten aus, mit einer scheinbaren Helligkeit von 5,8 Magnituden, theoretisch schon mit dem bloßen Auge erkennbar. Allerdings stört der Hauptstern Antares die Beobachtung mit unbewaffneten Auge. Ohne interstellare Absorption – der Sternhaufen liegt räumlich gesehen nur 2.000 Lichtjahre oberhalb der galaktischen Ebene – würde Messier 4 uns sogar noch etwas heller erscheinen. Das Licht seiner 100.000 Mitgliedssterne wird auf dem Weg zu uns deutlich gerötet und in seiner Intensität um 0,8 Größenklassen abgeschwächt. Mit einer scheinbaren Ausdehnung von 26 Bogenminuten, erscheint er uns vom Durchmesser her ähnlich groß wie der Vollmond an unserem Himmel.
Messier 4 liegt knapp 7.200 Lichtjahre von der Erde entfernt und ist mit NGC 6397, im südlichen Sternbild Altar (Entfernung 7.500 Lichtjahre), der uns nächst gelegene und am besten untersuchte kugelförmige Sternhaufen. Nur der im Jahr 2006 entdeckte schwache Kugelhaufen FSR 1767 ist, mit einer Entfernung von 4.900 Lichtjahren, vermutlich noch etwas näher an unserem Sonnensystem. Aufgrund seiner südlichen Position im Sternbild Skorpion, ist M 4 von Mitteleuropa aus gesehen nicht einfach zu beobachten, steigt er doch gerade einmal 15 Grad hoch über den Südhorizont. Somit ist er für Mitteleuropäer weniger attraktiv als beispielsweise die Kugelsternhaufen Messier 5 in der Schlange oder Messier 13 im Sternbild Herkules. Absolut gesehen ist M 4, im Vergleich mit diesen Kugelhaufen, auch deutlich kleiner und enthält deutlich weniger Sterne. Mit seiner Konzentrationsklasse IX gilt er als einer der lockersten Kugelsternhaufen im gesamten Messier-Katalog.
Der Sternhaufen ist zum Zentrum hin nur schwach konzentriert und besitzt auf die Entfernung gerechnet nur eine Ausdehnung von ca. 75 Lichtjahren. Die Hälfte seiner Sternmasse befindet sich in der inneren Region des Haufens, die einen Durchmesser von nur 16 Lichtjahren besitzt. Der Schwerkrafteinfluss des Kugelhaufens reicht bis in eine Entfernung von 140 Lichtjahren vom Zentrum. Das Alter von M 4 wird auf 12,7 Milliarden Jahre geschätzt. Eine volle Umkreisung um das Zentrum unserer Milchstraße dauert ungefähr 120 Millionen Jahren. Während seines Umlaufs taucht M 4 regelmäßig durch die galaktische Scheibe hindurch und kommt dem Zentrum unserer Heimatgalaxie bis auf 1.000 Lichtjahre nahe. Er kann sich bis zu 30.000 Lichtjahre vom galaktischen Zentrum entfernen.
Das Eintauchen in die galaktische Scheibe hat zur Folge, dass er bei jedem Umlauf, aufgrund von Gezeitenkräften der Milchstraße, einen Teil seiner Masse in Form von Sternen verliert. In der Vergangenheit könnte M 4 somit deutlich massereicher gewesen sein. Messier 4 befindet sich im nördlichen Bereich der galaktischen Bulge unserer Heimatgalaxie. Aus diesem Grund wurde der Sternhaufen auch als Kalibrierungsinstrument verwendet, um die Entfernung zum galaktischen Zentrum genau zu messen. Etwa 15% der Sterne in M 4 sind Doppelsterne und insgesamt 65 veränderliche Sterne sind bekannt.
Zwei Phasen der Sternentstehung, Pulsare und ein Lithiumstern
In Messier 4 wurden zwei Sternpopulationen entdeckt, so dass man vermutet, dass in seiner Vergangenheit zwei Zyklen von Sternentstehung stattgefunden haben muss. Im Schnitt besitzen die Sterne in M 4 nur 8,5% des „Metallgehalts“ unserer eigenen Sonne. In der Astronomie wird die Häufigkeit anderer Elemente als Wasserstoff und Helium als Metallizität bezeichnet. Im Jahr 1995 entdeckte das Hubble-Weltraumteleskop (HST) 258 Weiße Zwerg, die mit einem Alter von fast 13 Milliarden Jahren zu den ältesten bekannten Sternen unseres Milchstraßensystems zählen. Weiße Zwergsterne sind die Kerne alter Sterne, die ihre äußeren Hüllen vor langer Zeit verloren haben. Insgesamt dürfte der Sternhaufen mehr als 40.000 Weiße Zwerge enthalten.
Ein weißer Zwerg besitzt sogar einen Pulsar (PSR B1620-26) als Begleiter, der wahrscheinlich von einem Planeten mit der 2,5‑fachen Jupitermasse, innerhalb von 100 Jahren und in einem Abstand von 35 Astronomischen Einheiten, umkreist wird. Er ist einer der ältesten bekannten extrasolaren Planeten, etwa dreimal so alt wie unser Sonnensystem. 1987 wurde ein Pulsar entdeckt (CX‑1), der eine Pulsperiode von nur 3 Millisekunden aufweist und damit rund 10 Mal schneller rotiert, als der berühmte Pulsar im Krebsnebel (Messier 1). Bei einem Stern in Messier 4 wurde außerdem festgestellt, dass er viel mehr von dem seltenen und leichten Element Lithium enthält als erwartet. Die Quelle dieses Lithiums ist immer noch Gegenstand der Forschung, denn normalerweise wird das Element im Laufe eines Sternenlebens zerstört.
Knapp 1° nordöstlich von Messier 4 befindet sich mit NGC 6144 ein weiterer, in seinem Durchmesser deutlich kleinerer Kugelsternhaufen. Dieser wurde am 22. Mai 1783 von Wilhelm Herschel entdeckt. Der Sternhaufen ist auf Fotos ebenfalls nicht sehr stark konzentriert und besitzt eine Helligkeit von 9,0 Größenklasse. Er ist in 3 bis 4 Zoll großen Teleskopen als unscharfer Nebelfleck erkennbar, befindet sich aber mit 32.000 Lichtjahren Entfernung weiter im Hintergrund. Seine Auflösung in einzelne Sterne erfordert Öffnungen ab 8 Zoll und 100-fache Vergrößerung.
Beobachtung
Messier 4 ist ein leichtes Objekt für alle Optiken. Aufgrund der geringen Horizonthöhe in Mitteleuropa, wird sein Erscheinungsbild oft von Dunst und Lichtverschmutzung getrübt. Im 7x50 Fernglas erscheint der Haufen wie ein verwaschener Lichtball. Im 10x50 Feldstecher erscheint das Zentrum relativ hell und von einem dünnen Lichthof umgeben. Im 16x70 Feldstecher kann unter guten Bedingungen sogar schon sein Ränder in einzelne Sterne aufgelöst werden. Teleskope ab 2 bis 3 Zoll Öffnung und mittlerer Vergrößerung lösen den Kugelsternhaufen ebenfalls schon in den Randbezirken auf. Die hellsten Sterne besitzen Helligkeiten von 10,8 mag. Mit 4 bis 5 Zoll Öffnung und 60 bis 80-facher Vergrößerung ist der Sternhaufen schon vollständig, bis ins Zentrum hinein, in viele einzelne Sterne aufgelöst. Mittlere Teleskope von 6 bis 8 Zoll Öffnung zeigen schon die auffällige Balkenstruktur, die schon Herschel in seinem Teleskop sah. Sie besteht aus 11 mag hellen Sternen, die entlang einer von Norden nach Süden verlaufenden Linie von 2,5 Bogenminuten Länge angeordnet sind. Mit Öffnung von 10 bis 12 Zoll erscheint der Kugelsternhaufen sehr imposant und es lassen sich hunderte Einzelsterne mühelos bis ins Zentrum hinein auflösen.
Messier 4 ist am besten in den Sommermonaten zu beobachten, wenn das Sternbild Skorpion über dem Südhorizont steht. Der Kugelsternhaufen ist sehr leicht zu finden, befindet er sich doch nur 1,3° westlich vom hellen Hauptstern Antares (Alpha Scorpii, 0,96 mag) entfernt. Er bildet mit Antares und Sigma Sco (2,9 mag) ein gleichschenkliges Dreieck und ist schon im 6x30 Sucherteleskop als verwaschenes Sternchen erkennbar.
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Steckbrief für Messier 4
Objektname | Messier 4 |
Katalogbezeichnung | NGC 6121, GCL 41, ESO 517-SC1 |
Typ | Kugelsternhaufen, IX |
Sternbild | Skorpion (Scorpius) |
Rektaszension (J2000.0) | 16h 23m 35,5s |
Deklination (J2000.0) | -26° 31′ 29″ |
V Helligkeit | 5,8 mag |
Flächenhelligkeit | 12,0 mag |
Winkelausdehnung | 26,3′ |
Durchmesser | 75 Lichtjahre |
Entfernung | 7.200 Lichtjahre |
Beschreibung | Cl,8 or 10 B* in line,rrr; Look for central bar structure |
Entdecker | Jean-Philippe Loys de Chéseaux, 1745/46 |
Sternatlanten | Cambridge Star Atlas: Chart 17 & 18 Interstellarum Deep Sky Atlas: Chart 79 Millennium Star Atlas: Charts 1397–1398 (Vol III) Pocket Sky Atlas: Chart 57 Sky Atlas 2000: Chart 22 Uranometria 2nd Ed.: Chart 147 |