Die Tivoli Southern Sky Guest Farm, die wir vom 25. Mai bis 3. Juni 2014 besuchten, befindet sich ungefähr 180 km südöstlich der Hauptstadt Windhoek und auf 1345 Meter Höhe über dem Meeresspiegel. Die Farm ist seit 1963 im Besitz der Familie Schreiber. Neben der Karakulschafzucht, die die Familie betreibt, wurde im Jahr 1986 zwei Betonsäulen für Teleskope errichtet. Später wurde die astronomische Infrastruktur immer weiter ausgebaut. Heutzutage stehen dem Sternfreund zahlreiche Sternwarten und Instrumente zur Verfügung. Aber am besten, man erkundet selbst mal das Farmgelände.
Einen kurzen Eindruck von Tivoli hatten wir schon am 25. Mai, kurz nach unserer Ankunft, bekommen. Jetzt, nach unserer ersten Beobachtungsnacht und kurz nach dem Frühstück, schnappe ich mir meine Kamera und entscheide mich – diesmal aber abseits der regulären Wege – zu einer kleinen Rundtour über die Farm. Gleichzeitig hoffe ich, einige typische Tiere Namibias zu sehen. Die Warnung von Reinhold Schreiber am Vorabend, sich vor Giftschlangen in acht zu nehmen, beherzige ich. Die Warnung kommt nicht von ungefähr, schließlich wird am darauffolgenden Morgen eine gefährliche Puffotter vor Gordens und Enricos Lodge liegen.
Startpunkt des Rundgangs ist die Sternwarte mit dem 16″ Hypergraphen, die sich einige Meter nordwestlich vom Wasserspeicher befindet. Die Windräder, die man auf dem Foto erkennen kann, dienen dazu, das Grundwasser aus der Erde nach oben zu pumpen. Das große Becken dient als Speicher für Brauchwasser, womit auch die Grünflächen von Tivoli bewässert werden. Die grünen und etwas erhöht stehenden Speicher dienen dagegen als Lagertanks für Trinkwasser. Auf dem Sternwartengebäude des Hypergraphen hat man eine wunderbare Aussicht über das Gelände.
Direkt im Süden fallen die Landebahn sowie Unterkünfte der Angestellten auf. Auf der entgegengesetzten Seite blickt man in die Tiefe der namibischen Savanne hinaus. Kaum zu glauben, dass man sich hier auf mehr als 1300 Meter Seehöhe befindet, erscheint die Landschaft doch flach wie ein Spiegel und der Horizont wie mit einem Lineal gezogen. Die Sternwarte wurde am Abend regelmäßig von Uwe belagert, der Papageienpärchen mit dem Fernglas beobachtete. Die Vögel ließen sich jeden Abend, bis kurz nach Sonnenuntergang, auf einem nahe gelegenen Baum nieder und machten es sich gemütlich.
Meine Wanderung über die Farm führt am Hauptzaun entlang. Ein Elektrozaun befindet sich mehrere 100 Meter entfernt und dient dazu, Schakale vom Gelände fernzuhalten. Weitab von den Hauptgebäuden ist die Landschaft geprägt durch hohes gelbes Gras, deren Samen sich regelmäßig in den Socken und Schuhen verfangen und unangenehm kratzen, sowie dornigen Akazienbüschen und Kameldornbäumen. Aufgrund des hohen Anteils an Eisenoxid, ist der Sand der Savanne deutlich rötlich gefärbt.
Bei meinem Rundgang treffe ich zwar auf keine Schlangen – zum Glück – aber auf zahlreiche Eidechsen, die sich am Rand der Wege sonnen und beim Nähertreten schnell ins hohe Gras flüchten. Das Zirpen in den Büschen ist ebenfalls typisch für die Savanne Namibias: Hier findet man, wenn man ganz genau hinschaut, große Raubschrecken, auch Gobabis prawn oder Dickpens genannt. Hier und da schreckt man auch einen Schwarm Blässhühner auf, die im hohen Gras auf ihre Tarnung vertrauen. Diese erkennt man wirklich erst in letzter Sekunde. Ein Springbock, der sich hinter dem Zaun versteckte, kann ich mich bis auf 10 Metern nahe, bis er mich entdeckt und anschließend in die Savanne hinaus flüchtet.
An den zahlreichen Dornenbüschen findet man überall rötliche Termitenhügel, die zum Teil beeindruckende Ausmaße erreichen und bis zu 2 Metern und zum Teil noch höher werden können. Termiten konnte ich in der Mittagshitze Tivolis allerdings keine entdecken.
Neben den Termitenhügel prägen auch die weißen Gebäude der Sternwarten die Landschaft, die sich mit ihrem weißen Anstrich wunderbar plastisch aus der Savanne heben. Die niedrigen Appartements mit den Spitzdächern tragen die Namen berühmten Astronomen. Diese sind mit Einzel- oder Doppelzimmern, sowie Küche, Wohnbereich und einem Badezimmer ausgestattet.
Von den zahlreichen Sternwarten beeindruckte mich am Meisten die russischen Sternwarte. Diese wurde im Jahr 2011 errichtet. Im Gebäude befindet sich ein 16 Zoll Astrograph auf einer Astelco Montierung, der den Namen Astrotrel Robotic Telescope trägt und über das Internet ferngesteuert werden kann.
In mehr als 6 Metern Höhe hat man hier einen wunderschönen Überblick über das gesamte Gelände und natürlich darüber hinaus.
Zurück auf dem gepflasterten Hauptweg stattete ich unserem Beobachtunsgstandort mit dem 12,5 Zoll ICS-Dobson, noch einen Besuch ab. Die Dobson-Beobachterplattform – auf dem Bild mit einem Tisch und zwei Stühlen gekennzeichnet – befindet sich unmittelbarer Nähe zum Sandweg. Das Teleskop hatten wir am Tage immer mit einer silber reflektierenden Plane abgedeckt, um eine Überhitzung des Teleskoptubus zu vermeiden. Im Hintergrund sieht man, auf der gegenüberliegenden Seite des Robotic Telescope, noch ein zweites Sternwartengebäude, das ebenfalls im Remotemodus betrieben werden kann.
Auf dem gepflasterte Weg aus roten Steinen, der die Sternwarten und die Plattformen miteinander verbindet, befinden in regelmäßigen Abständen Steine, die mit einer weißen und reflektierenden Farbe angemalt sind. Diese sind selbst in der Dunkelheit und ohne Beleuchtung gut erkennbar.
Diese Sternwarte, deren Dach auf Schienen gelagert ist, befindet sich in unmittelbarer Nähe zu den Dobson-Plattformen. Der Anbau wurde erst vor wenigen Wochen neu errichtet und soll demnächst als Lagerraum für die Dobson-Teleskope dienen. Inzwischen befindet sich der große 25-Zoll Dobson, das größte Teleskop der Astrofarm, in diesem Gebäude.
Auf dem unteren Bild sind keine Vogelhäuschen erkennbar. Hierbei handelt es sich um überdachte Säulen, die ebenfalls gemietet und mit tragbaren Montierungen versehen werden können. Die braunen Folien dienen als Wind- und Sichtschutz, obwohl wir während unseres Aufenthalts mit Wind und Licht keinerlei Probleme hatten.
Auch domestizierten Tieren begegnet man ab und zu auf Tivoli. Die Karakulschafe sind in in den Stallungen im Hintergrund untergebracht. Die Kühe der Farm, die uns jeden Morgen mit frischer Milch für unseren Kaffee beliefern, stehen in der Regel auf der Weide.
Da die Eingangstür zu Roberts Sternwarte offen steht, statte ich unserem einzigen britischen Sternfreund einen Besuch ab. Dort treffe ich auch auf meinen Astrokumpel Uwe. Zusammen betrachteten sie die Bilder, die in der letzten Nacht entstanden sind. Robert hatte in jener Nacht 63 Objekte aufgenommen – ein Tivoli-Rekord! Obwohl es nur Singleshots sind, können wir uns von der Qualität seiner Bilder überzeugen.
Vorbei am 25x150 Fujinon Fernglas, das uns für die letzten zwei Nächte zur Verfügung stehen wird, gehe ich wieder zurück in Richtung unserer Lodge. Davor stattete ich der Bibliothek noch einen Besuch ab. In dem Gebäude befinden sich außerdem noch zwei weitere Gästeunterkünfte.
In der Bibliothek können sich die Gäste mit reichlich Literatur für die Beobachtungsnacht eindecken. Zur Zeit dient der Raum auch als Lagerraum für die Dobson-Teleskope, die aber demnächst in den weiter oben erwähnten Anbau umziehen werden. Des weiteren ist dort auch ein Gäste-PC mit Internet-Anschluss vorhanden. Auf dem Bild bedient Uwe das zweitgrößte Teleskop der Gästefarm: den 20-Zöller…
Dieser recht eigentümliche Baum befindet sich vor der Unterkunft mit dem Namen „Kepler“. Der Baum ist mit Nestern der Webervögel gespickt. Diese Nester können erhebliche Ausmaße erreichen und werden dann so schwer, bis der tragende Ast unter der Last des Nestes zusammenbricht.
Zurück in unserer Lodge gönne ich mir erstmal eine eisgekühlte Cola. Unser Gästehaus „Kopernikus“ ist mit 2 Einzelzimmern, einer Küche, zwei Bädern und einem Wohnbereich ausgestattet. Die Lodge befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Haupthaus, so dass wir von allen Gästen auf der Farm den weitesten Weg zu unserem Beobachtungsstandort haben.
In diesem Häuschen, der so genannten Lapa, was sich nur 30 Meter von unserer Lodge entfernt befindet, finden wir uns regelmäßig zum Frühstück und Abendessen ein. Wir sind jeden Abend gespannt, was unsere Köchinnen für Köstlichkeiten einfallen lassen. Frisch gestärkt, kann dann die Beobachtungsnacht kommen.
Kurz nach 17 Uhr geht die Sonne auf Tivoli unter. Rund 45 Minuten später ist es stockdunkel und die Milchstraße, mit dem Kreuz des Südens, spannt sich quer über den Himmel. Wir befinden uns, pünktlich zum Sonnenuntergang, wieder am Wasserspeicher, am Ausgangspunkt unseres Rundgangs über die Astrofarm.