Objekte des Monats: Der offene Sternhaufen NGC 6885

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NGC 6885 ist ein offe­ner Stern­hau­fen im Stern­bild Füchs­chen (Vul­pe­cu­la) am Nord­stern­him­mel. Er wur­de am 9. Sep­tem­ber 1784 vom deutsch-bri­ti­schen Astro­no­men Fried­rich Wil­helm Her­schel ent­deckt. Her­schel beschrieb ihn als grob ver­streu­ten und nicht sehr stern­rei­chen Stern­hau­fen. Auch sein Sohn John beob­ach­te­te den Hau­fen und notier­te: „Präch­ti­ger Hau­fen, der mehr als das Feld aus­füllt; locker und durch­ein­an­der; arm an Ster­nen.“ Das Objekt ist auch als Cald­well 37 in Sir Patrick Cald­well-Moo­res Deep-Sky-Kata­log ver­zeich­net. Ein wei­te­res Syn­onym die­ses Hau­fens ist NGC 6882, sel­te­ner wird er als „20 Vul­pe­cu­lae Clus­ter“ bezeichnet.

Ein alter und sternarmer offener Haufen

NGC 6885 ist ein gro­ßer, hel­ler und sehr ver­streu­ter offe­ner Stern­hau­fen. Er befin­det sich nur fünf Grad nord­öst­lich des berühm­ten Han­tel­ne­bels (Mes­sier 27) im Stern­bild Vul­pe­cu­la. Er besitzt eine schein­ba­re Hel­lig­keit von 8,1 mag und eine schein­ba­re Grö­ße von 18 Bogen­mi­nu­ten am Him­mel. Das ent­spricht unge­fähr zwei Drit­teln der schein­ba­ren Grö­ße unse­res Voll­monds. Damit ist das Objekt bereits in Feld­ste­chern und klei­nen Tele­sko­pen sicht­bar. Es han­delt sich um eine stern­ar­me Stern­grup­pe der Trump­ler-Klas­se III 2 p, mit einer gerin­gen bis feh­len­den Kon­zen­tra­ti­on zu Mit­te. Sie besteht aus Ster­nen, die einen brei­ten Hel­lig­keits­be­reich abdecken.

NGC 6885
NGC 6882/6885 80 im Füchs­chen – Auf­nah­me von Bern­hard Hubl, Quel­le: CCD-Gui­de, Astro­no­mi­scher Arbeits­kreis Salzkammergut

Der Stern­hau­fen steht 1.950 Licht­jah­re von der Erde ent­fernt am inne­ren Rand des Ori­on-Spi­ral­arms unse­rer Milch­stra­ße. Auf die Ent­fer­nung gerech­net ergibt sich damit ein wah­rer Durch­mes­ser von unge­fähr 6 Licht­jah­ren. Der Stern­hau­fen umgibt den 5,9 mag hel­len, blau­wei­ßen Be-Stern 20 Vul­pe­cu­lae. Die­ser Stern steht aller­dings meh­re­re 100 Licht­jah­re im Vor­der­grund. Er liegt nur auf der Sicht­li­nie von NGC 6885 und ist dem­zu­fol­ge kein ech­tes Mit­glied des Hau­fens. Mit einem Alter von 1,44 Mil­li­ar­den Jah­ren gehört der Stern­hau­fen zu den ältes­ten sei­ner Klas­se und ent­hält rund 60 Ster­ne der 7. bis 13. Grö­ßen­klas­se. Die meis­ten Mit­glieds­ster­ne befin­den sich nörd­lich, süd­lich oder süd­west­lich von 20 Vulpeculae.

In der Nähe von NGC 6885 befin­den sich wei­te­re inter­es­san­te Deep-Sky-Objek­te: dar­un­ter die HII-Regi­on IC 4954 und der offe­ne Stern­hau­fen NGC 6940.

Herschels rätselhafter zweiter Sternhaufen

Wil­helm Her­schel kata­lo­gi­sier­te zwei Stern­hau­fen in die­ser Him­mels­re­gi­on mit nahe­zu iden­ti­scher Beschrei­bung. Sie sind im NGC-Kata­log als NGC 6882 und NGC 6885 gelis­tet. Nach sei­ner ers­ten Ent­de­ckung beob­ach­te­te er am 10. Sep­tem­ber 1784 einen wei­te­ren Hau­fen, süd­öst­lich des Sterns 18 Vul­pe­cu­lae und direkt süd­lich von 19 Vul­pe­cu­lae, nur 15 Bogen­mi­nu­ten von der ursprüng­li­chen Posi­ti­on ent­fernt. Da sich dort aller­dings kein Stern­hau­fen befin­det, ver­mu­ten For­scher, dass Her­schel hier ein Feh­ler unter­lau­fen sein könn­te. Ver­mut­lich hat er den­sel­ben Stern­hau­fen noch ein­mal beob­ach­tet und sei­ne Posi­ti­on am Him­mel falsch angegeben.

Milchstraße
Milch­stra­ßen­re­gi­on in den Stern­bil­dern Füchs­chen, Pfeil und Adler

Auch spä­te­re Beob­ach­ter wie Per Col­lin­der beschrie­ben einen wei­te­ren, klei­ne­ren und schwä­che­ren Stern­hau­fen (Col­lin­der 416) mit tra­pez­för­mig ange­ord­ne­ten Ster­nen im Hin­ter­grund. Die­ser besitzt eine schein­ba­re Hel­lig­keit von 8,1 mag. Er soll sich am nord­west­li­chen Rand von NGC 6885 befin­den, einen Durch­mes­ser von 7,5 x 3 Bogen­mi­nu­ten auf­wei­sen und rund zwei Dut­zend Mit­glieds­ster­ne umfas­sen. Eini­ge Astro­no­men glau­ben, dass es sich dabei um NGC 6882 han­delt. In den ver­schie­de­nen Stern­at­lan­ten herrscht eben­falls Ver­wir­rung. Manch­mal ist ein Stern­hau­fen über dem ande­ren abge­bil­det, manch­mal sind sie bei­de getrennt und manch­mal fehlt ein Stern­hau­fen völ­lig. In der über­ar­bei­te­ten Ver­si­on des „New Gene­ral Cata­lo­gues” von Wolf­gang Stei­ni­cke gel­ten bei­de Stern­hau­fen (NGC 6882/6885) als iden­ti­sche Objekte.

Beobachtung

Mit einem han­dels­üb­li­chen 7x50 Fern­glas ist an der Posi­ti­on von NGC 6882/6885 ledig­lich eine auf­fäl­li­ge Ver­dich­tung um den Stern 20 Vul­pe­cu­lae wahr­nehm­bar. Wei­te­re Details sind nicht zu erken­nen. Der Stern über­strahlt die schwä­che­ren Hau­fen­mit­glie­der, die theo­re­tisch bereits mit einem klei­nen Feld­ste­cher beob­ach­tet wer­den kön­nen. Mit mei­nem 16x70 Fuji­non-Feld­ste­cher sind die hells­ten Haupt­ster­ne des Hau­fens sicht­bar, die von einem nebe­li­gen Leuch­ten umge­ben sind. Das Zen­trum des Stern­hau­fens erscheint recht locker. Bei einer Öff­nung von 3 bis 4‑Zoll und mitt­le­rer Ver­grö­ße­rung ist der Stern­hau­fen bereits in ein bis zwei Dut­zend ein­zel­ne Ster­ne unter­schied­li­cher Hel­lig­keit auf­ge­löst, die sich ring­för­mig ver­tei­len. Mit Tele­sko­pen von 6 bis 8‑Zoll Öff­nung sind drei Dut­zend Ster­ne in einer annä­hernd drei­ecki­gen Form sicht­bar. Sie ver­tei­len sich locker im Gesichts­feld und wei­sen kei­ner­lei Ver­dich­tung zum Hau­fen­zen­trum auf. Nord­öst­lich von 20 Vul­pe­cu­lae steht ein Paar aus Ster­nen und öst­lich davon befin­den sich vie­le schwä­che­re Ster­ne. Bei noch höhe­rer Ver­grö­ße­rung ver­liert NGC 6885 sei­nen Hau­fen­cha­rak­ter und ver­schmilzt mit dem stern­rei­chen Hin­ter­grund der Sommermilchstraße.

Aufsuchkarte
Auf­such­kar­te für NGC 6882/6885 – erstellt mit SkytechX

NGC 6885 ist von unse­ren Brei­ten aus zir­kum­po­lar und steht vor allem in den Som­mer- und Herbst­mo­na­ten hoch an unse­rem Him­mel, nur 9° ost­süd­öst­lich des hüb­schen Dop­pel­sterns Albi­reo (Beta Cyg, 2,9 mag) im Stern­bild Schwan. Der Stern­hau­fen befin­det sich 7 ¾ Grad nord-nord­öst­lich von Gam­ma Sagit­tae (3,5 mag), der die Spit­ze des Stern­bilds Pfeil mar­kiert und nur 1 ½ Grad süd­west­lich des 4,5 mag hel­len Sterns 23 Vul­pe­cu­lae, der zweit­hel­le Stern im Stern­bild Füchs­chen. Um NGC 6885 auf­zu­su­chen, stel­len wir 23 Vul in die Mit­te des Suchers ein. Nun schwen­ken wir 1 ½ Grad in Rich­tung Süden, bis die Ster­ne 18, 19 und 20 Vul in der Sucher­mit­te auf­tau­chen. Der Stern­hau­fen soll­te nun als deut­li­che Auf­hel­lung um den süd­öst­li­chen Stern die­ses Drei­ecks bereits im Sucher­te­le­skop, spä­tes­tens aber im Oku­lar ein­deu­tig sicht­bar sein.

Auf­such­kar­te NGC 6885 (175,5 KiB, 36 hits)

Steckbrief für NGC 6885

Daten und Fak­ten für den offe­nen Stern­hau­fen NGC 6885 im Füchs­chen (Vul­pe­cu­la)
Objekt­na­meNGC 6885
Kata­log­be­zeich­nungNGC 6882, Col­lin­der 417, OCL 152 
Eigen­na­me20 Vul­pe­cu­lae Cluster
Typoffe­ner Stern­hau­fen, III 2 p
Stern­bildFüchs­chen (Vul­pe­cu­la)
Rekt­aszen­si­on (J2000.0)20h 11m 58,0s
Dekli­na­ti­on (J2000.0)+26° 29′ 00″
V Hel­lig­keit8,1 mag
Win­kel­aus­deh­nung20,0′
Anzahl der Sterne30
Hells­ter Stern6,0 mag
Durch­mes­ser6 Licht­jah­re
Ent­fer­nung1.950 Licht­jah­re
Beschrei­bungCl,vB,vL,Ri,lC,*6..11; H VIII 20; with 20 Vul
Ent­de­ckerFried­rich Wil­helm Her­schel, 1784
Stern­at­lan­tenCam­bridge Star Atlas: Chart 6, 7, 12 & 13
Inter­stel­larum Deep Sky Atlas: Chart 29 & 30
Mill­en­ni­um Star Atlas: Charts 1193–1194 (Vol III)
Pocket Sky Atlas: Chart 64
Sky Atlas 2000: Chart 9
Urano­me­tria 2nd Ed.: Chart 66

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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