Objekte des Monats: Der Bowtie Nebula NGC 40

  • Letz­te Ände­rung:4 Tagen 
  • Lese­zeit:6Minu­ten
  • Wör­ter:1379
  • Bei­trags­auf­ru­fe:20

Der Pla­ne­ta­ri­sche Nebel NGC 40, im nörd­li­chen Stern­bild Kepheus (Cepheus), wur­de am 25. Novem­ber 1788 von dem deutsch-bri­ti­schen Astro­no­men Fried­rich Wil­helm Her­schel mit sei­nem 18,7 Zoll Spie­gel­te­le­skop ent­deckt. Her­schel beschrieb das Objekt als Stern der 9. Grö­ßen­klas­se, der von einem mil­chi­gen Nebel umge­ben sei. Auch sein Sohn John beschrieb das Objekt als Stern mit neb­li­ger Atmo­sphä­re. Im Jahr 1905 bemerk­te die ame­ri­ka­ni­sche Astro­no­min Wil­lia­mi­na Fle­ming ein hel­les Emis­si­ons­spek­trum und iden­ti­fi­zier­te NGC 40 als pla­ne­ta­ri­schen Nebel. Der Nebel ist auch als Cald­well 2 im Kata­log von Sir Patrick Cald­well-Moo­re ver­zeich­net. In die­sem Kata­log sind Deep-Sky-Objek­te auf­ge­führt, die sich mit Ama­teur­te­le­sko­pen beob­ach­ten las­sen. Im eng­li­schen Sprach­raum trägt er auch den Eigen­na­men „Bow­tie Nebu­la“, da er auf­grund sei­nes äuße­ren Erschei­nungs­bil­des an eine Kra­wat­ten­flie­ge erin­nert. Die­sen Spitz­na­men teilt er sich mit einem ande­ren pla­ne­ta­ri­schen Nebel, NGC 2440, der sich im Stern­bild Pup­pis befindet.

Im H‑Alpha Licht leuchtend mit hellen Zentralstern

NGC 40 besitzt eine schein­ba­re Hel­lig­keit von 10,6 mag sowie einen schein­ba­ren Durch­mes­ser von 1,23 × 1,23 Bogen­mi­nu­ten. Er ist bereits in Tele­sko­pen ab einer Öff­nung von 4‑Zoll auf­find­bar. Für eine gute Sicht auf das Objekt ist jedoch min­des­tens das Dop­pel­te die­ser Öff­nung erfor­der­lich. In dem Pla­ne­ta­ri­schen Nebel befin­det sich ein 11,6 mag hel­ler hei­ßer Zen­tral­stern, einer der hells­ten sei­ner Art. Er hat vor 4.500 Jah­ren, am Ende sei­nes Lebens, sei­ne äuße­re Hül­le in den Welt­raum abge­sto­ßen. Die Hül­le dehnt sich aktu­ell mit einer Geschwin­dig­keit von 29 km/s wei­ter aus. Sie wird durch die inten­si­ve UV-Strah­lung des Zen­tral­sterns in sei­nem Zen­trum zum Leuch­ten ange­regt. Dabei heizt sie sich bis auf eine Tem­pe­ra­tur von 10.000 Grad Cel­si­us auf. Der Zen­tral­stern (HD 826) besitzt eine Mas­se von etwa 0,7 Son­nen­mas­sen und den Spek­tral­typ WC8. Er ist ein was­ser­stoff­ar­mer Stern mit aus­ge­präg­ten He‑, C- und O‑Linien. Dies weist auf ein Spek­trum hin, das dem eines koh­len­stoff- und mas­se­rei­chen Wolf-Ray­et-Sterns ähnelt. Er besitzt eine bolo­me­tri­sche Leucht­kraft von etwa 7.000 Son­nen, einen Radi­us von 0,56 Son­nen und eine effek­ti­ve Ober­flä­chen­tem­pe­ra­tur von 71.000 Kelvin.

NGC 40
Der Bow-Tie Nebu­la NGC 40 im Kepheus – Auf­nah­me von Johan­nes Sched­ler, Quel­le: CCD-Gui­de, Astro­no­mi­scher Arbeits­kreis Salzkammergut

Die Tem­pe­ra­tur der Quel­le, die den Nebel ioni­siert, beträgt jedoch ledig­lich 45.000 bis 50.000 Kel­vin. Die Tem­pe­ra­tur des Zen­tral­sterns soll­te jedoch aus­rei­chen, um den Nebel in einen viel höhe­ren Ioni­sa­ti­ons­zu­stand zu ver­set­zen. Dies deu­tet auf das Vor­han­den­sein von abschir­men­dem Mate­ri­al zwi­schen dem Stern und dem leuch­ten­den Nebel hin. Ein sol­ches Mate­ri­al mit höhe­rer Dich­te könn­te sich an der Stoß­gren­ze zwi­schen dem schnel­len Wind des Zen­tral­sterns (etwa 1800 km/s) und den deut­lich lang­sa­mer expan­die­ren­den Nebel­scha­len selbst bil­den. Es könn­te den ultra­vio­let­ten Fluss des Zen­tral­sterns absor­bie­ren und so die Bil­dung hoch ange­reg­ter Lini­en im Nebel ver­hin­dern. In einer Stu­die aus dem Jahr 2019, bei der mit­hil­fe von Infra­rot­be­ob­ach­tun­gen poly­zy­kli­sche aro­ma­ti­sche Koh­len­was­ser­stof­fe (PAK) im Nebel kar­tiert wur­den, wur­de eine toro­ida­le Struk­tur im Nebel ent­deckt, die die­se Absorp­ti­on erklä­ren könn­te. Eine wei­te­re Erklä­rung für die­sen Wider­spruch ist, dass der Stern zuvor küh­ler war, aber einen spä­ten ther­mi­schen Impuls erfah­ren hat, der die Fusi­on erneut ent­zün­de­te und sei­ne Tem­pe­ra­tur anstei­gen ließ.

Inter­es­sant ist, dass die Nebel­hül­le von NGC 40, im Gegen­satz zu den meis­ten Pla­ne­ta­ri­schen Nebeln, vor­ran­gig in der H‑Al­pha-Linie leuch­tet und auf Fotos röt­lich erscheint. Die­ser Spek­tral­be­reich ist für das mensch­li­che Auge weni­ger emp­find­lich. Der Ring leuch­tet dage­gen in der Linie des zwei­fach ioni­sier­ten Sau­er­stoffs (O‑III) und ist deut­lich bes­ser zu erken­nen. So bekommt man einen zar­ten, farb­lo­sen und leicht struk­tu­rier­ten „Rauch­ring” zu Gesicht, der zwar recht deut­lich, aber im Ver­gleich zum berühm­ten Ring­ne­bel in der Lei­er nicht hell leuch­tend zu sehen ist. Eini­ge Regio­nen des Nebels wur­den auf meh­re­re Mil­lio­nen Grad Cel­si­us auf­ge­heizt. Sie strah­len im Rönt­gen­be­reich. Hier trifft ein 900 km/s schnel­ler, stel­la­rer Wind auf inter­stel­la­res Mate­ri­al und übt hohe Kom­pres­si­ons­kräf­te aus. Dadurch ver­liert der Zen­tral­stern jähr­lich Mate­rie in einer Men­ge an die Umge­bung, die dem 500.000stel Teil einer Son­nen­mas­se entsprich.

NGC 40 Chandra/NOAO
Chandra-Rönt­gen­bild und opti­sches NOAO-Kom­po­sit von NGC 40 – Cre­dit: X‑ray: NASA/CXC/RIT/J.Kastner & R.Montez.; Opti­cal: NSF/AURA/NOAO/WIYN), Public domain, via Wiki­me­dia Commons

Mor­pho­lo­gisch gese­hen ähnelt die Hül­le von NGC 40 einem Fass, des­sen Längs­ach­se nach Nord­nord­os­ten zeigt. Sie ist von kon­zen­tri­schen Rin­gen umge­ben, die im opti­schen und infra­ro­ten Spek­trum sicht­bar sind. Um die Pole her­um befin­den sich zwei zusätz­li­che Lap­pen­paa­re, die auf wei­te­re Aus­wür­fe des Sterns zurück­zu­füh­ren sind. Das Nebel­ma­te­ri­al bedeckt vom Zen­tral­stern aus gese­hen etwa 25 % des Him­mels. Dies deu­tet auf einen asym­me­tri­schen Mas­sen­ver­lust des Sterns im asym­pto­ti­schen Rie­sen­ast­sta­di­um hin. Die Rota­ti­ons­sym­me­trie­ach­se des Nebels ist in einem Win­kel von etwa 20° zu unse­rer Sicht­li­nie geneigt.

In der astro­no­mi­schen Lite­ra­tur wird die Ent­fer­nung zu NGC 40 zumeist mit 3.500 Licht­jah­ren ange­ge­ben. Das ent­spricht einem wah­ren Durch­mes­ser von unge­fähr 1,25 Licht­jah­ren. Neue­re Quel­len geben sogar eine Distanz von 6.900 Licht­jah­ren an. Die im Tele­skop sicht­ba­re inne­re Hül­le ist von einem weit­läu­fi­gen Halo aus Fila­men­ten umge­ben. Die­se erstreckt sich bis in eine Ent­fer­nung von 2,3 Licht­jah­ren von der zen­tra­len Scha­le in den Raum. Die äußers­ten Regio­nen frü­he­rer Erup­tio­nen, die vor allem im infra­ro­ten Licht zu sehen sind, besit­zen sogar den vier- bis fünf­fa­chen Durch­mes­ser des Nebels. Die­se Fila­mentstruk­tur ent­stand wahr­schein­lich, als der Zen­tral­stern noch ein Roter Rie­se auf dem asym­pto­ti­schen Rie­sen­ast war. In unge­fähr 30.000 Jah­ren wird die Tem­pe­ra­tur des Zen­tral­sterns so weit gesun­ken sein, dass sich das Gas in der Nebel­hül­le ver­dünnt und ver­teilt hat und der Nebel schließ­lich unsicht­bar wird. Der Zen­tral­stern wird zu einem wei­ßen Zwerg, einem dich­ten Stern­über­rest in der Grö­ße der Erde.

Auf lang belich­te­ten Fotos ist der Bow-Tie-Nebel von wei­te­ren Fila­men­ten umge­ben, die im Hin­ter­grund lie­gen. Die­se Fila­men­te sind deut­lich wei­ter ent­fernt und ste­hen nicht mit dem Nebel in Ver­bin­dung. Sie gehö­ren zum gro­ßen Super­no­va-Über­rest CTA 1, der sich über eine Stre­cke von 1,5 Grad des Him­mels erstreckt.

Beobachtung

Unter guten Bedin­gun­gen ist NGC 40 bereits mit Tele­sko­pen ab 4 bis 5‑Zoll Öff­nung und rund 90-facher Ver­grö­ße­rung als run­des, neb­li­ges Fleck­chen erkenn­bar. Er bil­det zusam­men mit zwei hel­le­ren, oran­ge­far­be­nen Ster­nen der 9. Grö­ßen­klas­se ein stump­fes Drei­eck. Der Zen­tral­stern ist aller­dings nur indi­rekt sicht­bar. Unter­halb einer 30-fachen Ver­grö­ße­rung über­strahlt der Zen­tral­stern den Pla­ne­ta­ri­schen Nebel, sodass die­ser fast wie ein Stern erscheint. Ein UHC-Fil­ter ver­bes­sert den Kon­trast zum Nebel gegen­über der Umge­bung deut­lich. Bei abge­wand­tem Blick erscheint der Nebel deut­lich oval und ist in Rich­tung Süd­ost-Nord­west aus­ge­rich­tet. In Tele­sko­pen mit 6 bis 8‑Zoll Öff­nung und 120-facher Ver­grö­ße­rung erscheint NGC 40 etwas hel­ler und oval mit einem gut sicht­ba­ren Zen­tral­stern. Die Nebel­hül­le wird zur Mit­te hin etwas hel­ler. Bei höhe­rer Ver­grö­ße­rung von 200-fach ist ein schwa­cher, dün­ner Ring zu erah­nen. Die Rän­der erschei­nen leicht unscharf, dafür ist der Zen­tral­stern nun leich­ter zu sehen. Die Far­be des Nebels erscheint bei klei­ner Ver­grö­ße­rung eher weiß­lich als grün­lich-tür­kis, wie es bei den meis­ten ande­ren Pla­ne­ta­ri­schen Nebeln der Fall ist. Bei indi­rek­tem Sehen besitzt NGC 40 sogar einen leich­ten Blinkeffekt.

Aufsuchkarte
Auf­such­kar­te für NGC 40 – erstellt mit SkytechX

Bei hoher Ver­grö­ße­rung erscheint NGC 40 im 10 bis 12-Zöl­ler leicht qua­dra­tisch. E es ist eine Zwei­scha­len­struk­tur zu erken­nen. Im Wes­ten und Osten kommt der Ring sehr gut zur Gel­tung. Im Nor­den und Süden erscheint der Nebel offen, mit einem schwa­chen Halo, der in den Hin­ter­grund über­geht. Die Nebel­rän­der wir­ken hel­ler. Bei einer Ver­grö­ße­rung von über 200-fach erscheint der Ring wulst­för­mig mit zwei mar­kan­ten Kno­ten, einem im Süd­os­ten und einem im Nord­wes­ten. Der Zen­tral­stern mit einer Hel­lig­keit von 12 mag ist nun sehr gut zu erken­nen und befin­det sich in einem dunk­len Hohl­raum. Mit noch grö­ße­ren Öff­nun­gen und einer hohen Ver­grö­ße­rung von 270-fach sind nun auch meh­re­re Hel­lig­keits­schwan­kun­gen, Seg­men­te und Kno­ten über die kom­plet­te Nebel­hül­le hin­weg erkenn­bar. Der Nebel reagiert nur mäßig auf einen OIII-Filter.

NGC 40 befin­det sich nur 17° bis 18° vom nörd­li­chen Him­mels­pol ent­fernt. Er ist zir­kum­po­lar und kann des­halb das gan­ze Jahr über beob­ach­tet wer­den. Die bes­te Zeit dafür sind die Herbst­mo­na­te, in denen das Stern­bild Kepheus hoch am Him­mel steht. Lei­der befin­det sich der Pla­ne­ta­ri­sche Nebel in einer stern­ar­men Regi­on im öst­li­chen Bereich des Cepheus. Aus die­sem Grund ist er nicht leicht zu fin­den. Am bes­ten ori­en­tiert man sich an Errai (Gam­ma Cep, 3,2 mag), der mit Sche­dar (Gam­ma Cas, 1,6 mag) eine Linie bil­det. NGC 40 liegt unge­fähr auf einem Drit­tel des Weges ent­lang die­ser Linie.

Auf­such­kar­te Bow­tie Nebu­la (NGC 40) (123,6 KiB, 36 hits)

Steckbrief für NGC 40

Daten und Fak­ten für den Pla­ne­ta­ri­schen Nebel NGC 40 im Kepheus (Cepheus)
Objekt­na­meNGC 40
Kata­log­be­zeich­nungPK 120+9.1, PN G120.0+09.8, IRAS 00102+7214, ARO 1 
Eigen­na­meBow­tie Nebula
TypPla­ne­ta­ri­scher Nebel, PN 3b(3)
Stern­bildKepheus (Cepheus)
Rekt­aszen­si­on (J2000.0)00h 13m 01,0s
Dekli­na­ti­on (J2000.0)+72° 31′ 21″
V Hel­lig­keit7,3 mag
Flä­chen­hel­lig­keit6,9 mag
Win­kel­aus­deh­nung1,0′ x 0,7′
Hel­lig­keit Zentralstern10,6 mag
Expan­si­ons­ge­schwin­dig­keit29,0 km/s
Durch­mes­ser1,25 Licht­jah­re
Ent­fer­nung3.500 Licht­jah­re
Beschrei­bungF,vS,R,vsmbM,L*cont; H IV 58;PK120+9.1;Lord Ros­se saw spi­ral structure
Ent­de­ckerFried­rich Wil­helm Her­schel, 1788
Stern­at­lan­tenCam­bridge Star Atlas: Chart 1
Inter­stel­larum Deep Sky Atlas: Chart 2 & 7
Mill­en­ni­um Star Atlas: Charts 23–24 (Vol I)
Pocket Sky Atlas: Chart 1
Sky Atlas 2000: Chart 1
Urano­me­tria 2nd Ed.: Chart 8

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert