Objekte des Monats: Der Kugelsternhaufen Messier 62

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Der Kugel­stern­hau­fen Mes­sier 62 (NGC 6266), im äqua­tor­na­hen Stern­bild Schlan­gen­trä­ger (Ophiu­chus), wur­de am 7. Juni 1771 von dem fran­zö­si­schen Astro­no­men Charles Mes­sier ent­deckt. Erst am 4. Juni 1779, also acht Jah­re spä­ter, nahm er den Hau­fen in sei­nen berühm­ten Kata­log der Stern­hau­fen und Nebel auf, nach­dem er die Posi­ti­on von M 62 genau­er bestimmt hat­te. Er beschrieb den Stern­hau­fen als kome­ten­ähn­li­chen Nebel mit einem hel­len Zen­trum, das von einem schwa­chen Leuch­ten umge­ben ist. Der deutsch-bri­ti­sche Astro­nom Fried­rich Wil­helm Her­schel war schließ­lich im Jahr 1785 der ers­te Beob­ach­ter, der den Kugel­hau­fen mit sei­nem 20-Fuß-Tele­skop in sei­ne Ein­zel­ster­ne auf­lös­te. Er ver­glich ihn mit einer Minia­tur­aus­ga­be von Mes­sier 3. Auf­grund sei­ner süd­li­chen Lage am Him­mel ist Mes­sier 62 von Mit­tel­eu­ro­pa aus recht schwie­rig zu beobachten.

Ein beeindruckender Kugelhaufen für südlichere Standorte

Mes­sier 62 ist mit einer Hel­lig­keit von 6,4 mag schon in Fern­glä­sern und klei­nen Tele­sko­pen gut sicht­bar. Lei­der erreicht er aber mit einer Dekli­na­ti­on von ‑30 Grad von Mit­tel­eu­ro­pa aus gese­hen nur gerin­ge Höhen über dem Hori­zont. Daher bleibt der Kugel­stern­hau­fen in unse­ren Brei­ten auch mit grö­ße­ren Instru­men­ten eher unauf­fäl­lig. Der Stern­hau­fen befin­det sich 22.200 Licht­jah­re von der Erde ent­fernt und besitzt einen schein­ba­ren Durch­mes­ser von gut 14,1 Bogen­mi­nu­ten. Damit erscheint der Kugel­stern­hau­fen etwa halb so groß wie der Voll­mond an unse­rem Him­mel. Die wah­re Aus­deh­nung von M 62 wird in der astro­no­mi­schen Lite­ra­tur mit etwa 110 Licht­jah­ren, sei­ne Mas­se mit mehr als 1,22 Mil­lio­nen Son­nen­mas­sen und die Zahl sei­ner Mit­glie­der mit 500.000 ange­ge­ben. Damit gehört er zu den 10 größ­ten und mas­se­reichs­ten Kugel­stern­hau­fen unse­res Milch­stra­ßen­sys­tems. Sei­ne abso­lu­te Hel­lig­keit beträgt ‑9,18 mag und sein Alter 11,4 Mil­li­ar­den Jah­re. Auf­grund der Absorp­ti­on durch dem Kugel­stern­hau­fen vor­ge­lag­ter­ten inter­stel­la­rem Staub beträgt der Licht­ver­lust gut 2,4 Größenklassen.

Messier 62
Mes­sier 80 im Schlan­gen­trä­ger – Auf­nah­me von Micha­el Brei­te, Ste­fan Heutz & Wolf­gang Ries, Quel­le: CCD-Gui­de, Astro­no­mi­scher Arbeits­kreis Salzkammergut

Auf­grund sei­ner süd­li­chen Posi­ti­on am Him­mel lässt sich Mes­sier 62 am bes­ten von süd­li­chen Stand­or­ten wie Nami­bia aus beob­ach­ten. Dort kul­mi­niert der Stern­hau­fen in Zenit­nä­he und erscheint uns ähn­lich hell und ein­drucks­voll wie Mes­sier 3 im Stern­bild Canes Ven­ta­ti­ci. Der Stern­hau­fen befin­det sich in einer der ster­nen­reichs­ten Regio­nen unse­rer Milch­stra­ße, in der Nähe des zen­tra­len Bul­ge. Auf lang­be­lich­te­ten Auf­nah­men ist die­se Regi­on mit schwa­chen Ster­nen über­sät. Mes­sier 62 ist ein typi­scher „Bulge“-Sternhaufen, der eine ziem­lich unre­gel­mä­ßi­ge Form hat. Sein Zen­tral­be­reich ist nach Süd­os­ten hin ver­scho­ben. Als Ursa­che für die­se Ver­for­mung wer­den Gezei­ten­kräf­te unse­rer Milch­stra­ße auf­grund der gro­ßen Nähe zum galak­ti­schen Zen­trum von nur 5.500 Licht­jah­ren ver­mu­tet. Ein wei­te­rer Grund könn­te die stär­ke­re Absorp­ti­on durch die Vor­der­grund­ma­te­rie auf der Süd­sei­te des Stern­hau­fens sein, die sich zwi­schen dem Stern­hau­fen und unse­rem Son­nen­sys­tem befindet.

Antares Region
Die mit Gas und Staub durch­setz­te Ant­ares und Ophiu­chus-Nebel­re­gi­on © Andre­as Schnabel

Der Kern des Kugel­hau­fens scheint sehr dicht zu sein. Man ver­mu­tet, dass der Hau­fen ähn­lich wie ande­re Kugel­stern­hau­fen in unse­rer Milch­stra­ße wie zum Bei­spiel Mes­sier 15, Mes­sier 30, Mes­ser 70 und mög­li­cher­wei­se auch Mes­sier 79, einen Kern­kol­laps erlit­ten hat. Der Kugel­stern­hau­fen ent­hält zudem zwei Stern­ge­nera­tio­nen. Von den Haupt­rei­hen­ster­nen gehö­ren etwa 79% der ers­ten und 21% der zwei­ten Gene­ra­ti­on an. Die zwei­te Gene­ra­ti­on weist auch einen höhe­ren Anteil an schwe­ren Ele­men­ten auf, die von der ers­ten Gene­ra­ti­on frei­ge­setzt wur­den. Wahr­schein­lich fan­den in M 62 zwei getrenn­te Stern­ent­ste­hungs­pro­zes­se statt.

Veränderliche Sterne und Röntgenquellen

Für einen Kugel­stern­hau­fen besitzt M 62 eine rela­tiv gro­ße Anzahl ver­än­der­li­cher Ster­ne. Allein im Jahr 1970 wur­den 89 Ver­än­der­li­che ent­deckt. Hier­bei han­delt es sich zumeist um kurz­pe­ri­odi­sche Ver­än­der­li­che vom Typ RR Lyrae. Die­se Hau­fen­ver­än­der­li­chen sind für die kos­mi­sche Ent­fer­nungs­be­stim­mung von gro­ßer Bedeu­tung. Gegen­wär­tig beläuft sich die Zahl der ent­deck­ten RR-Lyrae-Ster­ne auf 209, was den Hau­fen in Bezug auf die Anzahl sie­ser Ster­ne zum reichs­ten Stern­hau­fen der gesam­ten Milch­stra­ße macht. Allein die Gesamt­zahl aller ver­än­der­li­chen Ster­ne beträgt nach einer im Jahr 2010 ver­öf­fent­lich­ten Stu­die 245! Auch hier gibt es eine Asym­me­trie. Denn im nörd­li­chen Teil des Hau­fens ist die Zahl der Ver­än­der­li­chen grö­ßer. Dar­über hin­aus sind der­zeit vier Typ II Cep­hei­den, 25 lang­pe­ri­odi­sche Ver­än­der­li­che und ein bede­ckungs­ver­än­der­li­cher Dop­pel­stern bekannt. Dar­über hin­aus wur­den 47 Blaue Nach­züg­ler (Blue Stragg­lers) iden­ti­fi­ziert. Die­se kon­zen­trie­ren sich vor allem auf das Zen­trum des Hau­fens. Die Stern­dich­te in sei­nem Zen­trum beträgt 5,13 Son­nen­mas­sen pro Kubik­par­sec. Bei so vie­len Ster­nen im Zen­trum kann es häu­fig zu Wech­sel­wir­kun­gen und Ver­schmel­zun­gen kom­men, aus denen die­se Blue Stragg­lers ent­ste­hen können.

Messier 62 Hubble
Mes­sier 62 in einer Auf­nah­me des Hub­ble-Welt­raum­te­le­skops – Cre­dit: ESA/Hubble & NASA, S. Ander­son et al., CC BY 4.0, via Wiki­me­dia Commons

Mit Hil­fe des Rönt­gen­ob­ser­va­to­ri­ums Chandra wur­den in den letz­ten Jah­ren zahl­rei­che Rönt­gen­quel­len ent­deckt. Davon befin­den sich 50 inner­halb des Halb­mas­sen­ra­di­us von 9,6 Licht­jah­ren. Man geht davon aus, dass es sich dabei um enge Stern­paa­re oder um Mil­li­se­kun­den-Pul­sa­re in einem engen Dop­pel­stern­sys­tem mit Wei­ßen Zwer­gen han­delt, die durch enge Wech­sel­wir­kun­gen der Ster­ne inner­halb des Hau­fens ent­stan­den sind. Der schnells­te die­ser Pul­sa­re rotiert in nur 2,295 Mil­li­se­kun­den um sei­ne Ach­se. Der­zeit sind zehn binä­re Mil­li­se­kun­den­pul­sa­re bekannt. So umkreist der Pul­sar J1701-3006B sei­nen Nach­barn in gut 0,144 Tagen. Auch der Mil­li­se­kun­den­pul­sar M62B zeigt ein Bede­ckungs­ver­hal­ten, das auf Gas­strö­me von sei­nem Beglei­ter zurück­zu­füh­ren ist. M62H wird sogar von einem Exo­pla­ne­ten umkreist. Die­ser besitzt etwa die drei­fa­che Mas­se des Pla­ne­ten Jupi­ter. Im Jahr 2013 wur­de zudem ein Schwar­zes Loch stel­la­rer Mas­se (M62-VLA1) gefun­den. Es war das ers­te Schwar­ze Loch, das jemals in einem Kugel­stern­hau­fen der Milch­stra­ße ent­deckt wur­de. Radio­emis­sio­nen deu­ten fer­ner dar­auf hin, dass sich im Kern von Mes­sier 62 sogar ein Schwar­zes Loch mitt­le­rer Mas­se mit meh­re­ren tau­send Son­nen­mas­sen befin­den könnte.

Beobachtung

Unter einem dunk­len Land­him­mel und guter Hori­zont­sicht erscheint M 62 bereits im 10x50 Feld­ste­cher als klei­ner, schwa­cher, ova­ler Licht­fleck in einem reiz­vol­len Ster­nen­feld mit zahl­rei­chen Dun­kel­ne­beln. In Nami­bia ist der Stern­hau­fen sogar mit dem blo­ßen Auge zu erken­nen. Auf­grund der Ster­nen­fül­le der süd­li­chen Milch­stra­ße wird er jedoch leicht über­se­hen. Im 2,5 bis 3‑Zoll-Tele­skop erscheint der Kugel­stern­hau­fen wie ein klei­ner, rund­li­cher Komet mit einer auf­fäl­li­gen Kern­re­gi­on. Bei 4 bis 6‑Zoll Öff­nung und mitt­le­rer Ver­grö­ße­rung erscheint der Rand­be­reich des Hau­fens bereits leicht kör­nig. Das hel­le­re Zen­trum des Hau­fens ist etwas exzen­trisch vom Kern ver­scho­ben, was beson­ders bei indi­rek­tem Sehen auf­fällt. Das gesam­te Objekt erscheint des­halb wie ein klei­ner Komet, mit einem „Schweif“ in nord­west­li­cher Richtung.

Aufsuchkarte
Auf­such­kar­te für Mes­sier 62 – erstellt mit SkytechX

Bei 8 bis 10-Zoll Öff­nung und mitt­le­ren bis hohen Ver­grö­ße­run­gen sind in den Rand­be­rei­chen von M 62 bereits die ers­ten Ster­ne zu erken­nen. Der Zen­tral­be­reich bleibt aber noch dif­fus und erscheint in einem gelb­li­chen bis blass­röt­li­chen Ton. Ins­ge­samt wirkt der 8 Bogen­mi­nu­ten gro­ße Stern­hau­fen in Nord-Süd-Rich­tung aus­ge­dehnt. Selbst bei noch grö­ße­rer Öff­nung sind visu­ell nur die Ster­ne wahr­nehm­bar, die sich 4 bis 5 Bogen­mi­nu­ten um das Zen­trum her­um anord­nen. Sie sind in einer Art kon­zen­tri­scher Stern­rin­ge ange­ord­net und kon­zen­trie­ren sich vor allem im Nor­den und Wes­ten des Hau­fens. Der Kern erscheint bei höhe­ren Ver­grö­ße­run­gen bereits gemot­telt. Nur 3 ½ Grad nörd­lich von Mes­sier 62 befin­det sich der 7,2 mag hel­le Kugel­stern­hau­fen Mes­sier 19, Die­ser ähnelt in Mor­pho­lo­gie und Hel­lig­keit M 62. Jedoch erscheint er weni­ger dicht und kompakt.

Mes­sier 62 ist am bes­ten in den Mona­ten Mai, Juni und Juli zu beob­ach­ten, wenn das Objekt dicht über dem Süd­ho­ri­zont kul­mi­niert. Der Kugel­stern­hau­fen liegt direkt an der Gren­ze zum Stern­bild Skor­pi­on, wo es kei­ne hel­len Ster­ne gibt, zwi­schen den Ster­nen The­ta Ophiuchi (3,3 mag) und Epsi­lon Scor­pii (2,3 mag), etwa ein Drit­tel näher an Epsi­lon und 7 ½ Grad süd­öst­lich von Ant­ares. M 62 bil­det ein recht­wink­li­ges Drei­eck mit dem 1,0 mag hel­len Ant­ares (Alpha Sco) und dem 4 ¾ Grad süd­li­che­ren Stern Epsi­lon. Nord­öst­lich von Epsi­lon Scor­pii befin­det sich ein Stern der 5. Grö­ßen­klas­se. Nur 2 ½ Grad nörd­lich die­ses Sterns soll­te M 62 bereits im Sucher­fern­rohr zu sehen sein.

Auf­such­kar­te Mes­sier 62 (52,6 KiB, 38 hits)

Steckbrief für Messier 62

Daten und Fak­ten für den Kugel­stern­hau­fen Mes­sier 62 im Schlan­gen­trä­ger (Ophiu­chus)
Objekt­na­meMes­sier 62
Kata­log­be­zeich­nungNGC 6266, GCL 51, ESO 453-SC14
TypKugel­stern­hau­fen, IV
Stern­bildSchlan­gen­trä­ger (Ophiu­chus)
Rekt­aszen­si­on (J2000.0)17h 01m 12,6s
Dekli­na­ti­on (J2000.0)-30° 06′ 42″
V Hel­lig­keit6,4 mag
Flä­chen­hel­lig­keit11,0 mag
Win­kel­aus­deh­nung15,0′
Durch­mes­ser110 Licht­jah­re
Ent­fer­nung22.200 Licht­jah­re
Beschrei­bungvB,L,gmbM,rrr; Asym­me­tri­cal
Ent­de­ckerCharles Mes­sier, 1771
Stern­at­lan­tenCam­bridge Star Atlas: Chart 18
Inter­stel­larum Deep Sky Atlas: Chart 79
Mill­en­ni­um Star Atlas: Charts 1417–1418 (Vol III)
Pocket Sky Atlas: Chart 58
Sky Atlas 2000: Chart 22
Urano­me­tria 2nd Ed.: Chart 164

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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