Astronomen haben mit Hilfe des NASA/ESA-Weltraumteleskops Hubble entdeckt, dass der stark gebündelte Strahl eines supermassereichen Schwarzen Lochs im Zentrum einer riesigen Galaxie offenbar Sterne entlang seiner Flugbahn zum Ausbruch bringt. Die Sterne, die Novae genannt werden, befinden sich nicht im Inneren des Jets, sondern offenbar in einer gefährlichen Umgebung.

Der Befund verwirrt Forscher, die nach einer Erklärung suchen. „Wir wissen nicht, was los ist, aber es ist einfach eine sehr aufregende Entdeckung“, sagte Hauptautor Alec Lessing von der Stanford University. „Das bedeutet, dass etwas in unserem Verständnis darüber fehlt, wie Jets von Schwarzen Löchern mit ihrer Umgebung interagieren.“
In einem Doppelsternsystem bricht eine Nova aus, wenn ein alternder, aufgeblähter, normaler Stern Wasserstoff auf einen ausgebrannten Begleitstern, einen Weißen Zwerg, überträgt. Wenn der Weiße Zwerg eine mehrere Kilometer dicke Wasserstoffschicht auf seiner Oberfläche angesammelt hat, explodiert diese Schicht wie eine riesige Atombombe. Der Weiße Zwerg wird durch den Novaausbruch nicht zerstört, sondern stößt seine Oberflächenschicht ab und saugt dann wieder Brennstoff von seinem Begleitstern ab, so dass der Zyklus des Novaausbruchs von neuem beginnt.
Hubble hat nun in der Nähe des Jets doppelt so viele Novae entdeckt wie anderswo in der Riesengalaxie im untersuchten Zeitraum. Der Jet wird von einem zentralen Schwarzen Loch mit einer Masse von 6,5 Milliarden Sonnenmassen ausgestoßen, das von einer Scheibe aus wirbelnder Materie umgeben ist. Das mit einfallender Materie gesättigte Schwarze Loch stößt einen 3.000 Lichtjahre langen Plasmastrahl aus, der mit nahezu Lichtgeschwindigkeit durch den Weltraum rast. Alles, was in den Energiestrahl gerät, würde verglühen. Den neuen Hubble-Erkenntnissen zufolge ist es aber offenbar auch riskant, sich in der Nähe des glühenden Ausflusses aufzuhalten. Die Tatsache, dass doppelt so viele Novae in der Nähe des Jets gefunden wurden, deutet darauf hin, dass es in der Nähe des Jets doppelt so viele Doppelsternsysteme gibt, die Novae erzeugen, oder dass diese Systeme doppelt so häufig ausbrechen wie ähnliche Systeme anderswo in der Galaxie.
„Irgendetwas macht der Jet mit den Sternensystemen, die in seine Umgebung geraten. Vielleicht überträgt der Jet irgendwie Wasserstoffbrennstoff auf die Weißen Zwerge, so dass sie häufiger ausbrechen“, sagt Lessing. „Aber es ist nicht klar, ob es sich um einen physikalischen Vortrieb handelt. Es könnte der Effekt des Drucks des Lichts sein, das von dem Strahl ausgeht. Wenn man Wasserstoff schneller abgibt, kommt es auch schneller zu Ausbrüchen. Irgendetwas könnte die Massentransferrate auf die Weißen Zwerge in der Nähe des Jets verdoppeln.“ Eine weitere Idee der Forscher war, dass der Jet den Begleitstern des Zwerges aufheizt, so dass dieser sich weiter ausdehnt und mehr Wasserstoff auf den Zwergstern abgibt. Die Forscher berechneten jedoch, dass diese Erwärmung bei weitem nicht ausreicht, um einen solchen Effekt zu erzielen.
„Wir sind nicht die ersten, die gesagt haben, dass rund um den M87-Jet offenbar mehr Aktivität gibt“, sagt Michael Shara vom American Museum of Natural History in New York City, der an der Studie mitgewirkt hat. „Aber Hubble hat diese verstärkte Aktivität mit viel mehr Beispielen und statistischer Signifikanz gezeigt, als wir jemals zuvor hatten.“

Kurz nach dem Start von Hubble im Jahr 1990 warfen Astronomen mit der ersten Generation der Faint Object Camera (FOC) einen Blick in das Zentrum von M87, wo sich das monströse Schwarze Loch befindet. Dabei stellten sie fest, dass sich rund um das Schwarze Loch ungewöhnliche Dinge abspielten. Fast jedes Mal, wenn Hubble hinschaute, sahen die Astronomen bläuliche „transiente Ereignisse“, die auf Novae hindeuten könnten, die wie Blitzlichter von Paparazzi-Kameras in der Nähe auftauchen. Allerdings war der Blickwinkel des FOC so eng, dass die Hubble-Astronomen nicht vom Jet wegschauen konnten, um ihn mit der Region in der Nähe des Jets zu vergleichen. Nach mehr als zwei Jahrzehnten der Beobachtung sind die neuen Ergebnisse nicht weniger rätselhaft.
Überzeugende Beweise für den Einfluss des Jets auf die Sterne in der Muttergalaxie wurden über einen Zeitraum von neun Monaten gesammelt, als Hubble mit neueren Kameras mit größerem Gesichtsfeld beobachtete, um ausbrechende Novae zu zählen. Dies stellte eine Herausforderung für den Beobachtungsplan des Teleskops dar, da M87 genau alle fünf Tage für eine neue Momentaufnahme aufgesucht werden musste. Die Summe aller Aufnahmen von M87 ergab die tiefsten Bilder, die jemals von M87 gemacht wurden.
Hubble fand 94 Novae in dem Drittel von M87, das seine Kamera erfassen kann. „Der Jet war nicht das Einzige, was wir untersuchten – wir betrachteten die gesamte innere Galaxie. Sobald man alle bekannten Novae in M87 eingezeichnet hatte, brauchte man keine Statistiken, um sich davon zu überzeugen, dass es entlang des Jets einen Überschuss an Novae gibt. Das ist keine Raketenwissenschaft. Wir haben die Entdeckung einfach durch Betrachten der Bilder gemacht. Und obwohl wir wirklich überrascht waren, haben unsere statistischen Analysen der Daten bestätigt, was wir eindeutig gesehen haben“, sagt Shara.
„Wir sind Zeugen eines faszinierenden, aber rätselhaften Phänomens“, kommentierte Chiara Circosta, eine ESA-Forschungsstipendiatin, die die Auswirkungen von akkretierenden supermassiven Schwarzen Löchern auf die sie beherbergenden Galaxien im fernen Universum untersucht. „Ich war von dieser Entdeckung sehr überrascht. Solche detaillierten Beobachtungen von nahen Galaxien sind wertvoll, um unser Verständnis darüber zu erweitern, wie Jets mit ihren Wirtsgalaxien interagieren und möglicherweise die Sternentstehung beeinflussen.“
Diese Leistung ist ausschließlich den einzigartigen Fähigkeiten von Hubble zu verdanken. Die Bilder bodengebundener Teleskope sind nicht scharf genug, um die Novae tief im Inneren von M87 zu erkennen. Sie können keine Sterne oder stellaren Ausbrüche in der Nähe des Galaxienkerns auflösen, weil die Umgebung des Schwarzen Lochs viel zu hell ist. Nur Hubble kann Novae vor dem hellen Hintergrund von M87 erkennen.
Novae sind im Universum bemerkenswert häufig. Jeden Tag bricht irgendwo in M87 eine Nova aus. Da es aber im gesamten sichtbaren Universum mindestens 100 Milliarden Galaxien gibt, brechen jede Sekunde irgendwo da draußen etwa eine Million Novae aus.
ESA/Hubble/Webb Information Centre
Hintergrundinformationen
Das Hubble-Weltraumteleskop ist ein Projekt der internationalen Zusammenarbeit zwischen ESA und NASA.
Bildnachweis: NASA, ESA, J. Olmsted (STScI)
Links
Wissenschaftliches Paper
Veröffentlichung auf der STScI-Website
Veröffentlichung auf der ESA-Website
Link zur Pressemitteilung: ESA/Hubble/Webb weic2411
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