Objekte des Monats: Die Spiralgalaxie Messier 77

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Die Gala­xie Mes­sier 77 (NGC 1068), im Stern­bild Wal­fisch (Cetus), wur­de am 29. Okto­ber 1780 von dem fran­zö­si­schen Astro­no­men Pierre Méchain ent­deckt. Méchain beschrieb das Objekt als Hau­fen schwa­cher Ster­ne, der etwas Nebel ent­hält. Méchains teil­te sei­ne Ent­de­ckung sei­nem Freund und Kol­le­gen Charles Mes­sier mit, der das Objekt am 17. Dezem­ber 1780 in sei­ne berühm­te Nebel­lis­te auf­nahm. Mes­sier und auch der deutsch-bri­ti­sche Astro­nom Wil­helm Her­schel beschrie­ben M 77 fälsch­li­cher­wei­se als einen Stern­hau­fen. Erst der iri­sche Astro­nom Lord Ros­se ent­deck­te im Jahr 1850, dass das Objekt tat­säch­lich eine Spi­ral­struk­tur zeigt und zu den „Spi­ral­ne­beln“ gerech­net wer­den muss. Er nahm M 77 schließ­lich in sei­ne Lis­te von 14 „Spi­ral­ne­beln“ auf. Als der ame­ri­ka­ni­sche Astro­nom Ves­to M. Slipher, zwi­schen den Jah­ren 1912 bis 1915, an Gala­xien­spek­tren arbei­te­te, war M 77, neben M 104 im Stern­bild Jung­frau, eine der Objek­te, bei denen er eine gro­ße Rot­ver­schie­bun­gen fest­stell­te. Dies führ­te spä­ter zur Erkennt­nis, dass es sich bei den „Spi­ral­ne­beln“ um eige­ne Ster­nen­sys­te­me, ähn­lich unse­rer Milch­stra­ße, han­del­te. Mes­sier 77 gehört zu den größ­ten Gala­xien im Mes­sier-Kata­log und ist eben­so durch ihr äuße­res Erschei­nungs­bild im „Atlas of Pecu­li­ar Gala­xies“ als Arp 37 ver­zeich­net. Die Gala­xie ist als star­ke Radio­quel­le bekannt und trägt die Bezeich­nung Cetus A bzw. 3C 71 im 3. Cam­bridge Kata­log für Radio­quel­len. Im eng­li­schen Sprach­raum wird M 77 auch unter ihrem Eigen­na­men „Squid Gala­xie“ (Tin­ten­fisch­ga­la­xie) geführt.

Galaxie mit zwei unterschiedlichen Sternpopulationen

Mes­sier 77 besitzt eine schein­ba­re Hel­lig­keit von 8,9 mag und einen schein­ba­ren Durch­mes­ser von 7,1 x 6,0 Bogen­mi­nu­ten. Somit ist sie bereits in klei­nen Tele­sko­pen beob­acht­bar. Sie befin­det sich 47 Mil­lio­nen Licht­jah­re von der Erde ent­fernt und besitzt, zusam­men mit den nur auf tie­fen Auf­nah­men sicht­ba­re schwä­che­ren Berei­che der Schei­be, einen wah­ren Durch­mes­ser von 170.000 Licht­jah­ren. Die hel­le Schei­be der Gala­xie ist 51° zu unse­rer Sicht­li­nie geneigt und besitzt einen Durch­mes­ser von jedig­lich 120.000 Licht­jah­ren. Des Wei­te­ren ent­hält sie mehr als eine Bil­li­on Son­nen­mas­sen. Dem­zu­fol­ge ist die Gala­xie, von der Aus­deh­nung und Mas­se her, ver­gleich­bar mit unse­rem eige­nen Milch­stra­ßen­sys­tem. Mor­pho­lo­gisch wird Mes­sier 77 zu den Spi­ral­ga­la­xie vom Hub­ble-Typ Sb gezählt. Sie besitzt einen beson­ders leucht­kräf­ti­gen und akti­ven Kern (AGN), der von Staub ver­deckt wird, aber auf­grund star­ker Emis­sio­nen im Infrarot‑, Ultra­vio­lett- und Rönt­gen­be­reich des elek­tro­ma­gne­ti­schen Spek­trums leuchtet.

Messier 77
Mes­sier 77 im Stern­bild Wal­fisch – Auf­nah­me von Adam Block, Mount Lem­mon Sky Obser­va­to­ri­um – Cre­dit: CC BY-SA 4.0, via Wiki­me­dia Commons

Auf Fotos erscheint die Gala­xie mit breit struk­tu­rier­ten und eng gewun­de­nen Spi­ral­ar­me, mit zahl­rei­chen Stern­ent­ste­hungs­re­gio­nen, sowie zwei Staub­ar­men und eine äuße­re Ring­struk­tur aus schwa­chen Spi­ral­ar­men. In der Nähe des Kerns befin­den sich Ster­ne einer deut­lich jün­ge­ren Popu­la­ti­on als Star­burst-Ring, aus mas­se­rei­chen blau­en Ster­nen. Dort fand in den letz­ten 4 bis 40 Mil­lio­nen Jah­ren inten­si­ve Stern­ent­ste­hung statt. Die­ser Ring besitzt eine Gesamt­mas­se von 27 Mil­lio­nen Son­nen und hat einen Durch­mes­ser von 6.500 Licht­jah­ren. Infra­rot­bil­der zei­gen im Kern einen auf­fäl­li­gen Bal­ken, der im sicht­ba­ren Licht nicht zu sehen ist. Des­halb wird M 77 neu­er­dings zur Klas­se der Bal­ken­spi­ral­ga­la­xien gezählt. Von die­sem Bal­ken lau­fen zwei eng gewun­de­ne Spi­ral­ar­me nach Außen. In der äuße­ren Schei­be domi­nie­ren dage­gen deut­lich älte­re Sterne. 

Die hellste Seyfert-Galaxie an unserem Himmel

Mes­sier 77 ist der Pro­to­typ einer Klas­se von Gala­xien, die sich durch hei­ßes, hoch­io­ni­sier­tes Gas um ein extrem akti­ves Zen­trum aus­zeich­nen und sehr viel Ener­gie in Form von Radio­wel­len emit­tie­ren: den so genann­ten Sey­fert-Gala­xien. Benannt wur­den die­se Klas­se von Gala­xien nach dem ame­ri­ka­ni­schen Astro­no­men Carl Sey­fert, der die­se Art von Gala­xie im Jahr 1943 als Ers­ter iden­ti­fi­zier­te. Sie sind ent­fern­te Cou­sins der berühm­te­ren Qua­sa­re und wahr­schein­lich mit BL-Lacer­tae-Objek­ten iden­tisch. Ihre Spek­tren wei­sen star­ke Emis­si­ons­li­ni­en auf. M 77 ist auch die hells­te, nächst gele­ge­nen und am bes­ten unter­such­ten Sey­fert-II-Gala­xie an unse­rem Himmel. 

Cetus A (HST)
Die Sey­fert-Gala­xie Cetus A in einer Auf­nah­me des HST – Cre­dit: NASA, ESA & A. van der Hoe­ven, Public domain, via Wiki­me­dia Commons

Der beson­ders aus­ge­präg­te und hel­le Kern­be­reich von Mes­sier 77 zeigt brei­te Emis­si­ons­li­ni­en im Spek­trum. Gas­wol­ken im Kern­ge­biet bewe­gen sich mit 560 km/s nach Außen. Im Zen­trum exis­tiert eine punkt­för­mi­ge Radio­quel­le, mit einem Durch­mes­ser von nur 12 Licht­jah­ren. Die­se wird durch einen lang­ge­streck­ten Halo aus Gas, von 100 Licht­jah­ren Grö­ße, ein­ge­hüllt. Aus die­sem Grund wird ver­mu­tet, dass das Gas durch die Ener­gie eines mas­se­rei­chen Schwar­zen Lochs, mit mehr als 17 Mil­lio­nen Son­nen­mas­sen, ange­trie­ben wird. Wei­te­re Hin­wei­se auf ein Schwar­zes Loch und inter­stel­la­re Mate­rie, die das Zen­trum umgibt, gab es in der Ver­gan­gen­heit durch Mes­sun­gen im Radio­be­reich. Dort fand man auch ein 5 Licht­jah­re brei­ten Staub­to­rus um das zen­tra­le Objekt, das einen Was­ser-Maser ent­hält. Im Febru­ar 2022 wur­de von der Euro­päi­schen Süd­stern­war­te eben­falls eine Wol­ke aus kos­mi­schen Staub im Zen­trum von Mes­sier 77 nach­ge­wie­sen und somit das super­mas­se­rei­che Schwar­ze Loch indi­rekt bestätigt.

Die Messier 77-Galaxiengruppe

Messier 77 & NGC 1055
Cetus A (Mes­sier 77) & NGC 1055 – Auf­nah­me von Franz Klaus & Man­fred Wass­hu­ber, Quel­le: CCD-Gui­de, Astro­no­mi­scher Arbeits­kreis Salzkammergut

Mes­sier 77 ist das domi­nie­ren­de Mit­glied einer klei­ne­ren Gala­xien­grup­pe, aus 11 gra­vi­ta­tiv anein­an­der gebun­de­nen Gala­xien, zu der auch die 115.000 Licht­jah­re gro­ße Nach­bar­ga­la­xie NGC 1055 gehört. Die­se 11,4 mag hel­le Bal­ken­spi­ral­ga­la­xie, die wir nahe­zu von der Kan­te sehen, befin­det sich nur ein hal­bes Grad nord­west­lich von M 77. Der Abstand zwi­schen bei­den Gala­xien ent­spricht einer wah­ren Ent­fer­nung von 420.000 Licht­jah­ren. Wei­te­re Mit­glie­der die­ser Grup­pe sind NGC 1076, UGC 2161, UGC 2275, UGC 2302, UGCA 44 und Mar­ka­ri­an 600. Am 24. Novem­ber 2018 wur­de eine Super­no­va vom Typ II in M 77 ent­deckt. Sie trägt die Bezeich­nung SN 2018ivc und erreich­te vier Tage nach ihrer Ent­de­ckung eine maxi­ma­le Hel­lig­keit von 13,2 mag.

Beobachtung

Mes­sier 77 besitzt eine rela­tiv hohe Flä­chen­hel­lig­keit. Sie soll­te des­halb schon in einem 10x50 Fern­glas, als nahe­zu stel­la­res Objekt, in der Nähe eines Sterns der 10. Grö­ßen­klas­se sicht­bar sein. Bei­de Objek­te bil­den im Feld­ste­cher eine Art Dop­pel­stern. Ein 16x70 Feld­ste­cher zeigt M 77 deut­li­cher, mit einem schwa­chen Licht­hof. Ein 3 Zoll Refrak­tor und mitt­le­re Ver­grö­ße­rung zeigt die Gala­xie als unschar­fes Stern­chen, mit einem etwas hel­le­ren, zen­tra­len Kern. Mit 4 bis 5 Zoll Öff­nung und 87-facher Ver­grö­ße­rung erscheint der Kern recht klein und flä­chen­haft. Das Kern­ge­biet ist von einem deut­lich dif­fu­se­ren und 2 Bogen­mi­nu­ten gro­ßen ova­len Halo umge­ben. In der Nähe und öst­lich des Kerns ist ein Stern der 11. Grö­ßen­klas­se sicht­bar, der nicht mit einer Super­no­va ver­wech­selt wer­den darf. Mit 6 bis 8 Zoll Öff­nung und 100-facher Ver­grö­ße­rung wirkt die Gala­xie immer noch rela­tiv klein. Der dem Kern umge­ben­de Halo erscheint nach wie vor struk­tur­los, aber deut­lich sicht­bar. Im 8‑Zöller erscheint das Zen­tral­ge­biet aus­ge­präg­ter und fast stern­för­mig. Im 10 bis 12 Zoll Reflek­tor sind schon ers­te schwa­che Details, in Form von kno­ten­ähn­li­chen Struk­tu­ren, in der Gala­xien­schei­be wahr­nehm­bar. Das Zen­trum erscheint sehr hell und dif­fus. Der Halo ist aus­ge­dehnt und geht all­mäh­lich in den Hin­ter­grund über. Mit noch grö­ße­rer Öff­nung sind in der Gala­xien­schei­be ein­zel­ne Ver­di­ckun­gen sicht­bar, die auf Fotos die beein­dru­cken­den Spi­ral­ar­me nach­zeich­nen. Im All­ge­mei­nen ver­trägt die Gala­xie hohe Ver­grö­ße­run­gen sehr gut.

Aufsuchkarte
Auf­such­kar­te für Mes­sier 77 – erstellt mit SkytechX

Weni­ger als ein hal­bes Grad nord­west­lich von Mes­sier 77, in einem schö­nen Ster­nen­feld gele­gen, kann die die 10,6 mag hel­le Gala­xie NGC 1055 auf­ge­fun­den wer­den. Die­se Wel­ten­in­sel ist ein direk­ter Nach­bar von M 77 und dem­zu­fol­ge ein hel­le­res Mit­glied der M77-Gala­xien­grup­pe. Sie ist in mitt­le­ren Tele­sko­pen, ab 20 bis 25 cm Öff­nung, als ova­ler Licht­fleck ohne hel­les Zen­trum, erkenn­bar. Die Gala­xie bil­det mit zwei Ster­nen der 7. Grö­ßen­klas­se ein annä­hernd gleich­sei­ti­ges Drei­eck. Mit noch grö­ße­rer Öff­nung erscheint längs der Gala­xie ein schwa­ches Staubband.

Mes­sier 77 ist ein Objekt für die Herbst- und frü­hen Win­ter­mo­na­te. Sie befin­det sich nahe­zu genau auf dem Him­mels­äqua­tor und nur weni­ge Grad von dem berühm­ten, lang­pe­ri­odi­schen Ver­än­der­li­chen Mira (Omic­ron Ceti) ent­fernt. Um die Gala­xie auf­zu­fin­den, stel­len wir zunächst den 4,1 mag hel­len Stern Del­ta Ceti, im öst­li­chen Teil des Stern­bilds Wal­fisch, in das Sucherge­sichts­feld ein. Nun schwen­ken wir das Tele­skop in Rich­tung Süd­os­ten, bis der Stern am Gesichts­feld­rand erscheint. M 77 befin­det sich nun knapp 0,8° süd­öst­lich von Del­ta und bil­det mit dem 6 mag hel­len 84 Ceti ein gleich­schenk­li­ges Dreieck.

Steckbrief für Messier 77

Objekt­na­meMes­sier 77
Kata­log­be­zeich­nungNGC 1068, UGC 2188, PGC 10266, MCG 0–7‑83
Eigen­na­meCetus A, Squid Gala­xie, Tintenfischgalaxie
TypGala­xie, Sb/P
Stern­bildWal­fisch (Cetus)
Rekt­aszen­si­on (J2000.0)02h 42m 40,8s
Dekli­na­ti­on (J2000.0)-00° 00′ 46″
V Hel­lig­keit8,9 mag
Flä­chen­hel­lig­keit12,8 mag
Win­kel­aus­deh­nung7,1′ x 6,0′
Posi­ti­ons­win­kel70°
Abso­lu­te Helligkeit-21.77 mag
Durch­mes­ser170.000 Licht­jah­re
Ent­fer­nung47 Mil­lio­nen Lichtjahre
Beschrei­bungvB,pL,iR,sbMrrN, Seyfert;brtst in NGC 1068 grp
Ent­de­ckerPierre Méchain, 1780
Stern­at­lan­tenCam­bridge Star Atlas: Chart 8
Inter­stel­larum Deep Sky Atlas: Chart 62
Mill­en­ni­um Star Atlas: Charts 261–262 (Vol I) 
Pocket Sky Atlas: Chart 6
Sky Atlas 2000: Chart 10
Urano­me­tria 2nd Ed.: Chart 119

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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