Auch in der kürzesten Nacht des Jahres, vom 20. auf den 21. Juni 2022, gab es über Deutschland eindrucksvolle Leuchtende Nachtwolken zu sehen. Leider verpasste ich aufgrund der Witterung das Abenddisplay, weil Wolken die Sicht im Norden trübten. Allerdings riss der der Himmel nach Mitternacht endlich auf. Tief über dem nördlichen Horizont zeigten sich auf den Webcam-Bild in Kühlungsborn ein breiter und vor allem auffälliger Streifen. Und auch das AKM-Forum vermeldete deutschlandweit Sichtungen von NLC, obwohl das OSWIN-Mesosphärenradar den ganzen Tag nur sehr schwache Signale registrierte.
Die Fotoausrüstung war schnell zusammengepackt und so fuhr ich kurz nach 1 Uhr raus nach Treppendorf. Die Leuchtenden Nachtwolken hingen tief über dem Horizont und wurden stellenweise von troposphärischen Wolken getrübt. Das NLC-Display über dem Nordhorizont war selbst um die lokale Mitternacht noch gut sichtbar. Das war ein gutes Zeichen für ein eindrucksvolles Morgendisplay. Der schneidige Westwind, nach dem Durchzug der Kaltfront am Montag, war allerdings für meine Canon EOS 100D mit dem 70–200 mm Teleobjektiv ein Problem. Die Böen verwackelten die Aufnahmen immer mal wieder, so dass ich mich mit einem Regenschirm als Windschutz aushelfen musste.
Interessant waren vor allem der Umstand, dass direkt oberhalb des NLC-Bandes auch schon mit bloßen Auge ein seltener, rötlicher Saum erkennbar war. Das Display wuchs permanent in seiner Breite und auch in der Höhe, je weiter der Morgen voran schritt. Minütlich änderten sich die Strukturen. In Richtung des Sterns Capella erkannte man gegen 3 Uhr morgens eine abwechslungsreiche und sehr dynamische und vor allem scharfe Wellenstruktur. Des Weiteren zeigten sich faserartige Wolken, Rippeln und helle Streifen. Der Anblick im Feldstecher war einfach überwältigend.
In der schon weiter fortgeschrittenen Morgendämmerung erreichten die Leuchtenden Nachtwolken zwischen 3:00 und 3:30 Uhr Sommerzeiten rund 80° Höhe und eine Ausdehnung im Azimut bis in den südöstlichen Teil des Himmels. Ich schätzte die Helligkeit der Leuchtenden Nachtwolken auf mindestens 5. Frühaufstecher, die zu diesem Zeitpunkt bereits zur Arbeit unterwegs waren, konnten diese sehr beeindruckende Erscheinung nicht übersehen.
Der abnehmende Halbmond und auch der weiter östlich stehende Planet Jupiter, wurden schon bald von den NLC überdeckt. Kurz vor 4 Uhr morgens verblassten die Wolken, einzelne helle Streifen waren aber immer noch in Horizontnähe sowie in anderen Teilen des Himmels zu erkennen. Das Display an diesem Morgen war mit ziemlicher Sicherheit mein zweitbestes in der Ausdehnung und Struktur, was ich in den 12 zurückliegenden Jahren mit eigenen Augen gesehen habe.
Trivia: Die silbrig-weißen Wolken entstehen in Höhen von ca. 83 Kilometern Höhe in der Mesopause und sind zwischen 45° und 70° Breite vor allem in den Sommermonaten sichtbar. In dieser Höhe werden die Wolken, die aus Eiskristallen bestehen und wahrscheinlich durch Kleinstmeteorite und Vulkanasche als Kondensationskeime gebildet werden, noch von der Sonne angestrahlt. Vor allem um die Sommersonnenwende tauchen diese Wolken häufiger in Richtung Norden auf.
Einführung zum Thema Leuchtende Nachtwolken (in Englisch)
Detailaufnahmen der NLC vom 21. Juni 2022: