Die Saison Leuchtender Nachtwolken (eng. noctilucent clouds – NLC) hat gerade erst begonnen. Und bereits zum jetzigen Zeitpunkt sind in den zurückliegenden Nächten beeindruckende NLC-Displays bis in südlichere Breiten aufgetaucht. Die Nachtleuchtenden Wolken entstehen in Höhen von 83 km in der Mesopause, wo sie nach Sonnenuntergang noch von der Sonne angestrahlt werden. Aus diesem Grund sind sie vor allem in nördlichen Breiten in den Weißen Nächten des Sommers sichtbar. Denn um die Sommersonnenwende herum taucht die Sonne dort nicht mehr sehr weit unter den Horizont. Die astronomische Dämmerung wird nicht mehr erreicht und es bleibt ein Dämmerungsstreifen Richtung Norden übrig. Deutlich seltener sind sie deshalb im Süden Deutschlands oder im Alpenraum erkennbar, weil die Sonne um Mitternacht deutlich tiefer steht. Allerdings gab es in den letzten 14 Tagen einige Nächte, wo selbst südlich von 50 Grad n.Br. einige Sichtung dieser Eiskristallwolken vermeldet wurden. Berichte gab es auch aus den USA von Südkalifornien bis nach New Mexiko hinein. Aber warum ist die diesjährige Saison so intensiv? Die Mesosphäre ist zur Zeit ziemlich feucht mit der höchsten Wasserdampfkonzentration in den zurückliegenden 12 Jahren. Dieser Umstand begünstigt, zusammen mit der bis zu ‑140°C sehr niedrigen Temperatur in dieser Schicht, das Entstehen von Leuchtenden Nachtwolken auch in niedrigeren Breiten. Und auch die zur Zeit niedrige Sonnenaktivität, kann die Bildung von NLC begünstigen. Denn die ultraviolette Strahlung der Sonne, die bei höherer Sonnenaktivität intensiver ist, zerstört die Wassermoleküle in den oberen Schichten der Erdatmosphäre. Nun können die Wassermoleküle an Kondensationskeime in diesen Schichten der Atmosphäre, die wahrscheinlich meteorischen Ursprungs sind, andocken und Eiskristalle bilden.
In der Nacht vom 17. auf den 18. Juni 2019 gab es den bisher beeindruckendsten Ausbruch Nachtleuchtender Wolken in der 1. und 2. Nachthälfte. Schon sehr früh meldete das AKM-Forum eine Sichtbarkeit dieser silbrig erscheinenden Wolken bereits in der frühen Abenddämmerung und quer über die Republik verteilt bis hinunter zur Bodensee-Region. Zu diesem Zeitpunkt war ich noch in der Firma und konnte nur kurz einen Blick nach draußen werfen. Und tatsächlich reichten die Wolken bis in die Nähe des Zenits und waren ungewöhnlich hell, so dass sie vielerorts sehr auffällig waren. Das Abenddisplay hatte eine horizontale Ausdehnung von 280° bis 40° im Azimut. Einige Beobachter bemerkten sogar, dass einige der Wolken über den Zenit hinaus bis in Richtung Süden sichtbar waren. In unserer HTT Whatsapp-Gruppe postete Stefan zeitgleich mehrere Bilder von NLC über der sächsischen Großstadt Dresden.
Aus diesem Grund beeilte ich mich so schnell wie möglich aus der Firma zu kommen und einen freien Blick in Richtung Nordwesten zu erhaschen, was nicht gerade einfach war. Vielerorts verdeckten Bäume und Gebäude die Sicht auf die Wolken und so konnte ich erst nach 15 minütiger Fahrt an einem Feldweg anhalten. Seit diesem Jahr habe ich während der Sommermonate immer eine Kamera und ein Stativ im Auto, so dass ich ggf. am Straßenrand anhalten kann, um NLC zu fotografieren. Denn im letzten Jahr gingen mir einige schöne Displays durch die Lappen. Leider verpasste ich die maximale Ausdehnung des Displays, so dass ich nur ein immer schwächer werdendes Feld nahe Behrensdorf und Wulfersdorf in der Scharmützelsee-Region ablichten konnte. Natürlich war ich zu diesem Zeitpunkt schon auf das morgendliche Display gespannt.
Endlich zu Hause angekommen packte ich die Ausrüstung zusammen und brach dann gegen 1:30 Uhr auf in Richtung Radensdorf. Dort angekommen zeigte sich ein schwaches aber ausgedehntes Feld nahe des Horizont, dass im Laufe des Morgens sich immer weiter vergrößerte und auch heller wurde. Der noch fast volle Mond beleuchtete zeitgleich die Umgebung. Zum Einsatz kamen meine Canon EOS 6D mit dem EF 24–105 mm STM Kit-Objektiv sowie die Canon EOS 100D mit dem EF 70–200 mm f/4L IS USM Tele, die ich jeweils auf ein Stativ klemmte. Mit dem Teleobjektiv gelangen mir sehr schöne Detailaufnahmen dieser Wolken, die die unterschiedlichsten Strukturen sehr schön zur Geltung brachten. Das Feld dehnte sich vor allem in Richtung Nordosten weiter aus und war am Ende in Azimut mehr als 180° breit. Ein sehr helles Teilstück war vor allem in Richtung NNW erkennbar, dass sich auch bei fortschreitender Dämmerung hielt und seine Position kaum veränderte. Interessant war, dass sich die Wolken nicht so sehr in die Höhe, sondern mehr in die Breite ausdehnten. Die NLC kamen kaum höher als der Stern Capella im Sternbild Fuhrmann, zeigten aber die feinsten Strukturen in Form von Wellen, Filamenten und Linien.
Bei schon fortgeschrittener Dämmerung packte ich die Ausrüstung gegen 3:30 Uhr zurück in Auto und fuhr heim, denn an diesem Tag musste ich noch arbeiten und wollte wenigstens noch ein paar Stunden Schlaf erhaschen.
Und die Saison ist noch lange nicht vorbei: Der Höhepunkt der NLC-Sichtungen wird erst Anfang Juli erwartet!
Wenn man selbst einmal Leuchtend Nachtwolken zu Gesicht bekommen möchte, kann man sich im AKM-Forum informieren. Falls NLC über dem Horizont sichtbar sind, wird dort zeitnah ein neuer Thread erstellt. Davor ist das OSWIN-Mesosphärenradar des IAP eine gute Quelle, um die Chance für eine Sichtbarkeit Leuchtender Nachtwolken für die kommende Nacht abzuschätzen. Denn zeigt sich ein starkes Echo bis in den frühen Abend hinein, ist mit ziemlicher Sicherheit mit NLC zu rechnen.
Quelle: Spaceweather.com | Realtime Noctilucent Cloud Photo Gallery | Low Latitude Noctilucent Clouds | Astronomie.de Forum | Astrotreff.de | Facebook NLC-Gruppe
Edit: Am Abend des 21. Juni 2019, pünktlich zur Sommersonnenwende, gab es das bisher beeindruckendste NLC-Display über Deutschland in dieser Saison. Das Feld der Leuchtenden Nachtwolken nahm nahezu den gesamten Dämmerungshimmel ein und war selbst bis hinunter nach Italien sichtbar. Im AKM-Forum gibt es mittlerweile ein Thread, der mehr als 100 Beiträge umfasst und zahlreiche Bilder dieser Nacht enthält. Und auch Mitglieder unserer HTT-Südkurve konnten die NLC beobachten und fotografieren. Hier ein Bild von Christian Schneider aus unserer WhatsApp-Gruppe, aufgenommen kurz nach Sonnenuntergang in Burg (Spreewald).
Sebastian Voltmer hat u.a. heute ein Video veröffentlicht, das die dynamische Wellenbewegung der Wolken in der Hochatmosphäre eindrucksvoll zeigt.