Mitte Oktober 2024 können wir höchstwahrscheinlich wieder einen beeindruckenden Kometen mit bloßem Auge am Himmel entdecken, der voraussichtlich zum ersten Mal seine weite Reise aus der Oortschen Wolke ins Innere Sonnensystem angetreten hat. Deshalb sollte sein Kern noch viel Eis und Staub enthalten. In Sonnennähe werden diese „Schmutzigen Schneebälle“ von der Sonne aufgeheizt. Dabei wird das Kometenmaterial ausgegast und verdampft. Es entsteht eine ausgedehnte Koma und – bei besonders aktiven Kometen – auch ein imposanter Kometenschweif. Besonders helle Kometen sind aufgrund ihrer flächigen Erscheinung deutlich auffälliger als ein vergleichsweise gleich heller Stern am Himmel. Die Helligkeitsentwicklung und Bahnform von Tsuchinshan-ATLAS nährte schon kurz nach seiner Entdeckung viele Spekulationen über sein Erscheinen und Aussehen im Oktober als „Jahrhundertkomet“, von grandios bis prächtig, vergleichbar mit Hale-Bopp 1996 (-1,8 mag), McNaught 2007 (0,0 mag) oder NEOWISE 2020 (0,9 mag), bis zum Zerfall des Kometen noch vor dem Perihel.
Entdeckung und Helligkeitsprognose
Der Komet C/2023 A3 (Tsuchinshan-ATLAS) wurde am 9. Januar 2023 vom Purple Mountain Observatory XuYi in China und am 22. Februar 2023 unabhängig vom Asteroid Terrestrial-Impact Last Alert System (ATLAS) in Südafrika als Objekt der 18. Größenklasse entdeckt. Schon früh wurde vermutet, dass der Schweifstern kurz nach seinem Perihel mit einer scheinbaren Helligkeit von etwa ‑3 Magnituden – und damit fast so hell wie die Venus – eine imposante Himmelserscheinung werden könnte. Spätere Helligkeitsprognosen sahen ihn „nur“ bei etwa 0 mag. Aktuell dürfte der Komet höchstwahrscheinlich eine maximale Helligkeit von etwa 2 Größenklassen erreichen. Damit wäre er etwa so hell wie der berühmte Komet C/2020 F3 (NEOWISE) Mitte Juli 2020.
Aufgrund der ungünstigen Bahngeometrie von Tsuchinshan-ATLAS wird der Komet zum Zeitpunkt seiner größten Helligkeit allerdings nur eine sehr geringe Elongation zur Sonne aufweisen. Er wird den hellsten Teil seines Bahnabschnitts bereits durchlaufen haben, wenn er am Abendhimmel sichtbar wird. Vom deutschsprachigen Raum aus wird der Schweifstern erst wieder ab Mitte Oktober in der Abenddämmerung im Sternbild Jungfrau zu sehen sein. Davor gibt es ein kurzes Sichtbarkeitsfenster Ende September oder Anfang Oktober kurz vor Sonnenaufgang am Morgenhimmel.
Am 27. September 2024 wird der Komet der Sonne mit einem Abstand von 58,6 Millionen Kilometern am nächsten kommen. Das entspricht in etwa der Entfernung des innersten Planeten Merkur von der Sonne. Er wird im Laufe des Herbstes sehr schnell an Helligkeit verlieren und ein Objekt für den frühen Abendhimmel bleiben. Aus diesem Grund wird er eher niedrig über dem Südwesthorizont stehen und nur für kurze Zeit beobachtbar sein. Während seiner Sichtbarkeit durchläuft er die Sternbilder Jungfrau, Schlange, Schlangenträger und Adler. Bereits Ende Oktober unterschreitet der Schweifstern schließlich die Sichtbarkeitsgrenze für das bloße Auge. Er ist dann nur noch mit Ferngläsern und kleinen Teleskopen zu beobachten. Kurz nach dem Jahreswechsel wird der Komet aufgrund der geringen Horizonthöhe und der immer weiter abnehmenden Helligkeit endgültig von der Himmelsbühne abtreten.
Einbruch der Helligkeit
C/2023 A3 (Tsuchinshan-ATLAS) konnte bereits im Mai und Juni 2024 auch von Deutschland aus beobachtet werden, als der Komet vom Sternbild Jungfrau in das Sternbild Löwe wechselte. Bei seinem Verschwinden Ende Juli hatte Tsuchinshan-ATLAS eine scheinbare Helligkeit von etwa 10 Größenklassen. Während dieser Zeit wurde von vielen Kometenbeobachtern ein Einbruch in der Helligkeitskurve registriert. Es wurde sogar befürchtet, dass sich der Komet kurz vor der Annäherung an die Sonne auflösen könnte. Genährt wurden diese Befürchtungen durch einen wissenschaftlichen Artikel des tschechisch-amerikanischen Astronomen und Kometenexperten Zdenek Sekanina vom Jet Propulsion Laboratory der NASA. Der Astronom sagte ein baldiges Auseinanderbrechen des Kometen voraus.
Derzeit befindet sich der Komet jedoch noch in einem sehr guten Zustand: Von einem Zerbrechen keine Spur. Die Diskrepanzen in der Helligkeitsentwicklung wurden schließlich durch einen geometrischen Bahneffekt erklärt. Dieser Phasenwinkel hat einen großen Einfluss auf die Helligkeit des Kometen, was der Autor nicht berücksichtigt hatte. Denn Mitte April befand sich der Komet in Opposition zur Sonne. Dadurch nahm die Reflektivität der Kometenoberfläche zu. Gleichzeitig befand sich der Schweif hinter dem Kometenkopf, was seine Helligkeit ebenfalls erhöhte. Danach nahm der Phasenwinkel zu und der Schweif befand sich nicht mehr hinter dem Kometen, wodurch der Helligkeitsanstieg verringert wurde.
Sichtbarkeitsverlauf ab Oktober 2024
Tsuchinshan-ATLAS taucht vom 27. September bis zum 2. Oktober wieder an unserem Himmel auf. In dieser Zeit ist er dann bei guten Bedingungen frühmorgens im Osten kurz vor Sonnenaufgang zu sehen. Für Beobachter im Süden Deutschlands ist er etwas besser zu erkennen als im Norden. Durch die Vorwärtsstreuung an seinen Staubteilchen könnte der Komet zu diesem Zeitpunkt sogar 1 bis 3 Größenklassen heller sein als erwartet, so dass er zwischen 0 und ‑3 mag deutlich besser in der Morgendämmerung erkennbar wäre. Der Kometenschweif steigt dann steil vom Horizont auf, falls dieser lang und hell ist. Der Komet geht dann jeden Tag etwas später auf und verschwindet schließlich in den hellen Strahlen unseres Zentralgestirns.
Die interessanteste Phase für die Beobachtung des Schweifsterns in unseren Breiten beginnt ab der zweiten Oktoberdekade tief am abendlichen Westhorizont. Die Sichtbedingungen werden dann von Tag zu Tag besser. Allerdings nimmt auch die Helligkeit des Kometen von Tag zu Tag weiter ab. Die nächste günstige Gelegenheit zur Beobachtung von Tsuchinshan-ATLAS bietet sich ab dem 12. Oktober tief am Abendhimmel in der bürgerlichen Dämmerung. Er ragt mit seinem Schweif steil vom Horizont auf und sollte mit einer Helligkeit von etwa 2 Größenklassen (bei Vorwärtsstreuung sogar noch etwas heller) zu sehen sein. Sein Untergang erfolgt an diesem Tag um 19:45 Uhr, knapp 1 ½ Stunden nach Sonnenuntergang. Hilfreich für die Beobachtung in der Dämmerung ist ein handelsübliches Fernglas auf einem Stativ oder ein kleines Teleskop. Denn die immer vorhandenen horizontnahen Dunstschichten erschweren die Beobachtung von Objekten dicht über dem Horizont. Gleichzeitig erreicht der Schweifstern seine größte Erdnähe (Perigäum). Er ist dann 70,7 Millionen Kilometer von unserem Heimatplaneten entfernt.
Fünf Tage später hat Tsuchinshan-ATLAS im Sternbild Schlange bereits einen Sonnenabstand von 36° erreicht. Zum Ende der astronomischen Dämmerung befindet er sich etwa 12° hoch über dem Horizont. Wenn man dann von einer scheinbaren Helligkeit von etwa 1 bis 2 mag ausgeht, wird der Komet zu diesem Zeitpunkt, trotz des am Himmel stehenden Vollmondes, auch mit bloßem Auge sehr gut zu sehen sein. Sein Erscheinen wird dann an den Kometen C/2020 F3 (NEOWISE) erinnern. Dieser Komet bot Mitte Juli 2020 in der Abenddämmerung für Beobachter auf der Nordhalbkugel der Erde einen spektakulären Anblick. Jeden Abend geht der Komet etwa 20 Minuten später unter. Mit den länger werdenden Nächten vergrößert sich das Sichtbarkeitsfenster in den folgenden Tagen deutlich. Er steht dann schon bei Sonnenuntergang immer höher im Südwesten. Und auch der abnehmende Mond stört die Beobachtung des Kometen nicht mehr. Sein etwa 20° langer Schweif sollte nun sehr gut sichtbar sein.
In der Nacht vom 20. auf den 21. Oktober überquert Tsuchinshan-ATLAS die Grenze zum Sternbild Schlangenträger. Die Helligkeit ist zu diesem Zeitpunkt auf etwa 3 bis 4 mag gesunken. Am Ende der astronomischen Dämmerung steht er gut 19° hoch im Westen. In der Nacht vom 28. auf den 29. Oktober zieht er zwischen Beta und Gamma Ophiuchi hindurch. Gleichzeitig steht er etwa 2° unterhalb des hellen, offenen Sternhaufens IC 4665. Seine Helligkeit sollte dann zwischen 5 und 6 Magnituden betragen. In den folgenden Tagen, wenn der Mond nicht mehr stört und der Himmel wieder dunkel ist, unterschreitet der Komet die Sichtbarkeitsgrenze für das bloße Auge.
Ab November bewegt sich der Schweifstern immer langsamer in östlicher Richtung über den Himmel. Er steht gegen Ende der astronomischen Dämmerung gut 30° hoch über dem westlichen Horizont und zieht ab dem 8. November südlich an den hellen Sternhaufen NGC 6633 und IC 4756 vorbei. In dieser Zeit macht sich auch der zunehmende Mond immer störender am Himmel bemerkbar. Am 11. November überquert der nun wahrscheinlich 7 mag helle Komet erneut die Grenze zum Sternbild Schlange. Schließlich nimmt ab der Monatsmitte die Horizonthöhe stetig weiter ab, da sich seine Elongation zur Sonne weiter verringert. Ab dem 20. November stört auch der Mond die Beobachtung nicht mehr. Am 25. November überschreitet der Komet die Grenze zum Sternbild Adler. Zum Monatswechsel wandert er zwischen den beiden offenen Sternhaufen NGC 6755 und NGC 6755 hindurch. Seine scheinbare Helligkeit sinkt schließlich in der ersten Dezemberdekade unter die 10. Größenklasse, mit täglich weiter abnehmenden Horizontabstand.
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Bahnelemente
Bahnelemente Komet C/2023 A3 (Tsuchinshan-ATLAS)Periheldatum T | 2024 Sept. 27.7409 |
Perihelabstand q | 0.391411 |
Exzentrizität e | 1.000091 |
Argument des Perihels ω | 308.4937 |
Länge des aufsteigenden Knotens Ω | 21.5594 |
Inklination i | 139.1105 |
Helligkeitsparameter m1 | 8.0 + 5 log d + 8.0 log r |
Aktuelle Lichtkurve
Quellen und weiterführende Links:
Komet C/2023 A3 (Tsuchinshan-ATLAS) in der Wikipedia | astro.vanbuiten.nl – C/2023 A3 (Tsuchinshan-ATLAS) Info | Sky & Telescope – Is Comet Tsuchinshan-ATLAS falling apart? | BBC SkyAtNight – Comet C/2023 A3 (Tsuchinshan-ATLAS) is due to reappear in our skies over the coming weeks | Universe Today – Comet Tsuchinshan-ATLAS Set to Perform This Fall | Star Walk – Komet C/2023 A3 (Tsuchinshan-ATLAS) | ARD-Alpha – Im Oktober womöglich ein besonders heller Komet | Astronomische Beobachtungstipps – Tsuchinshan-ATLAS (C/2023 A3) | Frankfurter Rundschau – Beobachter hat gute Nachrichten zu Komet C/2023 A3 | Scinexx.de – Heller Komet im Morgengrauen sichtbar