Die Galaxie NGC 4631, im nördlichen Sternbild Jagdhunde (Canes Venatici), wurde am 20. März 1787 von dem deutsch-britischen Astronomen Friedrich Wilhelm Herschel aufgefunden. Er beschrieb sie als sehr hell und ausgedehnt, mit einer heller werdenden Mitte. Das Objekt wird aufgrund ihres Erscheinungsbilds und ihrer stromlinienartigen Form auch als „Walfischgalaxie“, „Walgalaxie“ (Whale Galaxy), „Heringsgalaxie“ oder „Heringsnebel“ bezeichnet. Nur wenige Bogenminuten nördlich von NGC 4631 befindet sich die elliptische Zwerggalaxie NGC 4627. Diese Welteninsel wurde in der selben Nacht von Wilhelm Herschel aufgefunden. Das Galaxienpaar ist in Halton Arps Atlas der wechselwirkenden Galaxien (Atlas of Peculiar Galaxies) als Arp 281 verzeichnet und ebenso im Caldwell-Katalog von Sir Patrick Moore, als Nummer 32, gelistet.
Die Walfischgalaxie und ihr Begleiter
NGC 4631 ist eine Balken-Spiralgalaxie vom Hubble-Typ SBd, die wir genau von der Kante sehen. Die Galaxienscheibe ist nur 5° zu unserer Sichtlinie geneigt. Mit einer Helligkeit von 9,0 mag und einer Winkelausdehnung von 15,5 x 2,7 Bogenminuten, zählt sie zu den hellsten und größten Edge-on-Galaxien am Nachthimmel. Gleichzeitig gehört sie zu den 110 besten NGC-Objekten jenseits des Messier-Katalogs. Ihre Entfernung zur Erde wird mit rund 28 Millionen Lichtjahren angegeben. Mit einem Durchmesser von 127.000 Lichtjahren, ist ihre Größe vergleichbar mit unserem eigenen Milchstraßensystem. Nur 2,7 Bogenminuten nordwestlich des Zentrums befindet sich ihr physischer Nachbar, die elliptische oder sphäroide Zwerggalaxie NGC 4627 (Hubble-Typ E4/P). Sie besitzt eine Helligkeit von 12,0 mag und eine Ausdehnung von 1,7 x 1,0 Bogenminuten, was ungefähr 12.000 Lichtjahren entspricht. Sie hat durch ihre Gezeitenkräfte die Scheibe von NGC 4631 nachhaltig verformt. Die daraus folgende verzerrte Keilform verleiht NGC 4631 das Aussehen eines Herings oder Wals.
Der kleine, helle Kern von NGC 4631 ist teilweise durch Staubflecken verdeckt. Komplexe Staubstruktur verlaufen entlang der Hauptachse und zeigen mehrere knotige Sternentstehungsgebiete. Die Struktur der Galaxienscheibe erscheint eher asymmetrisch. Der östliche Spiralarm der Walfischgalaxie ist kurz und dick, während der westliche Spiralarm dünner und länger erscheint. NGC 4631 würde in ihrer Draufsicht wahrscheinlich als Balkenspirale des späten Typs, mit sehr klumpigen und locker gewundenen Armen, erscheinen.
Die NGC 4631-Galaxiengruppe
Die Walgalaxie und NGC 4627 sind Teil der NGC4631-Galaxiengruppe, einer kleinen Gruppe von ca. 14 Galaxien, zu der auch die interagierende und 10,1 mag helle Galaxie NGC 4656/57 gehört. Die genaue Anzahl der Galaxien in dieser Gruppe ist umstritten, weil sich zahlreiche weitere Welteninseln in diesem Teil des Himmels befinden. Ferner ist sie ein Mitglied der Canes Venatici II Wolke, zu der auch die Galaxie NGC 4490 gehört. NGC 4656/57 befindet sich 31 Bogenminuten südöstlich von NGC 4631 und steht räumlich ca. 180.000 Lichtjahre von der Hauptgalaxie entfernt. Sie wird aufgrund ihres Aussehens auch als Hockeyschläger-Galaxie bezeichnet. In der Vergangenheit standen die beiden Galaxien in gravitativer Wechselwirkung zueinander. Die Scheibe der Hockeyschläger-Galaxie wurde durch die Gezeitenwechselwirkung mit ihrem Nachbarn ebenfalls gravitativ stark gestört.
Durch die Wechselwirkung beider Galaxien kam es im Zentrum von NGC 4631, vor ca. 10 Millionen Jahren, zu einer intensiven Sternentstehung (Starburst). Die hohe Sternenstehungsrate zeigt sich auf lang belichteten Aufnahmen der Walfischgalaxie in Form von roten Emissionsnebeln, aus ionisiertem Wasserstoffgas, jungen blauen Sternhaufen und interstellarem Staub. Die massereichsten Sterne explodierten sehr bald als Supernovae. Diese verteilten das mehrere Millionen Kelvin heiße Gas aus der Ebene als Superwind hinaus, direkt in den intergalaktischen Raum. Der die Galaxie umgebende und vor allem im Röntgenlicht sichtbare Halo aus heißem Gas, erstreckt sich bis in eine Entfernung von 25.000 Lichtjahren über der Galaxienscheibe. Es wird angenommen, dass unsere Milchstraße von einem ähnlichen Halo aus heißem Gas umgeben ist. NGC 4631 ist ein gutes Beispiel für eine wechselwirkende Galaxie, die eine intensive Sternentstehung erlebt hat.
Weitere Satellitengalaxien von NGC 4631
Vor wenigen Jahren wurden auf tiefen Aufnahmen der Heringsgalaxie weitere Satellitengalaxien entdeckt. Diese sind durch einen stellaren und ca. 3,5 Milliarden Jahre alten, im sichtbaren Licht erkennbaren, Gezeitenstrom mit der Hockeyschläger-Galaxie verbunden. Bei dieser Studie wurden auch die Überreste von insgesamt drei massearmen Zwerggalaxien gefunden. Ferner ist ein Gezeitenschweif am nordöstlichen Ende der Scheibe von NGC 4631 nachweisbar. Untersuchungen im Radiobereich weisen nach, dass die Hockeyschläger-Galaxie durch fünf Gezeitenausläufer aus Wasserstoffgas physisch mit NGC 4631 verbunden ist. Analysen dieser Gezeitenschweife haben gezeigt, dass diese etwa 380 Millionen Sonnenmassen an molekularem Wasserstoffgas enthalten.
Beobachtung
In Teleskopen mit mittlerer Öffnung ist die Walgalaxie ein lohnender Anblick. Unter sehr guten Bedingungen ist NGC 4631, zusammen mit NGC 4656/57, schon in einem 10x50 Fernglas erkennbar. Mit einem 3 Zoll Refraktor und mittlerer Vergrößerung erscheint die Galaxie als länglicher, in Ost-West Richtung elongierter Lichtstreifen ohne weiterer Details. Ab 4 Zoll Öffnung und Vergrößerungen um 72-fach erkennt man, dass die Ostseite der Galaxie deutlich breiter und abgerundeter erscheint und sich in Richtung Westen zu einer Spitze verjüngt. Ein Stern der 12. Größenklasse steht unmittelbar nördlich des Zentrums. Die Scheibe erscheint bereits gemottelt, mit helleren und dunkleren Strukturen. Ab 5 bis 6 Zoll Öffnung sollte nah an der Wahrnehmungsgrenze auch die Nachbargalaxie (NGC 4627), knapp 3 Bogenminuten nordwestlich des besagten Sterns, sichtbar sein. Rund 1,5 Bogenminuten südöstlich des Sterns ist eine helle Kondensation wahrnehmbar. Ab 8 bis 10 Zoll Öffnung und mittleren Vergrößerungen zeigt sich die Heringsgalaxie schön strukturiert, mit einer ungleichmäßigen Helligkeitsverteilung über die gesamte Galaxienscheibe. Hier ist besonders ein hellerer Knoten im südwestlichen Teil der Galaxie erwähnenswert. Ein feines Muster aus Staub trennen diese Flecken. Weitere unregelmäßige Knoten und eine stark gesprenkelte Hauptachse tauchen mit noch mehr Teleskopöffnung auf. Die schwache Lichtbrücke, zwischen NGC 4631 und NGC 4627, ist unter sehr guten Bedingungen ebenfalls wahrnehmbar.
Die Walfischgalaxie ist ein typisches Objekt für die Frühlingsmonaten und befindet sich nahe der Grenze zum Haar der Berenike (Coma Berenices). Sie liegt ungefähr auf halber Strecke zwischen Cor Caroli (Alpha Canum Venaticorum, 2,8 mag) und Gamma Comae Berenices (4,4 mag). Um die Walgalaxie aufzufinden, startet man am besten beim 4,4 mag hellen Stern Gamma Com, im nördlichen Teil des Coma-Sternhaufens. Nun schwenkt man 5° in Richtung Nordosten, bis man im Sucher ein auffälliges Sternpaar der 5. und 6. Größenklasse findet. NGC 4631 steht ca. 2° südöstlich dieses Sternpaars.
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Steckbrief für NGC 4631 & NGC 4627
Objektname | NGC 4631 NGC 4627 |
Katalogbezeichnung | UGC 7865, PGC 42637, MCG 6–28-20, Caldwell 32 UGC 7860, PGC 42620, MCG 6–28-19 |
Eigenname | Walfischgalaxie, Walgalaxie, Whale Galaxy, Heringsgalaxie, Heringsnebel |
Typ | Galaxie, SBcd Galaxie, E4/P |
Sternbild | Jagdhunde (Canes Venatici) |
Rektaszension (J2000.0) | 12h 42m 07,6s 12h 41m 59,6s |
Deklination (J2000.0) | +32° 32′ 30″ +32° 34′ 26″ |
V Helligkeit | 9,0 mag 12,0 mag |
Flächenhelligkeit | 13,1 mag 14,1 mag |
Winkelausdehnung | 15,2′ x 2,8′ 1,7′ x 1,0′ |
Positionswinkel | 86° 26° |
Absolute Helligkeit | -21,943 mag ‑17,643 mag |
Durchmesser | 127.000 Lichtjahre 12.000 Lichtjahre |
Entfernung | 28 Millionen Lichtjahre |
Beschreibung | vB,vL,eE70,bMN,* att n; H V 42;P w NGC 4627 @ 2.5′ F,S,R,np of 2,BM no BN; H II 659;P w NGC 4631 @ 2.5′ |
Entdecker | Wilhelm Herschel, 1787 |
Sternatlanten | Cambridge Star Atlas: Chart 4 & 5 Interstellarum Deep Sky Atlas: Chart 33 Millennium Star Atlas: Charts 653–654 (Vol II) Pocket Sky Atlas: Chart 43 Sky Atlas 2000: Chart 7 Uranometria 2nd Ed.: Chart 53 |