Der Adlernebel Messier 16, im Sternbild Schlange (Serpens Cauda), besteht eigentlich aus zwei Objekten: einem offenen Sternhaufen, mit der Katalogbezeichnung NGC 6611, und einer hellen HII-Region (IC 4703). Der Sternhaufen wurde im Jahr 1745 oder 1746 vom Schweizer Astronomen Jean-Philippe Loys de Chéseaux entdeckt. Er katalogisierte zwischen den Jahren 1745 und 1746 Einundzwanzig Nebel am Himmel. M 16 war das 4. Objekt in seiner Liste, die aber erst im Jahr 1892 veröffentlicht wurde. Der französische Astronom Charles Messier entdeckte den Sternhaufen am 3. Juni 1764 unabhängig, weil er keine Kenntnis von Chéseauxs Beobachtung hatte. Messier nahm das Objekt anschließend als Nummer 16 in seinem berühmten Nebelkatalog auf. Er beschrieb ihn als 8 Bogenminuten großer Haufen kleiner Sterne, der in einem schwachen Glühen eingebettet ist. Diese Beschreibung Messiers deutet aber nicht unbedingt auf den Nebel selber hin. Denn die Herschels haben den Nebel offenbar nicht wahrgenommen, trotz größeren Instrumentariums. Wilhelm Herschel verzeichnete am 30. Juli 1783 nur 50 Sterne. Der amerikanische Astronom Edward Emerson Barnard fotografierte im Jahr 1895 zum ersten Mal diesen Nebelkomplex. Weitere frühe Aufnahmen gelangen dem amerikanischen Astronomen Isaac Roberts im Jahr 1897. Im angelsächsischen Sprachraum ist der Nebel, aufgrund seines Erscheinungsbildes, auch als „Star Queen Nebula“ bekannt. Der amerikanische Astronom Robert Burnham führte den Namen ein, weil die zentrale Säule des Nebels ihn an eine Silhouette der Sternkönigin erinnerte. In vielen Katalogen werden Sternhaufen und Nebel gleichbedeutend geführt.
Ein aktives Sternentstehungsgebiet im Nachbararm unserer Milchstraße
Messier 16 besitzt einen scheinbaren Durchmesser von 35 x 28 Bogenminuten und eine scheinbare Helligkeit von 6,4 mag, wobei der Nebel nur eine Helligkeit von 8. Größenklasse besitzt. Der Sternhaufen im Adlernebel ist unter guten Bedingungen bereits mit dem bloßen Auge, spätestens aber mit jedem Feldstecher beobachtbar. Das Sternentstehungsgebiet, mit dem aus den Nebelmassen entstandenen jungen offenen Sternhaufen, befindet sich zwischen 5.500 und 7.000 Lichtjahre von der Erde entfernt – direkt am inneren Nachbararm, dem Sagittarius-Carina-Arm unseres Milchstraßensystems. Heutzutage wird eine Entfernung von 7.000 Lichtjahren angenommen. Die Entfernungsbestimmung ist deshalb so schwierig bei diesem Objekt, weil die Sterne, durch den Great Rift unserer Milchstraße, der sich nur einige hundert Lichtjahre von uns entfernt befindet, um bis zu 3,1 Magnituden abgeschwächt werden. M 16 gehört zur weiter nördlich gelegenen Serpens-OB1-Assoziation von jungen Sterne, die ebenfalls von den Staubmassen, entlang der Ebene unserer Galaxis, getrübt werden. Der gesamte M 16 Nebelkomplex hat eine Gesamtausdehnung von ungefähr 70 x 50 Lichtjahren und eine Gesamtmasse von 12.500 Sonnen.
Die „Säulen der Schöpfung“
Der Adlernebel besteht hauptsächlich aus ionisiertem Wasserstoffgas (H‑II) und enthält mehrere aktive sternbildende Gebiete und Staubregionen. In Messier 16 hat vor einigen Millionen Jahren ein lebhafter Sternentstehungsprozess begonnen. Dieser vollzieht sich in der Nähe der Dunkelnebel im Zentrum, den so genannten „Elefantenrüsseln“, die das Hubble-Weltraumteleskop (HST) am 1. April 1995 ablichten konnten. Mit den faszinierenden Aufnahmen des HST gelang zum ersten Mal auch ein detaillierter Einblick in den Entstehungsprozess der Sterne. Nach der Form her ähneln diese Säulen einem Greifvogel im Sturzflug, so dass man gut nachvollziehen kann, warum der Nebel diesen Namen erhielt. Sie werden auch als die „Säulen der Schöpfung“ (Pillars of Creation) bezeichnet und haben eine Ausdehnung von 9,5 Lichtjahren. Die größte dieser Säulen ist ungefähr 4 bis 5 Lichtjahre hoch. Sie sind eine große Region der Sternentstehung und bestehen vorwiegend aus neutralem interstellaren Wasserstoffgas und Staub. Eine ähnliche Struktur wurde auch im Seelennebel (IC 1848), im nördlichen Sternbild Kassiopeia, gefunden. Dort findet man ebenfalls kleine, dunkle Taschen, die so genannten Bok-Globulen, in dem sich Protosterne bilden.
An deren Spitze der Säulen findet man sehr junge Sterne, die im Durchschnitt nicht älter als 800.000 Jahre sind. Die Säulen der Schöpfung erodieren langsam, aufgrund der intensiven UV-Strahlung der jungen Sterne in ihrer Umgebung, was als Photoevaporation bezeichnet wird. Dadurch werden an ihren Spitzen bestehenden Knoten freigelegt, die in der astronomischen Literatur als „Evaporating Gaseous Globules“ (EEGs) bezeichnet werden. Sie erscheinen wie kleine, fingerartige Fortsätze und sind dicht genug, um unter ihrer eigenen Schwerkraft zu kollabieren. Diese Globulen sind von der Ausdehnung her etwas größer als unser Sonnensystem. In ihrem Inneren befinden sich bereits sehr junge Sterne und wahrscheinlich auch Planeten, in einem sehr frühen Entwicklungsstadium.
Im Jahr 2007 wurden mit Hilfe des Spitzer-Weltraumteleskops, im infraroten Licht, heißes Gas und Staub beobachtet. Diese stammt wahrscheinlich von einer nahen Supernova, die vor 6.000 Jahren explodierte und vor 1.000 bis 2.000 Jahren wahrscheinlich an unserem Himmel sichtbar war. Die Schockfront dieser Supernova wird die „Säulen der Schöpfung“ zerstören, was wahrscheinlich bereits eingetreten ist. Aufgrund der Entfernung zum Nebel werden wir aber erst in ungefähr 1.000 Jahren Zeuge dieser Zerstörung werden, wenn die darin enthaltenen jungen Sterne freigelegt werden. Neuere Forschungsergebnisse weisen diese Supernova allerdings nicht nach. Vielleicht werden uns die Säulen doch noch noch mindestens 100.000 Jahre erhalten bleiben. Eine weitere dunkle Säule im Adlernebel nennt sich „The Spire“. Dies befindet sich direkt östlich der „Pillars of Creation“. Auch hier findet Sternenstehung statt. Der obere Teil der Säule wurde bereits durch die ultraviolette Strahlung der jungen und extrem heißen Sterne wegerodiert. Die Sterne sind auch für die Beleuchtung der Oberfläche der Säule verantwortlich.
Der offene Sternhaufen innerhalb des Adlernebels
Der mit dem Nebel assoziierte, nur 7 Bogenminuten große offene Sternhaufen befindet sich im nordwestlichen Teil des Adlernebels und enthält ungefähr 460 junge Sterne. Die meisten Mitgliedssterne des Haufens sind zwischen 1 und 2 Millionen Jahren alt. Die ältesten Mitglieder besitzen ein Alter von bis zu 6 Millionen Jahren und befinden sich vor allem im Südosten der Nebelregion. Der Sternhaufen konzentriert sich hauptsächlich in einer Lücke in der Molekülwolke, nordwestlich der dunklen Elefantenrüssel und erscheint locker und unregelmäßig. Viele dieser Sterne sind sehr massereich, besonders leuchtkräftige und besitzen die Spektralklasse O und B. Sie regen durch ihre energiereiche Strahlung den Nebel zum Leuchten an.
Viele von diesen jungen Sternen sind gerade aus ihrem Kokon geschlüpft und nur 50.000 bis 800.000 Jahre alt. Auch einige Veränderliche vom T‑Tauri Typ sind bekannt, von denen man annimmt, dass sich die Sterne immer noch in der Phase der Kontraktion befinden. Der hellste Stern im 15 Lichtjahre großen Haufen (HD 168076) besitzen eine scheinbare Helligkeit von 8,24 Größenklassen und ist bereits in einem guten Fernglas zu erkennen. Der Stern ist eigentlich ein Doppelstern, der aus einem O3,5‑Stern und einem O7,5‑Begleiter besteht. Die Hauptkomponenten hat eine Masse von 80 Sonnenmassen und eine Leuchtkraft von bis zu 1 Million Sonnen. Weitere 13 Sterne sind heller als 10. Größenklasse. Des Weiteren zählt NGC 1611 zu den leuchtkräftigsten und jüngsten offenen Sternhaufen unserer Milchstraße.
Beobachtung
Der Adlernebel befindet sich in einem wunderschönen Bereich der südlichen Sommermilchstraße, einige Grad nördlich des Omeganebel (Messier 17), Messier 18 und der Sagittarius-Sternwolke (Messier 24). Der innerhalb des Adlernebels liegende Sternhaufen NGC 6611 ist mit jeder Optik und geringer Vergrößerung ein sehr lohnenswertes Objekt. Unter einem guten Landhimmel ist der Nebelkomplex um Messier 16 bereits in einem 7x50 bzw. 10x50 Feldstecher als schwaches, dreieckiges Nebelwölkchen sichtbar, wobei rund ein Dutzend Sterne aufgelöst werden. Mein 16x70 Fujinon Großfernglas zeigt den Sternhaufen deutlich heller. Der Hintergrund bleibt noch diffus. Mit Teleskopen ab 3 bis 4 Zoll Öffnung und mittleren Vergrößerungen sind rund 20 bis 25 Einzelsterne der 7. bis 8. Größenklasse wahrnehmbar. Diese nehmen ein Gebiet von ungefähr 10 Bogenminuten Ausdehnung ein. Die Sterne reihen sich in einer Art rechtwinklig gebogenen Zweierkette auf und sind in einem ungleichmäßigen Hintergrund aus schwächeren Sternen und sehr schwachen Nebel eingebettet.
Die HII-Region erscheint in kleinen Instrumenten auch unter einem dunklen Landhimmel viel schwieriger und sehr diffus. Der Nebel ist im Norden durch eine dreiecksförmige Einbuchtung stark begrenzt und breitet sich vom Sternhaufen ausgehend, in Richtung Süden aus. Die hellsten Stellen des Nebels befinden sich direkt südöstlich der beiden hellsten Sterne im Haufen. Unter sehr guten Bedingungen sind Andeutungen von Staub zu erkennen. Noch besser ist der Nebel mit schmalbandigen Filtern (UHC bzw. O‑III) und mit 6 bis 8 Zoll Öffnung wahrnehmbar. Die Schwingen des Adlers erstrecken sich in Richtung Nordosten und Südwesten und sind eher schlecht definiert. Der Kopf des Adlers befindet sich in der Nähe des Haufenzentrums. Die Konzentration der Sterne erscheint im Norden und Süden zweigeteilt. Der nördliche Teil ist in einem zarten Nebel eingehüllt und enthält einige Dunkelnebel. Mit noch größerer Öffnung entdecken wir noch mehr Einzelsterne. Auch erscheint der Nebel deutlich heller, mit feineren Details. Die Elefantenrüssel, die von den Hubble-Bildern bekannt sind, sind aber erst ab einem Durchmesser von 12 bis 14 Zoll zu erkennen. Vom dunklen Himmel Namibias aus, sind diese schon mit 10 Zoll und hoher Vergrößerung erreichbar.
Der Adlernebel ist in den Sommer bis in den Herbst hinein beobachtbar. Er befindet sich 2,4° nordwestlich von M 17, im südöstlichen Teil des Sternbilds Schlange und in der Nähe der Grenze zum Sternbild Schild. Somit steigt er von unseren Breiten aus gesehen nie sehr hoch über dem südlichen Horizont. Um den Adlernebel aufzufinden, starten wir in der Nähe des Sternendreiecks der Schlange, das aus den Sternen Ny (4,3 mag), Zeta (3,5 mag) und Omicron Serpentis (4,3 mag) gebildet wird. Nun schwenken wir das Teleskop 9° in Richtung Osten, wo wir im Sucherteleskop schließlich auf den Nebel stoßen. Messier 16 steht genau 2,5° westnordwestlich von Gamma Scuti (4,7 mag), der sich auf der Verbindungslinie zwischen dem Hauptstern Atair im Adler und Lambda Aquilae in Richtung des Sternbilds Schütze befindet.
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Steckbrief für Messier 16
Objektname | Messier 16 |
Katalogbezeichnung | NGC 6611, IC 4703, OCL 54, LBN 67 |
Eigenname | Adlernebel, Eagle Nebula, Star Queen Nebula |
Typ | offener Sternhaufen + Emissionsnebel, II 3 m n:a, EN |
Sternbild | Schlange (Serpens) |
Rektaszension (J2000.0) | 18h 18m 48,0s 18h 18m 36,0s |
Deklination (J2000.0) | -13° 47′ 50″ ‑13° 58′ 00″ |
V Helligkeit | 6,0 mag |
Flächenhelligkeit | 12,0 mag |
Winkelausdehnung | 8,0′ 35,0′ x 28,0′ |
Anzahl der Sterne | 60 |
Hellster Stern | 11,0 mag |
Durchmesser | 70 Lichtjahre |
Entfernung | 7.000 Lichtjahre |
Beschreibung | with Eagle nebula; L,B,scattered Cl,neb invl; In Ser OB1;Star Queen or Eagle Nebula;stars mags 8… |
Entdecker | Jean-Philippe Loys de Chéseaux, 1745/46 |
Sternatlanten | Cambridge Star Atlas: Chart 12 Interstellarum Deep Sky Atlas: Chart 66 Millennium Star Atlas: Charts 1343–1344 (Vol III) Pocket Sky Atlas: Chart 67 Sky Atlas 2000.0: Chart 16 Uranometria 2nd Ed.: Chart 126 |