Am 4. Juli 1054 berichteten chinesischen Astronomen von einem „Gaststern“ im östlichen Teil des Sternbilds Stier (Taurus). Vermutlich wurde diese neue Stern auch von den Anasazi und Navajo Indianern in Arizona und New-Mexiko beobachtet, wie Funde in Form von Felszeichnungen andeuten. Heutzutage befindet sich an der Position von Messier 1 (NGC 1952), der auch als Krebsnebel, Krabbennebel oder Crab-Nebel bekannt ist, der einzige in Messiers Katalog aufgeführte Supernova-Überrest. Dieser wurde im Jahr 1731 vom englischen Physiker und Amateurastronomen John Bevis entdeckt, der das Objekt in seinem 1750 fertiggestellten aber nie veröffentlichten Himmelsatlas Uranographica Britannica eintrug. Charles Messier entdeckte das Objekt am 28. August 1758 unabhängig, als er auf der Suche nach dem Kometen war, der von Halley für das Jahr 1758 vorhergesagt wurde und der heutzutage als Halleyscher Komet bekannt ist. Messier bemerkte, dass sich das Objekt, das er beobachtete und fälschlicherweise für den Kometen hielt, am Himmel nicht bewegte. Das war der Anlass des französischen Astronomen, einen Katalog der Sternhaufen und Nebel zu veröffentlichen, um zukünftige Verwechslungen zu vermeiden. Schließlich nahm er den Krebsnebel am 12. September 1758 als erstes Objekt in seinen neuen Katalog auf. Er beschrieb M 1 als weißlichen Nebel ohne Sterne, ähnlich einer Kerzenflamme. Wilhelm Herschel beobachtete Messier 1 zwischen 1783 und 1809 mehrmals und kam zu dem Schluss, dass es sich um eine Gruppe aus Sternen handelte. Auch sein Sohn John veröffentlichte eine Abbildung von M 1 im Jahr 1833, der den Nebel als ovalen Sternhaufen zeigte. Der im englischen Sprachraum gebräuchliche Name „Crab Nebula“ stammt von William Parson, der 3. Earl of Rosse, der den Nebel im Jahr 1840 von Birr Castle aus beobachtet hatte und im Jahr 1844 auch eine Zeichnung von ihm veröffentlichte. Dabei verglich er die in dem Nebel visuell sichtbaren Filamente mit den Gliedmaßen einer Krabbe. Als er im Jahr 1848 den Nebel mit einem größeren Teleskop abermals beobachtete, konnte er diese Ähnlichkeiten nicht mehr bestätigen. Das erste Foto von M 1 überhaupt wurde im Dezember 1892 von Dr. Isaac Roberts mit einem 20-Zoll-Teleskop aufgenommen.
Die Supernova von 1054
Der Krebsnebel ist der Überrest einer Supernova, indem sich ein Pulsarwind-Nebel gebildet hat, der Gammastrahlen von mehr als 100 Terraelektronenvolt (TeV) emittiert. Gleichzeitig ist Messier 1 auch das erste Objekt in der astronomischen Forschung, das mit einer Supernovaexplosion in Verbindung gebracht wurde. Mit einer Helligkeit von 8,4 mag und einer scheinbaren Ausdehnung von 6 x 4 Bogenminuten am Himmel oder 10 x 7 Lichtjahre, erscheint Messier 1 im lichtstarken Fernglas und unter guten Beobachtungsbedingungen wie ein schwaches unscharfes Sternchen. Der Supernovarest befindet sich 6.300 Lichtjahre von der Erde entfernt im Perseus-Spiralarm unserer Milchstraße.
Der Krebsnebel entstand bei der Supernovaexplosion, als einem alten, massereichen Stern von ca. 10 Sonnenmassen der Kernbrennstoff ausgegangen war. Nachdem die Kernfusionsprozesse im Inneren des Sterns zur Neige ging, erlitt dieser einen Kernkollaps, weil der nach außen gerichtete Strahlungsdruck, das Gewicht der äußeren Schichten nicht mehr standhalten konnte. Daraufhin wurden die äußeren Schichten des Sterns explosionsartig in den Raum hinausgeschleudert. Für eine Dauer von 23 Tagen war diese Explosion von der Erde aus gesehen sogar am Taghimmel beobachtbar. Weitere Untersuchungen ergaben, dass die Supernova wahrscheinlich im April oder im Mai des Jahres 1054 am Himmel erschienen ist und eine maximale Helligkeit von bis zu ‑7 mag erreichte. Dieser „Gaststern“ war nach der ersten Beobachtung ungefähr 653 Tage lang mit bloßem Auge sichtbar und gehört zu den wenigen geschichtlich belegten Supernovaexplosionen in unserer Galaxis. Denn seit dem Jahr 1054, wurden in unserer Milchstraße erst drei weitere Supernovae beobachtet.
Der Crab-Pulsar
Der Kern des sterbenden Sterns kollabierte weiter zum Neutronenstern, mit einem Durchmesser von ungefähr 28 bis 30 Kilometern und 1,4 bis 2 Sonnenmassen. Die entartete Materie in diesen Neutronensternen ist sehr kompakt. Ein Zuckerwürfel Materie würde auf der Erde einige Milliarden Tonnen wiegen. In den Jahren 1913 bis 1915 wurde M 1 spektroskopisch untersucht und Vesto Slipher erkannte gespaltenen Spektrallinien im Spektrum, was Heber Doust Curtis zum Anlass nahm, den Nebel als Planetarischen Nebel zu klassifizieren. Später stellte sich heraus, dass diese Spektrallinien durch einen Dopplereffekt erklärt werden konnte mit der Erkenntnis, dass sich der Krebsnebel sehr schnell ausbreitete. Die Existenz eines Pulsars wurde erstmals in den 1960er Jahren vom italienischen Astrophysiker Franco Pacini vorhergesagt, um die Helligkeit des Krebsnebels zu erklären. Der Krebspulsar (PSR B0531+21) wurde schließlich im Jahr 1968, mit Hilfe des Arecibo-Radioteleskop zum ersten Mal beobachtet.
Der Pulsar rotiert in einer Sekunden 30 Mal um seine Achse. Diese Periode von 33,5 Millisekunden verlangsamt sich allmählich, aufgrund der magnetischen Wechselwirkung mit der Materie des Nebels. Der durch die starken Magnetfelder gebündelte Strahl des Crab-Pulsars, der auch im optischen, Röntgen‑, Gamma- und im Radiobereich sichtbar ist, überstreicht in dieser Zeit die Sichtlinie der Erde, so dass eine Art Blinken sichtbar wird. Im Bereich der Gammastrahlen gehört der Krebsnebel zu den hellsten Objekten an unserem Himmel und ist die stärkste beständige Quelle für Röntgen- und Gammastrahlung mit Energien über 30 Kiloelektronenvolt. Aufgrund seiner intensiven Radiostrahlung, ist M 1 auch als Taurus A bzw. 3C 144 bekannt. Der Neutronenstern selber besitzt eine Temperatur von 500.000 Kelvin, ein starkes Magnetfeld von 100 Millionen Tesla und eine Leuchtkraft von 75.000 Sonnen, wobei die meiste Energie außerhalb des sichtbaren Spektrums emittiert wird. Visuell besitzt der Zentralstern nur eine Helligkeit von 16 mag. Bevor der Pulsar im Radiobereich entdeckt wurde, wurde sein visuell sichtbares Pendant bereits 1942 von dem deutsch-amerikanischen Astronomen Rudolf Minkowski nachgewiesen. Im frühen zwanzigsten Jahrhundert beobachtete bereits verschiedene Astronomen, darunter Carl Otto Lampland, Knut Lundmark, Nicholas Mayall sowie Edwin Hubble, veränderliche Strukturen im Nebel und schlussfolgerten, dass der Krebsnebel durch die Supernova SN 1054 entstanden sein muss, die von chinesischen, japanischen und arabischen Astronomen aufgezeichnet wurden. Der Zentralstern im Krebsnebel lieferte somit den endgültigen Beweis für die Theorie, dass Pulsare durch Supernova-Explosionen gebildet werden.
Der dem Pulsar umgebene Nebel ist von rötlichen Filamenten durchzogen, die aus den äußeren Schalen des Ursprungssterns entstanden sind. Sie bestehen zum größten Teil durch die Strahlung des Neutronensterns ionisierten Wasserstoff und Helium. Das Gas wird auch an den Stoßfronten aufgeheizt, so dass es ebenfalls zum Leuchten angeregt wird. Auch geringe Anteile von Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Eisen, Neon und Schwefel sowie Staub sind darin enthalten. Die Temperaturen der Filamente liegen zwischen 11.000 und 18.000 Kelvin. Der diffuse innere Bereich des Nebels erscheint bläulich und wird durch hochgradig polarisierte Synchrotonstrahlung zum Leuchten angeregt, die durch die schnelle Bewegung von Elektronen nahe der Lichtgeschwindigkeit, in einem starken Magnetfeld, erzeugt werden. Der Nebel dehnt sich mit einer Geschwindigkeit von 1.500 Kilometern pro Sekunde bzw. 0,2 Bogensekunden pro Jahr in den interstellaren Raum aus, so dass Veränderungen auf Fotos schon nach wenigen Jahren sichtbar werden. Veränderungen im Zentrums des Nebels sind sogar innerhalb weniger Tage nachweisbar, in Form von dynamischen Schockfronten, die durch den Pulsarwind und Materie innerhalb des Nebels verursacht werden.
Beobachtung
Unter einem dunklen Landhimmel sollte der Krebsnebel schon als mattes Wölkchen in einem 10x50 Fernglas sichtbar sein. Besser ist natürlich ein Teleskop, welches auch höhere Vergrößerungen zulässt. So reicht schon ein 2 Zoll großes Fernrohr aus, um den leicht ovalen Nebel zu beobachten. In kleinen Fernrohren von 3 bis 4 Zoll Öffnung ist der Anblick des Krebsnebels aber eher enttäuschend und ähnelt eher einem Kometen ohne Schweif mit helleren Rändern. Ein O‑III Filter und Teleskopöffnungen von 6 bis 8 Zoll sollten aber helfen, auch bei nicht ganz optimalen Bedingungen einige Details erkennbar werden zu lassen in Form von fleckigen bzw. streifenförmigen Strukturen. Der Nebel selber erscheint nun S‑förmig, mit einem helleren Teil an der nordwestlichen und einen schwächeren und deutlich diffuser erscheinenden Teil an der südöstlichen Flanke. Selbst mit größerer Öffnung ist es schwierig, einzelne Details zu erkennen. Die Filamente, die vor allem auf Fotos sichtbar sind, sind ab einer Öffnung von 12 Zoll und mehr wahrnehmbar. Die nordwestliche Spitze des Nebels erscheint hier viel heller, als der südwestliche und eher unregelmäßig geformte Teil. Eine dunkle Bucht teilt den Nebel in einen helleren und in einen schwächeren Abschnitt. Mit einem Polarisationsfilter lassen sich auch örtliche Polarisationseffekte im Nebel beobachten. Visuell ist der Crab-Pulsar, unter sehr guten Bedingungen, mit Teleskopen ab 20 Zoll nachweisbar.
Um Messier 1 zu finden, sollte Zeta Tauri, die südliche Hörnerspitze des Stiers, direkt in die Suchermitte eingestellt werden. Der Supernovaüberrest befindet sich südöstlich eines Sterns der 6. Größenklasse und ungefähr 1,2° in nordwestlicher Richtung entfernt von einer Sternengruppe aus 6 und 7 mag hellen Sternen, die mit Zeta Tau eine Art Trapez bilden.
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Steckbrief für Messier 1
Objektname | Messier 1 |
Katalogbezeichnung | NGC 1952, LBN 833, Sh2-244, CED 53, 3C 144 |
Eigenname | Krebsnebel, Krabbennebel, Crab Nebula, Taurus A |
Typ | Supernovaüberrest, SNR |
Sternbild | Stier (Taurus) |
Rektaszension (J2000.0) | 05h 34m 31.9s |
Deklination (J2000.0) | +22° 00′ 52″ |
V Helligkeit | 8,4 mag |
Flächenhelligkeit | 11,0 mag |
Winkelausdehnung | 6,0′ x 4,0′ |
Durchmesser | 10 x 7 Lichtjahre |
Entfernung | 6.300 Lichtjahre |
Beschreibung | vB,vL,E135,vglbM,r; Crab Nebula;Rosse saw filaments;cent pulsar 16 mag;3C144 |
Entdecker | John Bevis, 1731 |
Sternatlanten | Cambridge Star Atlas: Chart 3 & 9 Interstellarum Deep Sky Atlas: Chart 37 & 49 Millennium Star Atlas: Charts 157–158 (Vol I) Pocket Sky Atlas: Chart 14 Sky Atlas 2000.0: Chart 5 Uranometria 2nd Ed.: Chart 77 |