ISON oder Schrödingers Komet

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Komet ISON während des Perihels im Blickfeld von STEREODer gest­ri­ge Vor­bei­flug von C/2012 S1 ISON gehört für mich zu den span­nends­ten Erleb­nis­sen in der Wis­sen­schaft seit lan­gem. Ver­gleich­bar war die Situa­ti­on mit dem Ein­schlag von Shoe­ma­ker-Levy 9 1994 auf Jupi­ter, wo die ARD damals in einem Brenn­punkt, exklu­siv eine Son­der­sen­dung vom Kome­ten­crash brach­te. Zu jenem Zeit­punkt soll­te das größ­te Bruch­stück des Kome­ten auf den Rie­sen­pla­ne­ten ein­schla­gen. Mode­riert wur­de die Sen­dung übri­gens vom 19 Jah­re jün­ge­ren Ran­ga Yogeshwar. 😀 Und obwohl es dort kei­ne aktu­el­len Bil­der von dem Ereig­nis zu sehen gab, war die Situa­ti­on ver­gleich­bar mit der Peri­hel­pas­sa­ge von ISON am 28. Novem­ber 2013. Denn ges­tern konn­ten, Dank des Inter­nets, Mil­lio­nen Men­schen in aller Welt ver­fol­gen, wie sich ISON in den Gesichts­fel­dern der Son­nen­son­den STEREO und SOHO lang­sam unse­rem Zen­tral­ge­stirn annä­her­te. Ich hat­te das Glück, die Pas­sa­ge auf ver­schie­de­nen Web­sei­ten sowie bei Twit­ter Live zu ver­fol­gen. Der Ansturm der Inter­es­sier­ten Kome­ten­be­ob­ach­ter war so groß, dass sie zeit­wei­se die Ser­ver der NASA in die Knie zwan­gen, so dass man oft lan­ge auf neue Bil­der von SOHO war­ten muss­te. Dage­gen gab es nur meh­re­re Stun­den alte Bil­der von der ESA, die zusam­men mit der NASA die Raum­son­de SOHO betreiben.

Komet ISON erreicht die Sonnennähe

Komet ISON erreicht sein Peri­hel – SOHO LASCO C2 Sequenz © ESA/NASA

Kurz vor der dich­tes­ten Annä­he­rung an die Son­ne zeig­te der Komet ein Ver­hal­ten, was schon bei vie­len Son­nen­strei­fern beob­ach­tet wur­de. Er wur­de zneh­mend schwä­cher und man befürch­te­te, dass sich der Kern voll­stän­dig auf­löst. Die Koma ver­schwand und es zeig­te sich eine Hel­lig­keitspit­ze im Schweif des Kome­ten. Das war bis kurz vor 21:30 Uhr auch für Kome­ten­ex­per­ten ein Zei­chen, dass ISON in Auf­lö­sung begrif­fen ist. In der Twit­ter­ge­mein­de gab es schon die ers­ten Trau­er­re­den auf den Abge­sang des „Jahr­hun­dert­ko­me­ten“. Und selbst Wis­sen­schaft­ler der NASA, die in einem so genann­ten Han­gout – unter ande­rem mit Phil­ip Plait (Badastronomy.com) – auf NASA-TV den Peri­hel­durch­gang Live kom­men­tier­ten, waren wohl die­ser Ansicht, da auch auf den Bil­dern der Son­nen­son­de SDO nichts vom Kome­ten zu sehen war. Aber wie so oft ver­hal­ten sich Kome­ten unbe­re­chen­bar, so auch ISON.

SOHO LASCO C3

SOHO LASCO C3 Bild vom 29. Novem­ber 2013 mit Komet ISON, der Son­ne und Ant­ares (unten links)

Kur­ze Zeit spä­ter wur­den auf Twit­ter Roh­bil­der des Las­co C2-Gesichts­feld auf SOHO ver­öf­fent­lich, die etwas zeig­ten, was auf der Bahn von ISON hin­ter der Son­ne her­vor­kam. Offen­sicht­lich hat­te ein klei­nes Kern­frag­ment die Peri­hel­pas­sa­ge über­stan­den. Oder war es nur die Staub­wol­ke von ISON, die auf der Bahn des zer­stör­ten Kome­ten wei­ter zog? Zu die­sem Zeit­punkt ver­brei­te­ten die Medi­en in einer Pres­se­mit­tei­lung schon den Tod des Kome­ten. Auf­nah­men von SOHO LASCO C3, die kurz nach Mit­ter­nacht am 29. Novem­ber ver­öf­fent­licht wur­den, zeig­ten einen Kome­ten­rest, der bestän­dig hel­ler wur­de und gegen Mor­gen die Hel­lig­keit des Sterns Ant­ares im Skor­pi­on erreich­te. Zu sehen war auch ein zwei­ge­teil­ter Staubschweif.
Nun bleibt abzu­war­ten, wie sich ISON wei­ter ent­wi­ckelt. Denn immer noch ist unklar, wie und ob der Komet über­haupt bei uns am Him­mel mit blo­ßem Auge zu sehen ist. Mit viel Glück wird ISON eine Show ablie­fern, wie damals Komet Love­joy im Dezem­ber 2011, der am Süd­him­mel sicht­bar war. Aktu­el­le Infos und Auf­such­kar­ten gibt’s z.B. auch auf mei­ner Home­page.

Komet Lovejoy am 22. Dezember 2011 über Santiago/Chile © ESO/Yuri Beletzky

Komet Love­joy am 22. Dezem­ber 2011 über Santiago/Chile © ESO/Yuri Beletzky

Am kom­men­den Diens­tag, dem 3. Dezem­ber 2013, sind die Kome­ten, u.a. auch ISON, das The­ma der Sen­dung bei „Quarks & Co“ im WDR. Die Sen­dung kann dann auch als Video-Pod­cast her­un­ter­ge­la­den werden.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen gibt’s in Jan Hat­ten­bachs Arti­kel zur gest­ri­gen Peri­hel­pas­sa­ge sowie in sei­nem Blog „Him­mels­lich­ter“ und in Dani­el Fischer Blog „Sky­week 2.0″.

Update:

Die letz­ten Bil­der von SOHO, auf dem ISON noch zu sehen ist, machen wenig Hoff­nung, dass wir vom Kome­ten über­haupt noch was zu sehen bekom­men. ISON ähnelt nun immer mehr einer lang gezo­ge­nen Staub­wol­ke, die sich immer mehr auf­löst. Ich schät­ze, dass wir den „Jahr­hun­dert­ko­me­ten“ nun end­gül­tig zu Gra­be tra­gen können. 🙁

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ISON ver­schwin­det lang­sam aus dem SOHO Blick­feld und löst sich auf

Wir brau­chen aber trotz­dem nicht trau­rig sein: Nahe­zu unbe­ach­tet vom Kome­ten­rum­mel um ISON ist der Komet C/2013 R1 Love­joy momen­tan ein schö­nes und vor allem hel­les Feld­ste­cher­ob­jekt. Er kann am frü­hen Abend­him­mel und vor allem am Mor­gen­him­mel auf­ge­fun­den wer­den. Auf mei­ner Kome­ten­sei­te gibt es mehr Infos, Eph­eme­ri­den und Auf­such­kar­ten zu Lovejoy.

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

2 Kommentare:

  1. Wer und was durch den Kome­ten noch zu Gra­be getra­gen wer­den wird, wird sich noch zeigen.

    Es bleibt spannend.

    Gruss von

    The­re­sa.

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