Objekte des Monats: Der Pac-Man-Nebel NGC 281

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NGC 281 ist ein Emis­si­ons­ne­bel mit ein­ge­bet­te­tem Stern­hau­fen im nörd­li­chen Stern­bild Kas­sio­peia (Cas­sio­peia). Er wur­de am 16. Novem­ber 1881 vom US-ame­ri­ka­ni­schen Astro­no­men Edward Emer­son Bar­nard mit einem 5‑Zoll-Refrak­tor ent­deckt, als die­ser nach Kome­ten such­te. Bar­nard beschrieb ihn als gro­ßen, schwa­chen und sehr dif­fu­sen Nebel. Das Objekt ist auch im Index-Kata­log als IC 11 ver­zeich­net. Ver­mut­lich hat Bar­nard den­sel­ben Nebel im Jahr 1890 erneut beob­ach­tet und sich dabei um eine hal­be Stun­de in Rekt­aszen­si­on ver­schrie­ben. Aus die­sem Grund wur­de der Nebel auch in den „Index Cata­lo­gue“ auf­ge­nom­men. Auf­grund sei­nes äuße­ren Erschei­nungs­bil­des, das der gleich­na­mi­gen Video­spiel-Haupt­fi­gur der 1980er Jah­re ähnelt und vor allem auf lang belich­te­ten Fotos zur Gel­tung kommt, wird NGC 281 auch als „Pac-Man-Nebel“ (Pac­man Nebu­la) bezeich­net. Der in ihm ein­ge­bet­te­te offe­ne Stern­hau­fen IC 1590 wur­de erst am 31. Okto­ber 1899 vom fran­zö­si­schen Astro­no­men Guil­laume Bigour­dan entdeckt.

Ein Nebel mit jungem Sternhaufen

Der Pac-Man-Nebel ist mit einer Hel­lig­keit von 7,3 mag bereits in Ama­teur­te­le­sko­pen sicht­bar. Der 35 x 30 Bogen­mi­nu­ten gro­ße Nebel befin­det sich nach neu­es­ten Erkennt­nis­sen in einer Ent­fer­nung von 9.200 Licht­jah­ren zur Erde im Per­seus-Spi­ral­arm unse­rer Milch­stra­ße. Mit einem Durch­mes­ser von rund 95 x 80 Licht­jah­ren ist der Pac-Man-Nebel 2,5 Mal grö­ßer als der berühm­te Ori­on­ne­bel (Mes­sier 4243). NGC 281 ist wie­der­um Teil einer grö­ße­ren Stern­ent­ste­hungs­re­gi­on mit der Bezeich­nung Shar­pless 184 (Sh2-184). Das leuch­ten­de Gas und die dunk­len Wol­ken sind Teil eines grö­ße­ren Kom­ple­xes aus ato­ma­ren und mole­ku­la­ren Wol­ken am Nord­stern­him­mel. Sie bil­den einen 880 Licht­jah­re brei­ten Ring um NGC 281.

Nebel Kassiopeia
Nebel­ge­bie­te im Stern­bild Kas­sio­peia © Andre­as Schnabel

Die­se Rie­sen­mo­le­kül­wol­ke und die ers­te Gene­ra­ti­on von Ster­nen ent­stan­den vor rund 20 Mil­lio­nen Jah­ren durch die Aus­deh­nung einer Super­bla­se, die durch eine Super­no­va­ex­plo­si­on ver­ur­sacht wur­de. Dies Wol­ke besitzt eine Mas­se von 40.000 Son­nen­mas­sen und befin­det sich etwa 1.000 Licht­jah­re von der galak­ti­schen Zen­tral­ebe­ne der Milch­stra­ße ent­fernt. Eine zwei­te Gene­ra­ti­on von Ster­nen ent­steht der­zeit in NGC 281 in klei­ne­ren Regio­nen mit Durch­mes­sern von eini­gen Dut­zend Licht­jah­ren. Die­ser Pro­zess wur­de ver­mut­lich durch die Wech­sel­wir­kung der zuvor ent­stan­de­nen Ster­ne mit der Rie­sen­mo­le­kül­wol­ke ausgelöst.

Inner­halb von NGC 281 exis­tiert der jun­ge, offe­ne Stern­hau­fen IC 1590, mit einer schein­ba­ren Hel­lig­keit von 7,4 mag. Der rund 17 Licht­jah­re gro­ße Stern­hau­fen ist vom Anblick her für Ama­teur­te­le­sko­pe eher unspek­ta­ku­lär. Er ent­hält 279 Mit­glieds­ster­ne der 8. bis 17. Grö­ßen­klas­se. Dabei sind rund zwei Dut­zend Mit­glie­der der Spek­tral­klas­se O bis B im Tele­skop visu­ell zu erken­nen. Durch ihren inten­si­ven Strah­lungs­druck for­men sie die Gas- und Staub­mas­sen in NGC 281 und haben im Zen­trum des Pac-Man-Nebels eine Höh­lung in den Wol­ken­kom­plex gebla­sen. Eini­ge von ihnen sind sehr mas­se­reich und fal­len vor allem durch ihre inten­si­ve Rönt­gen­strah­lung auf. Der Stern­hau­fen ist 3,5 Mil­lio­nen Jah­re alt und somit etwas älter als die Ster­ne im Orionnebel.

NGC 281
NGC 281 in der Kas­sio­peia – Auf­nah­me von Franz Klaus & Man­fred Wass­hu­ber, Quel­le: CCD-Gui­de, Astro­no­mi­scher Arbeits­kreis Salzkammergut

Der Nebel wird vor allem durch den sehr leucht­kräf­ti­gen O6-Mehr­fach­stern BD +55° 191 (HD 5005) ioni­siert. Der 7,8 mag hel­le Stern ist in der astro­no­mi­schen Fach­li­te­ra­tur auch als Mehr­fach­stern Burn­ham 1 bekannt. Der Stern befin­det sich nahe dem Zen­trum des Nebels und regt mit sei­ner inten­si­ven UV-Strah­lung das ihn umge­ben­de Was­ser­stoff­gas im tief­ro­ten Bereich des Spek­trums zum Leuch­ten an. Umge­ben ist die­ser Was­ser­stoff von dunk­lem, kal­tem Staub, der die Sicht auf den Hin­ter­grund behin­dert. Das Mehr­fach­sys­tem ent­hält ins­ge­samt fünf Kom­po­nen­ten der 8. bis 12. Grö­ßen­klas­se. Die Abstän­de der ein­zel­nen Kom­po­nen­ten zum Haupt­stern betra­gen 1,4 bis 15,7 Bogen­se­kun­den bzw. 4.000 bis 26.000 AE. Der Mehr­fach­stern im Zen­trum des Nebels wird oft mit dem Ori­ontra­pez im Ori­on­ne­bel ver­gli­chen, obwohl das ihn umge­ben­de Nebel­ge­biet deut­lich schwä­cher erscheint und vom Zen­tral­stern fast über­strahlt wird.

Sternentstehung

Als Ster­nen­ste­hungs­ge­biet ent­hält der Pac-Man-Nebel auch meh­re­re Bok-Glo­bu­len. Die­se erschei­nen vor dem leuch­ten­den Emis­si­ons­ne­bel oder den Stern­fel­dern als klei­ne, iso­lier­te dunk­le Fle­cken. Sie ent­hal­ten gro­ße Men­gen an Staub und mole­ku­la­rem Was­ser­stoff­gas. Infra­rot­auf­nah­men bewei­sen, dass in ihrem Inne­ren Stern­ent­ste­hung statt­fin­det. Im Inne­ren einer Glo­bu­le ver­dich­tet sich die Mate­rie zu Pro­tos­ter­nen. Das Gas zieht sich so lan­ge zusam­men, bis die Tem­pe­ra­tur für die Kern­fu­si­on aus­reicht. Im Jahr 1947 beschrieb der ame­ri­ka­ni­sche Astro­nom Bart Bok die­se Gebil­de als frü­he Pha­se der Stern­ent­ste­hung. Die größ­te von ihnen besitzt einen Durch­mes­ser von 2,6 Licht­jah­ren. Der Stern­hau­fen in NGC 281 ent­hält noch zahl­rei­che Vor-Haupt­rei­hen­ster­ne, die sich noch zusam­men­zie­hen und noch nicht begon­nen haben, Was­ser­stoff zu verbrennen.

Bok-Globule Hubble
Eine Bok-Glo­bu­le im Pac-Man-Nebel in einer Auf­nah­me des Hub­ble-Welt­raum­te­le­skops – Cre­dit: NASA, ESA, and The Hub­ble Heri­ta­ge Team (STScI/AURA), Public domain, via Wiki­me­dia Commons

Ein gro­ßer Teil des Nebels wird von einer vor­ge­la­ger­ten Mole­kül­wol­ke ver­deckt. Deren ioni­sier­ter Teil ist der Emis­si­ons­ne­bel. Des­halb sieht es so aus, als ob der Pac­man nach der Staub­wol­ke schnappt. Die Säu­len und Staub­glo­bu­len sind nur auf hoch­auf­lö­sen­den und län­ger belich­te­ten Fotos erkenn­bar. Sie ähneln den berühm­ten „Säu­len der Schöp­fung“ im Adler­ne­bel (Mes­sier 16). Auch sie wer­den, wie im Adler­ne­bel, von den inten­si­ven, ener­gie­rei­chen Win­den und der Strah­lung der hei­ßen Hau­fen­ster­ne erodiert.

Beobachtung

Unter einem dunk­len Land­him­mel ist NGC 281 mit einem 10×50 Feld­ste­cher bereits als hal­o­för­mi­ges, run­des Nebel­chen um einen Stern erkenn­bar. Ohne Nebel­fil­ter erscheint der Nebel in klei­nen Tele­sko­pen sehr schwach. Bei auf­ge­hell­tem Him­mel stellt das Objekt eine Her­aus­for­de­rung für die Beob­ach­ter dar. Mit einem 3 bis 4‑Zoll Tele­skop erkennt man nur ein schwa­ches dif­fu­ses Leuch­ten um den Mehr­fach­stern HD 5005. Drei Kom­po­nen­ten des Zen­tral­sterns sind bereits in klei­nen Tele­sko­pen visu­ell leicht sicht­bar, die ande­ren erst bei hoher bis sehr hoher Ver­grö­ße­rung. Ein Nebel­fil­ter vom Typ UHC redu­ziert die Hel­lig­keit des Sterns etwas. Der Fil­ter lässt den ihn umge­ben­den Nebel im Oku­lar kon­trast­rei­cher erschei­nen. NGC 281 ist einer die­ser Nebel, die wirk­lich auf einen Nebel­fil­ter anspre­chen. Denn mit einem sol­chen Fil­ter ist NGC 281 selbst in einem 7×50 Fern­glas leich­ter zu erken­nen. Bei mitt­le­rer bis hoher Ver­grö­ße­rung erkennt man die dich­tes­ten Nebel­an­tei­le, die schwä­che­ren ver­blas­sen hin­ge­gen. Im Stern­hau­fen, der rund 15 Mit­glie­der ent­hält, sind auch zahl­rei­che Mini-Hau­fen und dich­te Kon­zen­tra­tio­nen aus schwa­chen Ster­nen sichtbar.

Kassiopeia
Das Stern­bild Kassiopeia

Mit einer Öff­nung von 6 bis 8‑Zoll und gerin­ger Ver­grö­ße­rung erscheint NGC 281 deut­lich auf­fäl­li­ger und oval. Bei höhe­rer Ver­grö­ße­rung ist süd­lich des Stern­hau­fens eine keil­för­mi­ge Ein­buch­tung im Nebel zu erken­nen. Dabei han­delt es sich um eine Dun­kel­wol­ke, die den süd­west­li­chen Teil von NGC 281 ver­deckt. Ein ähn­li­ches Phä­no­men ist der „Golf von Mexi­ko” im Nord­ame­ri­ka­ne­bel (NGC 7000). Der süd­li­che Rand des Nebels erscheint dage­gen scharf begrenzt. Der Nor­den und Nord­os­ten ver­lau­fen dif­fus in den Hin­ter­grund über. Nörd­lich des Zen­tral­sterns ist eine wei­te­re klei­ne, kom­pak­te Dun­kel­wol­ke nach­weis­bar. Ab einer Öff­nung von 8‑Zoll lohnt es sich auch, einen O‑III-Fil­ter zu ver­wen­den. Die­ser kann den Kon­trast des Nebels zum Him­mels­hin­ter­grund noch etwas ver­stärkt, sodass die Pac­man-Form deut­li­cher her­vor­tritt. Bei einer Öff­nung von 10 bis 12-Zoll zei­gen sich noch mehr Dun­kel­struk­tu­ren inner­halb der HII-Region.

Aufsuchkarte
Auf­such­kar­te für NGC 281 – erstellt mit SkytechX

Das Stern­bild Kas­sio­peia ist von unse­ren Brei­ten aus zir­kum­po­lar und somit das gan­ze Jahr über sicht­bar. Am bes­ten beob­ach­tet man den Pac-Man-Nebel, wenn das Stern­bild hoch am Him­mel steht. NGC 281 befin­det sich in der nord­öst­li­chen Ecke des Stern­bilds und ist rela­tiv leicht auf­zu­fin­den. Dazu stellt man She­dar (Alpha Cas, 2,2 mag), der die unte­re Ecke des Him­mels-W-Aste­ris­mus mar­kiert, in die Sucher­mit­te ein. Nun schwen­ken wir das Tele­skop knapp 2° in Rich­tung Osten. Nun soll­te der Nebel bei schwa­cher Ver­grö­ße­rung im Gesichts­feld auf­tau­chen. Rund 2° nord­öst­lich des Nebels befin­det sich der Dop­pel­stern Achird (Eta Cas, 3,5 mag). Die­ser bil­det zusam­men mit Alpha Cas­sio­peiae und NGC 281 ein annä­hernd gleich­sei­ti­ges Dreieck.

Auf­such­kar­te Pac-Man-Nebel (NGC 281) (187,9 KiB, 41 hits)

Steckbrief für NGC 281

Daten und Fak­ten für den Pac-Man-Nebel (NGC 281) in der Kas­sio­peia (Cas­sio­peia)
Objekt­na­meNGC 281
IC 1590
Kata­log­be­zeich­nungSh‑2 184, IC 11, LBN 616
Col­lin­der 8, OCL 313
Eigen­na­mePac­man Nebu­la, Pac-Man-Nebel
TypEmis­si­ons­ne­bel + offe­ner Stern­hau­fen, E+*
Stern­bildKas­sio­peia (Cas­sio­peia)
Rekt­aszen­si­on
(J2000.0)
00h 52m 59,3s
Dekli­na­ti­on
(J2000.0)
+56° 37′ 19″
V Hel­lig­keit6,7 mag
7,4 mag
Win­kel­aus­deh­nung35,0′ x 30,0′
4,0′
Anzahl der Sterne24
Hells­ter Stern7,8 mag
Durch­mes­ser95 Licht­jah­re
Ent­fer­nung9.200 Licht­jah­re
Beschrei­bungin OCL 313; F,vL,dif,S tri­ple * on np edge; in N 281
Ent­de­ckerEdward Emer­son Bar­nard, 1881 / Guil­laume Bigour­dan, 1899
Stern­at­lan­tenCam­bridge Star Atlas: Chart 1, 2 & 7
Inter­stel­larum Deep Sky Atlas: Chart 15
Mill­en­ni­um Star Atlas: Charts 227–228 (Vol I)
Pocket Sky Atlas: Chart 3
Sky Atlas 2000.0: Chart 1
Urano­me­tria 2nd Ed.: Chart 18

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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