Titans Wettervorhersage

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Ein Wis­sen­schaft­ler­team hat Daten des James-Webb-Welt­raum­te­le­skops von NASA/ESA/CSA und des Keck-II-Tele­skops kom­bi­niert, um erst­mals Hin­wei­se auf Wol­ken­kon­vek­ti­on auf dem Saturn­mond Titan in der nörd­li­chen Hemi­sphä­re zu fin­den. Die meis­ten Seen und Mee­re Titans befin­den sich in die­ser Hemi­sphä­re und wer­den wahr­schein­lich durch gele­gent­li­che Methan- und Ethan-Regen­fäl­le gespeist. Webb ent­deck­te außer­dem ein wich­ti­ges koh­len­stoff­hal­ti­ges Mole­kül, das Ein­bli­cke in die che­mi­schen Pro­zes­se in Titans kom­ple­xer Atmo­sphä­re gibt.

Titan
Die­se Bil­der von Titan wur­den am 11. Juli 2023 vom James-Webb-Welt­raum­te­le­skop (obe­re Rei­he) und am 14. Juli 2023 vom boden­ge­stütz­ten W.M. Keck-Obser­va­to­ri­um (unte­re Rei­he) auf­ge­nom­men. Sie zei­gen Methan­wol­ken (gekenn­zeich­net durch die wei­ßen Pfei­le), die in ver­schie­de­nen Höhen in Titans nörd­li­cher Hemi­sphä­re auf­tre­ten. – Cre­dit: NASA, ESA, CSA, STScI, Keck-Observatorium

Der Saturn­mond Titan ist eine fas­zi­nie­ren­de Welt, ein­ge­hüllt in einen gelb­li­chen, smog­ar­ti­gen Dunst. Ähn­lich wie auf der Erde besteht die Atmo­sphä­re haupt­säch­lich aus Stick­stoff und bie­tet Wet­ter­be­din­gun­gen, dar­un­ter Wol­ken und Regen. Anders als auf der Erde, deren Wet­ter von ver­duns­ten­dem und kon­den­sie­ren­dem Was­ser bestimmt wird, exis­tiert auf dem eisi­gen Titan ein Methankreis­lauf (CH4). Methan ver­duns­tet von der Ober­flä­che und steigt in die Atmo­sphä­re auf, wo es zu Methan­wol­ken kon­den­siert. Gele­gent­lich fällt es als küh­ler, öli­ger Regen auf eine fes­te Ober­flä­che, auf der das Was­ser­eis hart wie Stein ist.

„Titan ist der ein­zi­ge ande­re Ort in unse­rem Son­nen­sys­tem, an dem es ein Wet­ter wie auf der Erde gibt, in dem Sin­ne, dass es auf der Ober­flä­che Wol­ken und Regen gibt“, erklär­te der Haupt­au­tor Conor Nixon vom God­dard Space Flight Cen­ter der NASA in Green­belt, Maryland.

Das Team beob­ach­te­te Titan im Novem­ber 2022 und im Juli 2023 sowohl mit dem Webb-Tele­skop als auch mit einem der bei­den boden­ge­stütz­ten W.M. Keck-Tele­sko­pe. Die­se Beob­ach­tun­gen zeig­ten nicht nur Wol­ken in den mitt­le­ren und hohen nörd­li­chen Brei­ten auf Titan – der Hemi­sphä­re, in der es der­zeit Som­mer herrscht – son­dern auch, dass die­se Wol­ken im Lau­fe der Zeit offen­bar in grö­ße­re Höhen auf­stei­gen. Wäh­rend in frü­he­ren Stu­di­en Wol­ken­kon­vek­ti­on in süd­li­chen Brei­ten beob­ach­tet wur­de, ist dies das ers­te Mal, dass eine sol­che Kon­vek­ti­on im Nor­den nach­ge­wie­sen wur­de. Dies ist inso­fern von Bedeu­tung, als sich die meis­ten Seen und Mee­re des Titan in sei­ner nörd­li­chen Hemi­sphä­re befin­den und die Ver­duns­tung aus Seen eine wich­ti­ge poten­zi­el­le Methan­quel­le darstellt.

Auf der Erde reicht die unters­te Schicht der Atmo­sphä­re, die Tro­po­sphä­re, bis zu einer Höhe von etwa 12 Kilo­me­tern. Auf Titan jedoch, des­sen gerin­ge­re Schwer­kraft eine Aus­deh­nung der Atmo­sphä­ren­schich­ten ermög­licht, erstreckt sich die Tro­po­sphä­re bis zu einer Höhe von etwa 45 Kilo­me­tern. Webb und Keck benutz­ten ver­schie­de­ne Infra­rot­fil­ter, um in unter­schied­li­che Tie­fen der Titan­at­mo­sphä­re vor­zu­drin­gen, wodurch die Astro­no­men die Höhe der Wol­ken abschät­zen konn­ten. Das Wis­sen­schafts­team beob­ach­te­te, dass sich die Wol­ken über einen Zeit­raum von meh­re­ren Tagen in grö­ße­re Höhen zu bewe­gen schie­nen, obwohl sie nicht in der Lage waren, direkt zu sehen, ob es Nie­der­schlä­ge gab.

„Webbs Beob­ach­tun­gen wur­den am Ende des Nord­som­mers auf Titan durch­ge­führt, einer Jah­res­zeit, die wir mit der Cas­si­ni-Huy­gens-Mis­si­on nicht beob­ach­ten konn­ten“, sag­te Tho­mas Cor­net von der Euro­päi­schen Welt­raum­or­ga­ni­sa­ti­on, ein Co-Autor der Stu­die. „Zusam­men mit boden­ge­stütz­ten Beob­ach­tun­gen lie­fert uns Webb wert­vol­le neue Ein­bli­cke in die Atmo­sphä­re Titans, die wir in Zukunft mit einer mög­li­chen ESA-Mis­si­on zum Saturn­sys­tem hof­fent­lich noch genau­er unter­su­chen können.“

Titans Chemie

Titan ist auf­grund sei­ner kom­ple­xen orga­ni­schen (koh­len­stoff­hal­ti­gen) Che­mie trotz sei­ner eisi­gen Tem­pe­ra­tur von etwa ‑180 Grad Cel­si­us ein Objekt von hohem astro­bio­lo­gi­schem Inter­es­se. Orga­ni­sche Mole­kü­le bil­den die Grund­la­ge allen Lebens auf der Erde, und ihre Unter­su­chung auf einem Pla­ne­ten wie Titan könn­te Wis­sen­schaft­lern hel­fen, die Pro­zes­se zu ver­ste­hen, die zur Ent­ste­hung des Lebens auf der Erde führten.

Der Grund­stoff, der einen Groß­teil der Che­mie des Titans bestimmt, ist Methan. Das Methan in der Titan­at­mo­sphä­re wird durch Son­nen­licht oder ener­gie­rei­che Elek­tro­nen aus der Saturn­ma­gne­to­sphä­re auf­ge­spal­ten und ver­bin­det sich dann wie­der mit ande­ren Mole­kü­len zu Sub­stan­zen wie Ethan (C2H6) und kom­ple­xe­ren koh­len­stoff­hal­ti­gen Molekülen.

Die Daten von Webb lie­fer­ten ein wich­ti­ges feh­len­des Ele­ment für unser Ver­ständ­nis der che­mi­schen Pro­zes­se: den defi­ni­ti­ven Nach­weis des Methyl­ra­di­kals CH3. Die­ses Mole­kül (das „Radi­kal“ genannt wird, weil es ein „frei­es“ Elek­tron hat, das nicht in einer che­mi­schen Bin­dung steckt) bil­det sich, wenn Methan auf­ge­spal­ten wird. Der Nach­weis die­ser Sub­stanz bedeu­tet, dass die Wis­sen­schaft­ler zum ers­ten Mal die Che­mie auf Titan in Akti­on sehen kön­nen und nicht nur die Aus­gangs­stof­fe und die Endprodukte.

„Zum ers­ten Mal kön­nen wir den che­mi­schen Kuchen sehen, wäh­rend er im Ofen auf­geht, und nicht nur die Aus­gangs­zu­ta­ten Mehl und Zucker und den fer­ti­gen Kuchen mit Gla­sur“, so Mit­au­torin Ste­fa­nie Milam vom God­dard Space Flight Center.

Die Zukunft der Titanatmosphäre

Die­se Koh­len­was­ser­stoff­che­mie hat lang­fris­ti­ge Aus­wir­kun­gen auf die Zukunft von Titan. Wenn Methan in der obe­ren Atmo­sphä­re zer­fällt, rekom­bi­niert ein Teil davon zu ande­ren Mole­kü­len, die schließ­lich in der einen oder ande­ren che­mi­schen Form auf Titans Ober­flä­che lan­den, wäh­rend ein Teil Was­ser­stoff aus der Atmo­sphä­re ent­weicht. Infol­ge­des­sen wird das Methan mit der Zeit erschöpft sein, sofern es nicht durch eine Quel­le ersetzt wird. Ein ähn­li­cher Pro­zess fand auf dem Mars statt, wo Was­ser­mo­le­kü­le gespal­ten wur­den und der dar­aus resul­tie­ren­de Was­ser­stoff in den Welt­raum ver­lo­ren ging. Das Ergeb­nis war der tro­cke­ne, wüs­ten­ar­ti­ge Pla­net, den wir heu­te sehen.

„Auf Titan ist Methan ein Ver­brauchs­gut. Es ist mög­lich, dass es über Mil­li­ar­den von Jah­ren stän­dig nach­ge­lie­fert wird und aus der Krus­te und dem Inne­ren her­aus­spru­delt. Andern­falls wird es irgend­wann voll­stän­dig ver­schwun­den sein und Titan wird zu einer weit­ge­hend luft­lee­ren Welt aus Staub und Dünen“, sag­te Nixon.

Die Daten wur­den im Rah­men von Hei­di Ham­mels „Gua­ran­teed Time Obser­va­tions“-Pro­gramm zur Erfor­schung des Son­nen­sys­tems auf­ge­nom­men. Die Ergeb­nis­se wur­den in der Zeit­schrift Natu­re Astro­no­my veröffentlicht.

Hintergrundinformationen

Webb ist das größ­te und leis­tungs­stärks­te Tele­skop, das jemals ins All geschos­sen wur­de. Im Rah­men eines inter­na­tio­na­len Koope­ra­ti­ons­ab­kom­mens hat die ESA den Start des Tele­skops mit der Trä­ger­ra­ke­te Aria­ne 5 durch­ge­führt. In Zusam­men­ar­beit mit ihren Part­nern war die ESA für die Ent­wick­lung und Qua­li­fi­zie­rung der Aria­ne-5-Anpas­sun­gen für die Webb-Mis­si­on sowie für die Beschaf­fung des Start­ser­vices durch Aria­nespace ver­ant­wort­lich. Die ESA stell­te auch den Arbeits­spek­tro­gra­phen NIR­Spec und 50 % des Instru­ments für das mitt­le­re Infra­rot (MIRI) zur Ver­fü­gung, das von einem Kon­sor­ti­um aus natio­nal finan­zier­ten euro­päi­schen Insti­tu­ten (dem MIRI Euro­pean Con­sor­ti­um) in Zusam­men­ar­beit mit dem JPL und der Uni­ver­si­tät von Ari­zo­na ent­wi­ckelt und gebaut wurde.

Webb ist eine inter­na­tio­na­le Part­ner­schaft zwi­schen der NASA, der ESA und der kana­di­schen Welt­raum­be­hör­de (CSA).

Bild­nach­weis: NASA, ESA, CSA, STScI, Keck-Observatorium

Links

Link zur ESA-Pres­se­mit­tei­lung weic2511

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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