Hubble untersucht den Geburtsort eines Magnetars

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Magneta­re sind extrem dich­te Stern­über­res­te mit extrem star­ken Magnet­fel­dern. For­scher haben mit­hil­fe des Hub­ble-Welt­raum­te­le­skops der NASA/ESA ent­deckt, dass der 15.000 Licht­jah­re ent­fern­te Magnetar SGR 0501+4516 im Stern­bild Fuhr­mann nicht wie bis­her ange­nom­men in einer benach­bar­ten Super­no­va ent­stan­den ist. Der Geburts­ort die­ses Objekts ist unbe­kannt, und SGR 0501+4516 ist der wahr­schein­lichs­te Kan­di­dat in unse­rer Gala­xie für einen Magnetar, der nicht in einer Super­no­va ent­stan­den ist. Mög­lich wur­de die­se Ent­de­ckung durch die emp­find­li­chen Instru­men­te des Hub­ble sowie prä­zi­se Mes­sun­gen der ESA-Raum­son­de Gaia.

Magnetar
Dies ist eine künst­le­ri­sche Dar­stel­lung eines Magnetars, einer beson­de­ren Art von Neu­tro­nen­stern. Neu­tro­nen­ster­ne gehö­ren zu den extrems­ten Objek­ten im Uni­ver­sum und ver­ei­nen in der Regel mehr als die Mas­se der Son­ne in einer Neu­tro­nen­ku­gel von etwa 20 Kilo­me­tern Durch­mes­ser. – Cre­dit: ESA

Im Jahr 2008 ent­deck­te das Swift-Obser­va­to­ri­um der NASA kur­ze, inten­si­ve Gam­ma­strah­len­blit­ze am Ran­de der Milch­stra­ße. Die Quel­le, ein Objekt namens SGR 0501+4516, ist einer von nur etwa 30 bekann­ten Magneta­ren in der Milchstraße.

Ein Magnetar ist eine beson­de­re Form eines Neu­tro­nen­sterns. Neu­tro­nen­ster­ne gehö­ren zu den extrems­ten Objek­ten im Uni­ver­sum. Die­se Ster­ne ver­ei­nen in der Regel mehr als die Mas­se der Son­ne in einer Neu­tro­nen­ku­gel von etwa 20 Kilo­me­tern Durch­mes­ser. Es über­rascht nicht, dass die­se exo­ti­schen Objek­te meh­re­re extre­me Ver­hal­tens­wei­sen zei­gen kön­nen, wie Rönt­gen- und Gam­ma­strah­len­aus­brü­che, star­ke Magnet­fel­der und schnel­le Rotation.

„Magneta­re sind Neu­tro­nen­ster­ne – die toten Über­res­te von Ster­nen, die voll­stän­dig aus Neu­tro­nen bestehen. Sie sind so schwer und dicht, dass die Elek­tro­nen und Pro­to­nen, aus denen die Ato­me bestehen, zu Neu­tro­nen zer­quetscht wur­den. Was Magneta­re so ein­zig­ar­tig macht, sind ihre extre­men Magnet­fel­der, die mil­li­ar­den­mal stär­ker sind als die stärks­ten Magne­te auf der Erde“, sag­te Ash­ley Chri­mes, Haupt­au­to­rin des heu­te in der Fach­zeit­schrift Astro­no­my & Astro­phy­sics ver­öf­fent­lich­ten Arti­kels über die Ent­de­ckung. Chri­mes ist For­schungs­sti­pen­dia­tin der Euro­päi­schen Welt­raum­or­ga­ni­sa­ti­on (ESA) am Euro­päi­schen Welt­raum­for­schungs- und Tech­no­lo­gie­zen­trum (ESTEC) in den Niederlanden.

Man geht davon aus, dass die meis­ten Neu­tro­nen­ster­ne in Kern­kol­laps-Super­no­vas ent­ste­hen. Die­se spek­ta­ku­lä­ren kos­mi­schen Explo­sio­nen ereig­nen sich, wenn Ster­nen, die weit­aus mas­se­rei­cher als die Son­ne sind, der Brenn­stoff für die Kern­fu­si­on aus­geht. Die äuße­ren Schich­ten des Sterns fal­len nach innen und pral­len in einer Explo­si­on vom kol­la­bier­ten Kern ab. Die­se kann kurz­zei­tig die Hel­lig­keit einer gan­zen Gala­xie überstrahlen. 

Da Magneta­re selbst Neu­tro­nen­ster­ne sind, liegt die nahe­lie­gen­de Erklä­rung für ihre Ent­ste­hung dar­in, dass auch sie in Super­no­vae ent­ste­hen. Dies scheint bei SGR 0501+4516 der Fall zu sein, der sich viel­ver­spre­chend nahe einem Super­no­va-Über­rest namens HB9 befin­det. Der Abstand zwi­schen dem Magnetar und dem Zen­trum des Super­no­va­über­rests am Him­mel beträgt gera­de ein­mal 80 Bogen­mi­nu­ten, also etwas mehr als der klei­ne Fin­ger am Ende des aus­ge­streck­ten Arms.

Doch eine zehn­jäh­ri­ge Stu­die mit dem Hub­ble ließ Zwei­fel am Geburts­ort des Magnetars auf­kom­men. Nach ers­ten Beob­ach­tun­gen mit erd­ge­bun­de­nen Tele­sko­pen kurz nach der Ent­de­ckung von SGR 0501+4516 nutz­ten For­scher Hub­bles außer­or­dent­li­che Emp­find­lich­keit und gleich­mä­ßi­ge Aus­rich­tung, um das schwa­che Infra­rot­leuch­ten des Magnetars in den Jah­ren 2010, 2012 und 2020 zu ent­de­cken. Jedes die­ser Bil­der wur­de an einem Refe­renz­rah­men aus­ge­rich­tet, der durch Beob­ach­tun­gen der Raum­son­de Gaia der Euro­päi­schen Welt­raum­or­ga­ni­sa­ti­on defi­niert wur­de , die eine außer­or­dent­lich prä­zi­se drei­di­men­sio­na­le Kar­te von fast zwei Mil­li­ar­den Ster­nen in der Milch­stra­ße erstellt hat. Mit die­ser Metho­de konn­te die win­zi­ge Bewe­gung des Magnetars auf sei­nem Weg über den Him­mel nach­ge­wie­sen wer­den. Die­se Arbeit zeigt also, dass Hub­ble und die ESA-Son­de Gaia mit ver­ein­ten Kräf­ten nie zuvor gese­he­ne Geheim­nis­se lüf­ten können.

„Die gesam­te von uns gemes­se­ne Bewe­gung ist klei­ner als ein ein­zel­ner Pixel eines Hub­ble-Bil­des“, sag­te Co-For­scher Joe Lyman von der Uni­ver­si­ty of War­wick in Groß­bri­tan­ni­en. „Die Fähig­keit, sol­che Mes­sun­gen zuver­läs­sig durch­zu­füh­ren, ist ein Beweis für die Lang­zeit­sta­bi­li­tät von Hubble.“

Durch die Ver­fol­gung der Posi­ti­on des Magnetars konn­te das Team des­sen schein­ba­re Bewe­gung am Him­mel mes­sen. Sowohl die Geschwin­dig­keit als auch die Bewe­gungs­rich­tung von SGR 0501+4516 zeig­ten, dass der Magnetar nicht mit dem nahe­ge­le­ge­nen Super­no­va-Über­rest in Ver­bin­dung gebracht wer­den konn­te. Die Ver­fol­gung der Flug­bahn des Magnetars über Tau­sen­de von Jah­ren in die Ver­gan­gen­heit zeig­te, dass es kei­ne ande­ren Super­no­va-Über­res­te oder mas­se­rei­chen Stern­hau­fen gab, mit denen er in Ver­bin­dung gebracht wer­den konnte.

Falls SGR 0501+4516 nicht im Super­no­va-Über­rest HB9 ent­stan­den ist, muss der Magnetar ent­we­der deut­lich älter sein als die ange­ge­be­nen 20.000 Jah­re oder sich auf ande­re Wei­se gebil­det haben. Magneta­re kön­nen auch durch die Ver­schmel­zung zwei­er mas­se­är­me­rer Neu­tro­nen­ster­ne oder durch einen Pro­zess namens Akkre­ti­ons­kol­laps ent­ste­hen. Akkre­ti­ons­kol­laps erfor­dert ein Dop­pel­stern­sys­tem mit einem Wei­ßen Zwerg: dem kris­tal­li­sier­ten Kern eines toten son­nen­ähn­li­chen Sterns. Nimmt der Wei­ße Zwerg Gas von sei­nem Beglei­ter auf, kann er zu mas­se­reich wer­den, um sich selbst zu tra­gen, was zu einer Explo­si­on – oder mög­li­cher­wei­se zur Ent­ste­hung eines Magnetars – füh­ren kann.

„Nor­ma­ler­wei­se führt die­ses Sze­na­rio zur Zün­dung von Kern­re­ak­tio­nen und zur Explo­si­on des Wei­ßen Zwergs, ohne etwas zurück­zu­las­sen. Es gibt jedoch Theo­rien, dass der Wei­ße Zwerg unter bestimm­ten Bedin­gun­gen statt­des­sen zu einem Neu­tro­nen­stern kol­la­bie­ren kann. Wir glau­ben, dass SGR 0501 auf die­se Wei­se ent­stan­den sein könn­te“, ergänz­te Andrew Levan von der Rad­boud-Uni­ver­si­tät in den Nie­der­lan­den und der Uni­ver­si­tät War­wick in Großbritannien.

SGR 0501+4516 ist der­zeit der bes­te Kan­di­dat für einen Magnetar in unse­rer Gala­xie, der durch eine Ver­schmel­zung oder einen akkre­ti­ons­in­du­zier­ten Kol­laps ent­stan­den sein könn­te. Magneta­re, die durch einen akkre­ti­ons­be­ding­ten Kol­laps ent­stan­den sind, könn­ten eine Erklä­rung für eini­ge der mys­te­riö­sen kos­mi­schen Signa­le lie­fern, die als schnel­le Radio­bursts bezeich­net wer­den, d. h. kur­ze, aber star­ke Radio­wel­len­blit­ze. Ins­be­son­de­re könn­te die­ses Sze­na­rio den Ursprung schnel­ler Radio­blit­ze erklä­ren, die von Stern­po­pu­la­tio­nen aus­ge­hen, die zu alt sind, um kürz­lich Ster­ne her­vor­ge­bracht zu haben, die mas­siv genug sind, um als Super­no­vae zu explodieren.

„Die Geburts­ra­ten und Ent­ste­hungs­sze­na­ri­en von Magneta­ren gehö­ren zu den drän­gends­ten Fra­gen der Hoch­en­er­gie-Astro­phy­sik und haben Aus­wir­kun­gen auf vie­le der gewal­tigs­ten kurz­zei­ti­gen Ereig­nis­se im Uni­ver­sum, wie etwa Gam­ma­strah­len­aus­brü­che, super­hel­le Super­no­vae und schnel­le Radio­blit­ze“, sag­te Nan­da Rea vom Insti­tu­te of Space Sci­en­ces im spa­ni­schen Barcelona.

Das For­schungs­team plant wei­te­re Hub­ble-Beob­ach­tun­gen, um die Ursprün­ge ande­rer Magneta­re in der Milch­stra­ße zu unter­su­chen und so zu ver­ste­hen, wie die­se extre­men Objek­te entstehen.

Hintergrundinformationen

Das Hub­ble-Welt­raum­te­le­skop ist ein inter­na­tio­na­les Koope­ra­ti­ons­pro­jekt zwi­schen ESA und NASA.

Bild­nach­weis: ESA

Links

Link zur ESA-Pres­se­mit­tei­lung heic2504

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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