Bildung und Ausdehnung kohlenstoffreicher Staubhüllen in einem Sternsystem beobachtet

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Astro­no­men haben mit dem James-Webb-Welt­raum­te­le­skop der NASA/ESA/CSA zwei Ster­ne iden­ti­fi­ziert, die für die Erzeu­gung von koh­len­stoff­rei­chem Staub ver­ant­wort­lich sind, nur 5.000 Licht­jah­re ent­fernt in unse­rer eige­nen Milch­stra­ße. Wenn die mas­se­rei­chen Ster­ne im Sys­tem Wolf-Ray­et 140 auf ihren lang­ge­streck­ten Umlauf­bah­nen anein­an­der vor­bei­flie­gen, kol­li­die­ren ihre Win­de und erzeu­gen den koh­len­stoff­rei­chen Staub. Alle acht Jah­re bil­den die Ster­ne eini­ge Mona­te lang eine neue Staub­hül­le, die sich nach außen aus­dehnt – und mög­li­cher­wei­se irgend­wann Teil von Ster­nen wird, die anders­wo in unse­rer Gala­xie entstehen.

WR140
Das Bild zeigt Beob­ach­tun­gen von Wolf-Ray­et 140 mit 17 Staub­scha­len und die Bewe­gung von bogen­för­mi­gen Staub um das Dop­pel­stern­sys­tem – Cre­dit: NASA, ESA, CSA, STScI, E. Lieb (Uni­ver­si­tät von Den­ver), R. Lau (NSF NOIR­Lab), J. Hoff­man (Uni­ver­si­tät von Denver)

Astro­no­men ver­su­chen seit lan­gem her­aus­zu­fin­den, wie sich Ele­men­te wie Koh­len­stoff, die für das Leben uner­läss­lich sind, im Uni­ver­sum ver­tei­len. Jetzt hat das James-Webb-Welt­raum­te­le­skop eine stän­di­ge Quel­le von koh­len­stoff­rei­chem Staub in unse­rer eige­nen Milch­stra­ßen­ga­la­xie genau­er unter­sucht: Wolf-Ray­et 140 [1], ein Sys­tem aus zwei mas­se­rei­chen Ster­nen, die sich auf einer engen, lang­ge­streck­ten Umlauf­bahn befinden.

Wenn sie anein­an­der vor­bei­zie­hen (inner­halb des zen­tra­len wei­ßen Punk­tes in den Webb-Bil­dern), pral­len die Stern­win­de bei­der Ster­ne auf­ein­an­der, das Mate­ri­al wird kom­pri­miert, und es bil­det sich koh­len­stoff­rei­cher Staub. Die neu­es­ten Beob­ach­tun­gen von Webb zei­gen 17 Staub­scha­len, die im mitt­le­ren Infra­rot­licht leuch­ten und sich in regel­mä­ßi­gen Abstän­den in den umge­ben­den Raum ausdehnen.

„Das Tele­skop bestä­tig­te, dass die­se Staub­hül­len real sind, und sei­ne Daten zeig­ten auch, dass sich die Staub­hül­len mit kon­stan­ter Geschwin­dig­keit nach außen bewe­gen und sicht­ba­re Ver­än­de­run­gen über unglaub­lich kur­ze Zeit­räu­me hin­weg offen­ba­ren“, sag­te Emma Lieb, die Haupt­au­to­rin des neu­en Arti­kels und Dok­to­ran­din an der Uni­ver­si­ty of Den­ver in Colorado.

Jede Hül­le rast mit mehr als 2.600 Kilo­me­tern pro Sekun­de von den Ster­nen weg, fast 1 % der Licht­ge­schwin­dig­keit. „Wir sind es gewohnt, uns Ereig­nis­se im Welt­raum vor­zu­stel­len, die sich lang­sam über Mil­lio­nen oder Mil­li­ar­den von Jah­ren abspie­len“, füg­te Jen­ni­fer Hoff­man hin­zu, eine Co-Autorin und Pro­fes­so­rin an der Uni­ver­si­ty of Den­ver. „In die­sem Sys­tem zeigt das Obser­va­to­ri­um, dass sich die Staub­hül­len von einem Jahr zum nächs­ten ausdehnen.“

„Die Echt­zeit­be­we­gung die­ser Hül­len zwi­schen Webbs Beob­ach­tun­gen zu sehen, die nur 13 Mona­te aus­ein­an­der lagen, ist wirk­lich bemer­kens­wert“, sag­te Oli­via Jones, Co-Autorin am UK Astro­no­my Tech­no­lo­gy Cent­re in Edin­burgh. „Die­se neu­en Ergeb­nis­se geben uns einen ers­ten Ein­blick in die mög­li­che Rol­le sol­cher mas­si­ver Dop­pel­ster­ne als Staub­fa­bri­ken im Universum.“

Wie ein Uhr­werk erzeu­gen die Win­de der Ster­ne alle acht Jah­re meh­re­re Mona­te lang Staub, wenn sich die bei­den Ster­ne auf einer wei­ten, lang­ge­streck­ten Umlauf­bahn am nächs­ten kom­men. Webb zeigt auch, wo die Staub­bil­dung auf­hört – man beach­te die dunk­le­re Regi­on oben links in bei­den Bildern.

Auf den Auf­nah­men im mitt­le­ren Infra­rot­be­reich wur­den Hül­len ent­deckt, die seit mehr als 130 Jah­ren bestehen (älte­re Hül­len haben sich so weit auf­ge­löst, dass sie jetzt zu schwach sind, um erkannt zu wer­den). Die For­scher ver­mu­ten, dass die Ster­ne im Lau­fe von Hun­dert­tau­sen­den von Jah­ren Zehn­tau­sen­de von Staub­scha­len erzeu­gen werden.

„Beob­ach­tun­gen im mitt­le­ren Infra­rot­be­reich sind für die­se Ana­ly­se abso­lut ent­schei­dend, da der Staub in die­sem Sys­tem ziem­lich kühl ist. Beob­ach­tun­gen im nahen Infra­rot und im sicht­ba­ren Licht wür­den nur die Scha­len zei­gen, die dem Stern am nächs­ten sind“, erklär­te Ryan Lau, Co-Autor und Astro­nom am NSF NOIR­Lab in Tuc­son, Ari­zo­na, der die anfäng­li­che For­schung zu die­sem Sys­tem lei­te­te. „Mit die­sen unglaub­li­chen neu­en Details ermög­licht uns das Tele­skop auch, genau zu unter­su­chen, wann die Ster­ne Staub bil­den – fast auf den Tag genau.“

Die Ver­tei­lung des Stau­bes ist nicht gleich­mä­ßig. Obwohl die­se Unter­schie­de in Webbs Bil­dern nicht offen­sicht­lich sind, stell­te das Team fest, dass sich ein Teil des Stau­bes „auf­ge­häuft“ hat und amor­phe, zar­te Wol­ken bil­det, die so groß sind wie unser gesam­tes Son­nen­sys­tem. Vie­le ande­re ein­zel­ne Staub­par­ti­kel schwe­ben frei. Jedes Staub­korn ist so klein wie ein Hun­derts­tel der Brei­te eines mensch­li­chen Haa­res. Ob klum­pig oder nicht, der gesam­te Staub bewegt sich mit der glei­chen Geschwin­dig­keit und ist reich an Kohlenstoff.

Die Zukunft dieses Systems

Was wird mit die­sen Ster­nen im Lau­fe von Mil­lio­nen oder Mil­li­ar­den von Jah­ren gesche­hen, nach­dem sie ihre Umge­bung mit Staub „besprüht“ haben? Der Wolf-Ray­et-Stern in die­sem Sys­tem ist zehn­mal mas­se­rei­cher als die Son­ne und nähert sich dem Ende sei­nes Lebens. In sei­nem letz­ten „Akt“ wird die­ser Stern ent­we­der als Super­no­va explo­die­ren – und mög­li­cher­wei­se eini­ge oder alle Staub­hül­len weg­spren­gen – oder in ein Schwar­zes Loch kol­la­bie­ren, wodurch die Staub­hül­len intakt blei­ben würden.

Obwohl nie­mand mit Sicher­heit vor­her­sa­gen kann, was pas­sie­ren wird, hof­fen die For­scher auf das Sze­na­rio mit dem schwar­zen Loch. „Eine wich­ti­ge Fra­ge in der Astro­no­mie ist, woher der gan­ze Staub im Uni­ver­sum kommt“, sag­te Lau. „Wenn koh­len­stoff­rei­cher Staub wie die­ser über­lebt, könn­te uns das hel­fen, die­se Fra­ge zu beantworten.“

„Wir wis­sen, dass Koh­len­stoff für die Ent­ste­hung von Gesteins­pla­ne­ten und Son­nen­sys­te­men wie unse­rem not­wen­dig ist“, füg­te Hoff­man hin­zu. „Es ist auf­re­gend, einen Ein­blick zu bekom­men, wie Dop­pel­stern­sys­te­me nicht nur koh­len­stoff­rei­chen Staub erzeu­gen, son­dern ihn auch in unse­re galak­ti­sche Nach­bar­schaft verteilen.“

Die­se Ergeb­nis­se wur­den in den Astro­phy­si­cal Jour­nal Let­ters ver­öf­fent­licht und auf einer Pres­se­kon­fe­renz auf der 245. Tagung der Ame­ri­can Astro­no­mic­al Socie­ty in Natio­nal Har­bor, Mas­sa­chu­setts, vorgestellt.

Anmerkungen

[1] Ein Wolf-Ray­et-Stern wird mit min­des­tens 25-mal mehr Mas­se als unse­re Son­ne gebo­ren und nähert sich dem Ende sei­nes Lebens, wenn er wahr­schein­lich direkt zu einem Schwar­zen Loch kol­la­biert oder als Super­no­va explo­diert. Ein Wolf-Ray­et-Stern brennt hei­ßer als in sei­ner Jugend und erzeugt star­ke Win­de, die rie­si­ge Men­gen an Gas ins All sto­ßen. Der Wolf-Ray­et-Stern in die­sem spe­zi­el­len Paar hat durch die­sen Pro­zess mög­li­cher­wei­se mehr als die Hälf­te sei­ner ursprüng­li­chen Mas­se verloren.

Weitere Informationen

Webb ist das größ­te und leis­tungs­stärks­te Tele­skop, das jemals ins All geschos­sen wur­de. Im Rah­men eines inter­na­tio­na­len Koope­ra­ti­ons­ab­kom­mens hat die ESA den Start des Tele­skops mit der Trä­ger­ra­ke­te Aria­ne 5 durch­ge­führt. In Zusam­men­ar­beit mit ihren Part­nern war die ESA für die Ent­wick­lung und Qua­li­fi­zie­rung der Aria­ne-5-Anpas­sun­gen für die Webb-Mis­si­on sowie für die Beschaf­fung des Start­ser­vices durch Aria­nespace ver­ant­wort­lich. Die ESA stell­te auch den Arbeits­spek­tro­gra­phen NIR­Spec und 50 % des Mit­tel­in­fra­rot-Instru­ments MIRI zur Ver­fü­gung, das von einem Kon­sor­ti­um natio­nal finan­zier­ter euro­päi­scher Insti­tu­te (The MIRI Euro­pean Con­sor­ti­um) in Zusam­men­ar­beit mit dem JPL und der Uni­ver­si­tät von Ari­zo­na ent­wi­ckelt und gebaut wurde.

Webb ist eine inter­na­tio­na­le Part­ner­schaft zwi­schen der NASA, der ESA und der kana­di­schen Welt­raum­be­hör­de (CSA).

Bild­nach­weis: NASA, ESA, CSA, STScI, E. Lieb (Uni­ver­si­tät von Den­ver), R. Lau (NSF NOIR­Lab), J. Hoff­man (Uni­ver­si­tät von Denver)

Links

Ver­öf­fent­li­chung auf der STScI-Web­site
3D-Druck­da­tei­en von Wolf-Ray­et 140

Link zur ESA-Pres­se­mit­tei­lung weic2501

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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