Hubble sieht Folgen der Kollision der Großen Magellanschen Wolke mit der Milchstraße

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Das Hub­ble-Welt­raum­te­le­skop der NASA/ESA beob­ach­te­te einen gas­för­mi­gen Halo um unse­re nächs­te Nach­bar­ga­la­xie die Gro­ße Magel­lan­sche Wol­ke (LMC). In der Ver­gan­gen­heit ist die Gala­xie mit der Milch­stra­ße zusam­men­ge­sto­ßen und hat über­lebt. Dabei wur­de die­se Zwerg­ga­la­xie jedoch größ­ten­teils ihres eige­nen umge­ben­den Gas­ha­los beraubt. Die For­scher waren über­rascht, einen so extrem klei­nen gas­för­mi­gen Halo zu fin­den, der etwa zehn­mal klei­ner ist als die Halos ande­rer Gala­xien ähn­li­cher Mas­se. Den­noch hat die LMC genug Gas behal­ten, um wei­ter­hin neue Ster­ne zu bil­den. Eine klei­ne­re Gala­xie hät­te eine sol­che Kol­li­si­on nicht über­lebt. Dies ist das ers­te Mal, dass Astro­no­men die Grö­ße des Halos der LMC mes­sen konn­ten – etwas, das ihnen nur mit Hub­ble gelang.

LMC Stream
Die­ses künst­le­ri­sche Dar­stel­lung zeigt die Gro­ße Magel­lan­sche Wol­ke (LMC) im Vor­der­grund, wäh­rend sie durch den gas­för­mi­gen Halo der viel mas­se­rei­che­ren Milch­stra­ße hin­durch­zieht. – Cre­dit: NASA, ESA, R. Craw­ford (STScI)

Die Gro­ße Magel­lan­sche Wol­ke, auch LMC genannt, ist einer der nächs­ten Nach­barn der Milch­stra­ße. Die­se Zwerg­ga­la­xie des süd­li­chen Nacht­him­mels besitzt den 20-fachen schein­ba­ren Durch­mes­sers des Voll­monds am Him­mel. Vie­le For­scher ver­mu­ten, dass die Gro­ße Magel­lan­sche Wol­ke nicht unse­re Gala­xie umkreist, son­dern nur an ihr vor­bei­fliegt. Die Wis­sen­schaft­ler glau­ben, dass die Gro­ße Magel­lan­sche Wol­ke gera­de ihre größ­te Annä­he­rung an die viel mas­se­rei­che­re Milch­stra­ße gera­de hin­ter sich gebracht hat. Bei die­sem Vor­bei­flug wur­de der größ­te Teil des sphä­ri­schen Gas­ha­los, der die Gro­ße Magel­lan­sche Wol­ke umgibt, weggeblasen. 

Jetzt konn­ten Astro­no­men zum ers­ten Mal die Grö­ße des Halos der Gro­ßen Magel­lan­schen Wol­ke mes­sen. In einer neu­en Stu­die, die in den Astro­phy­si­cal Jour­nal Let­ters ver­öf­fent­licht wur­de, stell­ten die For­scher über­rascht fest, dass der Halos so extrem klein ist – etwa 50.000 Licht­jah­re im Durch­mes­ser. Das ist etwa 10-mal klei­ner als die Halos ande­rer Gala­xien mit der glei­chen Mas­se wie die Gro­ße Magel­lan­sche Wol­ke. Sei­ne Kom­pakt­heit erzählt die Geschich­te sei­ner Begeg­nung mit der Milchstraße.

„Die Gro­ße Magel­lan­sche Wol­ke ist ein Über­le­bens­künst­ler“, sag­te Andrew Fox von AURA/STScI der Euro­päi­schen Welt­raum­or­ga­ni­sa­ti­on in Bal­ti­more, der die Beob­ach­tun­gen feder­füh­rend lei­te­te. „Obwohl sie viel Gas ver­lo­ren hat, ist noch genug übrig, um wei­ter­hin neue Ster­ne zu bil­den. Es kön­nen also immer noch neue Stern­ent­ste­hungs­ge­bie­te ent­ste­hen. Eine klei­ne­re Gala­xie hät­te nicht über­lebt – es wäre kein Gas mehr übrig, nur eine Ansamm­lung altern­der roter Ster­ne.“

Obwohl die Gro­ße Magel­lan­sche Wol­ke ziem­lich mit­ge­nom­men aus­sieht, besitzt sie immer noch einen kom­pak­ten, gedrun­ge­nen Gas­ha­lo – etwas, das sie gra­vi­ta­tiv nicht hät­te hal­ten kön­nen, wenn sie weni­ger Mas­se gehabt hät­te. Die Gro­ße Magel­lan­sche Wol­ke hat 10 Pro­zent der Mas­se der Milch­stra­ße. „Wegen des rie­si­gen Halos der Milch­stra­ße wird das Gas der Gro­ßen Magel­lan­schen Wol­ke abge­schnit­ten oder aus­ge­löscht“, erklär­te Sapna Mishra von STScI, die Haupt­au­to­rin des Arti­kels, der die­se Ent­de­ckung doku­men­tiert. „Aber selbst bei die­ser kata­stro­pha­len Wech­sel­wir­kung mit der Milch­stra­ße kann die LMC auf­grund ihrer hohen Mas­se 10 Pro­zent ihres Halos behal­ten.“

Ein gigantischer Haartrockner

Der größ­te Teil des Halos der LMC wur­de durch ein Phä­no­men namens „Ram Pres­su­re Strip­ping“ weg­ge­bla­sen. Die dich­te Umge­bung der Milch­stra­ße drückt gegen die her­an­na­hen­de LMC und erzeugt eine Gas­spur, die der Zwerg­ga­la­xie folgt – wie der Schweif eines Kome­ten. „Ich stel­le mir die Milch­stra­ße ger­ne als die­sen rie­si­gen Haar­trock­ner vor, der Gas von der LMC bläst, wenn sie auf uns zukommt“, sag­te Fox. „Die Milch­stra­ße drückt so stark zurück, dass der Stau­druck den größ­ten Teil der ursprüng­li­chen Mas­se des Halos der LMC abge­streift hat. Es ist nur noch ein wenig übrig, und die­sen klei­nen, kom­pak­ten Rest sehen wir jetzt.“

Da der Stau­druck einen Groß­teil des Halos der Gro­ßen Magel­lan­schen Wol­ke weg­drückt, ver­lang­samt sich das Gas und reg­net schließ­lich in die Milch­stra­ße. Da die Gro­ße Magel­lan­sche Wol­ke jedoch gera­de ihren größ­ten Abstand zur Milch­stra­ße erreicht hat und sich wie­der nach außen in den Welt­raum bewegt, gehen Wis­sen­schaft­ler nicht davon aus, dass der gesam­te Halo ver­lo­ren gehen wird.

Nur mit Hubble

Für die­se Stu­die ana­ly­sier­te das For­schungs­team Ultra­vio­lett­be­ob­ach­tun­gen aus dem Mikul­ski-Archiv für Welt­raum­te­le­sko­pe am STScI. Das meis­te Ultra­vio­lett­licht wird von der Erd­at­mo­sphä­re blo­ckiert und kann daher nicht mit erd­ge­bun­de­nen Tele­sko­pen beob­ach­tet wer­den. Hub­ble ist der­zeit das ein­zi­ge Welt­raum­te­le­skop, das auf die Erken­nung die­ser Licht­wel­len­län­gen aus­ge­legt ist, daher war die­se Stu­die nur mit Hub­ble möglich. 

Das Team unter­such­te den Halo mit­hil­fe des Hin­ter­grund­lichts von 28 hel­len Qua­sa­ren. Qua­sa­re, der hells­te Typ akti­ver Gala­xien­ker­ne, wer­den ver­mut­lich von super­mas­si­ven Schwar­zen Löchern ange­trie­ben. Sie leuch­ten wie Leucht­feu­er und ermög­li­chen es Wis­sen­schaft­lern, das dazwi­schen­lie­gen­de Halog­as indi­rekt durch die Absorp­ti­on des Hin­ter­grund­lichts zu „sehen“. Qua­sa­re gibt es im gan­zen Uni­ver­sum in extre­men Ent­fer­nun­gen von unse­rer Galaxie. 

Die Wis­sen­schaft­ler nutz­ten Daten des Cos­mic Ori­g­ins Spec­tro­graph (COS) des Hub­ble, um die Anwe­sen­heit des Halog­as anhand der Art und Wei­se fest­zu­stel­len, wie es bestimm­te Far­ben des Lichts von Hin­ter­grund­qua­sa­ren absor­biert. Ein Spek­tro­graph zer­legt Licht in sei­ne Wel­len­län­gen­kom­po­nen­ten, um Hin­wei­se auf den Zustand, die Tem­pe­ra­tur, Geschwin­dig­keit, Men­ge, Ent­fer­nung und Zusam­men­set­zung des Objekts zu erhal­ten. Mit dem COS maßen sie die Geschwin­dig­keit des Gases um die LMC, wodurch sie die Grö­ße des Halos bestim­men konnten.

Auf­grund ihrer Mas­se und Nähe zur Milch­stra­ße ist die LMC ein ein­zig­ar­ti­ges Astro­phy­sik­la­bor. Die Wech­sel­wir­kung der LMC mit unse­rer Gala­xie zu beob­ach­ten, hilft den Wis­sen­schaft­lern zu ver­ste­hen, was im frü­hen Uni­ver­sum geschah, als die Gala­xien näher bei­ein­an­der lagen. Es zeigt auch, wie chao­tisch und kom­pli­ziert der Pro­zess der Gala­xien­in­ter­ak­ti­on ist.

„Dies ist ein fan­tas­ti­sches Bei­spiel dafür, wie Spit­zen­for­schung noch immer durch die ein­zig­ar­ti­gen Fähig­kei­ten von Hub­ble ermög­licht wird“, sag­te Pro­fes­so­rin Caro­le Mun­dell, Wis­sen­schafts­di­rek­to­rin der Euro­päi­schen Welt­raum­or­ga­ni­sa­ti­on. „Die­ses Ergeb­nis gibt uns wert­vol­le neue Ein­bli­cke in die kom­ple­xe Geschich­te der Milch­stra­ße und ihrer nahe­ge­le­ge­nen Satel­li­ten­ga­la­xien.“

Blick in die Zukunft

Als nächs­tes wird das Team die Vor­der­sei­te des Halos der LMC unter­su­chen, ein Bereich, der bis­her noch nicht erforscht wur­de. „In die­sem neu­en Pro­gramm wer­den wir fünf Sicht­li­ni­en in der Regi­on unter­su­chen, in der der Halo der LMC und der Halo der Milch­stra­ße kol­li­die­ren“, sag­te Co-Autor Scott Luc­chi­ni vom Cen­ter for Astro­phy­sics | Har­vard & Smit­h­so­ni­an. „Dies ist die Stel­le, an der die Halos kom­pri­miert wer­den, wie zwei Bal­lons, die gegen­ein­an­der drü­cken.“

Hintergrundinformationen

Das Hub­ble-Welt­raum­te­le­skop ist ein Pro­jekt inter­na­tio­na­ler Zusam­men­ar­beit zwi­schen ESA und NASA. 

Bild­nach­weis: NASA, ESA, R. Craw­ford (STScI)

Links

Link zur ESA-Pres­se­mit­tei­lung heic2415

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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