Euclids kosmischer Atlas

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Am 15. Okto­ber 2024 ent­hüllt die Welt­raum­mis­si­on Euclid der ESA das ers­te Stück ihrer gewal­ti­gen Kar­te des Uni­ver­sums, auf der Mil­lio­nen von Ster­nen und Gala­xien zu sehen sind. Der auf­ge­nom­me­ne Strei­fen quer über den Him­mel zeigt die atem­be­rau­ben­de Daten­qua­li­tät auf allen Ebe­nen, von Pan­ora­ma­an­sich­ten des Uni­ver­sums bis zu den Details der Struk­tu­ren inner­halb ein­zel­ner Gala­xien. Meh­re­re deut­sche For­schungs­in­sti­tu­te neh­men an die­ser bahn­bre­chen­den Mis­si­on teil. Die Betei­lig­ten aus Wis­sen­schaft und Tech­nik sind begeis­tert von die­sen Ergebnissen.

Mosaik
Die­ses vom ESA-Welt­raum­te­le­skop Euclid erstell­te Mosa­ik ent­hält 260 Beob­ach­tun­gen, die zwi­schen dem 25. März und dem 8. April 2024 gesam­melt wur­den. Es beinhal­tet 1 % der umfas­sen­den Durch­mus­te­rung, die Euclid in sechs Jah­ren auf­neh­men wird. In nur zwei Wochen deck­te Euclid 132 Qua­drat­grad des Süd­him­mels ab, was mehr als 500 Mal der Flä­che des Voll­monds von der Erde aus gese­hen ent­spricht. Das Mosa­ik besteht aus 208 Giga­pi­xeln. – Cre­dit: ESA/Euclid/Euclid Consortium/NASA, CEA Paris-Saclay, Bild­be­ar­bei­tung von J.-C. Cuil­land­re, E. Ber­tin, G. Ansel­mi (CC BY-SA 3.0 IGO)

Der ers­te Teil der end­gül­ti­gen Kar­te, ein rie­si­ges Mosa­ik aus 208 Giga­pi­xeln, wird heu­te auf dem Inter­na­tio­na­len Astro­nau­ti­schen Kon­gress in Mai­land, Ita­li­en, von ESA-Gene­ral­di­rek­tor Josef Asch­ba­cher und der wis­sen­schaft­li­chen Direk­to­rin Caro­le Mun­dell vor­ge­stellt. Das Mosa­ik ent­hält 260 Beob­ach­tun­gen, die zwi­schen dem 25. März und dem 8. April 2024 gemacht wur­den. In nur zwei Wochen hat Euclid 132 Qua­drat­grad des süd­li­chen Him­mels in makel­lo­ser Detail­treue erfasst, mehr als das 500-fache der Flä­che des Vollmonds.

„Euclid hat sein schar­fes Auge auf den Him­mel gerich­tet und arbei­tet sein Beob­ach­tungs­pro­gramm ab. Die Pro­jekt­be­tei­lig­ten freu­en sich, die Früch­te von 15 Jah­ren Vor­be­rei­tung ern­ten zu kön­nen“, sagt der Phy­si­ker Frank Grupp von der Lud­wig-Maxi­mi­li­ans-Uni­ver­si­tät (LMU) in Mün­chen und dem Max-Planck-Insti­tut für extra­ter­res­tri­sche Phy­sik (MPE) in Gar­ching. Er ist der deut­sche Projektleiter.

Die­ses Mosa­ik macht 1 % der umfas­sen­den Him­mels­durch­mus­te­rung aus, die Euclid über einen Zeit­raum von sechs Jah­ren durch­füh­ren wird. Wäh­rend die­ser Ver­mes­sung beob­ach­tet das Tele­skop die For­men, Ent­fer­nun­gen und Bewe­gun­gen von Mil­li­ar­den von Gala­xien in bis zu 10 Mil­li­ar­den Licht­jah­ren Ent­fer­nung. Auf die­se Wei­se wird die größ­te kos­mi­sche 3D-Kar­te erstellt, die je ange­fer­tigt wur­de. Die­ses ers­te Stück der Kar­te ent­hält bereits etwa 14 Mil­lio­nen Gala­xien, die zur Unter­su­chung des ver­bor­ge­nen Ein­flus­ses von dunk­ler Mate­rie und dunk­ler Ener­gie auf das Uni­ver­sum ver­wen­det wer­den könn­ten. Außer­dem ent­hält sie meh­re­re zehn Mil­lio­nen Ster­ne in unse­rer eige­nen Milchstraße.

Grafik Mosaik
© ESA/Euclid/Euclid Consortium/NASA, CEA Paris-Saclay, Bild­ver­ar­bei­tung durch J.-C. Cuil­land­re, E. Ber­tin, G. Ansel­mi; ESA/Gaia/DPAC; ESA/Planck Col­la­bo­ra­ti­on (CC BY-SA 3.0 IGO)

Die­se Gra­fik gibt einen Über­blick über das Mosa­ik und die Bild­ver­grö­ße­run­gen, die von der ESA-Mis­si­on Euclid am 15. Okto­ber 2024 ver­öf­fent­licht wur­den. Oben links ist eine Kar­te des gesam­ten Him­mels (41 000 Qua­drat­grad) zu sehen, auf der die Posi­ti­on des Euclid-Mosa­iks am Süd­him­mel gelb her­vor­ge­ho­ben ist. Das Mosa­ik ent­hält 260 Beob­ach­tun­gen, die zwi­schen dem 25. März und dem 8. April 2024 gemacht wur­den. In nur zwei Wochen deck­te Euclid 132 Qua­drat­grad des Süd­him­mels ab. Das ist mehr als 500 Mal die Flä­che des Voll­monds von der Erde aus gese­hen. Oben rechts ist Euclids Bild­feld mit der Flä­che des Voll­monds ver­gli­chen. Das Mosa­ik zeigt die Lage der ver­schie­de­nen ver­grö­ßer­ten Bil­der. Über den Ein­zel­bil­dern ist der Zoom­fak­tor ange­ge­ben (3- bis 600-fache Ver­grö­ße­rung im Ver­gleich zum ursprüng­li­chen Mosaik).

„Die­ses atem­be­rau­ben­de Bild ist der ers­te Teil einer Kar­te, die in sechs Jah­ren mehr als ein Drit­tel des Him­mels abde­cken wird. Zwar han­delt es sich nur um 1 % der Kar­te, und doch ist sie vol­ler ver­schie­de­ner Quel­len, die Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­lern hel­fen wer­den, neue Wege zur Beschrei­bung des Uni­ver­sums zu fin­den“, sagt Vale­ria Pet­to­ri­no, Euclid-Pro­jekt­wis­sen­schaft­le­rin bei der ESA.

Die emp­find­li­chen Kame­ras in der Raum­son­de haben eine unglaub­li­che Anzahl von Objek­ten in allen Ein­zel­hei­ten erfasst. Wenn wir sehr tief in das Mosa­ik hin­ein­zoo­men, kön­nen wir immer noch deut­lich die ver­zweig­te Struk­tur einer Spi­ral­ga­la­xie erken­nen. Eine Beson­der­heit, die im Mosa­ik sicht­bar ist, sind die schwa­chen Wol­ken zwi­schen den Ster­nen in unse­rer Gala­xie; sie erschei­nen in hel­lem Blau vor dem schwar­zen Hin­ter­grund des Welt­raums. Dabei han­delt es sich um eine Mischung aus Gas und Staub, die auch als „galak­ti­scher Zir­rus“ bezeich­net wird, weil sie wie Zir­rus­wol­ken aus­sieht. Euclid kann die­se Wol­ken mit sei­ner hoch­emp­find­li­chen Kame­ra für sicht­ba­res Licht sehen, weil sie das opti­sche Licht der Milch­stra­ße reflek­tie­ren. Die Wol­ken leuch­ten auch im fer­nen Infra­rot­licht, wie die Planck-Mis­si­on der ESA nach­ge­wie­sen hat.

NGC 2188 & Abell 3381
In der Mit­te links ist die Spi­ral­ga­la­xie NGC 2188 in einer Ent­fer­nung von 25 Mil­lio­nen Licht­jah­ren am Ran­de sicht­bar. In der rech­ten obe­ren Ecke ist der Gala­xien­hau­fen Abell 3381 deut­lich zu erken­nen, der 678 Mil­lio­nen Licht­jah­re von uns ent­fernt ist. – Cre­dit: ESA/Euclid/Euclid Consortium/NASA, CEA Paris-Saclay, Bild­be­ar­bei­tung von J.-C. Cuil­land­re, E. Ber­tin, G. Ansel­mi (CC BY-SA 3.0 IGO)

Das heu­te ver­öf­fent­lich­te Mosa­ik ist ein Vor­ge­schmack auf das, was die Euclid-Mis­si­on noch brin­gen wird. Seit die Mis­si­on im Febru­ar mit ihren rou­ti­ne­mä­ßi­gen wis­sen­schaft­li­chen Beob­ach­tun­gen begon­nen hat, sind 12 % der Unter­su­chung abge­schlos­sen. Die dar­aus resul­tie­ren­den Bil­der geben bereits einen Ein­blick in die Her­aus­for­de­run­gen für die Infra­struk­tur der Daten­er­fas­sung und ‑ver­ar­bei­tung. Noch nie hat eine astro­no­mi­sche Welt­raum­mis­si­on in so kur­zer Zeit so vie­le Daten gelie­fert – täg­lich wer­den etwa 100 GB an Bil­dern und Spek­tren zur Erde gesen­det. Eine zen­tra­le Her­aus­for­de­rung des Pro­jekts ist die täg­li­che Ver­ar­bei­tung die­ser Daten.

Zu die­sem Zweck hat das Euclid-Kon­sor­ti­um ein euro­päi­sches Netz­werk von neun Daten­zen­tren auf­ge­baut, dar­un­ter das Deut­sche Wis­sen­schafts­da­ten­zen­trum (SDC-DE), das 7.000 Pro­zes­so­ren umfasst und 10 % der Daten ver­ar­bei­ten wird. Ein Team aus sechs Wis­sen­schaft­lern und IT-Spe­zia­lis­ten ent­wi­ckelt Algo­rith­men und betreut die Hardware.

ESO 364-G035 & G036
Auf der lin­ken Sei­te des Bil­des hat Euclid zwei Gala­xien (ESO 364-G035 und G036) ein­ge­fan­gen, die 420 Mil­lio­nen Licht­jah­re von uns ent­fernt mit­ein­an­der wech­sel­wir­ken. Auf der rech­ten Sei­te des Bil­des ist ein Teil des Gala­xien­hau­fen Abell 3381 zu sehen. – Cre­dit: ESA/Euclid/Euclid Consortium/NASA, CEA Paris-Saclay, Bild­be­ar­bei­tung von J.-C. Cuil­land­re, E. Ber­tin, G. Ansel­mi (CC BY-SA 3.0 IGO)

„Die sich stän­dig ändern­de Soft- und Hard­ware stellt unser Team vor gro­ße Her­aus­for­de­run­gen, um die ter­min­ge­rech­te Ver­ar­bei­tung sicher­zu­stel­len“, sagt Maxi­mi­li­an Fabri­ci­us (LMU und MPE), Lei­ter des SDC-DE. „Wir sind jedoch stolz, wie gut nun doch alles zusam­men­spielt und dass wir uns auf der Ziel­ge­ra­den zur Pro­zes­sie­rung für den ers­ten öffent­li­chen Daten­re­lease befinden.“

Die Ver­öf­fent­li­chung von 53 Qua­drat­grad der Ver­mes­sung, ein­schließ­lich einer Vor­schau auf die Euclid Deep Field-Gebie­te, ist für März 2025 geplant. Die kos­mo­lo­gi­schen Daten des ers­ten Mis­si­ons­jah­res wer­den 2026 für die All­ge­mein­heit freigegeben.

Über Euclid

Euclid wur­de im Juli 2023 gestar­tet und begann am 14. Febru­ar 2024 mit sei­nen rou­ti­ne­mä­ßi­gen wis­sen­schaft­li­chen Beob­ach­tun­gen. Im Novem­ber 2023 und Mai 2024 erhielt die Welt ers­te Ein­bli­cke in die Qua­li­tät der Bil­der von Euclid.

Euclid ist eine euro­päi­sche Mis­si­on, die von der ESA mit Unter­stüt­zung der NASA gebaut und betrie­ben wird. Das Euclid-Kon­sor­ti­um, dem mehr als 2000 Wis­sen­schaft­ler aus 300 Insti­tu­ten in 15 euro­päi­schen Län­dern, sowie den USA, Kana­da und Japan ange­hö­ren, ist für die Bereit­stel­lung der wis­sen­schaft­li­chen Instru­men­te, wie die VIS- und NISP-Kame­ras, und die wis­sen­schaft­li­che Daten­ana­ly­se ver­ant­wort­lich. Die ESA wähl­te Tha­les Ale­nia Space als Haupt­auf­trag­neh­mer für den Bau des Satel­li­ten und sei­nes Ser­vice­mo­duls aus. Air­bus Defence and Space wur­de mit der Ent­wick­lung des Nutz­last­mo­duls, ein­schließ­lich des Tele­skops, beauf­tragt. Die NASA stell­te die Detek­to­ren des Nahin­fra­rot-Spek­tro­me­ters und ‑Pho­to­me­ters NISP zur Ver­fü­gung. Euclid ist eine M‑Klassemission im Rah­men des Cos­mic Visi­on Pro­gram­me der ESA.

Von deut­scher Sei­te sind das Max-Planck-Insti­tut für Astro­no­mie in Hei­del­berg, das Max-Planck-Insti­tut für extra­ter­res­tri­sche Phy­sik in Gar­ching, die Lud­wig-Maxi­mi­li­ans-Uni­ver­si­tät Mün­chen, die Uni­ver­si­tät Bonn, die Ruhr-Uni­ver­si­tät Bochum, die Uni­ver­si­tät Bie­le­feld und die Deut­sche Raum­fahrt­agen­tur im Deut­schen Zen­trum für Luft- und Raum­fahrt (DLR) in Bonn am Euclid-Pro­jekt betei­ligt. Die Deut­sche Raum­fahrt­agen­tur im DLR koor­di­niert die deut­schen ESA-Bei­trä­ge und stellt für die betei­lig­ten deut­schen For­schungs­in­sti­tu­te 60 Mil­lio­nen Euro aus dem Natio­na­len Raum­fahrt­pro­gramm bereit. Mit rund 21 % ist Deutsch­land der wich­tigs­te Bei­trags­zah­ler zum Wis­sen­schafts­pro­gramm der ESA.

MN

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Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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