Mit Webb die Ursprünge des Krebsnebels erforschen

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Der Krebs­ne­bel ist ein nahe­ge­le­ge­nes Bei­spiel für die Über­res­te, die ein Stern hin­ter­lässt, wenn er bei einer Super­no­va-Explo­si­on einen gewalt­sa­men Tod erlei­det. Trotz jahr­zehn­te­lan­ger For­schung ist die­ser Super­no­va-Über­rest jedoch immer noch ein Rät­sel: Wel­che Art von Stern war für die Ent­ste­hung des Krebs­ne­bels ver­ant­wort­lich und was war die Natur der Explo­si­on? Das James-Webb-Welt­raum­te­le­skop von NASA/ESA/CSA hat eine neue Ansicht des Krebs­ne­bels gelie­fert, ein­schließ­lich der bis­her hoch­wer­tigs­ten Infra­rot­da­ten, die Wis­sen­schaft­lern bei der Erfor­schung der detail­lier­ten Struk­tur und che­mi­schen Zusam­men­set­zung des Über­rests hel­fen. Die­se Hin­wei­se hel­fen dabei, die unge­wöhn­li­che Art und Wei­se zu ent­schlüs­seln, wie der Stern vor etwa 1000 Jah­ren explodierte.

Bild des Krebs­ne­bels, auf­ge­nom­men von Webb’s NIR­Cam und MIRI – Cre­dit: NASA, ESA, CSA, STScI, T. Tem­im (Prince­ton University)

Ein For­scher­team nutz­te das James-Webb-Welt­raum­te­le­skop der NASA/ESA/CSA, um die Zusam­men­set­zung des Krebs­ne­bels zu ana­ly­sie­ren, eines Super­no­va­über­rests, der sich 6.500 Licht­jah­re ent­fernt im Stern­bild Stier befin­det. Mit dem MIRI (Mid-Infrared Instru­ment) und der NIR­Cam (Near-Infrared Came­ra) des Tele­skops sam­mel­te das Team Daten, die dazu bei­tra­gen, die Geschich­te des Krebs­ne­bels aufzuklären.

Der Krebs­ne­bel ist das Ergeb­nis einer Kern­kol­laps-Super­no­va, die den Tod eines mas­se­rei­chen Sterns dar­stellt. Die Super­no­va-Explo­si­on selbst wur­de 1054 n. Chr. auf der Erde beob­ach­tet und war hell genug, um sie tags­über zu sehen. Der viel schwä­che­re Über­rest, der heu­te zu sehen ist, ist eine sich aus­deh­nen­de Hül­le aus Gas und Staub und ein aus­strö­men­der Wind, der von einem Pul­sar, einem schnell rotie­ren­den und stark magne­ti­sier­ten Neu­tro­nen­stern, ange­trie­ben wird.

Auch der Krebs­ne­bel ist höchst unge­wöhn­lich. Sei­ne aty­pi­sche Zusam­men­set­zung und die sehr gerin­ge Explo­si­ons­en­er­gie haben die Astro­no­men bis­her zu der Annah­me ver­an­lasst, dass es sich um eine Elek­tro­nen­ein­fang-Super­no­va han­delt – eine sel­te­ne Art von Explo­si­on, die aus einem Stern mit einem weni­ger ent­wi­ckel­ten Kern aus Sau­er­stoff, Neon und Magne­si­um ent­steht, anstatt aus einem typi­schen Eisenkern.

Frü­he­re For­schungs­ar­bei­ten haben die gesam­te kine­ti­sche Ener­gie der Explo­si­on anhand der Men­ge und Geschwin­dig­keit der heu­ti­gen Aus­wür­fe berech­net. Die Astro­no­men schlos­sen dar­aus, dass die Explo­si­on eine rela­tiv nied­ri­ge Ener­gie hat­te (weni­ger als ein Zehn­tel der Ener­gie einer nor­ma­len Super­no­va) und die Mas­se des Vor­läu­fer­sterns im Bereich von acht bis zehn Son­nen­mas­sen lag – also auf der schma­len Linie zwi­schen Ster­nen, die einen gewalt­sa­men Super­no­va-Tod erle­ben und sol­chen, bei denen dies nicht der Fall ist.

Es bestehen jedoch Unstim­mig­kei­ten zwi­schen der Theo­rie der Elek­tro­nen­ein­fang-Super­no­va und den Beob­ach­tun­gen des Zen­tral­sterns im Krebs­ne­bel, ins­be­son­de­re der beob­ach­te­ten schnel­len Bewe­gung des Pul­sars. In den letz­ten Jah­ren haben Astro­no­men auch ihr Ver­ständ­nis von Super­no­vae mit Eisen­kern­kol­laps ver­bes­sert und glau­ben nun, dass die­ser Typ auch Explo­sio­nen mit nied­ri­ger Ener­gie erzeu­gen kann, vor­aus­ge­setzt, die Stern­mas­se ist aus­rei­chend gering.

Um den Grad der Unsi­cher­heit hin­sicht­lich des Vor­gän­ger­sterns des Krebs­ne­bels und der Natur der Explo­si­on zu ver­rin­gern, nutz­te das Wis­sen­schafts­team die spek­tro­sko­pi­schen Fähig­kei­ten von Webb, um zwei Berei­che in den inne­ren Fila­men­ten des Krebs­ne­bels zu orten.

Theo­rien sagen vor­aus, dass auf­grund der unter­schied­li­chen che­mi­schen Zusam­men­set­zung des Kerns in einer Super­no­va mit Elek­tro­nen­ein­fang das Ver­hält­nis von Nickel zu Eisen (Ni/Fe) viel höher sein soll­te als das in unse­rer Son­ne gemes­se­ne Ver­hält­nis (die die­se Ele­men­te aus frü­he­ren Gene­ra­tio­nen von Ster­nen ent­hält). In Stu­di­en Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jah­re wur­de das Ni/­Fe-Ver­hält­nis im Krebs­ne­bel mit Hil­fe von opti­schen und Nahin­fra­rot-Daten gemes­sen und ein hohes Ni/­Fe-Häu­fig­keits­ver­hält­nis fest­ge­stellt, das für das Elek­tro­nen­ein­fang-Super­no­va-Sze­na­rio zu spre­chen schien.

Das Webb-Tele­skop mit sei­nen emp­find­li­chen Infra­rot­fä­hig­kei­ten treibt nun die For­schung im Krebs­ne­bel vor­an. Das Team nutz­te die spek­tro­sko­pi­schen Fähig­kei­ten von MIRI, um die Emis­si­ons­li­ni­en von Nickel und Eisen zu mes­sen, was zu einer zuver­läs­si­ge­ren Schät­zung des Ni/­Fe-Häu­fig­keits­ver­hält­nis­ses führ­te. Sie stell­ten fest, dass das Ver­hält­nis im Ver­gleich zur Son­ne immer noch erhöht war, aber nur gering­fü­gig und im Ver­gleich zu frü­he­ren Schät­zun­gen viel niedriger.

Die über­ar­bei­te­ten Wer­te stim­men mit Elek­tro­nen­ein­fang über­ein, schlie­ßen aber eine Explo­si­on mit Eisen­kern­kol­laps von einem ähn­lich mas­se­ar­men Stern nicht aus. Es wird erwar­tet, dass Explo­sio­nen mit höhe­rer Ener­gie von Ster­nen mit höhe­rer Mas­se Ni/­Fe-Ver­hält­nis­se erzeu­gen, die näher an den sola­ren Häu­fig­kei­ten lie­gen. Um zwi­schen die­sen bei­den Mög­lich­kei­ten zu unter­schei­den, sind wei­te­re Beob­ach­tun­gen und theo­re­ti­sche Arbei­ten erforderlich.

Außer der Erfas­sung spek­tra­ler Daten aus zwei klei­nen Berei­chen im Inne­ren des Krebs­ne­bels zur Mes­sung des Häu­fig­keits­ver­hält­nis­ses beob­ach­te­te das Tele­skop auch die wei­te­re Umge­bung des Über­rests, um Details der Syn­chro­tro­ne­mis­si­on und der Staub­ver­tei­lung zu verstehen.

Die von MIRI gesam­mel­ten Bil­der und Daten ermög­lich­ten es dem Team, die Staub­emis­si­on inner­halb des Kreb­ses zu iso­lie­ren und zum ers­ten Mal in hoher Auf­lö­sung zu kar­tie­ren. Durch die Kar­tie­rung der war­men Staub­emis­si­on mit Webb und die Kom­bi­na­ti­on mit den Daten des Her­schel-Welt­raum­ob­ser­va­to­ri­ums über küh­le­re Staub­kör­ner konn­te das Team ein abge­run­de­tes Bild der Staub­ver­tei­lung erstel­len: Die äußers­ten Fila­men­te ent­hal­ten rela­tiv war­men Staub, wäh­rend in der Nähe des Zen­trums küh­le­re Kör­ner vorherrschen.

Die­se Ergeb­nis­se wur­den zur Ver­öf­fent­li­chung in The Astro­phy­si­cal Jour­nal Let­ters angenommen.

Die Beob­ach­tun­gen wur­den im Rah­men des Webb Gene­ral Obser­ver-Pro­gramms 1714 durchgeführt.

ESA/Hubble/Webb Infor­ma­ti­on Centre

Hintergrundinformationen

Webb ist das größ­te und leis­tungs­stärks­te Tele­skop, das jemals in den Welt­raum gebracht wur­de. Im Rah­men einer inter­na­tio­na­len Koope­ra­ti­ons­ver­ein­ba­rung stell­te die ESA den Start­dienst des Tele­skops mit der Trä­ger­ra­ke­te Aria­ne 5 bereit. In Zusam­men­ar­beit mit Part­nern war die ESA für die Ent­wick­lung und Qua­li­fi­ka­ti­on der Aria­ne-5-Adap­tio­nen für die Webb-Mis­si­on und für die Beschaf­fung des Start­diens­tes durch Aria­nespace ver­ant­wort­lich. Die ESA stell­te außer­dem den Arbeits­spek­tro­gra­phen NIR­Spec und 50% des Mit­tel­in­fra­rot­in­stru­ments MIRI zur Ver­fü­gung, das von einem Kon­sor­ti­um natio­nal finan­zier­ter euro­päi­scher Insti­tu­te (dem MIRI Euro­pean Con­sor­ti­um) in Zusam­men­ar­beit mit JPL und der Uni­ver­si­ty of Ari­zo­na ent­wor­fen und gebaut wurde.

Webb ist eine inter­na­tio­na­le Part­ner­schaft zwi­schen NASA, ESA und der Cana­di­an Space Agen­cy (CSA).

Links

Link zur Pres­se­mit­tei­lung: ESA/Hubble/Webb weic2417

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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